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  • 21.06.2023 · IWW-Abrufnummer 235920

    Landessozialgericht Sachsen-Anhalt: Urteil vom 26.01.2023 – L 3 BA 6/19

    Personen, die im Auftrag Ordner- und Überwachungstätigkeiten zur Absicherung von Veranstaltungen, insbesondere Fußballspielen und Festivals, verrichten, sind sozialversicherungspflichtig beschäftigte Arbeitnehmer, wenn sie kein eigenes Gewerbe für die Personenüberwachung angemeldet haben und nicht über den Nachweis einer Sachkundeprüfung nach den Vorschriften der Gewerbeordnung iVm der Bewachungsverordnung verfügen. Der Auftraggeber hat als Arbeitgeber dieser Personen seiner Aufzeichnungspflicht nachzukommen und Gesamtsozialversicherungsbeiträge zu entrichten.


    Landessozialgericht Sachsen-Anhalt
    3. Senat


    URTEIL

    Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 15. Januar 2019 geändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

    Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Tatbestand:

    Zwischen den Beteiligten ist noch umstritten, ob der Kläger auch für die Beigeladenen zu 1. bis 20. Gesamtsozialversicherungsbeiträge für den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 30. September 2012 nachzuentrichten hat.

    Der am 1977 geborene Kläger war im streitigen Zeitraum als Einzelunternehmer Inhaber des Unternehmens „I1“. Seit 2013 wickelt er seine Geschäfte über die I2 GmbH & Co. KG ab, deren Kommanditist er mit einer Gewinnbeteiligung von 100 % ist; die GmbH ist als Komplementärin am Gewinn der KG mit 0,00 % beteiligt. Für den streitigen Zeitraum hatte der Kläger eine Gewerbeanmeldung für die Tätigkeiten „Veranstaltungsservice; Ordnertätigkeiten; Vermittlung von Bewachungs- und Sicherheitsaufträgen, Bewachungstätigkeit: Bewachung von Grundstücken und Gebäuden; Begleitservice; Messebau; Hausmeisterservice im nichthandwerklichen Bereich, Einbau genormter Baufertigteile, Systemmontage, Qualitätsmanagement, Forderungsmanagement, Bewachung von Personen, Bewachung von Landfahrzeugen“. Der Kläger hatte im streitbefangenen Zeitraum für sein Unternehmen keine Arbeitnehmer zur Sozialversicherung angemeldet.

    Aufgrund einer anonymen Anzeige im Februar 2010, wonach der Beigeladene zu 16. neben dem Bezug von Arbeitslosengeld im Unternehmen des Klägers „schwarz“ arbeite, nahm das Hauptzollamt Magdeburg (im Weiteren: HZA) Ermittlungen gemäß §§ 2 ff. Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) auf und führte am 15. November 2012 eine Geschäftsunterlagenprüfung beim Kläger durch. Dabei gab der Kläger an, 80 bis 85 % seiner Geschäftstätigkeit umfasse den Security-Bereich, hauptsächlich Bewacher- und Ordnertätigkeiten. Er arbeite ausschließlich mit Personal von Subunternehmen und habe mit dem im Übrigen eingesetzten Personal jeweils einen sogenannten Engagementvertrag abgeschlossen, da es sich nach seiner Auffassung hierbei um Selbstständige handle. Die auf diversen Events eingesetzten Kräfte erhielten Arbeitsmittel aus der firmeneigenen Kleiderkammer, wie schwarze Westen mit Firmenaufschrift „I1 “, Funkgeräte, Taschenlampen - falls erforderlich -, Reflexionswesten und Regenjacken mit Firmenaufschrift. Eigenwerbung am Veranstaltungsort sei den eingesetzten Kräften nicht gestattet. Er kümmere sich um die Ausstellung der Bescheinigungen nach § 34a Gewerbeordnung ([GewO] in der hier anwendbaren und vom 18. Dezember 2008 bis zum 12. März 2013 geltenden Fassung) für die durch ihn eingesetzten Kräfte, um der Nachweispflicht gegenüber dem Ordnungsamt nachzukommen. Der Kläger übergab seine Geschäftsunterlagen zu den Bewacher- und Ordnertätigkeiten, u.a. Subunternehmerverträge, Personalunterlagen etc. Darin befanden sich auch die zwischen ihm - dem Kläger - und den von ihm mit Ordnertätigkeiten beauftragten Personen abgeschlossenen Engagementverträge. Diese Vordrucke wurden von allen der Beigeladenen zu 1. bis 20. verwendet. Beispielhaft wird auf den zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 7. geschlossenen Vertrag verwiesen:

    xxx

    Nach Auswertung der vorgenannten Geschäftsunterlagen ermittelte das HZA zunächst bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Magdeburg, ob und ggfs. für welche Zeiträume die ausweislich der beim Kläger sichergestellten Unterlagen von diesem eingesetzten 65 Personen über den Nachweis einer Sachkundeprüfung nach § 34a GewO i.V.m. der Bewachungsverordnung (Bewachungs-VO) als Selbstständige oder als Unselbstständige verfügten und welche der eingesetzten Personen vom Kläger für ihre Einsätze beim Ordnungsamt angemeldet worden waren. Ferner ermittelte das HZA, ob und ggfs. welches Gewerbe sie angemeldet hatten, ob sie laut Finanzamt als Selbstständige oder Nichtselbstständige geführt wurden, von welchen Arbeitgebern sie als Arbeitnehmer angemeldet worden waren und ob sie Leistungen der Agentur für Arbeit bzw. des Jobcenters im Prüfungszeitraum bezogen hatten. Zudem übersandte das HZA an insgesamt 16 Personen jeweils einen Fragebogen zur Beurteilung ihrer Selbstständigkeit.

    Der Beigeladene zu 1. gab unter Verwendung des vorgenannten Vordrucks unter dem 18. Dezember 2012 an, als Einzelunternehmer/Kleinunternehmer tätig zu sein, seine Geschäfts- bzw. Betriebsräume bei sich zu Hause zu unterhalten und mit dem Kläger einen Subunternehmervertrag abgeschlossen zu haben. Eine regelmäßige Arbeitszeit sei nicht einzuhalten gewesen; er habe seine Arbeitszeit frei gestalten können. Er habe Werbung in Form von Weiterempfehlung und Visitenkarten betrieben. Ihm sei eigene Werbung erlaubt gewesen. Seine Arbeiten seien durch die Prüfung der Einhaltung der Dienstanweisungen kontrolliert worden. Er hätte eigene Hilfskräfte einsetzen können. Arbeitsmittel, d.h. Kleidung, Taschenlampen, Funkgeräte o. ä., seien ihm zur Verfügung gestellt worden. Er habe die Übernahme von Aufträgen ablehnen können. Er habe einen eigenen Kundenstamm und mehrere Auftraggeber gehabt und seine Preise selbst gestalten können. Die Bezahlung sei in Form eines Honorars nach Rechnungslegung erfolgt. Aufgrund seines geringen Einkommens beziehe er anteilsmäßig „Hartz IV“. Wegen der weiteren Einzelheiten und der Gewerbeanmeldungen vom 26. April 2011 und 2. Februar 2012 sowie der Bescheinigung nach § 34a Abs. 1 S. 3 Nr. 3, S. 4 GewO wird auf Blatt 76 bis 82 und 128 der Verwaltungsakte Bezug genommen. Am 14. Januar 2013 führte das HZA beim Beigeladenen zu 1. eine Vorortprüfung durch und konnte insbesondere Ausgangsrechnungen für die Jahre 2011 bis November 2012 auswerten, wonach überwiegend Dienstleistungen bezüglich des Bewachungs- und Sicherheitsgewerbes, sogenannte „Ordnertätigkeiten“, in Rechnung gestellt worden seien. Hinsichtlich der Zusammenstellung der Rechnungen wird auf Blatt 84 der Verwaltungsakte verwiesen.

    Die Beigeladene zu 3. teilte im Rahmen der Überprüfung ihres Leistungsbezugs beim Jobcenter Landkreis Harz dort unter dem 3. Dezember 2013 mit, nie für den Kläger gearbeitet zu haben, sondern nur für ihren erkrankten Exfreund das ihm zustehende Geld abgeholt und dies mit ihrer Unterschrift bestätigt zu haben.

    Der Beigeladene zu 6. gab unter dem 25. März 2014 an, zu keiner Zeit eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt und zu keiner Zeit Auftragnehmer des Klägers gewesen zu sein.

    Der Beigeladene zu 7. teilte am 21. März 2014 mit, vom 1. Januar 2011 bis zum 15. Dezember 2012 bei der Bundeswehr angestellt und dort versichert gewesen zu sein. Dementsprechend habe kein Beschäftigungsverhältnis beim Kläger bestanden.

    Der Beigeladene zu 8. übersandte am 24. April 2014 eine Bestätigung, dass er aushilfsweise für K. für den Kläger im B-Stadion gearbeitet habe. Die Arbeitszeiten hätten 8-12 Stunden im Monat, je nachdem wie oft im Stadion gespielt worden sei, betragen und er habe einen Arbeitseinsatz von ca. 20 Stunden in Clausthal-Zellerfeld absolviert. Er sei in dieser Zeit nicht als Selbstständiger tätig geworden und ihm sei versichert worden, dass er den „meldungsfreien Betrag“ von 150,00 € nicht überschreite.

    Der Beigeladene zu 9. teilte am 27. März 2014 mit, seit 2001 „fest“ als Facharbeiter tätig und zu keiner Zeit selbstständig gewesen zu sein.

    Der Beigeladene zu 13. teilte dem HZA am 3. Januar 2013 mit, zu keiner Zeit eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt zu haben und zu keiner Zeit Auftragnehmer der Firma des Klägers gewesen zu sein. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 107 bis 112 der Verwaltungsakte Bezug genommen.

    Der Beigeladene zu 18. gab am 8. Januar 2013 an, „auftragsmäßig“ und „unregelmäßig unter 100 €“ für den Kläger tätig geworden zu sein. Es habe kein Arbeits-/Beschäftigungsverhältnis im regelmäßigen Sinne gegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 117 bis 120 der Verwaltungsakte verwiesen.

    Das HZA leitete nach Auswertung aller Ermittlungsergebnisse ein Strafverfahren wegen des Verdachts des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (Strafbarkeit gemäß § 266a Abs. 1 und 2 Strafgesetzbuch [StGB]) ein und teilte dies dem Kläger am 15. Februar 2013 mit. Hinsichtlich der Auflistung der beim Kläger sichergestellten Unterlagen, u.a. die Stundennachweise 2011 und 2012, Dienstanweisungen und Verträge, wird auf Blatt 3 und 4 der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Magdeburg zu dem Az.  568 Js 6***/13 (im Weiteren: StA-Akte) verwiesen. Im Verlaufe des Ermittlungsverfahrens veranlasste das HZA u.a. eine beitragsrechtliche Schadensauswertung durch die Beklagte. Darin kam diese unter dem 2. Februar 2015 zu dem Ergebnis, dass für die Beigeladenen zu 1. -20. und F  - deren Beschäftigungsverhältnis mit der daraus folgenden Entrichtung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen sowie Zahlung von Säumniszuschlägen im Berufungsverfahren nicht mehr umstritten ist - Sozialversicherungsbeiträge nachzufordern seien und dass diese der Höhe nach berechnet werden könnten. Für die übrigen von den Ermittlungen erfassten Personen könne mangels ausreichender Unterlagen keine versicherungsrechtliche Beurteilung und demzufolge keine Berechnung vorgenommen werden. Bei einigen Personen sei vom Umfang her jeweils von einer kurzfristigen, nicht versicherungspflichtigen Beschäftigung auszugehen. Insoweit wird auf Blatt 36 bis 74 StA-Akte verwiesen.

    Das HZA erstellte unter dem 10. August 2015 seinen Schlussbericht für die StA Magdeburg. Hierzu wird auf Blatt 121 bis 135 der StA-Akte Bezug genommen.

    Nach Anhörung des Klägers forderte die Beklagte mit Bescheid vom 8. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2016 für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum 30. September 2012 Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 20.666,81 € auf der Grundlage der Betriebsprüfung nach § 28p Viertes Buch Sozialgesetzbuch (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV) i.V.m. § 2 Abs. 2 SchwarzArbG. In der Nachforderung seien Säumniszuschläge nach § 24 Abs. 1 SGB IV i.H.v. 6.455,50 € enthalten. Bereits mit Schreiben vom 31. Juli 2015 sei dem Kläger mitgeteilt worden, dass das HZA im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens sie - die Beklagte - im Wege der Amtshilfe hinzugezogen hatte und beabsichtigt sei, die Ermittlungsergebnisse anhand der sichergestellten Unterlagen und Nachweise im Betriebsprüfungsverfahren beitragsrechtlich auszuwerten. Mit dem Anhörungsschreiben vom 21. September 2015 sei der Kläger eingehend über die Sach- und Rechtslage unterrichtet worden. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers habe auch nach der gewährten Fristverlängerung keine Stellungnahme in der Sache abgegeben. Soweit dieser beantragt habe, das Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens auszusetzen, sei dem nicht entsprochen worden. Die Beklagte sei an den Ausgang des Strafverfahrens nicht gebunden. In Auswertung der vom HZA zur Verfügung gestellten Unterlagen sei festzustellen, dass vom Kläger mehrere Personen mit einem sogenannten Engagementvertrag beschäftigt worden seien, welcher gleichzeitig als Rechnung gedient habe. Die Gestaltung dieser Verträge lasse die Vermutung zu, dass es sich bei diesen Honorarkräften nicht in allen Fällen um tatsächlich selbstständig beschäftigte Personen gehandelt habe. Nach der allgemeinen Rechtsauffassung werde bei einer abhängigen Beschäftigung Art, Ort, Zeit und Weise der Tätigkeit vorgeschrieben. Eine selbstständige Tätigkeit sei durch das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freie Gestaltung der Tätigkeit und der Arbeitszeit gekennzeichnet. Es seien auch Abfragen bei den zuständigen Gewerbeämtern hinsichtlich vorliegender Gewerbeanmeldungen und bei den Finanzämtern hinsichtlich eventueller Registrierungen als Gewerbetreibende mit eventuell vergebener Steuernummer und Ermittlung der Steuerklassen der Personen, mit denen Engagementverträge geschlossen worden seien, erfolgt. In Auswertung aller Unterlagen seien die Beigeladenen zu 1. bis 20. sowie F als abhängig beschäftigte Arbeitnehmer ermittelt worden. Bei den Beigeladenen zu 2. bis 20. sei die Beschäftigung in Form einer geringfügigen Beschäftigung erfolgt; insoweit würden die fehlenden pauschalen Kranken- und Rentenversicherungsbeiträge nachgefordert. Im Hinblick auf den Beigeladenen zu 1. seien als Gründe für eine abhängige Beschäftigung berücksichtigt worden, dass dieser keine eigenen Betriebsräume unterhalten habe, keine Arbeitnehmer beschäftigt habe, kein eigenes Kapital eingesetzt und damit kein unternehmerisches Risiko gehabt habe. Ihm seien kostenlose Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt worden, die Einhaltung von Dienstanweisungen sei kontrolliert worden, der Arbeitsort sei nicht frei wählbar gewesen und die Bezahlung nach Stunden und Gestellung der eigenen Arbeitskraft (Ordner) erfolgt. Die Beigeladenen zu 2. bis 20. hätten sämtlich - jedenfalls im hier streitigen Zeitraum und für Ordnertätigkeiten - kein Gewerbe angemeldet und nicht über eine Steuernummer beim Finanzamt für eine selbstständige Tätigkeit verfügt. Die Beigeladenen zu 4., 5., 10., 12., 14., 15., 16., 17., 19. und 20. seien im gesamten relevanten Zeitraum bei einem anderen Arbeitgeber, die Beigeladenen zu 5., 16., und 19. als Auszubildende beschäftigt gewesen. Der Beigeladene zu 7. habe während der Zeit der Tätigkeit für den Kläger seinen Wehrdienst abgeleistet.

    Hinsichtlich des Beigeladenen zu 2. sei zu berücksichtigen gewesen, dass die vorliegenden Engagementverträge und Rechnungen gezeigt hätten, dass diese durch ständig andere (nicht benennbare) Personen unterschrieben worden seien und keine Unterschrift zu der des Beigeladenen zu 2. gepasst habe. Die Nachberechnung der Beiträge erfolge somit lediglich für eine Person dieses Namens, da nicht nachvollziehbar sei, durch wen diese Leistungen tatsächlich erbracht worden seien und wer das Geld dafür erhalten habe. Die gezahlten Entgelte seien mit Lohnsteuerklasse VI auf Bruttoentgelte hochgerechnet worden, da es sich hier um Schwarzlohnzahlungen gehandelt habe. Die fehlenden Beiträge seien anhand der Betriebsnummernendziffernregelung der Beigeladenen zu 21. zugeordnet worden. Der Beigeladene zu 2. seinerseits habe gegenüber dem HZA mit Schreiben vom 25. März 2014 angegeben, zu keiner Zeit selbstständig tätig gewesen zu sein und keine Leistungen für den Kläger erbracht zu haben.

    Zu Gunsten des Klägers seien die Honorarkräfte, welche lediglich ein bis zweimal für ihn tätig geworden seien, nicht berücksichtigt worden. Ebenso sei bei den gezahlten Entgelten zu seinen Gunsten keine Hochrechnung auf ein Bruttoentgelt erfolgt; die gezahlten Entgelte seien als Bruttoentgelte angesetzt worden. Der Kläger sei als Inhaber der Firma „I1 “ als Arbeitgeber der Beigeladenen zu 1. bis 20. anzusehen. Als solcher habe er seine Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt. Der Kläger habe auch Säumniszuschläge gemäß § 24 Abs. 2 SGB IV zu entrichten, da eine unverschuldete Unkenntnis in Bezug auf die Beitragsschuld unter Berücksichtigung aller Umstände nicht glaubhaft sei. Dem Bescheid sind in der Anlage die Berechnung der Beiträge für sämtliche Beigeladenen - und F.  - im umstrittenen Zeitraum beigefügt.

    Am 27. Juli 2016 hat der Kläger beim Sozialgericht Magdeburg Klage erhoben und die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 8. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2016 verfolgt.

    Das Amtsgericht Wernigerode verhängte nach Auswertung des Schlussberichtes des HZA und der nachfolgenden Ermittlungen mit dem Strafbefehl vom 6. Oktober 2015 gegen den Kläger eine Gesamtgeldstrafe von 95 Tagessätzen. Der aus dem Rubrum ersichtliche Prozessbevollmächtigte des Klägers legte hiergegen Einspruch ein und verfolgte die Aussetzung des Verfahrens bis zum Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens. Nachdem das Amtsgericht das Verfahren zunächst gemäß § 262 Strafprozessordnung (StPO) ausgesetzt hatte, stellte es das Verfahren schließlich mit Beschluss vom 4. Oktober 2018 wegen „Vorenthalten und Veruntreuung von Arbeitsentgelt“ gegen Zahlung eines Geldbetrages i.H.v. 1.000,00 € gemäß § 153a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StPO ein.

    Der Kläger hat mit der am 12. Dezember 2017 beim Sozialgericht eingegangenen Klagebegründung daran festgehalten, dass die im angefochtenen Bescheid benannten Personen selbstständig Tätige gewesen seien. Insbesondere in Bezug auf den Beigeladenen zu 1. habe sich die Beklagte nur einige wenige für eine Abhängigkeit sprechende Gesichtspunkte herausgenommen und nicht die gebotene umfassende Gesamtbetrachtung angestellt. Die Tatsache, dass der beauftragte Unternehmer einheitliche Bekleidung und einheitliche Ausrüstungsgegenstände unentgeltlich überlassen erhalten habe, sei in die vereinbarte Bezahlung dergestalt eingeflossen, dass das Entgelt etwas geringer als das eigentlich veranlasste stundenweise Entgelt gewesen sei. Der Beigeladene zu 1. habe vollständig frei entscheiden können, ob er und in welchem Umfang er Aufträge annehme. Dass er im Zuge der Ausführung seiner Dienstleistungen aufgrund der Notwendigkeit der Objektabsicherung seinen - des Klägers - Weisungen als Auftraggeber unterliege, verstehe sich von selbst, liege in der Natur der Sache und sei vor diesem Hintergrund keinerlei Indiz einer angeblich abhängigen Beschäftigung. Dass teilweise beauftragte Personen trotz gegenteiliger ausdrücklicher und auch aktenkundiger Zusicherung angeblich eine Gewerbeanmeldung unterlassen haben sollen, werde bestritten und sei jedenfalls aus seiner allein maßgeblichen Sichtweise als Auftraggeber unschädlich. Kompliziert liege die Angelegenheit bei dem Beigeladenen zu 2. Soweit dieser gar keine Engagementverträge und Rechnungen unterzeichnet haben soll, sei nicht nachvollziehbar, weshalb und für welche Entgelte er als geringfügig beschäftigter Arbeitnehmer eingeschätzt worden sei. Dies sei in jedem Falle rechtswidrig. Die Behauptung des Beigeladenen zu 8., er sei nicht als Selbstständiger tätig gewesen, sei falsch. Dies liege eingedenk der eigenen schriftlichen Bestätigung hierzu gegenüber dem Kläger auf der Hand. Dies gelte auch für den Beigeladenen zu 9. Grundsätzlich habe die Beklagte offensichtlich das Wesen des Sicherheitsgewerbes verkannt.

    Die Beklagte hat auf ihre Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug genommen. Ergänzend hat sie vorgetragen, aus dem Umstand, dass die vom Bescheid betroffenen Personen jeweils keine Gewerbeanmeldung vorgenommen haben, könne geschlossen werden, dass sie sich selbst nicht als selbstständig Tätige angesehen hätten. Zudem hat sie auf die schriftlichen Bestätigungen der Beigeladenen zu 8. und 9. im Rahmen der Ermittlungen (Blatt 185, 239 Beweismittelakte [BewA] II) verwiesen.

    Das Sozialgericht Magdeburg hat mit Urteil vom 15. Januar 2019 den Bescheid der Beklagten vom 8. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2016 mit der Maßgabe aufgehoben, dass ausschließlich F als abhängig Beschäftigte des Klägers einzustufen sei. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die Beklagte habe dem Kläger die abhängige Beschäftigung der 20 (gemeint: 21) in Rede stehenden Personen nachzuweisen. Dies sei auf der Grundlage der vom HZA an die Beklagte übergebenen Unterlagen nur im Fall der F gelungen. Eigene Ermittlungen der Beklagten seien nicht aktenkundig. In den übrigen 19 (gemeint:20) Fällen könne die Beklagte ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis beim Kläger zumindest nicht nachweisen. Aus den Angaben des Beigeladenen zu 1. könne das Gericht in keiner Weise ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ableiten. Sie sprächen für ein selbstständiges Unternehmen mit allen Unternehmerrisiken (Schlechtleistung, keine Bezahlung im Krankheitsfall, kein regelmäßiges Gehalt). Sofern dieser erklärt habe, er habe Dienstanweisungen des Klägers einhalten müssen, beziehe sich das auf die vom Kläger gesetzten Rahmenbedingungen während der konkreten Veranstaltung. Dies halte das Gericht im Sicherheitsgewerbe bei Veranstaltungen für ebenso normal wie das Tragen von einheitlicher Kleidung während der Verrichtung, damit er von den Besuchern der Veranstaltung als Sicherheits- und Ordnungsperson erkannt und respektiert werde. Die Gewerbeanmeldung sei in jeglicher Hinsicht unbeachtlich. In dem zwischen den Vertragsparteien (Kläger und betreffende Person) geschlossenen Vertrag seien die rechtlichen Rahmenbedingungen abgesteckt, die zwischen diesen gegolten hätten und von diesen gewollt gewesen seien. Darin sei eine Bezahlung pro einzelner Leistung vereinbart worden, also das Gegenteil von einer laufenden Lohnzahlung. Die Vertragsparteien hätten deutlich vereinbart, dass ein arbeitsrechtliches und damit sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis nicht zustande kommen solle und die betreffenden Personen selbst für Steuern und Sozialversicherungsabgaben zuständig seien. Für das Gericht sei auch nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte sich nur die 20 (gemeint: 21) Personen von den insgesamt 65 Personen herausgegriffen habe. Wenn die Beklagte diese Personen für selbstständig gehalten habe, würde dies das Gericht erheblich erstaunen. Denn einige von ihnen erfüllten viel mehr Kriterien für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis als die vom Bescheid erfassten Personen. Die Beklagte müsse im Rahmen der Betriebsprüfung alle Personen, die sie für abhängig beschäftigt halte, mit in die Beitragsnachforderung einbeziehen. Einen sachlichen Grund für die Differenzierung gebe es hierfür nicht. Der Beigeladene zu 2., der nach eigenen Angaben nie für den Kläger gearbeitet und auch nach der Einlassung der Beklagten nie eine Rechnung unterschrieben habe, sei nicht als abhängig Beschäftigter des Klägers anzusehen. Er sei dort nicht beschäftigt gewesen. Als „Summenperson“ könne die Beklagte den Beigeladenen zu 2. nicht als Arbeitnehmer berücksichtigen. Einzig F sei Arbeitnehmerin des Klägers gewesen. Für sie habe der Kläger Beiträge nachzuentrichten und Säumniszuschläge zu zahlen.

    Die Beklagte hat gegen das ihr am 4. Februar 2019 zugestellte Urteil am 1. März 2019 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Sie hat daran festgehalten, dass für die in Rede stehenden Überwachungs- bzw. Ordnertätigkeiten die Merkmale der abhängigen Beschäftigung überwögen. Die Ordnungskräfte seien nach Stunden bezahlt worden, es sei kein eigener Kapitaleinsatz erfolgt und Dienstanweisungen seien einzuhalten gewesen. Die Vergütung habe sich allein nach der tatsächlichen Arbeitsleistung (Anzahl der Stunden) gerichtet. Die im streitbefangenen Bescheid genannten Personen hätten somit ein festes erfolgsunabhängiges Entgelt erhalten; ein für Selbstständige untypisches Merkmal. Vom Kläger sei die Verfügungsmacht oder das Recht, auf die Arbeitsleistung Einfluss zu nehmen, in Anspruch genommen worden. Die von ihm eingesetzten Überwachungskräfte/Ordner hätten sich ihrer Einsatzverpflichtung nicht entziehen können, da der Kläger dann nicht in der Lage gewesen wäre, seine Verträge mit den einzelnen Auftraggebern zu erfüllen. Diesbezüglich sei auch eine Kontrolle der Arbeit erfolgt. Soweit das Sozialgericht auf die Angaben des Beigeladenen zu 1. abgestellt habe, wonach dieser nicht zur persönlichen Ausführung der Arbeiten verpflichtet gewesen sei und ihm der Einsatz eigener Hilfskräfte möglich gewesen wäre, gehe dies aus dem Engagementvertrag nicht hervor. Der Beigeladene zu 1. habe auch keine eigenen Arbeitnehmer als Selbstständiger angemeldet, die er hätte einsetzen können. Die Existenz weiterer Dienst-/Auftraggeber für die Beurteilung des einzelnen Rechtsverhältnisses sei typischerweise ohne Bedeutung. Die fehlende Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bzw. ein fehlender Urlaubsanspruch stellten lediglich die Rechtsfolge einer (angenommenen) selbstständigen Tätigkeit dar, seien jedoch für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung selbst unerheblich.

    Die Beklagte beantragt,

    das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 15. Januar 2019 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

    Der Kläger beantragt,

    die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 15. Januar 2019 zurückzuweisen.

    Er hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig. Ergänzend hat er darauf verwiesen, dass jede einzelne der im angefochtenen Bescheid aufgeführten Personen sich stets ihrer „Einsatzverpflichtung“ habe entziehen können und es ihr jederzeit freigestanden habe, die angebotenen Tätigkeiten gar nicht, oder nur teilweise oder vollständig zu übernehmen. Wenn überhaupt eine Kontrolle der ausgeübten Tätigkeiten der jeweils eingesetzten Personen erfolgt sei, dann nicht deswegen, weil diese Personen in seinen - des Klägers - Arbeitsablauf integriert worden seien, sondern weil er seinerseits gegenüber seinen Auftraggebern eine entsprechende Dokumentationspflicht habe erfüllen müssen. Der Beigeladene zu 12. sei weiterhin für ihn tätig. Zu allen übrigen Personen bestünden keine Geschäftsbeziehungen mehr.

    Mit Beschluss vom 8. September 2022 hat der Senat die aus dem Rubrum ersichtlichen Beiladungen vorgenommen.

    Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Beweismittelakten der StA Magdeburg zum Verfahren 568 Js 6***/13 ergänzend verwiesen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der anschließenden Beratung des Senats gewesen.

    Entscheidungsgründe:

    Der Senat konnte über die Berufung verhandeln und entscheiden, obwohl die Beigeladenen zu 1. bis 24. weder erschienen noch vertreten gewesen sind. Die ladungsfähigen Anschriften der Beigeladenen zu 4. und 7.  konnten nicht mehr ermittelt werden. Die übrigen Beigeladenen sind auf diese Möglichkeit mit der ihnen jeweils ordnungsgemäß zugestellten Ladung hingewiesen worden (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

    Die Berufung ist begründet.

    Zu Unrecht hat das Sozialgericht der Klage ganz überwiegend stattgegeben. Der Bescheid der Beklagten vom 8. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 S. 1 SGG). Die Beklagte hat zu Recht vom Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 30. September 2012 auch die noch umstrittenen Beiträge zur Sozialversicherung einschließlich Säumniszuschläge i.H.v. 20.352,06 € nachgefordert. Der Kläger ist auch als Arbeitgeber der Beigeladenen zu 1. bis 20. im vorgenannten Zeitraum in dem von der Beklagten festgestellten Umfang zur Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen zu Recht in Anspruch genommen worden.

    Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 28p Abs. 1 S. 1, 4 und 5 SGB IV. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen. Die Prüfung umfasst auch die Entgeltunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern. Gemäß § 28 f Abs. 2 S. 1 bis 4 SGB IV kann, wenn ein Arbeitgeber die Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt und dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden können, der prüfende Träger der Rentenversicherung den Beitrag in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend machen. Satz 1 gilt nicht, soweit ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand festgestellt werden kann, dass Beiträge nicht zu zahlen waren oder Arbeitsentgelt einem bestimmten Beschäftigten zugeordnet werden kann. Soweit der prüfende Träger der Rentenversicherung die Höhe der Arbeitsentgelte nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermitteln kann, hat er diese zu schätzen.

    Hier ist die Beklagte auf der Grundlage der Ermittlungen des HZA Magdeburg zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger seine Aufzeichnungspflichten als Arbeitgeber nicht ordnungsgemäß erfüllt hat.

    Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung [SGB VI]; § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung [SGB V]; § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung [SGB XI]; § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung [SGB III]). Der Arbeitgeber muss die Beiträge als Gesamtsozialversicherungsbeitrag zahlen (§ 28d Satz 1 i.V.m. § 28e Abs. 1 S. 1 SGB IV und § 253 SGB V, § 174 Abs. 1 SGB VI, § 60 Abs. 1 S. 2 SGB XI, § 348 Abs. 2 SGB III). Die Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung der sogenannten U-1- und U-2-Umlagen ergibt sich aus § 7 Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) und folgt nach § 10 AAG den für die gesetzliche Krankenversicherung geltenden Regeln. Die Mittel für die Zahlung des Insolvenzgeldes werden nach § 358 Abs. 1 S. 1 SGB III zusammen mit dem Gesamtsozialversicherungsbetrag an die Einzugsstelle gezahlt.

    Grundvoraussetzung für die Pflicht zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen ist das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses, während die Pflicht zur Zahlung der U-1- und U-2- sowie der Insolvenzgeldumlage nach § 7 Abs. 2 S. 1 AAG beziehungsweise § 165 Abs. 1 S. 1 SGB III das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraussetzt, da nur Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinn in den Genuss von Entgeltfortzahlungs-, Mutterschaftsgeld- und Insolvenzgeldleistungen kommen können (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 26. September 2017 - B 1 KR 31/16 R -, juris, RdNr. 16f.; Urteil vom 3. November 2021 - B 11 AL 4/20 R -, juris, RdNr. 15). Der Begriff des Beschäftigten im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV und der arbeitsrechtliche Arbeitnehmerbegriff bestimmen sich jedoch im Wesentlichen nach den gleichen Kriterien (vgl. BSG, Urteil vom 26. September 2017, a.a.O., RdNr. 17 m.w.N.).

    Eine geringfüge Beschäftigung lag nach § 8 Abs. 1 SGB IV in der vom 11. August 2010 bis zum 31. Dezember 2012 geltenden hier anwendbaren Fassung vor, wenn (Nr. 1) das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 400,00 € nicht übersteigt oder (Nr. 2) die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 400,00 € im Monat übersteigt. Bei einer geringfügigen Beschäftigung im Sinne von § 8 SGB IV bestand seit ihrem Beginn am 15. Juli 2009 Versicherungsfreiheit in allen Zweigen der Sozialversicherung mit einer Pflicht des Arbeitgebers, Pauschalbeiträge zur Kranken- und Rentenversicherung gemäß § 249b SGB V und § 172 Abs. 3 SGB VI abzuführen.

    Hier unterlag der Beigeladene zu 1. der Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung. Für die Beigeladenen zu 2. bis 20. waren (lediglich) Pauschalbeiträge zur Kranken- und Rentenversicherung sowie Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (U1-Verfahren) und Leistungen des Arbeitgeberzuschusses zum Mutterschaftsgeld (U2-Verfahren) zu entrichten. Denn die Beigeladenen zu 1. bis 20. sind ebenso wie F im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses für den Kläger tätig geworden.

    Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen „Etikettenschwindel" handelt. Auf der Grundlage des festgestellten (wahren) Inhalts der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (vgl. statt aller BSG, Urteil vom 18. November 2015 - B 12 KR 16/13 R -, juris, RdNr. 16 f. m.w.N.).

    Hier überwiegen in Gesamtschau aller Umstände des Einzelfalles die Merkmale der abhängigen Beschäftigung (auch) der Beigeladenen zu 1. bis 20.

    Die Beigeladenen zu 1. bis 20. verrichteten für den Kläger Ordner- und Überwachungstätigkeiten. Sie reisten zu Veranstaltungsorten, insbesondere Fußballstadien, Festzelten und Diskotheken, und verrichteten dort Tätigkeiten, wie das Kontrollieren von Eintrittskarten, Abreißen von Tickets, ordneten die Besucherströme und achteten auf die Sicherheit und Ordnung der Veranstaltung. Diese Tätigkeiten erledigten sie im Auftrag des Klägers, der sich seinerseits gegenüber seinen Auftraggebern zur Absicherung von Fußballspielen, Festveranstaltungen und Partys verpflichtet hatte. Insoweit erfüllte der Kläger durch den Einsatz der Beigeladenen zu 1. bis 20. seine Vertragspflichten und setzte sie wie eigene Arbeitnehmer ein. Im Hinblick auf die verrichteten Ordner-/Überwachungsaufgaben waren Ort, Zeit sowie Art und Weise der Tätigkeit vorgegeben und von den Beigeladenen zu 1. bis 20. einzuhalten. Sie hatten keinerlei Gestaltungsspielraum bei der Ausübung dieser Tätigkeit. Sie verrichteten die Arbeiten jeweils persönlich und setzten keine eigenen Arbeitnehmer ein (vgl. zur Beurteilung von Mitarbeitern eines Sicherheitsdienstes: Landgericht Köln, Urteil vom 10. Dezember 2019 - 116 KLs 6/18 -, juris, RdNr. 1305).

    Die Beigeladenen zu 1. bis 20. hatten keinerlei Einfluss auf die Entgelthöhe. Dies ergibt sich aus den aktenkundigen Engagementverträgen, die gleichzeitig als Quittung dienten, und den vom Beigeladenen zu 1. vorgelegten Rechnungen. Ein für selbstständig Tätige typisches Vorgehen in Form von Angebotsabgabe, gegebenenfalls Verhandlungen über das zu entrichtende Honorar sowie Angebotsannahme fand nicht statt. Eine auskömmliche eigene Absicherung, die Grundlage einer Verhandlungsposition des Selbstständigen ist, war angesichts der geringen Vergütung nicht möglich (vgl. hierzu Urteil des BSG vom 31. März 2017 - B 12 R 7/15 R -, juris, RdNr. 50; Bayerisches LSG, Beschluss vom 29. Oktober 2014 - L 5 R 868/14 B ER -, juris, RdNr. 55). Ausweislich der aktenkundigen Rechnungen des Beigeladenen zu 1. stellte dieser dem Kläger einen Stundenlohn zwischen 7,50 € und 10,00 € in Rechnung. Die aktenkundigen Quittungen der Beigeladenen zu 2. bis 20. lassen ebenfalls Rückschlüsse auf jeweils geringe Stundenlöhne zu. Beispielsweise erhielt der Beigeladene zu 8. für seine Tätigkeit als Ordner im „E-Stadion“ am 20. Juli 2012 28,00 € (Blatt 95 BwA II) und der Beigeladene zu 12. für seine Tätigkeit als Ordner „FB B“ am 4. März 2012 38,00 € (Blatt 153 BwA III).

    Einem Unternehmerrisiko unterlagen die Beigeladenen zu 1. bis 20. nicht. Eigene Betriebsmittel setzten sie nicht ein. Vielmehr erhielten sie vom Kläger Arbeitsmittel aus der firmeneigenen Kleiderkammer, wie schwarze Westen mit Firmenaufschrift „I1 “, Funkgeräte, Taschenlampen - falls erforderlich -, Reflexionswesten und Regenjacken mit Firmenaufschrift. Vom äußeren Erscheinungsbild her traten sie damit als vom Kläger eingesetzte Personen auf und waren von für den Kläger tätigen Arbeitnehmern - sofern er solche eingestellt hätte - nicht zu unterscheiden. Soweit sie mit dem eigenen Pkw anreisten - wie dies auch für Arbeitnehmer üblich ist, um an ihren Arbeitsort zu gelangen - wurde ihnen ausweislich der aktenkundigen Quittungen teilweise Fahrgeld erstattet. Sie brachten ausschließlich ihre eigene Arbeitskraft ein und wurden hierfür bezahlt, ohne selbst Einfluss auf die Höhe der Vergütung zu haben. Insbesondere hatten sie keine Möglichkeit, eine höhere Entlohnung durch schnelleres und oder effektiveres Arbeiten zu erreichen.

    Die Beigeladenen zu 2. bis 20. hatten jeweils - im hier streitigen Zeitraum - kein eigenes Gewerbe angemeldet, sahen sich somit selbst nicht als Gewerbetreibende an. Die Beigeladenen zu 1. bis 20. bestätigten ausdrücklich, keine selbstständigen Tätigkeiten verrichtet zu haben. Die Engagementverträge/Quittungen waren ganz überwiegend bereits vorausgefüllt und wurden von den Beigeladenen nur noch zur Bestätigung der erhaltenen Barbeträge unterschrieben.

    Soweit die Engagementverträge den Passus enthielten, dass kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis begründet werden solle, ist dies als Etikettenschwindel zur Verschleierung des abhängigen Beschäftigungsverhältnisses zu qualifizieren. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Beigeladene zu 1. Ordnertätigkeiten regelmäßig oberhalb des nach dem Arbeitszeitgesetz zulässigen Zeitrahmens, u.a. jeweils 10 Stunden und mehr, verrichtete.

    Das Argument des Klägers und des Sozialgerichts, den Beigeladenen zu 1. bis 20. habe es freigestanden, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, bezieht sich auf die der Tätigkeit vorgelagerte Entscheidung, betrifft jedoch nicht die Ausgestaltung der Tätigkeit selbst (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 13. Dezember 2022 - L 3 BA 53/18 -, zur Beurteilung der Tätigkeit eines sogenannten Fahrzeugüberführers, juris, RdNr. 60).

    Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts hat die Beklagte sachliche Gründe für die Differenzierung der Beurteilung der vom HZA und nachfolgend von ihr - der Beklagten - überprüften 65 Personen mitgeteilt. Dies ergibt sich aus den Ausführungen in der Schadensberechnung und dem angefochtenen Bescheid, die im Tatbestand dargestellt worden sind. Unabhängig davon vermittelt nach der Rechtsprechung des BSG das Ergebnis einer Betriebsprüfung keinen abschließenden Vertrauensschutz in Bezug auf die Nichteinbeziehung weiterer gegebenenfalls abhängig beschäftigter Personen (BSG, Urteil vom 19. September 2019 - B 12 R 25/18 R -, juris, RdNr. 30 ff.), sodass es der Beklagten offen stünde, eine Nachberechnung von Beiträgen vorzunehmen. Da hier allein die Beschwer des Klägers durch den angefochtenen Bescheid zu prüfen ist, kann der Senat offenlassen, ob und gegebenenfalls welche Personen, zu denen in den beigezogenen Unterlagen Ermittlungsergebnisse vorliegen, ebenfalls als abhängig Beschäftigte hätten angesehen werden müssen.

    In Bezug auf die Beigeladenen zu 2. bis 20. ergibt sich die Entgeltgeringfügigkeit der Beschäftigung nach Maßgabe des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV.

    Die Berechnung der nachgeforderten Beiträge und Umlagen ist rechnerisch nachvollziehbar auf der Grundlage der aktenkundigen Quittungen und Rechnungen erfolgt und beschwert den Kläger nicht. Schließlich ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte in Bezug auf die unter dem Namen des Beigeladenen zu 2. aktenkundigen Quittungen, die nicht vollständig einer identifizierbaren Person hatten zugeordnet werden können, die gezahlten Entgelte mit der Lohnsteuerklasse VI auf Bruttoentgelte hochgerechnet hat. Der Senat teilt die Beurteilung der Beklagten, dass es sich um Schwarzlohnzahlungen gehandelt hat, für die gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 SGB IV ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart gilt (vgl. BSG, Urteil vom 9. November 2011 - B 12 R 18/09 R -, juris, RdNr. 14 ff.; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. Juni 2021 - L 8 R 842/17 -, juris, RdNr. 24). Barzahlungen eines Unternehmers stellen bereits für sich genommen ein erhebliches Indiz für Schwarzarbeit dar (vgl. z.B. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 7. Januar 2019 - 7 U 103/18 -, juris, RdNr. 7ff.). Der Senat ist auch davon überzeugt, dass der Kläger zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat. Soweit er angegeben hat, bei dem auf der Grundlage der abgeschlossenen Engagementverträge eingesetzten Personal habe es sich um Selbstständige gehandelt, führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn der Kläger hat allein in Bezug auf den hier streitigen Zeitraum von 21 Monaten 65 Personen in unterschiedlichem Umfang eingesetzt, ohne deren Personalien festzustellen, und ihnen Barzahlungen in erheblichem Umfang zukommen lassen, ohne von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, den sozialversicherungsrechtlichen Status zu klären.

    Aufgrund der vorstehenden Ausführungen hat die Beklagte auch zu Recht Säumniszuschläge gemäß § 24 Abs. 1 SGB IV für die nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen erhoben. Auch deren Berechnung der Höhe nach ist vom Kläger nicht beanstandet worden. Berechnungsfehler sind auch für den Senat nicht ersichtlich.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung. Die Beigeladenen haben selbst keine Anträge gestellt und sich damit auch nicht in ein Kostenrisiko begeben, § 162 Abs. 3 VwGO. Vor diesem Hintergrund hat der Senat ihnen keine Kostenerstattung zugesprochen.

    Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.

    RechtsgebieteGewO, SGB IV, SchwarzArbGVorschriftenGewO § 34a, SGB IV § 28p, SchwarzArbG § 2 Abs. 2, SGB IV § 24 Abs. 2