02.10.2023 · IWW-Abrufnummer 237613
Finanzgericht Münster: Beschluss vom 05.09.2023 – 11 K 1588/23 Kg
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster
11 K 1588/23 Kg (PKH)
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Gründe:
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I.2
Nach eigenen Angaben hat der Antragsteller im Jahre 2022 in Deutschland gewohnt und war in diesem Jahr bei dem Unternehmen C (Beklagter in der Hauptsache) in Vollzeit als Helfer beschäftigt. Er begehrt mit der in der Hauptsache erhobenen Klage, den Beklagten zur Auszahlung der Energiepreispauschale (EPP) in Höhe von 300 € nach §§ 115 ff des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu verurteilen.
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Der Antragsteller beantragt,
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ihm für das Klageverfahren unter Beiordnung der Rechtsanwälte B, …, … Prozesskostenhilfe zu gewähren.
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Der Beklagte hat sich zu dem Verfahren bislang nicht eingelassen.
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II.
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Der Antrag hat keine Aussicht auf Erfolg.
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Gemäß § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Antragsteller, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
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Die sachlichen Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
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Eine hinreichende Erfolgsaussicht liegt vor, wenn nach Aktenlage bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache spricht; das Gericht muss bei überschlägiger Betrachtung den Rechtsstandpunkt des Antragstellers nach dessen Sachdarstellung und dem Inhalt der vorhandenen Akten für zutreffend oder zumindest vertretbar halten und/oder in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt sein (vgl. BFH-Beschluss vom 29.03.2000 XI B 147/99, BFH/NV 2000, 952).
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Das ist hier nicht der Fall, denn die in der Hauptsache erhobene Klage ist unzulässig.
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1. Das Gericht kann in der Sache entscheiden, da der Finanzrechtsweg eröffnet ist. Dies folgt vorliegend allerdings nicht bereits aus § 120 Abs. 2 EStG. Diese spezielle Rechtswegregelung für die EPP sieht vor, dass „in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über die zur EPP ergehenden Verwaltungsakte der Finanzbehörden“ der Finanzrechtsweg eröffnet ist. Das schlichte Auszahlungsbegehren gegenüber dem Arbeitgeber ist jedoch erkennbar nicht auf den Erlass eines Steuerverwaltungsaktes im Sinne des § 118 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) gerichtet. Verwaltungsakt ist danach jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem öffentlichen Recht trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Vorliegend erstrebt der Kläger schon nicht das Tätigwerden einer Behörde, da er eine Auszahlung durch den Arbeitgeber begehrt.
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Es liegt insoweit aber gleichwohl eine abgabenrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 33 Abs. 1 Nr. 1 der FGO vor. Nach dieser Vorschrift ist der Finanzrechtsweg gegeben in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten, soweit die Abgaben der Gesetzgebung des Bundes unterliegen. Unter Abgabenangelegenheiten sind alle mit der Verwaltung der Abgaben oder sonst mit der Anwendung abgabenrechtlicher Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten zu verstehen (§ 33 Abs. 2 FGO). Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs einzelfallbezogen zu beurteilen. So hat er z.B. bei Streitigkeiten über die Berichtigung einer Lohnsteuerbescheinigung danach differenziert, ob es bei dem Rechtsstreit im Kern um arbeitsrechtliche Fragen geht, zu denen die vom Arbeitnehmer beanstandeten Eintragungen in der Lohnsteuerbescheinigung oder das Begehren des Arbeitnehmers auf Ausstellung einer Lohnsteuerbescheinigung einen bloßen Reflex bilden. Letzteres hat er bejaht für die Fragen, ob überhaupt ein Arbeitsverhältnis vorgelegen hat, für welchen Zeitraum ein Arbeitsverhältnis bestanden hat oder welche arbeitsrechtlichen Ansprüche - insbesondere Barlohnansprüche - bestehen oder bestanden haben (vgl. BFH-Beschluss vom 04.09.2008 ‒ VI B 108/07, BFH/NV 2009, 175; Weber-Grellet, jurisPR-ArbR 9/2023 Anm. 7).
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Nach diesen Maßstäben ist bezüglich der Auszahlung der EPP, jedenfalls soweit sie noch nicht im Sinne des § 115 Abs. 2 EStG ausgezahlt ist, der Finanzrechtsweg eröffnet. Denn nach § 120 Abs. 1 EStG sind auf die EPP die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden. Auch wenn es sich bei der EPP materiell um eine Sozialleistung mit Subventionscharakter handelt, ist sie damit - zumindest rechtstechnisch - als eine Steuervergütung ausgestaltet. Ihre Auszahlung betrifft deshalb einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis nach § 37 Abs. 1 AO. Damit liegt auch eine abgabenrechtliche Streitigkeit vor, die in die Zuständigkeit der Finanzgerichtsbarkeit fällt.
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Aus diesem Grunde liegt keine arbeitsrechtliche Streitigkeit vor. Denn nach § 2 Abs. 1 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) sind Gerichte für Arbeitssachen allein für „bürgerliche Rechtsstreitigkeiten“ zuständig.
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2. Die Klage ist jedoch unzulässig.
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Für die Klage gegen den Arbeitgeber besteht kein Rechtsschutzinteresse, weil dieser nicht Schuldner der EPP ist. Er erfüllt durch die Auszahlung der EPP weder eine im arbeitsvertraglichen Synallagma stehende Leistungspflicht noch eine Zahlungspflicht, die ihm als selbst zu erbringende Arbeitgeberleistung durch den Gesetzgeber auferlegt ist. Er erfüllt mit der Auszahlung der EPP auch nicht einen Bruttolohnanspruch des Arbeitnehmers, sondern eine ihm durch den Gesetzgeber aufoktroyierte Pflicht einer Zahlstelle (vgl. ArbG Lübeck, Urteil vom 01.12.2022 1 Ca 1849/22, juris). Dies ergibt sich auch aus den Gesetzesmaterialien zum Steuerentlastungsgesetz 2022 vom 23.05.2022; BGBl I S. 749 ff, mit dessen Artikel 1 die EPP eingeführt wurde. Danach war Anlass für diese Art der Auszahlung, dass es noch keinen gleichwertigen Auszahlungsmechanismus gab, um die EPP direkt und zeitnah an die Bürger auszuzahlen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP ‒ Drucksache 20/1333 ‒ Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 2022, BT-Drs. 20/1765 S. 18).
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Außerdem ist die EPP nach § 120 Abs. 1 EStG rechtstechnisch als eine Steuervergütung zu behandeln (vgl. Ausführungen unter 1.). Eine Steuervergütungsvorschrift regelt einen Anspruch des Steuerschuldners gegen den Steuergläubiger, der auf unterschiedlichen Rechtsgründen, hier die Regelungen zur EPP, beruhen kann. Steuerschuldner der Lohnsteuer ist der Arbeitnehmer (§ 38 Abs. 2 EStG) als derjenige, der den Steuertatbestand verwirklicht (§§ 43 AO, 36 Abs. 4 Satz 1 EStG). Damit ist der Arbeitnehmer auch Gläubiger einer etwaigen Vergütung dieser Steuern. Ansprüche auf Steuervergütungen sind jedoch gegenüber dem Finanzamt geltend zu machen (Weber-Grellet, jurisPR-ArbR 9/2023 Anm. 7).
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Solange die EPP noch nicht im Sinne des § 115 Abs. 2 EStG ausgezahlt worden ist, muss der Gläubiger der EPP daher grundsätzlich gemäß § 115 Abs. 1 EStG gegenüber dem Finanzamt die Festsetzung durch Abgabe einer Einkommensteuererklärung geltend machen (vgl. BT-Drs. 20/1765 a.a.O. S. 24, Krüger in Schmidt, EStG § 115 Rn 1, § 46 Rn 30 ff; Schober in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 115 EStG Rn 2 und § 120 EStG Rn 3).
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Angesichts der eindeutigen Bezeichnung des Beklagten in der Klageschrift ist eine Umdeutung der vorliegenden Klage in ein derartiges Begehren nicht möglich. Außerdem wäre auch eine solche Klage unzulässig, da das Erstreiten eines Verwaltungsaktes vor den Finanzgerichten gemäß § 44 Abs. 1 FGO, sofern nicht Ausnahmen nach § 45 FGO (Sprungklage) oder § 46 FGO (Untätigkeitsklage) bestehen, nur zulässig ist, wenn ein Vorverfahren über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist.
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3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.