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  • 01.07.2014 · IWW-Abrufnummer 141846

    Finanzgericht Sachsen-Anhalt: Urteil vom 15.08.2013 – 6 K 739/08

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    FG Sachsen-Anhalt, 15.08.2013 - 6 K 739/08

    In dem Rechtsstreit
    der A. GmbH,
    Klägerin,
    bevollmächtigt:
    gegen
    das Finanzamt
    Beklagter,
    wegen Haftung und Nachforderung von Lohnsteuer für den Zeitraum vom 01.01.2002 bis 31.12.2005
    hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 6. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15. August 2013 durch
    die Richterin am Finanzgericht Gehlhaar,
    den Richter am Finanzgericht Gehrke, die Richterin am Finanzgericht Gerstmann,
    die ehrenamtliche Richterin ... und
    den ehrenamtlichen Richter ...
    für Recht erkannt:
    Tenor:

    Der Haftungsbescheid vom 17. Oktober 2007 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 16. April 2008 werden insoweit aufgehoben, als darin die Zusatzleistungen für die Verwendung von Gutscheinen für den Waren- und Dienstleistungsbezug vom 01. Januar 2004 bis 31. Dezember 2005 besteuert worden sind.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu 3/4 und der Beklagte zu 1/4 zu tragen.

    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden.
    Tatbestand

    Streitig sind die Haftung der Klägerin für Lohnsteuer für den Zeitraum 01. Januar 2004 bis 31. Dezember 2005.

    Die Klägerin betreibt in der Rechtsform der GmbH den Einzelhandel mit medizinischen und orthopädischen Artikeln und beschäftigte in den Streitjahren insgesamt 20 Arbeitnehmer. Das Schwesterunternehmen B. GmbH betreibt den Einzelhandel und die Herstellung von orthopädischen Erzeugnissen und beschäftigte in den Streitjahren insgesamt 30 Arbeitnehmer.

    Die Klägerin wie auch das Schwesterunternehmen hatten zum 31. Dezember 2003 sämtliche Arbeitsverträge gekündigt und zum 01. Januar 2004 mit denselben Arbeitnehmern neue Arbeitsverträge abgeschlossen, in denen die Klägerin die bisherigen Löhne minderte und ihren Arbeitnehmern in Höhe der Minderung andere Lohnbestandteile gewährte. So stellte die Klägerin ihren Arbeitnehmern bis zum Betrag von 44,- € entweder Tankgutscheine oder Gutscheine für sonstige Waren- oder Dienstleistungsbezüge wie z. B. für Frisörbesuche zur Verfügung und gewährte des Weiteren Fahrtkostenzuschüsse, Kindergartenzuschüsse, Internetpauschalen und Geburtsbeihilfen.

    Diese anderen Lohnbestandteile behandelte die Klägerin entweder steuerfrei oder versteuerte diese pauschal. Die Summe des niedrigeren Bruttoarbeitslohnes nach dem neuen Anstellungsvertrag zuzüglich der steuerfreien bzw. pauschal gezahlten Zuschüsse ergab dabei jeweils exakt den bis zum 31. Dezember 2003 nach dem alten Arbeitsvertrag geschuldeten Bruttoarbeitslohn.

    Hierzu wurde in den zum 01. Januar 2004 geschlossenen neuen Arbeitsverträgen unter anderem folgendes geregelt:

    " Der/ Die Angestellte erhält für seine/ihre Tätigkeit ein Gehalt in Höhe von ..... Euro. (...)

    Daneben erhält der Angestellte folgende Leistungen: VWL AG Leistung (...) EUR, betriebliche bAV (...) EUR, Warengutschein bis 44,- EUR, Internetpauschale 50,- Euro"

    In der Anlage zum Arbeitsvertrag heißt es weiter:

    "Gutscheine, Waren oder Dienstleistungsbezug

    Der Arbeitgeber gewährt einen regelmäßigen Gutscheins- Waren- oder Dienstleistungsbezug nach Wunsch des Arbeitnehmers. Arbeitgeber und Arbeitnehmer verständigen sich darauf, dass die Übergabe eines Gutscheines zusammen mit der monatlichen Lohnabrechnung zu erfolgen hat. Der Arbeitnehmer kann bis zum 30.11. eines jeden Jahres bestimmen, welche konkreten Waren, Dienstleistungen oder Gutscheine er im Folgejahr beziehen möchte. An diese Wahl ist der Arbeitnehmer für das folgende Kalenderjahr gebunden. Unterjährige Änderungen sind nur mit Zustimmung des Arbeitgebers möglich.

    Der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer wirken darauf hin, dass der Gegenwert der bezogenen Ware, Dienstleistung oder des Gutscheines im jeweiligen Monat 44,- EUR nicht übersteigt.

    Sollte der Gegenwert 44,- EUR übersteigen, wird der Wert der Besteuerung unterworfen und mit Sozialabgaben belastet. Eventuelle Nachzahlungen an Lohnsteuer sowie den Arbeitnehmeranteil an der Sozialversicherung trägt der Arbeitnehmer.

    Internetpauschale

    Da der Arbeitnehmer für die betrieblichen Belange des Arbeitgebers auch seinen privaten Internetanschluss nutzt, leistet der Arbeitgeber einen pauschalen Zuschuss zu den Verbindungs- und Providerkosten des Arbeitnehmers. Dieser Zuschuss beträgt 50,- EUR im Monat.

    Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber auf dessen Anforderung, spätestens jedoch bis zum 28.02. des Folgejahres, zu bescheinigen, ob ihm regelmäßig Aufwendungen für die beruflich veranlassten Internetkosten in der Zuschusshöhe entstanden sind und weiterhin entstehen werden.

    Sollte die Bestätigung nicht vorgelegt werden, ist der Arbeitgeber berechtigt, eine berichtigte Lohnabrechnung für die betreffenden Lohnzahlungszeiträume zu erstellen um den gewährten Zuschuss der regulären Abgabenbelastung zu unterwerfen. Die Aufwendungen für die Abgaben trägt der Arbeitnehmer, soweit er dazu gesetzlich verpflichtet ist.

    Betriebliche Altersvorsorge

    Es wird eine bAV im Wege der zusätzlichen Leistung der Arbeitgeberin gewährt. Einzelheiten dazu sind in einer gesonderten Vereinbarung getroffen."

    Für den von der Klägerin gewährten Internetzuschuss mussten alle Arbeitnehmer die pauschale Erklärung abgeben, dass ihnen für die berufliche Nutzung des Internets über ihren privaten Telefonkommunikationsanschluss "Aufwendungen von über 50,- € im Monat" entstehen, woraufhin die Klägerin ohne weiteren Nachweis monatlich 50,- € erstattete.

    Der Beklagte führte in der Zeit vom 24. April 2006 bis zum 21. Juni 2007 eine Lohnsteueraußenprüfung bei der Klägerin und dem Schwesterunternehmen durch, in deren Ergebnis er die rechtliche Gestaltung der Arbeitsverträge steuerlich nicht anerkannte. Er vertrat die Auffassung, bei den neu aufgenommenen Lohnbestandteilen (Dienstleistungsbezug/Tankgutscheine/Frisörgutscheine) handele es sich jeweils nicht um Sachbezüge sondern um Zuwendungen mit Bargeldcharakter. Bei den gezahlten Kindergartenzuschüssen fehle es an der Zusätzlichkeitsvoraussetzung. Im Übrigen sei die von der Arbeitgeberin gewählte Gestaltung durch Kündigung und Wiedereinstellung missbräuchlich.

    Am 17. Oktober 2007 erließ der Beklagte für Lohnsteuer und Kirchensteuer 2002, 2003, 2004 und 2005 gegen die Klägerin einen Haftungsbescheid i. H. von 12.527,01 €. Den dagegen eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsbescheid vom 16. April 2008 als unbegründet zurück. Daraufhin hat die Klägerin am 19. Mai 2008 Klage erhoben.

    Mit dieser Klage macht die Klägerin geltend, die Arbeitsverträge seien geändert worden, weil im Verbund mit dem Schwesterunternehmen B. GmbH gleiche Arbeitsverträge für alle Mitarbeiter eingeführt worden seien. Die Mitarbeiter seien zwar formal in zwei rechtlich selbständigen Unternehmen beschäftigt worden, sie hätten jedoch in der Praxis gemeinsam Kunden betreut und seien dabei nebeneinander und miteinander beschäftigt gewesen. Das Schwesterunternehmen habe in der Anfangsphase hohe Verluste erlitten und sei auf eine Optimierung der Personalkosten durch die Senkung von Sozialabgaben angewiesen gewesen, die bei der vertraglichen Gestaltung im Vordergrund gestanden habe. Der Beklagte sei für einen Gestaltungsmissbrauch i. S. des § 42 Abgabenordnung (AO) beweispflichtig, habe jedoch insbesondere die Unangemessenheit der Kündigungen nur behauptet und nicht begründet.

    Die Klägerin beantragt,

    den Haftungsbescheid vom 17. Oktober 2007 und den dazu ergangenen Einspruchsbescheid vom 16. April 2008 aufzuheben, soweit darin die Haftung der Klägerin für Lohnsteuerschulden für den Zeitraum vom 01. Januar 2004 bis 31. Dezember 2005 angeordnet wird.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte ist unter Bezugnahme auf den Bericht über die Lohnsteueraußenprüfung vom 22. Juni 2007 der Auffassung, es liege ein Fall von Gestaltungsmissbrauch i. S. des § 42 AO vor. Die im Streitfall gewählte Gestaltung wirke gekünstelt. So sei es im Geschäftsleben nicht denkbar, dass ein Arbeitnehmer den Ausgleich seiner Leistung regelmäßig in Tank- oder Friseurgutscheinen suche. Sachbezüge kämen üblicherweise zu regelmäßig fließendem Lohn hinzu. Echte Zusatzleistungen lägen jedoch im Streitfall nicht vor. Als Folge des Gestaltungsmissbrauchs entstehe der Steueranspruch so, wie er bei einer angemessenen rechtlichen Gestaltung entstehen würde. Die angemessene vertragliche Gestaltung ergebe sich im Streitfall aus den ursprünglich abgeschlossenen Arbeitsverträgen, in denen Zusatzleistungen in der Art und Weise nicht vereinbart gewesen seien. Im Übrigen treffe die Klägerin, die die steuergünstige Behandlung bestimmter Lohnbestandteile als Sachbezug begehre, hierfür die Feststellungslast.

    Dem Senat haben 6 Bände und 2 Heftungen Verwaltungsakten vorgelegen.
    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist teilweise begründet.

    Der angefochtene Haftungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO)), soweit der Beklagte den von der Klägerin ihren Arbeitnehmern mittels Waren- oder Tankgutscheinen eingeräumten kostenlosen Bezug von Kraftstoff oder sonstigen Leistungen (z.B. Frisörleistungen) bis zur Obergrenze von 44,- € der Regelbesteuerung unterworfen hat.

    Nach § 42 d Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat.

    Zum steuerpflichtigen Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen (vgl. a. § 2 Abs. 1 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV)).

    Der Zufluss aus dem Dienstverhältnis setzt voraus, dass die Bezüge "für" eine Beschäftigung gewährt werden. Das liegt vor, wenn der Rechtsanspruch nur mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird und sich im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (vgl. BFH-Urteile vom 24. Oktober 1990 X R 161/88 , BStBl 1991 II S. 337; vom 11. März 1988 VI R 106/84 , BStBl 1988 II S. 726, m. w. N.)

    Einnahmen sind gemäß § 8 Abs. 1 EStG alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen. Zu den Einnahmen zählen gemäß § 8 Abs. 2 S. 1 EStG aber auch die nicht in Geld bestehenden Sachbezüge - insbesondere Wohnung, Kost, Waren, Dienstleistungen und sonstige Sachbezüge - die mit den um übliche Preisnachlässe geminderten ortsüblichen Endpreisen des Abgabeortes anzusetzen sind. Diese bleiben jedoch nach § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG außer Ansatz, wenn die sich nach Anrechnung der vom Steuerpflichtigen gezahlten Entgelte ergebenden Vorteile insgesamt 50,- € (2003) bzw. 44,- € (2004) im Kalendermonat nicht übersteigen (§ 8 Abs. 2 Satz 9 EStG).

    Da die Arbeitnehmer der Klägerin ausweislich ihrer Arbeitsverträge nur Anspruch auf die Waren- oder Sachleistungsgutscheine, nicht jedoch auf ersatzweise Auszahlung des Gutscheinwertes hatten, liegen Sachbezüge vor. Ob Barlöhne oder Sachbezüge vorliegen, entscheidet sich nach dem Rechtsgrund des Zuflusses, nämlich auf Grundlage der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen danach, welche Leistung der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber beanspruchen kann. Kann der Arbeitnehmer lediglich die Sache selbst beanspruchen, liegen daher Sachbezüge i.S. des § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG vor, die unter den weiteren Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG außer Ansatz bleiben. Hat der Arbeitnehmer auch einen Anspruch darauf, dass sein Arbeitgeber ihm anstelle der Sache den Barlohn in Höhe des Werts der Sachbezüge ausbezahlt, liegt auch dann eine Barlohnzuwendung vor, wenn der Arbeitgeber die Sache zuwendet (BFH-Urteil vom 11. November 2010 VI R 27/09, BFHE 232, 56, BStBl II 2011, 386).

    Eine nicht in Geld bestehende Einnahme und deshalb ein Sachbezug liegt nach der Rechtsprechung des BFH auch dann vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein Recht, nämlich einen Anspruch, eine Sach- oder Dienstleistung beziehen zu können, einräumt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Arbeitnehmern lediglich Gutscheine überlassen werden, die sie zum Bezug einer von ihnen selbst auszuwählenden Sach- oder Dienstleistung berechtigen und die bei einem Dritten einzulösen oder auf den Kaufpreis anzurechnen sind (BFH-Urteil vom 11. November 2010 VI R 27/09, BFHE 232, 56, BStBl II 2011, 386).

    Da es für die Anwendung der Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG nach der Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteile vom 11. November 2010 VI R 26/08, BFH/NV 2011, 589 und VI R 27/09, BFHE 232, 56, BStBl II 2011, 386) nur auf die Frage ankommt, ob ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer Barlohn oder Sachlohn zuwendet (vgl. a. Niedersächsisches FG, Urteil vom 16. Juni 2011 11 K 192/10, EFG 2012, 556, recherchiert bei [...]), hat der Beklagte unter Anwendung der vorstehenden Grundsätze die von der Klägerin ihren Arbeitnehmern gewährten Tankgutscheine sowie die Gutscheine für kostenlosen Bezug von Sachleistungen bis zur Obergrenze von 44,- € nach alldem zu Unrecht der Regelbesteuerung unterworfen.

    Entgegen der Auffassung des Beklagten erscheint auch die von der Klägerin gewählte Gestaltung nicht missbräuchlich i. S. des § 42 AO. Da es grundsätzlich zulässig ist, wenn der Arbeitnehmer unter Änderung des Anstellungsvertrages auf einen Teil seines Barlohns verzichtet und ihm der Arbeitgeber stattdessen Sachlohn - z.B. in Form eines Nutzungsvorteils - gewährt (vgl. BFH-Beschluss vom 20. August 1997 VI B 83/97, BFHE 183, 568, BStBl II 1997, 667), ist vielmehr in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Änderung des Anstellungsvertrages gemessen am angestrebten Ziel eine unangemessene Gestaltung enthält (vgl. BFH-Urteil vom 12. März 1993 VI R 20/92, BFHE 171, 62, BStBl II 1993, 881). Nach der Rechtsprechung des BFH liegt ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO dann vor, wenn vom Steuerpflichtigen eine Gestaltung gewählt wird, die gemessen an dem erstrebten Ziel unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (vgl. BFH-Urteil vom 12.09.1995 IX R 54/93, BStBl. II 1996, 158). Die Angemessenheit einer Gestaltung ist für jede Steuerart gesondert nach den Wertungen, die den jeweiligen steuerrechtlichen Vorschriften zugrunde liegen, zu beurteilen (Ratschow, in Klein AO, 11. Aufl., § 42 Rz. 80). Eine Rechtsgestaltung ist danach unangemessen, wenn verständige Parteien in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts und der wirtschaftlichen Zielsetzung nicht in der gewählten Weise verfahren wären. Dem Steuerpflichtigen ist es zwar grundsätzlich nicht verwehrt, seine rechtlichen Verhältnisse so zu gestalten, dass sich eine geringe steuerliche Belastung ergibt. Die Grenze ist aber dann überschritten, wenn sich für eine ungewöhnliche Rechtsgestaltung gewichtige nichtsteuerliche Gründe nicht mehr finden lassen.

    Das ist hier jedoch nicht der Fall. Zwar erscheint die von der Klägerin gewählte Gestaltung der Kündigung sämtlicher Arbeitnehmer zum 31. Dezember 2003 und Neuanstellung zum 01. Januar 2004 objektiv ungewöhnlich. Für derartige Fälle obliegt es nach der Rechtsprechung des BFH dem Steuerpflichtigen, im Rahmen seiner gesteigerten Mitwirkungspflichten beachtliche außersteuerliche Umstände i. S. des § 42 Abs. 2 Satz 2 AO für die von ihm gewählte Gestaltung substantiiert darzulegen, aus denen sich ergibt, dass eine missbräuchliche Gestaltung ausgeschlossen ist (BFH-Urteil vom 06. Juli 1993 IX R 112/88, BFHE 171, 530, BStBl II 1998, 429). Die Klägerin hat indes zur Überzeugung des Senats das Vorliegen solcher gewichtigen außersteuerlichen Gründe nachgewiesen. So erscheint der von der Klägerin angegebene Zweck der Optimierung der Personalkosten durch Senkung der Sozialabgaben dem Senat schlüssig, da diese - im Gegensatz zu der von ihr nur einbehaltenen Lohnsteuer - die Klägerin selbst belasteten.

    Im Übrigen aber hat die Klage keinen Erfolg.

    Soweit die Klägerin über die Waren-, Sachleistungs- und Tankgutscheine hinaus nach den neuen Arbeitsverträgen ab dem 01. Januar 2004 weitere Zuschüsse für Fahrtkosten, eine Internetpauschale und eine Kindergartenpauschale gewährt hat, ist der Haftungstatbestand des § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG hinsichtlich dieser streitigen Zuschüsse erfüllt. Denn die Voraussetzungen einer pauschalierten Besteuerung der Zuschüsse des Arbeitgebers zu Fahrtkosten nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG, Aufwendungen des Arbeitnehmers für den Internetzugang und die Internetnutzung (Internetpauschale) nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 EStG sowie einer Steuerbefreiung der Kindergartenzuschüsse nach § 3 Nr. 33 EStG liegen im Streitfall nicht vor.

    Die von der Klägerin ihren Arbeitnehmern gezahlten Fahrtkostenzuschüsse hat der Beklagte zu Recht in vollem Umfang als steuerpflichtigen Arbeitslohn bewertet.

    Gemäß § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 15 v. H. unter anderem für zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistete Zuschüsse zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erheben, soweit diese Bezüge den Betrag nicht übersteigen, den der Arbeitnehmer nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und Abs. 2 EStG als Werbungskosten geltend machen könnte, wenn die Bezüge nicht pauschal besteuert würden.

    Es handelt sich jedoch bei den gewährten Fahrtkostenzuschüssen nicht um zusätzlich gewährte Leistungen des Arbeitgebers.

    Zum Zusätzlichkeitserfordernis i. S. der §§ 3 Nr. 34, 40 Abs. 2 Satz 2 EStG hat der BFH entschieden (BFH-Urteil vom 1. Oktober 2009 VI R 41/07, BFHE 227, 40, BStBl II 2010, 487, m.w.N.), dass Fahrtkostenzuschüsse für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte dann "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" geleistet werden, wenn sie zu den Lohnzahlungen hinzukommen, die entweder durch Vereinbarung oder etwa durch eine dauernde Übung arbeitsrechtlich geschuldet sind. Denn der "ohnehin geschuldete Arbeitslohn" ist der lohnsteuerrechtlich erhebliche Vorteil, der entweder durch Vereinbarung oder etwa durch eine dauernde Übung arbeitsrechtlich geschuldet ist. Für das Zusätzlichkeitserfordernis ist maßgebend, dass die Leistungen nicht unter Anrechnung auf den vereinbarten Arbeitslohn oder durch Umwandlung (Umwidmung) des vereinbarten Arbeitslohns erbracht werden, da ein Anreiz zur zusätzlichen Förderung geschaffen werden soll. § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG schließt deshalb eine Entgelt- oder Barlohnumwandlung aus (BFH-Urteil vom 01. Oktober 2009 VI R 41/07, BFHE 227, 40, BStBl II 2010, 487; vgl. a. Wagner, in Hermann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 40 EStG Rdn. 44). Zuschüsse i.S. des § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG liegen vielmehr nur dann vor, wenn sie statt anderer, freiwillig geleisteter Bezüge und Vorteile i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erbracht werden. Der BFH vertritt hierzu in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass das Tatbestandsmerkmal "ohnehin geschuldeter Arbeitslohn" dahingehend auszulegen ist, dass es sich um Arbeitslohn handeln muss, auf den zumindest im Zeitpunkt der Zahlung ein verbindlicher Rechtsanspruch besteht (BFH- Urteile vom 01. Oktober 2009 VI R 41/07, BFHE 227, 40, BStBl II 2010, 487; vom 15. Mai 1998 VI R 127/97, BFHE 186, 224, BStBl II 1998, 518). Maßgebend ist nach alledem nicht der hypothetische Umstand, ob der Arbeitgeber ansonsten die Leistung erbracht hätte, sondern, ob er sie als "geschuldet" hätte erbringen müssen. Deshalb hat der BFH im Falle einer Umwandlung von Barlohn in Form von Urlaubsgeld in Sachlohn in Form eines Warengutscheins auf Grundlage des arbeitsrechtlichen Anspruchs differenziert, ob zu dem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitnehmer über seinen Lohnanspruch verfügte, ein Anspruch auf Barlohn oder ein solcher auf Sachlohn bestand (BFH-Urteil vom 6. März 2008 VI R 6/05, BFHE 220, 478, BStBl II 2008, 530). In einem weiteren Fall hat der BFH entschieden, dass auf den Zuschuss im Zeitpunkt der Zahlung kein verbindlicher Rechtsanspruch bestehen darf und deshalb einen arbeitsvertraglich vereinbarten Kindergartenzuschuss nicht als einen freiwilligen Zuschuss des Arbeitgebers angesehen mit der Folge, dass es am Zusätzlichkeitserfordernis fehle (BFH-Urteil vom 19. September 2012 VI R 54/11, BFHE 239, 85, BStBl II 2013, 395).

    Die Anwendung der vorgenannten Grundsätze auf den Streitfall ergibt, dass die Klägerin in den Streitjahren keine zusätzlichen Fahrtkostenzuschüsse gewährt sondern vielmehr bislang ohnehin geschuldeten Barlohn umgewandelt hat. So spricht bereits gegen eine zusätzliche Leistung, dass die Summe des niedrigeren Bruttoarbeitslohnes nach dem neuen Anstellungsvertrag ab Januar 2004 zuzüglich der steuerfreien bzw. pauschal gezahlten Zuschüsse exakt den nach dem alten Arbeitsvertrag bis zum 31. Dezember 2003 geschuldeten Bruttoarbeitslohn entsprach. Aus der vertraglichen Formulierung,

    "Daneben erhält der Angestellte folgende Leistungen: VWL AG Leistung (...) EUR, betriebliche bAV (...) EUR, Warengutschein bis 44,- EUR, Internetpauschale 50,- Euro"

    und

    "Der Arbeitgeber gewährt einen regelmäßigen Gutscheins- Waren- oder Dienstleistungsbezug nach Wunsch des Arbeitnehmers",

    folgt zudem, dass die Arbeitnehmer der Klägerin auch nach der Umwandlung auf diese Sachleistungen ab 2004 einen verbindlichen und einklagbaren Rechtsanspruch haben sollten und dass gerade nicht Teile ihres bisherigen Bruttoarbeitslohnes in eine freiwillige Leistung umgestaltet werden sollten. Nach alledem handelte es sich bei den Fahrtkostenzuschüssen weder um freiwillige noch um zusätzliche Leistungen der Klägerin.

    Nach dem oben Gesagten hat der Beklagte auch die Internetpauschale zu Recht der Regelbesteuerung unterworfen.

    Gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 EStG kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 25 v. H. unter anderem für zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn unentgeltlich oder verbilligt übereignete Personalcomputer sowie Zubehör und Internetzugang erheben. Entsprechendes gilt für Zuschüsse des Arbeitgebers, die zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Internetnutzung gezahlt werden.

    Begünstigt sind aber auch hier nur Leistungen, die "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" erbracht werden. Die von der Klägerin gewährten Internetpauschalen erfüllen nach den vorstehenden Grundsätzen deshalb ebenfalls nicht die Voraussetzungen des § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 EStG, weil die Arbeitnehmer vor der Umgestaltung der Arbeitsverträge zum 01. Januar 2004 bereits einen vertraglichen Anspruch auf den Barlohn in entsprechender Höhe hatten.

    Aus den vorgenannten Gründen hat der Beklagte ebenfalls die Kindergartenzuschüsse zutreffend der Regelbesteuerung unterworfen. Im Streitfall fehlt es auch hier an der Voraussetzung der "Zusätzlichkeit".

    Nach § 3 Nr. 33 EStG sind zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachte Leistungen des Arbeitgebers zur Unterbringung und Betreuung von nicht schulpflichtigen Kindern der Arbeitnehmer in Kindergärten oder vergleichbaren Einrichtungen steuerfrei, wenn der Arbeitgeber sie erbringt, ohne dass die Arbeitnehmer darauf einen Anspruch haben. Begünstigt sind wiederum nur Leistungen, die zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht werden. Maßgebend ist deshalb auch hier, dass die Leistungen nicht unter Anrechnung auf den vereinbarten Arbeitslohn oder durch Umwandlung (Umwidmung) des vereinbarten Arbeitslohns erbracht werden. Eine teilweise Umwandlung des Arbeitslohns in einen steuerfreien Kindergartenzuschuss ist deshalb nicht möglich (vgl. BFH-Urteil vom 1. Oktober 2009 VI R 41/07, BFHE 227, 40, BStBl 2010 II S. 487).

    Nach alledem hat der Beklagte die Klägerin für die auf die Fahrtkostenzuschüsse, Internetpauschale und Kindergartenpauschale entfallene Lohnsteuer zu Recht in Haftung genommen. Der Haftungsbescheid und der dazu ergangene Einspruchsbescheid lassen insoweit auch keinen Ermessensfehler (§ 191 AO) erkennen.

    Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 136 Abs. 1 FGO.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr.10, 711 Zivilprozessordnung.

    Rechtsmittelbelehrung

    Die Revision ist nicht zugelassen worden. Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.