05.02.2021 · IWW-Abrufnummer 220353
Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 25.11.2020 – 12 K 2283/17
Hessisches Finanzgericht
12. Der Senat
25.11.2020
Tenor
Der Haftungsbescheid über Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 07.06.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.11.2017 wird aufgehoben.
Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheids über Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer. Dem Rechtstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:
Bei der Klägerin entstand durch erhöhte Mitarbeiterzahl auf den von der Klägerin unterhaltenen Parkplätzen - die bis dato kostenlos genutzt werden konnten (Ausnahme: A-Parkhaus in B Mitte) - eine extreme Parkplatznot, so dass die Klägerin im Jahr 2011 ein Parkraumbewirtschaftungskonzept ausarbeitete. Hierbei kam man auf Seiten der Klägerin zum Ergebnis, dass ein Gesamtkonzept für Mobilität erforderlich sei. Dieses mündete hinsichtlich der Beschäftigten der Klägerin in einer Mobilitätskarte. Diese umfasst zwei Bestandteile: Zum einen kostenloses Parken auf den Parkplätzen, zum anderen ein ÖPNV-Ticket (Jobticket). Damit sollte erreicht werden, mehr Mitarbeiter für die Nutzung des ÖPNV zu gewinnen und so die Parkplatzsituation zu entspannen.
Vor diesem Hintergrund nahm die Klägerin mit dem örtlichen ÖPNV (XYZ) Kontakt auf, um die Konditionen für ein Jobticket zu eruieren.
Der XYZ bietet größeren Unternehmen an, deren Beschäftigten in Eigenregie ein XYZ-Ticket mit einer maximalen Reichweite vom Wohnort zum Arbeitsort des Beschäftigten auszugeben, wenn das Unternehmen im Gegenzug die bisherigen Einnahmen des XYZ, die durch die Beschäftigten entstanden waren, zukünftig monatlich zahlt. Die bisherigen Einnahmen, die der XYZ durch die Beschäftigten der Klägerin erzielt hatte, wurden im Rahmen einer Mobilitätsbefragung aller Beschäftigten ermittelt. Aufgrund dieser Daten unterbreitete der XYZ der Klägerin das Angebot, ein Jobticket gegen die Zahlung von 12,31 €/Beschäftigten/Monat ausgeben zu dürfen. Die Konditionen, zu denen das Jobticket an die Beschäftigten ausgegeben wird, kann das Unternehmen dabei frei wählen (z.B. unentgeltliche Abgabe an alle Beschäftigten, Verkauf zu einem frei wählbaren Einheitspreis, entfernungsabhängige Preisstaffelung).
Die Klägerin nahm dieses Angebot im „Vertrag über die Anerkennung von besonderen Zeitkarten“ vom 04.04.2013 (Bl. 1 ff. der Verwaltungsakte) an und bot das Jobticket ihren Beschäftigten ab 2013 im Rahmen ihrer Mobilitätskarte an. Die Preise für die Mobilitätskarte setzen sich aus dem Preis für das Jobticket und einem Anteil für das Parken zusammen und staffeln sich je nach XYZ-Preisstufe des beantragten Jobtickets. Dabei wird auch bei der niedrigsten Preisstufe der Preis des Jobtickets, den die Klägerin an den XYZ entrichtet, in vollem Umfang an die Beschäftigten weitergegeben. Für höhere Preisstufen zahlen Beschäftigte für das Jobticket deutlich mehr.
In organisatorischer Hinsicht erfolgt die Abwicklung über ein Programm, das der XYZ der Klägerin zur Verfügung stellt. Dabei werden die Monatskarten auf vom XYZ überlassenen Papier-Rohlingen ausgedruckt und an den Ausgabestellen der Klägerin an die Beschäftigten verteilt, wobei die Ausgabe maximal für ein Jahr im Voraus erfolgt. Ein für den XYZ tätiges Verkehrsunternehmen, die C, stellt der Klägerin monatlich eine Rechnung, die die jeweilige Zahl der Beschäftigten berücksichtigt. Das von den Beschäftigten für das Jobticket (bzw. die Mobilitätskarte) zu zahlende Entgelt wird monatlich über die Lohnabrechnung eingezogen und auf einer extra für diesen Zweck eingerichteten Kostenstelle von der Klägerin vereinnahmt, aus der wiederum die oben genannten Monatsrechnungen beglichen werden.
Zunächst traf das Modell (Mobilitätskarte) bei den Beschäftigten der Klägerin bzw. der Personalvertretung auf erhebliche Widerstände. Nach dessen Einführung im Jahr 2013 etablierte es sich allerdings als Erfolgsmodell und stieß auf allseitige hohe Akzeptanz.
In 2015/2016 fand bei der Klägerin eine Lohnsteueraußenprüfung statt. Der Prüfer wertete den aufgrund des oben genannten Vertrags zwischen der Klägerin und dem XYZ ermöglichten Erwerb von verbilligten Jobtickets und den sich daraus ergebenden Preisvorteil (Rabatt) für Bedienstete der Klägerin als Sachbezug und geldwerten Vorteil im lohnsteuerlichen Sinn, wobei Letzterer unter Berücksichtigung üblicher Preisnachlässe nach § 8 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) ermittelt wurde. Als maßgeblich erachtete der Prüfer den vom Arbeitgeber an seine Bediensteten mittelbar eingeräumten Preisvorteil bei Erwerb des Jobtickets des XYZ über das Mobilitätsmanagement der Klägerin. Bei der Ermittlung des lohnsteuerpflichtigen geldwerten Vorteils wurde dieser mittelbare Preisvorteil den um übliche Preisnachlässe bei vergleichbaren Großkunden geminderten Fahrkartenpreisen gegenübergestellt. Ausgehend vom Abgabewert einer Jahresnetzkarte der XYZ Preisstufe 3 wurde als Vergleichswert für einen fremden Dritten - ohne Rabattierung - von 82,-- € (pro Monat) ausgegangen. Davon wurde ein für Großkunden üblicher Preisnachlass von 40 % abgerechnet; des Weiteren wurde nach R 8.1 Abs. 2 Satz 3 Lohnsteuerrichtlinien (LStR) ein üblicher Mengenrabatt i.H.v. 4 % subtrahiert. Dem wurde der Abgabewert im Rahmen des Jobtickets i.H.v. 25,-- € gegenübergestellt und folglich ein geldwerter Vorteil (jährlich) i.H.v. 316,78 € ermittelt. Des Weiteren gelangte der Prüfer zu der Feststellung, dass die Fahrkarten von der Klägerin jeweils für ein Jahr im Voraus an die Bediensteten abgegeben wurden. Im Anschluss daran wurde die Auffassung vertreten, dass der geldwerte Vorteil aus dem verbilligten Erwerb des Jobtickets den Arbeitnehmern insgesamt im Zeitpunkt der Überlassung der Fahrberechtigungen im Voraus zufließe, weshalb im Monat des Erwerbs der Fahrberechtigungen die monatliche lohnsteuerliche Freigrenze für Sachbezüge i.H.v. 44,- € (§ 8 Abs. 2 Satz 11 EStG) überschritten werde. Die Nachversteuerung der geldwerten Vorteile aus dem verbilligten Erwerb der Jobtickets nahm die Lohnsteueraußenprüfung im Schätzungswege zu pauschalierten Nettosteuersätzen (2013: 31,40 %, 2014: 30,20 %) vor. Dabei wurde der pro Arbeitnehmer ermittelte steuerliche geldwerte Vorteil (316,78 €) mit der Anzahl der Erwerber des Jobtickets multipliziert. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Bericht der Lohnsteueraußenprüfung vom 25.05.2016 (Bl. 4 ff. der Verwaltungsakte) verwiesen.
Am 07.06.2016 erließ der Beklagte (das Finanzamt) gegen die Klägerin einen Haftungsbescheid über €, dem die vorgenannte Sachverhaltsfeststellung /-würdigung zu Grunde lag.
Der dagegen fristgerecht eingelegte Rechtsbehelf hatte keinen Erfolg und wurde mit Einspruchsentscheidung vom 10.11.2017 als unbegründet zurückgewiesen.
Dagegen richtet sich die von der Klägerin - vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte - am 10.12.2017 vor dem Hessischen Finanzgericht erhobene Klage.
Die Klägerin ist der Ansicht, der streitgegenständliche Bescheid sei rechtswidrig. Ein steuerpflichtiger geldwerter Vorteil liege bereits deshalb nicht vor, weil sie ihren Arbeitnehmern den von ihr an den XYZ gezahlten Fahrkartenpreis in voller Höhe weiter belaste. Auch handele es sich hier um einen üblichen Mengenrabatt. Das folge daraus, dass der hier gewährte Rabatt vom Verkehrsunternehmen nicht nur einem Arbeitgeber, sondern auch anderen Kunden, die selbst oder über ihre Arbeitnehmer eine entsprechende Anzahl von Jobtickets abnehmen, gewährt werde. Zum Nachweis beruft sich die Klägerin auf ein Schreiben des XYZ vom 04.05.2016 (Bl. 40 der Verwaltungsakte), das die vorgenannten Angaben bestätige. Entscheidend sei darauf abzustellen, dass sich der XYZ den Kundenkreis sichern wolle. Der XYZ habe ein vorrangiges eigenwirtschaftliches Interesse, welches darin liege, einen leicht zugänglichen und aufgrund der niedrigen Markt- und Vertriebskosten attraktiven Kundenkreis zu sichern.
Die Klägerin beantragt,
den Haftungsbescheid über Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 07.06.2016 in Gestalt der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 10.11.2017 aufzuheben.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es ist der Auffassung, der angegriffene Bescheid sei rechtmäßig. Die Lohnsteueraußenprüfung sei bei Anwendung der Grundsätze, die der Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 14.11.2012 (VI R 56/11, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2013, 382) aufgestellt habe, in der vorliegenden Konstellation zutreffend vom Vorliegen eines geldwerten Vorteils ausgegangen. Auch bei Abschluss einer Rahmenvereinbarung durch den Arbeitgeber mit dem Verkehrsunternehmen sei ‒ wie im Streitfall - ein geldwerter Vorteil für betroffene Arbeitnehmer möglich. Das sei dann der Fall, wenn ‒ wie hier ‒ der Arbeitgeber für seine Arbeitnehmer situativ einen höheren und unüblichen Rabatt als den üblichen Mengenrabatt aushandeln könne. Der Einwand, dass der vom XYZ gewährte Preisnachlass am Markt üblich sei und die gewährten vergünstigten Konditionen ebenso anderen Unternehmen bzw. größeren Abnehmern gewährt würden, sei nicht fundiert belegt bzw. nachgewiesen worden.
Soweit Arbeitnehmer das Jobticket aufgrund eines zwischen Arbeitgeber und Verkehrsunternehmen abgeschlossenen Rahmenvertrags begünstigt erwerben könnten, entstehe nach Auffassung des Landesamts für Steuern Rheinland-Pfalz (Verfügung vom 29.06.2016, S 2334 A-St 42 3, juris) grundsätzlich ein geldwerter Vorteil. Der Arbeitgeber wirke in solchen Fällen durch die rahmenvertragliche Vereinbarung an der Verschaffung des Preisvorteils mit. Diese Grundsätze habe das Finanzamt zutreffend auf den Streitfall angewendet. In diesem Kontext sei auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin seitens des XYZ die technischen Voraussetzungen zur Druckausgabe der Jobtickets am Standort erhalte, was in die Preiskalkulation des verbilligten Jobtickets eingeflossen sein dürfte.
In der mündlichen Verhandlung vom 25.11.2020 hat das Gericht den Leiter des Baudezernats der Klägerin informatorisch angehört. Hinsichtlich dessen Angaben wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen. Bezüglich des weiteren Beteiligtenvortrags wird auf die im Klageverfahren ausgetauschten (Beteiligten-)Schriftsätze verwiesen. Die Verwaltungsakte war Gegenstand des Verfahrens.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist zulässig und begründet.
Der angegriffene Haftungsbescheid in Gestalt der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO)).
Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat.
Da die verbilligte Überlassung des Jobtickets keinen lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohn darstellt, kommt auch keine Lohnsteuerhaftung des Arbeitgebers in Betracht.
1. Zu den (lohnsteuerpflichtigen) Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis für das Zurverfügungstellen seiner individuellen Arbeitskraft zufließen. Hierzu zählen neben Gehältern, Löhnen, Gratifikationen und Tantiemen auch andere „Bezüge und Vorteile”, die „für” eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Dabei ist gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG) oder unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie gewährt werden (§ 2 Abs. 1 Satz 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung in der im Streitjahr geltenden Fassung).
Zu diesen Einnahmen zählen auch Sachbezüge, wie sie in § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG im Klammerzusatz als Regelbeispiel aufgeführt sind: „Wohnung, Kost, Waren, Dienstleistungen und sonstige Sachbezüge”. Ein Sachbezug liegt auch vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Anspruch, eine Sach- und Dienstleistung beziehen zu können, einräumt (BFH-Urteil vom 11.11.2010 VI R 41/10, BStBl II 2011, 389). Allerdings muss die Zuwendung einen wirklichen Wert haben und darf nicht bloß einen ideellen Vorteil darstellen (vgl. bereits BFH-Urteil vom 10.06.1966 VI 261/64, BStBl III 1966, 607). Entscheidend für die Bejahung eines geldwerten Vorteils durch den verbilligten oder unentgeltlichen Sachbezug ist, dass ein objektiver Betrachter aus der Sicht des Empfängers einen geldwerten Vorteil im Sinne einer objektiven Bereicherung bejahen würde (vgl. BFH-Urteile vom 30.05.2001 VI R 123/00, BStBl II 2002, 230; vom 28.06.2007 VI R 45/02, Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2007, 1871 und vom 21.04.2010 X R 43/08, BFH/NV 2010, 1436). In der Folge können auch Preisvorteile und Rabatte Dritter Arbeitslohn sein.
Diese Bereicherung (Sachbezug) muss den Arbeitnehmern auch „für” ihre Arbeitsleistung gewährt worden sein. Nach ständiger Rechtsprechung (z.B. BFH-Urteile vom 30.05.2001 VI R 159/99, BStBl II 2001, 815; vom 22.03.1985 VI R 170/82, BStBl II 1985, 529; vom 11.12.2008 VI R 9/05, BStBl II 2009, 385; vom 30.07.2009 VI R 54/08, BFH/NV 2010, 30, und vom 20.05.2010 VI R 41/09, BStBl II 2010, 1022) werden Bezüge oder Vorteile für eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst sind. Erforderlich ist nicht, dass sie eine Gegenleistung für eine konkrete (einzelne) Dienstleistung des Arbeitnehmers sind. Eine Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis ist vielmehr zu bejahen, wenn die Einnahmen dem Empfänger mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließen und sich als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit darstellen, d.h. wenn die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers zufließt (Schmidt/Krüger, EStG, 39. Aufl. 2020, § 19 Rz. 45, mit weiteren Nachweisen - m.w.N. -). Auch Preisvorteile und Rabatte, die Arbeitnehmer von Dritten erhalten, sind nur dann Lohn, wenn sie sich für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit für den Arbeitgeber darstellen und im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis stehen (BFH-Urteil vom 18.10.2012 VI R 64/11, BStBl II 2015, 184). Ein überwiegend eigenwirtschaftliches Interesse des Dritten schließt die Annahme von Arbeitslohn dagegen in der Regel aus (vgl. BMF-Schreiben vom 29.09.1993, BStBl I 1993, 814).
2. Bei Übertragung der vorgenannten Grundsätze auf den Streitfall ist nicht vom Vorliegen eines steuerpflichtigen Sachbezugs auszugehen.
a) Für das Vorliegen eines geldwerten Vorteils könnte der Umstand sprechen, dass der Arbeitgeber (die Klägerin) an der Verschaffung des Preisvorteils aktiv mitgewirkt hat. Diese Sichtweise wird von der Finanzverwaltung vertreten (BMF-Schreiben vom 29.09.1993, BStBl I 1993, 814). Eine aktive Mitwirkung wird von der Verwaltung insbesondere dann angenommen, wenn der Arbeitgeber für den Dritten Verpflichtungen übernommen hat (z.B. Inkassotätigkeit oder Haftung). Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Zum einen ist die Klägerin für die Ausgabe der Tickets zuständig. Sie hat vom XYZ die entsprechenden Fahrkarten-Rohlinge erhalten und teilt diese - nachdem sie bedruckt worden sind - an die Mitarbeiter aus. Zum anderen obliegt der Klägerin im Verhältnis zum XYZ die Bezahlung der Jobtickets. Ausweislich § 2 des „Vertrags über die Anerkennung von besonderen Zeitkarten“ ist die Klägerin dazu verpflichtet, monatlich einen festgelegten, mit der Belegschaftsstärke variierenden Pauschalbetrag an eine vom XYZ zu benennende abrechnende Stelle, abzuführen. Tatsächlich führt die Klägerin pro Beschäftigtem einen monatlichen Betrag von 12,31 € an den XYZ ab.
Die vorstehend dargelegte Rechtsauffassung, wonach die aktive Mitwirkung des Arbeitgebers an der Rabattgewährung durch Dritte zum Vorliegen eines Sachbezugs führt, wird von der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht ausnahmslos geteilt (BFH-Urteil vom 18.10.2012 VI R 64/11, BStBl II 2015, 184). Danach gehören Preisvorteile, die ein Dritter Arbeitnehmern einräumt, nicht allein deshalb zum Arbeitslohn, weil der Arbeitgeber an der Verschaffung der Rabatte mitgewirkt hat. Zwar könne die Mitwirkung des Arbeitgebers an Preisvorteilen (Rabatten), die Arbeitnehmern von dritter Seite eingeräumt würden, den Schluss zulassen, dass die Drittzuwendung wirtschaftlich betrachtet Arbeitslohn sei. Dieses Ergebnis sei aber nicht zwingend. Entscheidend komme es darauf an, ob die Zuwendung des Dritten Prämie oder Belohnung für eine Leistung darstelle, die der Arbeitnehmer im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber erbringe (BFH-Urteile vom 18.10.2012 VI R 64/11, BStBl II 2015, 184 und vom 24.02.1981 VIII R 109/76, BStBl II 1981, 707, m.w.N.).
Bei Übertragung der vorgenannten BFH-Rechtsprechung - der sich der Senat vollumfänglich anschließt - auf den Streitfall, ist im Hinblick auf das überlassene Jobticket nicht vom Vorliegen eines steuerpflichtigen Sachbezugs auszugehen. Das Jobticket stellt keine Prämie oder Belohnung für eine Leistung dar, die der Arbeitnehmer im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber erbringt. Dabei ist insbesondere der Geschehensablauf, der zum Entstehen des Jobtickets geführt hat, zu berücksichtigen. Diesbezüglich hat der in der mündlichen Verhandlung informatorisch angehörte Leiter des Baudezernats der Klägerin eingehend Stellung genommen. Er hat geschildert, dass das Jobticket als Teil der Mobilitätskarte quasi aus der Not heraus geboren wurde. Ursächlich war die unhaltbare Parksituation (Parkplatznot) an den von der Klägerin unterhaltenen Parkplätzen, der die Klägerin mit entsprechenden (Gegen-)Maßnahmen begegnen wollte. So kam es zu der oben genannten Mobilitätskarte, die den Beschäftigten der Klägerin einerseits kostenfreies Parken ermöglichen sollte, andererseits diese durch die Gestellung des Jobtickets dazu ermuntern wollte, vermehrt öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Anders als von der Beklagtenseite angenommen stehen diese beiden Komponenten nicht zusammenhanglos nebeneinander, sondern stellen zwei Seiten einer Medaille dar. Durch die günstige ÖPNV-Nutzung sollten die Mitarbeiter dahin „gelenkt“ werden, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, was im Umkehrschluss dazu führt, dass sie nicht mit dem Auto zur Arbeit fahren und in der Summe, auf alle Mitarbeiter gesehen, die Parkplatznot gelindert wird. Offenbar ist das Konzept der Klägerin auch aufgegangen, denn Herr hat diesbezüglich von einem Erfolgsmodell gesprochen. Der Senat hat auch keinen Anlass dazu, an den Angaben des Baudezernatsleiters zu zweifeln, denn er war in den Entstehungsprozess der Mobilitätskarte eingebunden. Zudem erscheinen dem Gericht seine Äußerungen plausibel.
Abgerundet wird diese Würdigung noch durch den Umstand, dass den Arbeitnehmern vor der Einführung der Mobilitätskarte auf den Parkplätzen der Klägerin ein kostenfreies Parken möglich war (Ausnahme: A-Parkhaus in B). Insoweit ist das beklagte Finanzamt offensichtlich nicht vom Vorliegen eines geldwerten Vorteils ausgegangen. Durch die Mobilitätskarte mit dem darin enthaltenen Jobticket ist dieses freie Parken quasi substituiert worden. Eine nicht zum Arbeitslohn gehörende Leistung wurde durch eine andere nicht zum Arbeitslohn gehörende Leistung ersetzt. Subjektiv, aus Sicht der Arbeitnehmer, aber auch objektiv betrachtet, kann in der Folge nicht davon ausgegangen werden, dass die Gestellung der Mobilitätskarte bzw. des Jobtickets eine Belohnung für die von den Mitarbeitern der Klägerin geleistete Arbeit darstellt; vielmehr ging es um die Lösung des Parkproblems.
b) Ein weiteres wichtiges Kriterium, das vorliegend gegen die Annahme eines steuerpflichtigen Sachbezugs spricht, ist die Tatsache, dass der XYZ ein nicht unerhebliches eigenes wirtschaftliches Interesse daran hatte, die gewählte Tarifkonstruktion umzusetzen. Der XYZ war daran interessiert, sich den attraktiven Kundenkreis der Beschäftigten der Klägerin zu erhalten bzw. zu erschließen. Dafür spricht die Tarifkonstruktion und Kalkulation des Jobtickets. In diesem Kontext wurde zwischen den Vertragspartnern des Rahmenvertrags eine Lösung angestrebt (und erreicht), die einerseits die vom XYZ in der Vergangenheit generierten Einnahmen aus Fahrkartenverkäufen an die Bediensteten der Klägerin abdeckt und andererseits ein attraktives Angebot für die Beschäftigten zur ÖPNV-Nutzung darstellt. Auch unter diesem Gesichtspunkt stellt sich das mit dem Jobticket verbundene verbilligte Beförderungsentgelt für die Arbeitnehmer nicht als Frucht ihrer Arbeitsleistung dar. Es handelt sich vielmehr um einen positiven Reflex aus einem zwischen der Klägerin und dem XYZ geschlossenen Vertrag. Die verbilligte Ticketüberlassung durch den XYZ stellt keine Gegenleistung für eine Tätigkeit dar, die der jeweilige Arbeitnehmer im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses für die Klägerin erbringt.
c) Aus dem BFH-Urteil vom 14.11.2012 VI R 56/11 (BStBl II 2013, 382) lassen sich keine für das Finanzamt günstigen Schlüsse ziehen. Diesem Urteil lag ein anderer Sachverhalt zu Grunde als diesem Verfahren. Anders als im vorliegenden Streitfall ging es in dem BFH-Verfahren nicht um eine aus zwei Komponenten bestehende Mobilitätskarte, die ihre Ursache in einem Parkplatzproblem hatte. In der Folge ist die rechtliche Würdigung des BFH nicht auf den vorliegenden Streitfall übertragbar.
3. In Anbetracht der hier vertretenen Rechtsauffassung braucht nicht darauf eingegangen zu werden, ob es sich vorliegend um einen üblichen Mengenrabatt handelt und die Annahme eines geldwerten Vorteils deshalb ausscheidet. Entsprechendes gilt für die Prüfung des § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG. Auch entfällt eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob der streitgegenständliche Haftungsbescheid gegebenenfalls wegen Ermessensfehlern rechtswidrig sein könnte.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO; die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO i. V. m.
§§ 708 Nr. 10 und 711 Zivilprozessordnung.