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  • 05.11.2019 · IWW-Abrufnummer 212066

    Bundessozialgericht: Urteil vom 08.10.2019 – B 12 KR 2/19 R, B 12 KR 8/19 R

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    B 12 KR 2/19 R

    Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 25. April 2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

    Gründe:

    I

    1

    Die Beteiligten streiten darüber, ob drei einmalige Kapitalleistungen in Höhe von insgesamt 353 769,72 Euro als Versorgungsbezüge der Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (sPV) unterliegen.

    2

    Der Kläger war als Seelotse Mitglied der Lotsenbrüderschaft Nord-Ostsee-Kanal II. Er bezieht seit 1.9.2012 eine Altersrente der beklagten Deutschen Rentenversicherung (DRV) Knappschaft-Bahn-See. Als Rentner ist der Kläger bei der Beklagten als Kranken- und Pflegekasse pflichtversichertes Mitglied in der GKV und sPV. Neben der Altersrente erhält er seit September 2012 einen laufenden Versorgungsbezug der beigeladenen Bundeslotsenkammer - Gemeinsame Übergangskassen der Reviere/Gemeinsame Ausgleichskasse (GÜK/GAK).

    3

    Am 3.9.2012 erhielt der Kläger von der H. (H.) einmalige Kapitalleistungen in Höhe von 38 774,98 Euro (Nr K1), 154 411,04 Euro (Nr K2) und 160 583,70 Euro (Nr K8). Grundlage dieser Leistungen ist ein zwischen der beigeladenen Bundeslotsenkammer und der Rechtsvorgängerin der H. abgeschlossener Gruppenversicherungsvertrag vom 7./20.7.1972 (GVV). Danach sind Mitglieder einer vom GVV erfassten Lotsenbrüderschaft Versicherungsnehmer einer Berufsunfähigkeits-, Alters-, Witwen- und Waisenrentenversicherung (§§ 1, 2 und 6 GVV). Die Beklagte legte 1/120 der jeweiligen Kapitalleistung sowie den Versorgungsbezug der GÜK/GAK der Beitragserhebung in der GKV und sPV bis zum Differenzbetrag von Beitragsbemessungsgrenze und Altersrente für die Zeit ab 1.10.2012 zugrunde (Bescheide vom 3., 5., 19.10., 20.12.2012, Widerspruchsbescheid vom 8.3.2013).

    4

    Während des Klageverfahrens hat die Beklagte die Beiträge für die Zeit ab 1.5.2013 neu festgesetzt (Bescheide vom 8.5., 10.7., 6.9., 18.12.2013, 11.7., 30.7., 21.8., 18.12.2014, 7.7., 15.7.2015). Das SG Schleswig hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 8.9.2015). Das Schleswig-Holsteinische LSG hat die Berufung zurückgewiesen und die Klage gegen die im Berufungsverfahren für die Zeit ab 1.1.2016 erlassenen Beitragsbescheide (17.12.2015, 8.7., 21.12.2016, 13.7., 4.8., 23.12.2017) abgewiesen (Urteil vom 25.4.2018). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Bei den Kapitalleistungen handele es sich um beitragspflichtige Renten einer für Angehörige bestimmter Berufe errichteten Versicherungseinrichtung. Sie wiesen einen unmittelbaren Bezug zur früheren Erwerbstätigkeit des Klägers als bestallter Lotse sowie Mitglied einer Lotsenbrüderschaft auf und hätten Einkommensersatzfunktion. Das Versicherungsverhältnis habe nicht lediglich auf berufsfremder Eigenvorsorge beruht. Die Rechtsprechung des BVerfG zur Beitragspflicht von Direktversicherungen ändere an dieser Beurteilung nichts. Eine Lösung des beruflichen Bezugs durch ein Ausscheiden aus der Lotsenbrüderschaft liege nicht vor.

    5

    Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V iVm Art 3 Abs 1 GG sowie von Art 3 Abs 1 GG. Die im Senatsurteil vom 10.6.1988 (12 RK 35/86 - SozR 2200 § 180 Nr 43) geforderte Versorgung der Lotsen entsprechend derjenigen eines Kapitäns auf Großer Fahrt sei bereits durch die gesetzliche Altersrente und die Leistungen der GÜK/GAK erreicht. Die streitigen Kapitalleistungen gingen über dieses Sicherungsniveau hinaus und seien vom Auftrag des § 28 Abs 1 Nr 6 Seelotsgesetz (SeeLG, in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.9.1984 (BGBl I 1213); zuvor § 32 Abs 1 Nr 6 SeeLG in der Fassung vom 13.10.1954 (BGBl II 1035)), Maßnahmen für eine ausreichende Versorgung der Seelotsen zu treffen, nicht gedeckt. Die vom BVerfG zur Beitragspflicht von Leistungen aus einer Direktversicherung iS von § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V entwickelten Grundsätze ließen sich auf den vorliegenden Fall übertragen. Er sei von Anfang an Versicherungsnehmer gewesen sei und habe damit von vornherein eines der vom BVerfG für die Beitragsfreiheit geforderten Kriterien erfüllt. Der allgemeine Gleichheitssatz sei verletzt, wenn im Vergleich zu anderen Altersvorsorgeprodukten Beiträge sowohl in der Anspar- als auch in der Auszahlungsphase und damit doppelt erhoben würden.

    6

    Der Kläger beantragt, die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 25. April 2018 und des Sozialgerichts Schleswig vom 8. September 2015 aufzuheben sowie die Bescheide der Beklagten vom 3. Oktober 2012, 5. Oktober 2012, 19. Oktober 2012 und 20. Dezember 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. März 2013 und die Bescheide vom 8. Mai 2013, 10. Juli 2013, 6. September 2013, 18. Dezember 2013, 11. Juli 2014, 30. Juli 2014, 21. August 2014, 18. Dezember 2014, 7. Juli 2015, 15. Juli 2015, 17. Dezember 2015, 8. Juli 2016, 21. Dezember 2016, 13. Juli 2017, 4. August 2017 und 23. Dezember 2017 insoweit aufzuheben, als Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung auf Kapitalzahlungen der H. (Nr K8, K1 und K2) festgesetzt worden sind.

    7

    Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.

    8

    Die beigeladene Bundeslotsenkammer hat keinen Antrag gestellt.

    II

    9

    Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG die Berufung gegen das die Anfechtungsklage abweisende erstinstanzliche Urteil zurückgewiesen und die Klage gegen die während des Berufungsverfahrens ergangenen Beitragsbescheide abgewiesen. Die beklagte DRV Knappschaft-Bahn-See hat als Kranken- und Pflegekasse zutreffend Beiträge zur GKV und sPV auf die dem Kläger zugeflossenen Kapitalleistungen festgesetzt.

    10

    1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind neben den während des Widerspruchs- und Klageverfahrens erlassenen Beitragsfestsetzungsverwaltungsakten (§§ 86, 96 Abs 1 SGG) auch die Verwaltungsakte in den im Laufe des Berufungsverfahrens ergangenen Bescheiden der Beklagten. Sie haben die vorangegangenen unbefristeten Dauerverwaltungsakte abgeändert (§ 96 Abs 1 iVm § 153 Abs 1 SGG). Über sie hat das LSG zu Recht nicht auf Berufung, sondern erstinstanzlich auf Klage entschieden (vgl ua BSG Urteil vom 25.2.2010 - B 13 R 61/09 R - SozR 4-5050 § 22 Nr 10 RdNr 15 mwN).

    11

    2. Die dem Kläger ausgezahlten Kapitalleistungen unterliegen als Versorgungsbezüge iS von § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V der Beitragspflicht in der GKV. Nach § 237 Satz 1 SGB V wird der Bemessung der Beiträge bei in der GKV pflichtversicherten Rentnern - wie dem Kläger - neben dem Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung auch der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen zugrunde gelegt. Hierunter fallen nach § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V "Renten der Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen, die für Angehörige bestimmter Berufe errichtet sind", soweit sie "wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden". Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt.

    12

    a) Die Kapitalleistungen wurden wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt (vgl hierzu BSG Urteil vom 26.2.2019 - B 12 KR 12/18 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 26 RdNr 14 ff, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Der Kläger war mit seiner Bestallung zum Seelotsen über den zwischen der beigeladenen Bundeslotsenkammer und der H. abgeschlossenen GVV im Wege einer unechten Gruppenversicherung abgesichert. Nach § 2 GVV werden Anwartschaften auf Berufsunfähigkeits-, Alters- , Witwen- und Waisenrenten versichert.

    13

    b) Die von der H. gezahlten Kapitalleistungen stammten auch von einer "Versicherungs- und Versorgungseinrichtung". Der Senat hat bereits zu der § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V inhaltlich entsprechenden Vorläuferregelung des § 180 Abs 8 Satz 2 Nr 3 RVO entschieden, dass auch privatrechtliche Versicherungseinrichtungen erfasst sind, und zwar auch dann, wenn die Mitgliedschaft bei der Einrichtung nicht auf einer gesetzlich begründeten Pflicht beruht, sondern freiwillig ist (zum Ganzen BSG Urteil vom 30.1.1997 - 12 RK 17/96 - SozR 3-2500 § 229 Nr 15 S 74 ff, unter Hinweis auf BSG Urteil vom 30.3.1995 - 12 RK 40/94 - SozR 3-2500 § 229 Nr 6 S 22 f und BSG Urteil vom 10.6.1988 - 12 RK 25/86 - SozR 2200 § 180 Nr 42 S 174 f).

    14

    c) Schließlich liegt eine für bestimmte Berufe errichtete Versicherungs- und Versorgungseinrichtung vor. Die Kapitalleistungen weisen den notwendigen Berufsbezug auf.

    15

    aa) Die den Kapitalleistungen zugrunde liegende Versicherung ist allein der Berufsgruppe der Seelotsen bestimmter Lotsenbrüderschaften vorbehalten. Seelotse ist, wer nach behördlicher Zulassung berufsmäßig auf Seeschifffahrtstraßen außerhalb der Häfen oder über See Schiffe als orts- und schifffahrtskundiger Berater geleitet (§ 1 Satz 1 SeeLG). Wer den Beruf eines Seelotsen in einem Seelotsrevier ausüben will, bedarf einer Bestallung (§ 7 SeeLG; zuvor § 9 SeeLG). Die für ein Seelotsrevier bestallten Seelotsen bilden eine Lotsenbrüderschaft in der Rechtsform der Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 27 Abs 1 SeeLG; zuvor § 31 Abs 1 SeeLG). Die ausschließlich für die Berufsgruppe der Seelotsen aufgrund des GVV vorgesehenen Versicherungsleistungen hat der Senat bereits als beitragspflichtige Versorgungsbezüge iS des § 180 Abs 8 Satz 2 Nr 3 RVO qualifiziert (BSG Urteil vom 10.6.1988 - 12 RK 35/86 - SozR 2200 § 180 Nr 43). Hieran hält der Senat auch unter Geltung des § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V fest. Beide Normen sind inhaltsgleich (zur Gesetzeshistorie der Beitragspflicht von Versorgungsbezügen vgl BSG Urteil vom 18.12.1984 - 12 RK 11/84 - BSGE 58, 1, 7 f = SozR 2200 § 180 Nr 23 S 82 f). Nach § 180 Abs 8 Satz 2 Nr 3 RVO in der bis zum 31.12.1988 gültigen Fassung (BGBl I 2477) galten Renten der Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen für Berufsgruppen als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge). Diese Regelung wurde mit § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V beibehalten (vgl BT-Drucks 11/2237 S 223 zu § 238).

    16

    bb) Ungeachtet dessen wird die Exklusivität und Berufsbezogenheit des den Kapitalleistungen zugrunde liegenden Versicherungsverhältnisses durch die Ausgestaltung des GVV deutlich. Das Versicherungsverhältnis kommt im Rahmen einer unechten Gruppenversicherung (zum Ganzen: Schneider in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 30. Aufl 2018, Vor § 150 VVG RdNr 31; Millauer, Rechtsgrundsätze der Gruppenversicherung, 2. Aufl 1966, S 99) mit den jeweiligen Seelotsen als Versicherungsnehmer verpflichtend, automatisch und ausnahmslos mit der Aufnahme der Tätigkeit durch Bestallung als Seelotse in einer vom GVV erfassten Lotsenbrüderschaft zustande (§§ 1, 6 Satz 1 GVV). Eine Kündigung durch den Versicherungsnehmer ist nicht vorgesehen. Lediglich beim Ausscheiden aus einer Lotsenbrüderschaft tritt die Versicherung außer Kraft, soweit sie nicht auf Wunsch des Versicherungsnehmers fortgesetzt wird (§ 7 Satz 2 und 4 GVV). Nur bei einer Kündigung des GVV durch die beigeladene Bundeslotsenkammer oder das Versicherungsunternehmen besteht die Möglichkeit der Auflösung und Rückabwicklung (§ 10 GVV). Zudem besteht eine weitreichende Verpflichtung des Versicherungsunternehmens, auf eine Gesundheitsprüfung zu verzichten (§ 5 GVV). Darüber hinaus belegen auch die Regelungen über den Prämieneinzug die Berufsbezogenheit der Versicherung: Nach den nicht angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) zog die Lotsenbrüderschaft die Versicherungsprämien - wie bei einem Quellenabzugsverfahren - von den Lotsgeldern ab. Die Bundeslotsenkammer überwies die fälligen Prämien in einem Betrag kostenfrei an das Versicherungsunternehmen.

    17

    Schließlich trägt der GVV einer speziell Seelotsen betreffenden gesetzlichen Verpflichtung Rechnung. Nach § 28 Abs 1 Nr 6 SeeLG (zuvor § 32 Abs 1 Nr 6 SeeLG) obliegt es der Lotsenbrüderschaft insbesondere, Maßnahmen zu treffen, die eine ausreichende Versorgung der Seelotsen und ihrer Hinterbliebenen für den Fall des Alters, der Berufsunfähigkeit und des Todes gewährleisten, und die Durchführung dieser Maßnahmen zu überwachen (zur Umsetzung vgl Heinrich/Steinicke, Seelotswesen, 3. Aufl 2011, § 28 S 56 f). Dabei ist es irrelevant, ob die Versicherungsleistungen aufgrund des GVV zur Sicherstellung einer ausreichenden Versorgung der Seelotsen notwendig sind oder - wie der Kläger meint - eine überobligatorische Versorgung darstellen. Entscheidend für den Charakter einer Kapitalleistung als Versorgungsbezug nach § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V ist lediglich, dass sie von einer für eine bestimmte Berufsgruppe errichteten Versicherungseinrichtung bezogen wird. Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch dem Senatsurteil vom 10.6.1988 (12 RK 35/86 - SozR 2200 § 180 Nr 43) nicht die Forderung zu entnehmen, das gebotene Sicherungsniveau müsse zwingend (nur) demjenigen eines Kapitäns auf Großer Fahrt entsprechen. In dieser Entscheidung wird lediglich wegen des für die Bestallung als Seelotse notwendigen Befähigungszeugnisses als Kapitän auf Großer Fahrt der Schluss gezogen, die "Versorgung der Seelotsen der Reviere soll sich deshalb an derjenigen eines Kapitäns auf Großer Fahrt ausrichten" und für den Beitrag zur Angestelltenversicherung sei "der nach § 842 RVO für einen Kapitän auf Großer Fahrt festgesetzte Durchschnitt des Barentgelts und des Durchschnittssatzes für Beköstigung maßgebend" (BSG aaO S 177).

    18

    cc) Mit der vorliegenden Entscheidung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu seinem Urteil vom 10.10.2017 (B 12 KR 2/16 R - BSGE 124, 195 = SozR 4-2500 § 229 Nr 22 (Versorgungswerk der Presse)). Der Kreis der Mitglieder des Versorgungswerks der Presse war - anders als hier und von § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V gefordert - nach seiner Satzung nicht auf die Angehörigen eines Berufs oder mehrerer Berufe beschränkt. Vielmehr konnte das Versorgungswerk der Presse für alle Personen, deren Aufnahme der Verwaltungsrat zustimmt, also auch Berufsfremde, Versicherungen nach seiner Satzung beschaffen (BSG aaO, RdNr 21). Dem ist nicht gleichzusetzen, dass aus den Lotsenbrüderschaften austretende Personen nach § 7 Satz 4 GVV innerhalb von drei Monaten nach ihrem Austritt unter Einreichung des Versicherungsscheins von dem Versicherungsunternehmen die Fortsetzung der durch ihren Austritt erloschenen Versicherung ohne Gesundheitsprüfung nach dem entsprechenden Fortsetzungstarif des Versicherungsunternehmens verlangen können. Die Fortsetzungsmöglichkeit ändert nichts daran, dass die Versicherung überhaupt nur bei Mitgliedern einer Lotsenbrüderschaft zustande kommt.

    19

    3. Eine gegen das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG verstoßende Doppelverbeitragung liegt nicht vor. Der Senat hat bereits entschieden, dass die Beitragspflicht auf einen Versorgungsbezug nach §§ 237, 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V nicht den allgemeinen Gleichheitssatz verletzt, soweit ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen bei der Verbeitragung von Aufwendungen für die betriebliche Altersversorgung in der Ansparphase geltend gemacht werden. Der Gesetzgeber hat ein "Verbot der Doppelverbeitragung" nicht zu beachten. Ein Grundsatz, demzufolge mit aus bereits der Beitragspflicht unterliegenden Einnahmen vom Versicherten selbst finanzierte Versorgungsbezüge der Beitragspflicht überhaupt nicht oder jedenfalls nicht mit dem vollen Beitragssatz unterworfen werden dürfen, existiert im Beitragsrecht der GKV nicht (vgl BSG Urteil vom 12.11.2008 - B 12 KR 10/08 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 6 RdNr 40 mwN). Die Herausnahme von Leistungen der so genannten "Riesterrente" aus der Beitragspflicht als Versorgungsbezug nach § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 Halbsatz 2 SGB V in der zum 1.1.2018 eingeführten Fassung des Betriebsrentenstärkungsgesetzes vom 17.8.2017 (BGBl I 3214) führt zu keiner anderen Beurteilung. Diese Privilegierung ist wegen des vom Gesetzgeber verfolgten Ziels, Altersarmut zu bekämpfen, sachlich gerechtfertigt und hält sich in den Grenzen einer verfassungsrechtlich zulässigen Typisierung (vgl BSG Urteil vom 26.2.2019 - B 12 KR 13/18 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 25 RdNr 18 ff).

    20

    4. Auch aus der Rechtsprechung des BVerfG folgt kein anderes Ergebnis. Die Heranziehung von Versorgungsbezügen bei der Beitragsbemessung in der GKV begegnet im Grundsatz keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl zuletzt BSG Urteil vom 10.10.2017 - B 12 KR 2/16 R - BSGE 124, 195 = SozR 4-2500 § 229 Nr 22, RdNr 14 (Versorgungswerk der Presse) mit Hinweisen auf die Rspr des BVerfG und des BSG). Das BVerfG hat nur in Sonderfällen bestimmte Leistungsanteile von der Beitragspflicht als Versorgungsbezug ausgenommen. Voraussetzung dafür ist einerseits die Auflösung des beruflichen Bezugs und andererseits der Wechsel in der Versicherungsnehmereigenschaft. Nach dem Kammerbeschluss des BVerfG vom 28.9.2010 zu Direktversicherungen iS von § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V dürfen Kapitalleistungen insoweit nicht als Versorgungsbezüge der Beitragspflicht unterworfen werden, als sie auf Prämien beruhen, die ein Arbeitnehmer nach dem Ende seines Arbeitsverhältnisses auf einen Kapitallebensversicherungsvertrag unter Einrücken in die Stellung des Versicherungsnehmers eingezahlt hat (1 BvR 1660/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 11 RdNr 15 ff). Rentenleistungen einer Pensionskasse sind nach einem Kammerbeschluss des BVerfG vom 27.6.2018 (1 BvR 100/15 ua - NJW 2018, 3169) dann von der Beitragspflicht ausgenommen, wenn sie auf einem nach Ende des Arbeitsverhältnisses geänderten oder ab diesem Zeitpunkt neu abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag zwischen der Pensionskasse und dem Versicherten beruhen, an dem der frühere Arbeitgeber nicht mehr beteiligt ist und in den nur der Versicherte Beiträge eingezahlt hat. Beide Entscheidungen betreffen Renten der betrieblichen Altersversorgung iS von § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V, nicht aber Renten einer für Angehörige bestimmter Berufe errichteten Versicherungs- und Versorgungseinrichtung nach § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V.

    21

    Selbst eine Übertragung dieser verfassungsrechtlichen Überlegungen auf die hier streitigen Renten würde deren Beitragspflicht nicht entfallen lassen. Zwar war der Kläger von Anfang an Versicherungsnehmer der den Kapitalleistungen zugrunde liegenden Versicherungen. Die Versicherungsnehmereigenschaft des Rentenbeziehers ist aber nach der Rechtsprechung des BVerfG nur eine Voraussetzung für den Ausschluss der Beitragspflicht. Die weitere Voraussetzung, die Lösung des beruflichen Bezugs des Versicherungsverhältnisses, ist beim Kläger nicht gegeben. Er war in der gesamten Ansparphase als Lotse tätig und gehörte durchgängig der vom GVV allein erfassten Berufsgruppe an. Zu keinem Zeitpunkt hat seine Versicherung einen mit einem frei zugänglichen Altersvorsorgeprodukt vergleichbaren Charakter erworben. Vielmehr war sie durchgehend einem bestimmten Personenkreis exklusiv vorbehalten.

    22

    5. Für die Beitragserhebung in der sPV gelten die vorgenannten Ausführungen gemäß § 57 Abs 1 Satz 1 SGB XI entsprechend.

    23

    6. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Höhe der berechneten Beiträge unzutreffend festgesetzt hätte, sind nicht ersichtlich. Aufgrund der einmaligen Auszahlung der Kapitalleistungen gilt nach § 229 Abs 1 Satz 3 SGB V, § 57 Abs 1 Satz 1 SGB XI ein Einhundertzwanzigstel als monatlicher Zahlbetrag, längstens für 120 Monate. Die konkrete Beitragsberechnung wird vom Kläger auch nicht beanstandet.

    24

    7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 Satz 1 SGG.  

    B 12 KR 8/19 R  

    08.10.2019  

    Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 31. Mai 2018 aufgehoben. Die Sache wird zu erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

    Gründe:

    I

    1

    Die Beteiligten streiten darüber, ob eine einmalige Kapitalleistung in Höhe von 286 522,35 Euro als Versorgungsbezug der Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (sPV) unterliegt.

    2

    Der Kläger war als Seelotse Mitglied der Lotsenbrüderschaft Nord-Ostsee-Kanal I. Er bezieht seit 1.7.2007 eine Altersrente der beklagten Deutschen Rentenversicherung (DRV) Knappschaft-Bahn-See. Als Rentner ist der Kläger bei der Beklagten als Kranken- und Pflegekasse pflichtversichertes Mitglied in der GKV und sPV. Neben der Altersrente erhält er einen laufenden Versorgungsbezug der beigeladenen Bundeslotsenkammer - Gemeinsame Übergangskassen der Reviere/Gemeinsame Ausgleichskasse (GÜK/GAK).

    3

    Zum 1.10.2007 erhielt der Kläger von der H. (H.) eine einmalige Kapitalleistung in Höhe von 286 522,35 Euro (Nr 8). Grundlage dieser Leistung ist ein zwischen der beigeladenen Bundeslotsenkammer und der Rechtsvorgängerin der H. abgeschlossener Gruppenversicherungsvertrag vom 7./20.7.1972 (GVV). Danach sind Mitglieder einer vom GVV erfassten Lotsenbrüderschaft Versicherungsnehmer einer Berufsunfähigkeits-, Alters-, Witwen- und Waisenrentenversicherung (§§ 1, 2 und 6 GVV). Die See-Krankenkasse als Rechtsvorgängerin der Beklagten legte 1/120 der Kapitalleistung der Beitragserhebung in der GKV und sPV für die Zeit ab 1.10.2007 zugrunde (Bescheid vom 7.11.2007, Widerspruchsbescheid vom 25.2.2013).

    4

    Das SG Lüneburg hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 21.5.2015). Der Kläger hat hiergegen am 27.7.2015 Berufung eingelegt und beantragt, die erstinstanzliche Entscheidung sowie den "Bescheid vom 07.11.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2013" aufzuheben. Nachdem die Beklagte weitere Beitragsbescheide (25.6., 15.7., 17.12.2015, 24.6., 8.7., 21.12.2016, 28.6., 19.7.2017) erlassen hatte, hat das LSG die Berufung durch Beschluss vom 31.5.2018 nach § 153 Abs 4 SGG in der Besetzung mit drei Berufsrichtern aus den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung zurückgewiesen. Die Gruppenversicherung sei notwendiger integraler Bestandteil einer angemessenen Alterssicherung der Seelotsen.

    5

    Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V iVm Art 3 Abs 1 GG sowie von Art 3 Abs 1 GG. Die im Senatsurteil vom 10.6.1988 (12 RK 35/86 - SozR 2200 § 180 Nr 43) geforderte Versorgung der Lotsen entsprechend derjenigen eines Kapitäns auf Großer Fahrt sei bereits durch die gesetzliche Altersrente und die Leistungen der GÜK/GAK erreicht. Die streitigen Kapitalleistungen gingen über dieses Sicherungsniveau hinaus und seien vom Auftrag des § 28 Abs 1 Nr 6 Seelotsgesetz (SeeLG, in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.9.1984 (BGBl I 1213); zuvor § 32 Abs 1 Nr 6 SeeLG in der Fassung vom 13.10.1954 (BGBl II 1035)), Maßnahmen für eine ausreichende Versorgung der Seelotsen zu treffen, nicht gedeckt. Die vom BVerfG zur Beitragspflicht von Leistungen aus einer Direktversicherung iS von § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V entwickelten Grundsätze ließen sich auf den vorliegenden Fall übertragen. Er sei von Anfang an Versicherungsnehmer gewesen und habe damit von vornherein eines der vom BVerfG für die Beitragsfreiheit geforderten Kriterien erfüllt. Der allgemeine Gleichheitssatz sei verletzt, wenn im Vergleich zu anderen Altersvorsorgeprodukten Beiträge sowohl in der Anspar- als auch in der Auszahlungsphase und damit doppelt erhoben würden.

    6

    Der Kläger beantragt,

    den Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 31. Mai 2018 und das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 21. Mai 2015 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Februar 2013 und die Bescheide vom 25. Juni 2015, 15. Juli 2015, 17. Dezember 2015, 24. Juni 2016, 8. Juli 2016, 21. Dezember 2016, 28. Juni 2017 und 19. Juli 2017 insoweit aufzuheben, als Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung auf Kapitalzahlungen der H.(Nr 8) festgesetzt worden sind.

    7

    Die Beklagte beantragt,

    die Revision des Klägers zurückzuweisen.

    8

    Die beigeladene Bundeslotsenkammer hat keinen Antrag gestellt.

    9

    Auf Nachfrage des Senats hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 2.10.2019 die nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils ergangenen Bescheide übersandt.

    II

    10

    Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Der angefochtene Beschluss des LSG beruht auf dem Verfahrensfehler der fehlerhaften Besetzung des Berufungsgerichts nur mit Berufsrichtern. Das LSG hätte nicht im Wege des vereinfachten Beschlussverfahrens nach § 153 Abs 4 SGG (dazu 1.) ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter entscheiden dürfen (dazu 3.), weil nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils weitere Verwaltungsakte Gegenstand des Rechtsstreits geworden sind (dazu 2.). Dieser Mangel ist vom Revisionsgericht auch ohne entsprechende Rüge von Amts wegen zu beachten (dazu 4.). Dem stehen die Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts nicht entgegen (dazu 5.).

    11

    1. Nach § 153 Abs 4 Satz 1 SGG kann das LSG, außer in den Fällen des Gerichtsbescheids nach § 105 Abs 2 Satz 1 SGG, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Zu dieser Entscheidungsform sind die Beteiligten vorher zu hören (§ 153 Abs 4 Satz 2 SGG). Die Voraussetzungen dieser Vorschrift lagen nicht vor. Zwar hat das LSG dem Anhörungsgebot mit Schreiben vom 28.3.2018 an die Beteiligten Rechnung getragen. Die Möglichkeit des vereinfachten Beschlussverfahrens ohne die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter (vgl § 33 Abs 1 iVm § 12 Abs 1 Satz 2 Alt 1 SGG) war aber nicht (mehr) eröffnet.

    12

    2. Gegenstand des Klageverfahrens war zunächst der Bescheid der Beklagten vom 7.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.2.2013. Die nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils ergangenen weiteren Verwaltungsakte (Bescheide vom 25.6., 15.7., 17.12.2015, 24.6., 8.7., 21.12.2016, 28.6. und 19.7.2017) sind mit ihrem Erlass gemäß § 96 Abs 1 in Verbindung mit § 153 Abs 1 SGG Gegenstand des Rechtsstreits geworden. Durch sie sind die auf die Kapitalleistung erhobenen Beiträge zur GKV und sPV jeweils neu festgesetzt und damit frühere Beitragserhebungen im Sinne dieser Vorschriften abgeändert worden. Die Einbeziehung abändernder oder ersetzender Verwaltungsakte in ein anhängiges Klageverfahren ist nicht in das Ermessen der Beteiligten gestellt. Sie werden im Wege einer gesetzlichen Klageänderung automatisch Gegenstand des Rechtsstreits, ohne dass es auf den Willen der Beteiligten ankommt (BSG Urteil vom 17.11.2005 - B 11a/11 AL 57/04 R - SozR 4-1500 § 96 Nr 4 RdNr 21; vgl auch BSG Urteil vom 9.12.2016 - B 8 SO 1/15 R - juris). Daher ist unerheblich, ob vorliegend die späteren Beitragsbescheide von den Beteiligten in das Verfahren eingeführt wurden. Auch kommt es für die Rechtsfolge des § 96 Abs 1 SGG nicht darauf an, ob das Gericht bei seiner Entscheidung die zwischenzeitlich erlassenen Verwaltungsakte gewürdigt und damit tatsächlich einbezogen hat. Die unabhängig vom Willen der Beteiligten kraft Gesetzes eintretende Klageänderung hindert die Beteiligten allerdings nicht, über den Verfahrensgegenstand im Rahmen ihrer allgemeinen Dispositionsbefugnis zu verfügen und die Klage ausdrücklich auf die Anfechtung des Ausgangsverwaltungsakts zu beschränken (BSG Urteil vom 17.11.2005, aaO RdNr 22). Eine solche Begrenzung des Streitgegenstands liegt aber nicht schon in dem mit Berufungsschriftsatz vom 27.7.2015 formulierten Antrag des Klägers, die erstinstanzliche Entscheidung sowie den "Bescheid vom 07.11.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2013" aufzuheben, der zeitlich jedenfalls vor Erlass der Verwaltungsakte vom 17.12.2015, 24.6., 8.7. und 21.12.2016 sowie 28.6. und 19.7.2017 gestellt worden ist.

    13

    3. Über erst während des Berufungsverfahrens wirksam erlassene Verwaltungsakte, die einen mit dem Rechtsmittel bereits angefochtenen Verwaltungsakt abändern oder ersetzen im Sinne des § 96 Abs 1 in Verbindung mit § 153 Abs 1 SGG, hat das Berufungsgericht nicht zweitinstanzlich auf Berufung, sondern erstinstanzlich auf Klage zu befinden (stRspr; vgl BSG Urteil vom 25.2.2010 - B 13 R 61/09 R - SozR 4-5050 § 22 Nr 10 RdNr 15 mwN). Daher hätte vorliegend aufgrund mündlicher Verhandlung oder nach Zustimmung der Beteiligten (§ 124 Abs 2 SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil unter Beteiligung ehrenamtlicher Richter entschieden und - ausgehend von der Rechtsansicht des LSG - die Klage gegen die im Berufungsverfahren erlassenen Beitragsbescheide abgewiesen werden müssen (vgl BSG Beschluss vom 22.11.2012 - B 3 P 10/12 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 15 RdNr 15). Für die notwendige erstinstanzliche Entscheidung bietet § 153 Abs 4 SGG keine Grundlage. Das folgt sowohl aus dem Wortlaut der Vorschrift (vgl BSG Beschluss vom 11.5.2011 - B 5 R 34/11 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 12 zu einer rechtswidrigen Teilstattgabe der Berufung nach nicht angenommenem Teilanerkenntnis und Zurückweisung im Übrigen) als auch aus deren Regelungszweck.

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    Nach dem Gesetzestext ist dem Berufungsgericht unter bestimmten Voraussetzungen die Befugnis eingeräumt, die "Berufung" durch Beschluss zurückzuweisen. Als "Berufung" wird aber das mit Devolutiv- und Suspensiveffekt versehene Rechtsmittel gegen vorinstanzliche Entscheidungen der Sozialgerichte bezeichnet (vgl § 143 SGG), das grundsätzlich auf Überprüfung des erstinstanzlich beurteilten Streitgegenstands gerichtet ist (vgl § 157 SGG) und eine Beschwer durch die erstinstanzliche Entscheidung voraussetzt. Auf erst im Berufungsverfahren ergangene Verwaltungsakte kann sich eine erstinstanzliche Entscheidung nicht erstrecken. Zudem soll das vereinfachte Beschlussverfahren zu einer Straffung des Verfahrens und Entlastung des LSG beitragen, ohne den Rechtsschutzanspruch der Beteiligten zu vernachlässigen (vgl BT-Drucks 12/1217 S 20 zu den Grundzügen der Entlastung des sozialgerichtlichen Verfahrens). Es bezweckt die Beschleunigung rechtlich wie tatsächlich einfach gelagerter Verfahren, die bereits wegen umfassender Sachverhaltsaufklärung und Erörterung in der Vorinstanz zügig zu einer verfahrensbeendenden Entscheidung gebracht werden können sollen (BSG Urteil vom 19.10.2016 - B 14 AS 33/15 R - juris RdNr 12 mwN). Bei erst im Berufungsverfahren erlassenen Verwaltungsakten fehlt es zwangsläufig an einer solchen erstinstanzlichen Erörterung. Gleichwohl das vereinfachte Beschlussverfahren gegenüber erst während des Berufungsverfahrens erlassenen Verwaltungsakten einzuräumen, ließe außer Acht, dass Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention im Rahmen des gebotenen fairen Verfahrens das Recht auf eine mündliche Verhandlung zubilligt (vgl BSG Beschluss vom 8.4.2014 - B 8 SO 22/14 B - SozR 4-1500 § 158 Nr 7 RdNr 7), die mündliche Verhandlung das "Kernstück" des gerichtlichen Verfahrens ist und den Zweck verfolgt, dem Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, §§ 62, 128 Abs 2 SGG) zu genügen (vgl BSG Beschluss vom 8.9.2015 - B 1 KR 134/14 B - juris RdNr 8).

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    Für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 153 Abs 4 SGG ist nicht danach zu differenzieren, ob die im Berufungsverfahren nach § 96 Abs 1 in Verbindung mit § 153 Abs 1 SGG einzubeziehenden Verwaltungsakte eine wesentliche Änderung der prozessualen Situation mit sich bringen oder nicht (vgl hierzu BSG Beschluss vom 8.4.2014 - B 8 SO 59/13 B - juris RdNr 5, ohne über die Rechtslage im Fall einer unveränderten Prozesssituation zu entscheiden). Anders als in den Fällen einer erneut notwendigen weiteren Anhörungsmitteilung aufgrund einer entscheidungserheblichen Veränderung der Prozesssituation, über die das LSG ausschließlich als Berufungsinstanz zu entscheiden hat, ist in Verfahren, in denen das Berufungsgericht auch als erstinstanzliches Gericht zu entscheiden hat, schon der Anwendungsbereich der Verfahrensvorschrift nicht eröffnet (vgl oben). Daher kann dahingestellt bleiben, ob der Erlass eines Verwaltungsakts im Berufungsverfahren, der Gegenstand des Klageverfahrens wird, ausnahmslos mit einer wesentlichen Änderung der Prozesssituation einhergeht.

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    4. An einer - wie hier notwendigen - Entscheidung des LSG durch Urteil haben neben den Berufsrichtern zwei ehrenamtliche Richter mitzuwirken (§ 33 Abs 1 Satz 1 SGG). Das Berufungsgericht hat vorliegend hingegen durch Beschluss allein der Berufsrichter entschieden und damit die verfassungsrechtliche Garantie des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) missachtet. Die nicht vorschriftsmäßige Besetzung ist ohne Rüge der Beteiligten von Amts wegen zu berücksichtigen.

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    Das Revisionsgericht hat zwischen Verfahrensmängeln zu unterscheiden, die es nur auf entsprechende Rüge hin oder unabhängig davon von Amts wegen zu beachten hat. Von Amts wegen ist bei einer zulässigen Revision ein fortwirkender Verstoß gegen einen verfahrensrechtlichen Grundsatz zu berücksichtigen, der im öffentlichen Interesse zu beachten und dessen Befolgung dem Belieben der Beteiligten entzogen ist (BSG Urteil vom 23.4.2015 - B 5 RE 21/14 R - BSGE 118, 286 = SozR 4-2600 § 2 Nr 19, RdNr 17 mwN). Zu solch schwerwiegenden, die Wirksamkeit des Verfahrens als Ganzes betreffenden Verfahrensmängeln zählen das Fehlen der allgemeinen oder besonderen Prozessvoraussetzungen sowie ein Verstoß gegen tragende Grundsätze des sozialgerichtlichen Verfahrens wie die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter (§ 12 Abs 1 Satz 1, § 33 Abs 1 Satz 1 SGG). Demgegenüber sind weniger bedeutsame Verfahrensverstöße, die nicht in der nächsten Instanz fortwirken, nur auf Rüge zu beachten, und auch nur, solange das Rügerecht nicht entfallen ist (BSG Urteil vom 8.11.2007 - B 9/9a SB 3/06 R - BSGE 99, 189 = SozR 4-1500 § 155 Nr 2, RdNr 13 mwN). Der mit der gesetzeswidrigen Entscheidung des LSG im Wege des vereinfachten Beschlussverfahrens nach § 153 Abs 4 SGG einhergehende Verstoß einerseits gegen den verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf eine Entscheidung durch den gesetzlichen Richter (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) und andererseits gegen den das sozialgerichtliche Verfahren prägenden Grundsatz der Mitwirkung ehrenamtlicher Richter (§ 33 SGG) ist als absoluter Revisionsgrund (§ 547 Nr 1 ZPO iVm § 202 Satz 1 SGG) ohne Rüge der Beteiligten von Amts wegen zu berücksichtigen (stRspr; vgl nur BSG Urteil vom 19.10.2016 - B 14 AS 33/15 R - juris RdNr 16 mwN). Den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens ist nicht die Rechtsmacht eingeräumt, durch prozessuales Verhalten die Unbeachtlichkeit einer Verletzung des der Rechtsstaatlichkeit dienenden grundrechtsgleichen Rechts auf den gesetzlichen Richter herbeizuführen (BSG Urteil vom 23.8.2007 - B 4 RS 2/06 R - SozR 4-1500 § 155 Nr 1 RdNr 33 f).

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    Mit der vorliegenden Entscheidung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu früherer Rechtsprechung des BSG. In seinem - die Zulassung der Sprungrevision (§ 161 SGG) gegen einen Gerichtsbescheid (§ 105 SGG) betreffenden - Urteil vom 21.8.2008 (B 13 RJ 44/05 R - SozR 4-2600 § 96a Nr 12 RdNr 15 ff) hat der 13. Senat des BSG lediglich Zweifel daran geäußert, ob in der Entziehung des gesetzlichen Richters ein von Amts wegen zu berücksichtigender Verfahrensfehler liege. Die dort zitierten Urteile des 6. Senats vom 15.9.1977 (6 RKa 4/77 - BSGE 44, 244 = SozR 7323 § 3 Nr 1) und des 7. Senats vom 24.5.1984 (7 RAr 97/83 - BSGE 57, 15 = SozR 1500 § 31 Nr 3) sind zwischenzeitlich überholt. Auch die bezeichneten Senate gehen mittlerweile von einem von Amts wegen zu beachtenden Verfahrensmangel aus (vgl BSG Urteil vom 7.8.2014 - B 13 R 37/13 R - juris RdNr 11 f; BSG Urteil vom 17.8.2011 - B 6 KA 32/10 R - BSGE 109, 34 = SozR 4-2500 § 89 Nr 5, RdNr 12; BSG Urteil vom 18.5.2010 - B 7 AL 43/08 R - juris RdNr 8 f). Soweit der erkennende Senat in seinem Urteil vom 22.3.2001 (B 12 RJ 2/00 R - SozR 3-5070 § 21 Nr 9 S 45) ausgeführt hat, dass der Verfahrensfehler der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung nur auf entsprechende Rüge beachtlich sei, betraf dies einen anderen Sachverhalt. Gegenstand war ein Urteil eines LSG, das in der Besetzung mit dem Berichterstatter und zwei ehrenamtlichen Richtern statt durch den Berichterstatter allein ergangen ist.

    19

    5. An der Berücksichtigung der im Berufungsverfahren erlassenen Verwaltungsakte ist der Senat nicht durch die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, an die das Revisionsgericht grundsätzlich gebunden ist (§ 163 SGG), gehindert. Das LSG hat zwar die Existenz dieser Verwaltungsakte nicht festgestellt, sondern in seinem Beschluss ausschließlich den ursprünglich angefochtenen Bescheid vom 7.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.2.2013 erwähnt. Insoweit kann offenbleiben, ob Tatsachenfeststellungen eines Gerichts, die unter Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf den gesetzlichen Richter getroffen worden sind, überhaupt der Bindung nach § 163 SGG fähig sind (vgl hierzu BSG Urteil vom 23.8.2007 - B 4 RS 2/06 R - SozR 4-1500 § 155 Nr 1 RdNr 37). Hat das Revisionsgericht - wie hier - von Amts wegen einen Verfahrensfehler zu beachten, ist es jedenfalls befugt, die insoweit maßgebenden tatsächlichen Feststellungen selbst zu ermitteln und zu treffen. Das gilt zumindest dann, wenn hinreichende Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen das grundrechtsgleiche Recht aus Art 101 Abs 1 Satz 2 GG auf den gesetzlichen Richter bestehen. Bliebe der absolute Revisionsgrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung (§ 547 Nr 1 ZPO iVm § 202 Satz 1 SGG) trotz hinreichender Anhaltspunkte unbeachtet, würde dessen Berücksichtigung von Amts wegen ins Leere gehen und der vorinstanzliche Grundrechtsverstoß in der Revisionsinstanz perpetuiert (vgl BSG Urteil vom 23.8.2007 - B 4 RS 2/06 R - SozR 4-1500 § 155 Nr 1 RdNr 29).

    20

    In der Sache geht es vorliegend um die Beitragspflicht des Klägers in der GKV und sPV aufgrund einer einmalig ausgezahlten Kapitalleistung. Sie betrifft einen Zeitraum von mehreren Jahren, da bei einer nicht regelmäßig wiederkehrenden Leistung 1/120 der Leistung als monatlicher Zahlbetrag, längstens jedoch für 120 Monate, gilt (§ 229 Abs 1 Satz 3 SGB V). Dass währenddessen infolge von Beitragssatzanpassungen, neu festgesetzten Beitragsbemessungsgrenzen oder sonstigen Änderungen in den Beitragsbemessungsgrundlagen die Beiträge durch abändernde Verwaltungsakte regelmäßig neu festzusetzen sind, liegt offenkundig auf der Hand. Die Beklagte hat auf die daher gebotene Nachfrage des Senats mitgeteilt, dass entsprechende Beitragsneufestsetzungen im Berufungsverfahren durch die weiteren Bescheide vom 17.12.2015, 24.6., 8.7. und 21.12.2016 sowie 28.6. und 19.7.2017 geregelt worden sind.

    21

    6. Der Verfahrensmangel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das LSG insgesamt. Der angefochtene Beschluss nach § 153 Abs 4 SGG lässt sich nicht in eine gesetzeskonforme Zurückweisung der Berufung mit ordnungsgemäßer Besetzung des Spruchkörpers und eine rechtswidrige Entscheidung unter Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters über die Klage aufspalten. Das LSG hat das Verfahren als Ganzes geführt, ohne dass ein Teil des streitbefangenen Zeitraums abgetrennt worden ist. Die gesetzeswidrige Entscheidung auch über die Klage "infiziert" den gesamten Beschluss (vgl BSG Beschluss vom 11.5.2011 - B 5 R 34/11 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 12 RdNr 4).

    22

    7. Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.