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  • 20.07.2015 · IWW-Abrufnummer 144953

    Sozialgericht Düsseldorf: Urteil vom 05.03.2015 – S 45 R 1190/14

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Es wird unter Aufhebung des Bescheids vom 12.12.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.05.2014 festgestellt, dass das Beschäftigungsverhältnis der Beigeladenen bei der Klägerin ab Februar 2013 nicht im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt wurde und insoweit auch nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterfällt. Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen Kosten der Klägerin. Die Sprungrevision wird zugelassen.

    Tatbestand:

    Die Beteiligten streiten über die Frage der Sozialversicherungspflicht der Beigeladenen.

    Die Klägerin stellte bei der Beklagten im August 2013 einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status der Beigeladenen. Nach Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen erließ die Beklagte am 12.12.2013 den hiesigen streitgegenständlichen Bescheid. In diesem Bescheid stellte sie fest, dass das Tätigkeitsverhältnis seit dem 01.02.2013 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und mithin eine Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwiegen würden. Die Beigeladene sei hinsichtlich der Ausführung der Tätigkeit bezüglich Zeit und Ort von den Weisungen der Klägerin abhängig. So existiere z.B. ein fest zugewiesenes Auftragsgebiet und die Durchführung der Arbeit würde seitens der Klägerin bzw. der "I M Gruppe" über den Scanner kontrolliert. Bei der Auslieferungstätigkeit sei die I-Kleidung zu tragen und das Auto müsse die Aufschrift von "I" tragen. Hilfskräfte seien insoweit nicht eingesetzt worden. Zwar sei der Beigeladenen zuzugeben, dass diese eigenes Kraftfahrzeug verwende und die Benzinkosten selbst trage. Im Rahmen der Abwägung sei allerdings von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Beim Personenkreis der Kurierfahrer könne eine selbständige Tätigkeit nicht allein am Merkmal eines eigenen Fahrzeugs festgemacht werden, weil der wirtschaftliche Aufwand für den Erwerb eines solchen Fahrzeugs nicht so hoch sei, dass ein mit einem erheblichen wirtschaftlichen Risiko verbundener Aufwand begründet werden könne. Die Beigeladene verfüge angabegemäß auch nicht über ein eigenes Depot und beschäftige keine eigenen Mitarbeiter.

    Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit streitgegenständlichem Widerspruchsbescheid vom 08.05.2014 als unbegründet zurückgewiesen.

    Dagegen hat die Klägerin vor dem erkennen Gericht Klage erhoben.

    Zur Begründung führt die Klägerin aus, dass die Beigeladene das unternehmerische Risiko im Hinblick auf ihren Verdienst zur Gänze selber trage. Sie könne sich – innerhalb der festen Abhol- und Lagerzeiten – die Zeit frei einteilen. Welchen Weg sie bestreite oder ob sie Pausen bzw. Umwege mache, entscheide die Beigeladene ganz allein. Eine Kontrolle durch die GPS oder andere Telekommunikationsmittel seitens der Klägerin finde insoweit nicht statt. Zudem sei die Beigeladene befugt, Warensendung als Auftrag anzunehmen oder abzulehnen. Damit könne sie letztlich auch ihre Fahrtroute anhand der auszuliefernden Waren bestimmen. Darüber hinaus sei die Beigeladene auch frei, Dritte mit dem Transport der Waren zu beauftragen. Zudem bestehe auch kein irgendwie geartetes Wettbewerbsverbot. Sie könne mithin ebenso für andere Auftraggeber in der Logistikbranche tätig werden. In Anbetracht der - seitens der Beklagten bereits zugestanden Tatsache -, dass die Klägerin ihr Fahrzeug selber erworben habe, müsse mithin von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen werden. Eine Einbindung in die Arbeitsabläufe der Klägerin bestehe nicht.

    Die Klägerin beantragt,

    unter Aufhebung des Bescheids vom 12.12.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.05.2014 festzustellen, dass die Tätigkeit der Beigeladenen als Kurierfahrerin bei der Klägerin seit dem 01.02.2013 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt wird und mithin nicht der Sozialversicherungspflicht unterfällt.

    Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

    die Klage abzuweisen.

    Sie hält die getroffene Entscheidung weiterhin für zutreffend.

    Das Gericht hat zur Frage der Arbeitnehmereigenschaft die Beigeladene im Rahmen der mündlichen Verhandlung persönlich vernommen. Die Aussage kann der Sitzungsniederschrift vom 05.03.2015 entnommen werden.

    Im Übrigen wird wegen des weiteren Sach- und Streitstandes auf die Gerichts- und von der Beklagten beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe:

    Die Klage ist zulässig und begründet.

    Die Klägerin wird durch den angefochtenen Bescheid vom 12.12.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.05.2014 beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz, da dieser rechtswidrig ist. Der Beigeladene war seit dem 01.02.2013 bis zur Aufgabe ihrer Tätigkeit bei der Klägerin nicht abhängig beschäftigt, sondern als Zustellerin/Kurierdienstfahrerin selbstständig erwerbstätig. Aus dieser Tätigkeit bestand. soweit es um die Beurteilung des Arbeitnehmerstatus i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV geht – keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Anderweitige Tatbestandsmerkmale des § 7 SGB VI standen vorliegend nicht im Streit.

    Nach § 7a Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) kann bei der Beklagten eine Entscheidung darüber beantragt werden, ob eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt; die Beklagte entscheidet hierüber aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles (§ 7a Abs. 2 SGB IV).

    Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Wesentliches Merkmal eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ist die persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten gegenüber einem Arbeitgeber. Es liegt bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb eine persönliche Abhängigkeit vor, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Die Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb äußert sich in der Regel in einem damit verbundenen Direktions- und Weisungsrecht des Arbeitgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Demgegenüber ist die selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko und das Recht bzw. die Möglichkeit gekennzeichnet, über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und Arbeitszeit frei zu verfügen. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung (LSG NRW, Urteil vom 13.09.2007 L 5 R 5/06 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteil vom 21.04.1993 11 RAr 67/92; Urteil vom 08.12.1994 11 RAr 49/94; Urteil vom 04.06.1998 B 12 KR 5/97 R; Urteil vom 12.02.2004 B 12 KR 26/02 R). Weichen die vertraglichen Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben diese den Ausschlag (BSG, Urteil vom 04.06.1998 B 12 KR 5/97 R).

    Indizien für eine Beschäftigung sind der Abschluss eines Arbeitsvertrages, Anwesenheits- und Zeitkontrollen, Arbeitsplätze in den Räumen des Arbeitgebers, Arbeitszeit nach Vorgaben des Arbeitgebers, fehlende eigene Betriebsmittel, bezahlter Urlaub, feste gleichbleibende Vergütung, Verbuchung als Lohnsteuer, wirtschaftliche Abhängigkeit und der Wille der Vertragspartner. Für eine selbstständige Tätigkeit sprechen die Vorhaltung eigenen Arbeitsmaterials, die Verbuchung der Einnahmen mit Umsatzsteuer, die Beschäftigung und Bezahlung eigenen Personals, die eigene Gewerbeanmeldung, das Unternehmerrisiko, das Vergütungsrisiko (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.01.2013 L 8 AL 3283/11 unter Hinweis auf Segebrecht, JurisPK SGB IV, 2. Auflage, § 7 Rn. 117). Der alleinige Einsatz der eigenen Arbeitskraft schließt die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit nicht von vornherein aus. Allerdings ist die alleinige "Vermietung" der eigenen Arbeitskraft als Fahrer ohne im Besitz eines Fahrzeugs zu sein, ein starkes Indiz für eine abhängige Beschäftigung. Weiterhin ist die Tätigkeit eines Kurierfahrers, der nur für einen Auftraggeber tätig war, in der Rechtsprechung wiederholt als abhängige Beschäftigung beurteilt worden (LSG Baden-Württemberg, a.a.O., unter Bezugnahme auf entsprechende Entscheidungen des BSG und verschiedener LSG`e sowie des BAG, Urteil vom 27.06.2001 5 AZR 561/99).

    Nach Auswertung und Würdigung aller ihr bekannt gewordenen Umstände der Tätigkeit der Beigeladenen für die Klägerin im streitbefangenen Zeitraum ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass diese Tätigkeit keine abhängige sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, sondern eine selbstständige Tätigkeit war.

    1. Der Beklagten ist zuzugeben, dass einige (wenige) Merkmale der Tätigkeit der Beigeladenen für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechen.

    Zunächst wurde die geschuldete Leistung von der Beigeladenen persönlich erbracht; sie beschäftigte keine eigenen Mitarbeiter. Insoweit ist allerdings zu beachten, dass die Beigeladene gemäß § 1 a. E. des Dienstleistungsvertrages vertraglich dazu berechtigt war, andere Personen zur Vertragserfüllung einzusetzen. Diese Befugnis stand lediglich unter dem Vorbehalt, dass die Tätigkeit "mit größter Sorgfalt ausgeübt wird". Dies entspricht auch dem Ergebnis der Vernehmung der Beigeladenen im Rahmen der mündlichen Verhandlung. Hier hat die Beigeladene glaubhaft bekundet, grundsätzlich die Möglichkeit gehabt zu haben, Dritte mit der Zustellung der Sendungen zu beauftragen. Dies ist in der Praxis lediglich nicht vorgekommen.

    Zudem ist auch das Zustellgebiet von der Klägerin festgelegt worden. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass die Beigeladene – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – verpflichtet war, die Warensendungen in einem Zeitraum von 08:00 bis 12:00 Uhr bei dem seitens der Klägerin verwalteten und geführten Lager abzuholen und sodann im Rahmen des Zuständigkeitsbereichs der Klägerin, welche selber ja lediglich als Subunternehmerin für den "I-Versand" arbeitet, tätig zu werden. Dabei ist jedoch wiederum zu berücksichtigen, dass die Beigeladene nach dem eigenen glaubhaften Vortrag dazu berechtigt war, bestimmte Warensendungen und die Zustellung derselben gegenüber der Klägerin abzulehnen. Dies ergibt sich auch aus der Formulierung von § 2 des Dienstleistungsvertrages, wonach der Auftrag seitens der Klägerin "weitergegeben wird", wenn es der Beigeladenen nicht möglich ist, diesen auszuführen. Eine Verpflichtung der Beigeladenen zur Benennung einer Vertretungsperson ist dort nicht festgehalten worden. Damit war es der Beigeladenen, durch Auswahl bzw. Ablehnung einzelner Warensendungen, letztlich auch möglich über das Zustellungsgebiet faktisch mitzubestimmen. Demnach beschränkt sich die örtliche Weisungsbefugnis der Klägerin gegenüber der Beigeladenen nach Auffassung der Kammer auf ein Minimum.

    Weiteres Merkmal für eine abhängige Beschäftigung ist gegebenenfalls auch die Tatsache, dass die Beigeladene feste Abholzeiten einzuhalten und im Übrigen auch Regelungen hinsichtlich des äußeren Erscheinungsbilds einzuhalten hat. So war die Beigeladene nicht nur gehalten, die Ware zu einem bestimmten Zeitpunkt bei der Klägerin abzuholen, sondern es bestand auch die Pflicht zum Tragen der Dienstkleidung (Jacke, Hose, Pullover und T-Shirt) von "I" sowie Befestigung des Schildes von "I" im Fahrzeug. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme musste die Beigeladene die Kosten für den Scanner sowie die Arbeitskleidung und das Schild auch nicht aus eigenen Mitteln finanzieren. Vielmehr wurden diese Dinge von "I" selber gestellt. Die Klägerin selber hat allerdings insoweit keine finanziellen Verpflichtungen bzw. Sachausstattungen vorgenommen. Insofern stellt das Gericht klar, dass es vorliegend um eine Eingliederung in den Betrieb der Klägerin und nicht um eine Eingliederung in den Betrieb von "I" als Arbeitnehmerin geht. Eine Arbeitnehmerstellung bei "I" mit der Verpflichtung zur Abführung von Sozialversicherungsabgaben ist im vorliegenden Verfahren nicht streitgegenständlich. Darüber hinaus ist die Kammer auch der Auffassung, dass die Festlegung des Zustellgebiets durch die Klägerin, ebenso wenig eindeutig für eine abhängige Beschäftigung der Beigeladenen als Zustellerin/Kurierdienstfahrerin spricht, wie der Umstand, dass die Beigeladene die in § 1 des Dienstleistungsvertrages bezeichneten Verhaltensvorschriften bei der Auslieferung zu beachten und Kleidung zu tragen hatte, die sie als "I-Zustellerin" erkennbar machte. Denn jeder Handwerker hat seine werkvertraglich geschuldete Leistung an dem vom Auftraggeber vorgegebenen Einsatzort zu erbringen und sich dabei an die fachlichen Qualitätsstandards (z.B. DIN-Normen) zu halten, ohne dass dadurch für ihn als Werkvertragsnehmer das Merkmal der Selbstständigkeit entfiele (SG Aachen, Urteil vom 10. Juni 2014 – S 13 R 73/14 –, Rn. 30, juris).

    2. Dagegen deuten eine Vielzahl von Merkmalen auf eine selbstständige Tätigkeit der Beigeladenen hin. Diese Merkmale lassen sich – anders als die unter Ziffer 1 genannten Merkmale für eine abhängige Beschäftigung – auch nicht relativieren.

    Zunächst ist zu beachten, dass die Beigeladene die Warensendungen mit ihrem eigenen selbstangeschafften Pkw transportierte und auch die Kraftstoffkosten selber zu tragen hatte. Diesbezüglich führt das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen aus:

    Wesentliches Kriterium für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit ist auch, dass der Kläger das private Kfz seiner Lebensgefährtin für die Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) genutzt hat. Der wirtschaftliche Aufwand für den Erwerb und Betrieb dieses Fahrzeuges muss in einem Verhältnis zu den geringen Verdiensten aus der Tätigkeit als Kurierfahrer gesehen werden. Der Kläger hat mit dem Pkw seiner Lebensgefährtin für seine Tätigkeit damit ein Betriebsmittel von nicht geringem wirtschaftlichen Wert eingesetzt (vgl. auch BSG, Urteil vom 19.08.2003 - B 2 U 38/02 R - SozR 4-2700 § 2 Nr. 1) ( ) (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13. September 2007 – L 5 R 5/06 –, Rn. 18, juris).

    Diesen Ausführungen schließt sich die erkennende Kammer vollumfänglich an, womit das wirtschaftliche Risiko, welches nicht lediglich in dem Erwerb des Fahrzeugs sondern auch in dessen Unterhaltung gesehen werden muss, vorliegend entscheidendes Indiz für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit ist.

    Darüber hinaus ist die – bereits erwähnte – Befugnis der Beigeladenen zum Einsatz weiterer Mitarbeiter zur Auslieferung der Waren eindeutiges Kriterium für eine selbstständige Tätigkeit derselben. In der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Tätigkeit als Arbeitnehmer grundsätzlich eine höchstpersönliche Pflicht zur Leistungserbringung darstellt (vgl. dazu BAG, Urteil vom 20. September 2011 – 9 AZR 416/10 –, BAGE 139, 168-180, Rn. 17). Der Einsatz bzw. die rechtliche Möglichkeit des Einsatzes weiterer Arbeitnehmer widerspricht demzufolge der Natur des Arbeitsverhältnisses und ist Merkmal einer selbständigen Tätigkeit.

    . Letztlich war es der Beigeladenen auch freigestellt, ob und wie sie ihre Tätigkeiten ausführt. Zunächst einmal, und auch das ist für eine Arbeitnehmerstellung ungewöhnlich, war es der Beigeladenen möglich, bestimmte Aufträge seitens der Klägerin abzulehnen und stattdessen andere Aufträge anzunehmen bzw. zu bestimmten Zeiten gar nicht für die Klägerin tätig zu werden. Im Rahmen der Auftragsannahme war die Klägerin zwar an Lager- und Abholzeiten der Klägerin (08:00 – 12:00 Uhr) gebunden. Dies spielt aber im Rahmen der Gesamtbetrachtung eine eher untergeordnete Rolle. Denn im weiteren Verlauf des Arbeitstages war die Beigeladene – nach der Abholung der Waren – in der Durchführung ihrer Tätigkeit vollkommen frei. Die Beigeladene konnte sich insbesondere aussuchen, welche Fahrtwege sie zur Auslieferung der Waren auswählt, wann sie Pausen einlegt und wann ihr Arbeitstag im Ergebnis enden sollte. Damit ähnelt ihre Tätigkeit hinsichtlich der fachlichen Weisungen bei der Auslieferung der eines Frachtführers gem. §§ 407 ff Handelsgesetzbuch (HGB), welcher unzweifelhaft eine selbständige Tätigkeit ausübt.

    Dazu kommt die ebenfalls äußerst relevante Tatsache, dass die Beigeladene vorliegend nicht pauschal mit einem Stundensatz vergütet wurde, wie dies eher für Arbeitnehmer typisch ist, sondern gemäß Anlage 1 des Dienstvertrages ein Entgelt pro Zustellung erhielt. In dem zuvor bereits zitierten Urteil des LSG NRW war zwischen den Beteiligten ein fester Stundensatz vereinbart worden und dennoch ist das Landessozialgericht im Ergebnis zu einer selbstständigen Tätigkeit des Kurierfahrers gelangt (vgl. LSG NRW, aaO, Rz. 19). Vorliegend muss unter dem Gesichtspunkt des "unternehmerischen Risikos" besonders beachtet werden, dass die Beigeladene für die Höhe ihres Entgelts alleine verantwortlich war. Wenn die Beigeladene mithin an einem Tag nicht tätig geworden wäre, so hätte diese auch keinen Anspruch auf Vergütung gehabt. Hätte diese langsamer gearbeitet, wäre die Vergütung demnach geringer ausgefallen. Auch dies widerspricht der Natur des Arbeitsverhältnisses, da die Arbeitsleistung und deren Vergütung grundsätzlich nicht von einem Erfolg abhängen.

    Darüber hinaus spricht auch die volle Haftung der Mandantin für Sendungsverluste oder Schäden an der Ware gemäß § 1 des Vertrages für eine selbständige Tätigkeit. Im Rahmen des Arbeitsverhältnisses wäre eine derartige Klausel im vorformulierten Arbeitsvertrag wohl gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, da sie den Arbeitnehmer unzumutbar benachteiligt. Es gilt im Rahmen des Arbeitsverhältnisses nämlich der Grundsatz des "innerbetrieblichen Schadensausgleichs", wonach eine (anteilige) Haftung des Arbeitnehmers grundsätzlich erst ab "mittlerer Fahrlässigkeit" in Betracht kommt.

    Zuletzt spricht auch der übrige Vertragsinhalt für eine selbständige Tätigkeit der Beigeladenen. Im Rahmen der vertraglichen Absprache wurden vorliegend keine Regelungen zur Entgeltfortzahlung bei Erkrankung und Urlaub getroffen. Darüber hinaus gab es keine seitens der Klägerin festgelegten fixen Arbeitszeiten (vgl. hier die grundsätzliche Regelung von § 4 a. E. des Dienstleistungsvertrages). Die Auszahlung der Entgelte erfolgte über eine seitens der Klägerin durchgeführte Rechnungslegung gegenüber der Beigeladenen. Insoweit ist die Beklagte der Auffassung, dass dies ein wesentliches Indiz für eine Arbeitnehmerstellung darstellen würde. Im Rechtsverkehr sei es grundsätzlich üblich, dass der Unternehmer selber Rechnungen stelle. Dies ist vorliegend (vergleiche z.B. Bl. 27 der Verwaltungsakte) nicht erfolgt. Nach Auffassung des Gerichts stellt dies jedoch kein wesentliches Merkmal für die Beurteilung einer abhängigen Beschäftigung dar. Wer im gegenseitigen Verhältnis letztlich die Abrechnung stellt, ist für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status der Beigeladenen von untergeordneter Bedeutung. Nach Auffassung der Kammer sind für dieses Prozedere vorliegend eher tatsächliche Faktoren ausschlaggebend. Der Beigeladenen war es bei lebensnaher Auslegung wohl nur schwer möglich zu erkennen, wie sich Ihr Entgelt am Ende des Monats zusammensetzt, da die getätigten Leistungen nach Menge und Qualität über den Scanner festgehalten und mithin seitens der Klägerin ausgewertet wurden. Mithin stellt es eine deutliche Vereinfachung dar, wenn die Klägerin die Abrechnung in Form einer Gutschrift und Überweisung auf das Bankkonto der Beigeladenen durchführt. Andernfalls hätte die Beigeladenen die zugestellten Warensendungen mithalten müssen. Eine Eingliederung in den Betrieb ist hier nicht erkennbar.

    Mithin war der Klage stattzugeben.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Da die Beigeladene keinen Antrag gestellt hat, ist über deren Kosten gemäß § 162 Abs. 3 VwGO nicht zu entscheiden, da die Erstattung derselben mangels eingegangenen Prozessrisikos der Beigeladenen nicht erstattungsfähig erscheinen.

    Die Zulassung der Sprungrevision findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 161 Abs. 1 und Abs. 2, 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Insofern liegen die Voraussetzungen für die Zulassung der Sprungrevision vor, da der hier streitigen Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt. Nach Auffassung der erkennenden Kammer, trifft die vorliegende rechtliche Problematik eine Vielzahl von Beschäftigten im Bereich der Kurierdienste. Die Fälle sind grundsätzlich gleich oder zumindest ähnlich gelagert und eine aktuelle höchstgerichtliche Entscheidung ist dem erkennenden Gericht nicht bekannt.

    RechtsgebietRentenversicherung