12.05.2020 · IWW-Abrufnummer 215583
Hessisches Landessozialgericht: Beschluss vom 06.04.2020 – L 1 BA 27/18
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 28. Mai 2018 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 65.553,79 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Festsetzung der Beitragsnachforderung in Höhe von 65.553,79 EUR streitig.
Der Kläger betreibt eine Detektei in A-Stadt. Er erhält insbesondere Aufträge zur Überwachung von Supermärkten. Die Beigeladenen zu 1 bis zu 4 waren für den Kläger tätig.
Am 8. April 2014 leitete die Beklagte eine Betriebsprüfung bei dem Kläger ein.
Nach Anhörung des Klägers setzte die Beklagte mit Bescheid vom 15. Juli 2015 eine Nachforderung für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2013 in Höhe von 65.553,79 EUR fest. Die Beigeladenen zu 1 bis zu 4 seien bei dem Kläger abhängig beschäftigt gewesen. Sie hätten der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen, ohne dass der Kläger für diese Sozialversicherungsbeiträge abgeführt habe. Zwar sprächen einige Indizien für eine selbstständige Tätigkeit. Die auf ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis hindeutenden Merkmale seien jedoch zahlreicher und von überzeugend stärkerem Gewicht. Die Beigeladenen zu 1 bis zu 4 seien in den Betrieb des Klägers eingegliedert, unterlägen dessen Weisungen und hätten kein Unternehmerrisiko getragen. Sie hätten einen Stundenlohn zwischen 8,00 EUR und 11,50 EUR erhalten. Der Beigeladenen zu 2 sei bei dem Kläger ab dem 15. Oktober 2011 geringfügig beschäftigt gewesen. Er habe jedoch darüber hinaus dem Kläger Rechnungen gestellt. Es sei von einem einheitlichen Beschäftigungsverhältnis auszugehen. Hinsichtlich der Beigeladenen zu 3 bis zu 4 sei von einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen, so dass Pauschal- und Umlagebeiträge an die Beigeladene zu 7 abzuführen seien.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Die Beigeladenen zu 1 bis zu 4 seien selbstständige Detektive und keine abhängigen Beschäftigten gewesen. Wenn er Aufträge nicht habe übernehmen können, habe er die Beigeladenen zu 1 bis zu 4 gefragt, ob sie die Aufträge übernehmen könnten. Die Beigeladenen zu 1 bis zu 4 seien nicht in seinen Betrieb, sondern in den Betrieb des Auftraggebers eingegliedert gewesen.
Am 4. September 2015 beantragte der Kläger vor dem Sozialgericht Darmstadt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs (S 8 KR 472/15 ER). Mit Beschluss vom 6. November 2015 lehnte das Sozialgericht den Antrag ab.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2017 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 15. Juli 2015 zurück. Die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung überwögen. Es habe eine Eingliederung in den Betrieb vorgelegen. Die Beigeladenen zu 1 bis zu 4 hätten dem Weisungsrecht des Klägers unterlegen. Eigene Gestaltungsspielräume seien nicht nachvollziehbar. Sie hätten kein Unternehmerrisiko getragen.
Am 24. Februar 2017 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Darmstadt Klage erhoben. Er habe mit den Beigeladenen zu 1 bis zu 4 keine festen Überwachungsaufträge abgeschlossen. Es seien lediglich monatliche Anfragen zu bestimmten Tagen erfolgt. In der Regel übernehme er die Aufträge selbst. Nur wenn dies nicht möglich gewesen sei, habe er die Aufträge an die Beigeladenen zu 1 bis zu 4 durchgereicht. Lediglich aus praktischen Gründen seien die Anfragen über ihn gelaufen. Die Beigeladenen zu 1 bis zu 4 hätten jeweils ein Gewerbe angemeldet und eine Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen. Sie seien nicht von ihm wirtschaftlich abhängig gewesen, da sie zumindest teilweise anderweitig abhängig beschäftigt gewesen seien. Er habe ihnen gegenüber keine Weisungsbefugnis gehabt, noch habe er Kontrollen durchgeführt. Die Beigeladenen zu 1 bis zu 4 hätten Aufträge ablehnen können.
Mit Urteil vom 28. Mai 2018 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Wesentliche Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 bis zu 4 hätten nicht vorgelegen. Die Beigeladenen zu 1 bis zu 4 hätten weder eigene Betriebsmittel noch Betriebsräume unterhalten. Dass sie mit dem eigenen Pkw zu den Einsatzorten gefahren seien, sei unerheblich, da dies auch bei abhängiger Beschäftigung nicht unüblich sei. Ein Unternehmerrisiko sei nicht ersichtlich. Die Beigeladenen zu 1 bis zu 4 seien auch in erheblichem Umfang in den Betrieb des Klägers eingegliedert gewesen. Für eine Eingliederung spreche bereits, dass sie ihre Leistungen erbracht hätten, damit der Kläger seine Leistungspflicht gegen seinen eigenen Kunden habe erfüllen können. Auch seien die Beigeladenen zu 1 bis zu 4 im Namen des Klägers aufgetreten. Ferner spreche die Vergütung nach Arbeitsstunden und nach festen Stundensätzen für eine abhängige Beschäftigung. Dass sich die Beigeladenen zu 1 bis zu 4 nicht um eine Vertretung - etwa im Krankheitsfall - haben kümmern müssen, sei für ein Beschäftigungsverhältnis geradezu typisch. Im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit sei es hingegen typisch, dass sich der Beauftragte um eine Ersatzperson kümmern müsse. Dass die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 bis zu 4 dazu habe dienen sollen, Auftragsspitzen für den Kläger abzufangen, spreche ebenfalls für eine abhängige Beschäftigung. Unbeachtlich sei dagegen, dass die Beigeladenen zu 1 bis zu 4 ein eigenes Gewerbe angemeldet hätten. Zudem käme es nicht entscheidend darauf an, dass die Beigeladenen zu 1 bis zu 4 teilweise für mehrere Auftraggeber tätig geworden seien, denn auch ein abhängig Beschäftigter könne mehrere Tätigkeiten ausüben. Auch sei es unerheblich, dass die Beigeladenen zu 1 bis zu 4 Aufträge hätten ablehnen können. Dass der Kläger die Aufträge nur durchgereicht habe, sei unzutreffend. Vielmehr habe der Kläger für die Aufträge von H. 15,50 EUR pro Stunde dieser Firma gegenüber abgerechnet, während er nur einen Betrag zwischen 8 EUR und 11,50 EUR pro Stunde an die Beigeladenen zu 1 bis zu 4 gezahlt habe. Darüber hinaus hätten die Beigeladenen zu 1 bis zu 4 erklärt, dass sie selbst nicht Vertragspartner der H Supermärkte gewesen seien. Dies sei stets der Kläger gewesen. Schließlich könne der Kläger sich auch nicht mit Erfolg auf unbeanstandete frühere Betriebsprüfungen und den Grundsatz des Vertrauensschutzes oder der Verwirkung berufen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer könnten aus vergangenen Betriebsprüfungen grundsätzlich keine Rechte herleiten. Die Beigeladenen zu 1 bis zu 4 hätten der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen. Die Beklagte habe auch zutreffend zum Teil Pauschbeiträge für geringfügig entlohnte Beschäftigte festgesetzt. Gegen die Höhe der Beiträge sowie gegen die Erhebung der Umlagen bestünden keine rechtlichen Bedenken.
Der Kläger hat gegen das ihm am 5. Juli 2018 zugestellte Urteil am 3. August 2018 vor dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, dass die Beigeladenen zu 1 bis zu 4 selbstständig tätig geworden seien. Soweit der Beigeladene zu 3 angegeben habe, sich einen eigenen Ausweis angefertigt zu haben, um sich als derjenige auszuweisen, der "für" den Kläger tätig sei, sei es eigentlich darum gegangen, sich "anstelle" der Detektei A. zu legitimieren. Ferner sei es für den Bereich von Überwachungstätigkeiten üblich, dass keine eigenen Betriebsmittel eingesetzt würden. Eine Berufshaftpflichtversicherung würde von den meisten abhängig Beschäftigten nicht abgeschlossen werden. Die Beigeladenen zu 1 bis zu 4 hätten ein Unternehmerrisiko getragen. Sie hätten das Risiko gehabt, dass sie trotz Arbeitseinsatz kein Entgelt und dass sie keine weiteren Aufträge mehr erhalten. Eine Eingliederung der Beigeladenen zu 1 bis zu 4 in den Betrieb des Klägers habe nicht stattgefunden, allenfalls in den Betrieb der Auftraggeberin. Dass die Aufträge an ihn, den Kläger, erfolgt sei, sei darin begründet, dass es für die Supermärkte wesentlich einfacher sei, lediglich einen Ansprechpartner zu haben. Darüber hinaus hätten die Beigeladenen zu 1 bis zu 4 mehrere Auftraggeber gehabt.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 28. Mai 2018 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Juli 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2017 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend. Ergänzend hat sie ausgeführt, dass sich bei den von Detektiven ausgeübten Tätigkeiten die klassische Weisungsgebundenheit eines Arbeitnehmers zu dessen funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinere. Die klassische Weisungsgebundenheit hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung sei durch die funktionsgerechte Eingliederung der Detektive in den Betrieb des Klägers ersetzt worden. Die von dem Kläger beschäftigten Detektive seien bei dessen Kunden zur Verhinderung bzw. Bekämpfung von Ladendiebstählen und ähnlichen Vorfällen eingesetzt worden. Diese Tätigkeiten seien in den jeweiligen Betriebsräumen der Vertragsfirmen des Klägers zu leisten gewesen. Die betroffenen Detektive seien damit von vornherein an die Rahmenbedingungen des Betriebsablaufs der Kunden gebunden gewesen, denen sich der Kläger mit der Annahme des ihm erteilten Auftrags unterworfen habe. Die Eckdaten der von den Detektiven ausgeübten Tätigkeiten seien somit zwischen dem Kläger und dessen Kunden und in der Folge zwischen dem Kläger und seinen Detektiven festgelegt gewesen. Die Beigeladenen zu 1 bis zu 4 hätten somit nur in dem vorher eng umrissenen Rahmen, welcher sich u.a. an der von dem Kläger vorgegebenen Betriebsordnung orientiert habe, ihren Aufgaben nachgehen können.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Die Beteiligten sind mit Schreiben vom 28. Februar 2020 dazu angehört worden, dass eine Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beabsichtigt ist.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Akte im Verfahren S 8 KR 472/15 ER sowie die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der Entscheidung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Entscheidung konnte durch Beschluss ergehen, da das Gericht die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Vorgehensweise angehört worden, § 153 Abs. 4 SGG.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 28. Mai 2018 abgewiesen.
Der Bescheid der Beklagten vom 15. Juli 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils. Sie sind überzeugend und würdigen die fallentscheidenden Aspekte vollständig.
Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren kann eine andere Entscheidung nicht begründen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten, da die Beigeladenen keine Anträge gestellt haben.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG werden, wenn in einem Verfahren weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten kostenrechtlich privilegierten Personen gehört, Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben. Da der Rechtsstreit eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, war der Streitwert in Höhe der Geldleistung festzusetzen (§§ 47, 52 Abs. 3 GKG).