03.06.2013 · IWW-Abrufnummer 98607
Bundesfinanzhof: Urteil vom 15.05.1998 – VI R 127/97
Einen Zinszuschuß zahlt der Arbeitgeber dann nicht zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn, wenn er ihn mit einer Gratifikation (Jahresabschlußprämie) verrechnet, auf deren Zahlung der Kläger einen Rechtsanspruch hat.
BFH
15.05.1998
VI R 127/97
Tatbestand:
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Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist bei einer Bank nichtselbständig beschäftigt. Mit der Gehaltszahlung für den Monat April 1995 erhielt er einen Zinszuschuß von 2.000 DM zur Finanzierung des eigengenutzten Einfamilienhauses, von dem der Arbeitgeber Lohnsteuer einbehielt. In ihrer Einkommensteuererklärung kürzten die Kläger den Bruttoarbeitslohn des Klägers unter Hinweis auf § 3 Nr. 68 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 27.2.1987 - EStG 1987 - (BGBl I, 657, BStBl I, 274) i.V.m. § 52 Abs. 2 b EStG i.d.F. des Gesetzes zur Verbesserung der steuerlichen Bedingungen zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland im Europäischen Binnenmarkt (Standortsicherungsgesetz - StandOG -) vom 13.9.1993 (BGBl I, 1569, BStBl I, 774). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte die Kürzung nicht an.
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Die Kläger legten im Einspruchsverfahren eine Bescheinigung des Arbeitgebers vor, wonach der Kläger vor verbindlicher Festlegung der Abschlußvergütung einen Antrag auf Zinszuschuß zu einem Wohnungsbaudarlehen gestellt habe. Der Zinszuschuß sei im Bruttolohn lt. Lohnsteuerkarte enthalten und unter Anrechnung auf die freiwillige Sonderleistung (Abschlußvergütung) ausgezahlt worden. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 1363 veröffentlicht.
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Die Kläger rügen mit der Revision eine fehlerhafte Auslegung des § 3 Nr. 68 EStG 1987 i.V.m. § 52 Abs. 2 b EStG in der im Streitjahr 1995 gültigen Fassung.
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Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und den Zinszuschuß von 2.000 DM steuerfrei zu belassen.
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Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Kläger ist unbegründet. Das FG hat zutreffend entschieden, daß entgegen der Auffassung der Kläger der im April des Streitjahres 1995 als Zinszuschuß zugewendete Betrag nicht nach § 3 Nr. 68 EStG 1987 i.V.m. § 52 Abs. 2 b EStG i.d.F. des StandOG von der Steuer befreit war.
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1. Die in § 3 Nr. 68 EStG 1987 bestimmte Steuerfreiheit des Zinszuschusses gilt nach § 52 Abs. 2 b Satz 2 EStG i.d.F. des StandOG nur, "soweit die Zinszuschüsse zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gezahlt werden". Dies ist dahin zu verstehen, daß ein nach § 3 Nr. 68 EStG 1987 steuerbefreiter Lohn nur anzunehmen ist, wenn er zu dem Arbeitslohn hinzukommt, den der Arbeitgeber aus anderen Gründen schuldet. Dem entspricht auch die Ansicht des FG, das Tatbestandsmerkmal "ohnehin geschuldeter Arbeitslohn" sei bei verständiger Würdigung dahin zu verstehen, daß es sich um Arbeitslohn handeln müsse, auf den zumindest im Zeitpunkt der Zahlung ein verbindlicher Rechtsanspruch besteht.
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Dieses Verständnis steht auch mit dem Zweck der Vorschrift im Einklang, wie er aus ihrer Entstehungsgeschichte hervorgeht. Die bisherige Übergangsregelung zu § 3 Nr. 68 EStG 1987, nämlich § 52 Abs. 2 c EStG i.d.F. Steuerreformgesetzes 1990 vom 25.7.1988 (BGBl I, 1093, BStBl I, 224, 243), ist erst durch Art. 1 Nr. 19 a StandOG um den Zusatz "und soweit die Zinszuschüsse zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gezahlt werden" erweitert worden. Ausweislich der Gesetzesmaterialien sollte durch die geänderte Fassung (nunmehr § 52 Abs. 2 b EStG, im Entwurf: § 52 Abs. 2 j EStG) klargestellt werden, daß die Steuerfreiheit nicht für Zinszuschüsse gilt, die durch Gehaltsumwandlung finanziert werden (BTDrucks 12/5016, S. 90).
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2. Im Streitfall kann dahingestellt bleiben, wie es zu beurteilen wäre, wenn eine arbeitsrechtlich anzuerkennende Gehaltskürzung vereinbart worden wäre. Denn dies ist nicht geschehen. Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz ist der Zinszuschuß mit dem Anspruch des Klägers auf Zahlung der Jahresabschlußvergütung (Gratifikation) verrechnet worden. Auf diese Gratifikation hatte der Kläger einen Rechtsanspruch. Das FG hat zutreffend ausgeführt, daß ein Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf die Zahlung der Gratifikation auch beim Vorbehalt der Freiwilligkeit dann entsteht, wenn der Arbeitgeber ankündigt, eine Gratifikation zu gewähren. Nichts anderes würde gelten, wenn der Arbeitgeber die Gewährung einer auf einer Betriebsvereinbarung beruhenden Gratifikation nicht ankündigt, sondern diese einfach auszahlt. Hatte der Kläger aber einen Rechtsanspruch auf Zahlung der Gratifikation, so ist ihm der Zinszuschuß nicht zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Lohn gezahlt worden. Denn der Arbeitgeber hat dem Kläger infolge der Verrechnung der Gratifikation mit dem Zinszuschuß im Streitjahr insgesamt ein Jahresgehalt gezahlt, das er in derselben Höhe auch dann zu zahlen verpflichtet gewesen wäre, wenn er einen Zinszuschuß nicht gewährt hätte.
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Dem FG ist auch darin zu folgen, daß es bei der Beurteilung, ob der Zinszuschuß zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Lohn gezahlt worden ist, keinen Unterschied machen kann, ob im Zeitpunkt der Auszahlung des als Zinszuschuß bezeichneten Teils des Arbeitslohns bereits ein Anspruch auf den Teil des Arbeitslohns besteht, mit dem die Verrechnung vorgenommen werden soll, oder ob der Rechtsanspruch auf diesen Arbeitslohn erst später entsteht und die Verrechnung erst später vorgenommen wird. Denn die Zinszuschüsse würden in beiden Fällen gleichermaßen durch die Umwandlung eines steuerpflichtigen Teils des Gehalts, auf den ein Rechtsanspruch besteht, finanziert. Gerade für solche Fälle sollte aber nach dem erkennbaren - und vom Arbeitgeber des Klägers auch erkannten - Zweck der Gesetzesänderung die Steuerfreiheit nicht gelten.