17.08.2017 · IWW-Abrufnummer 195923
Landessozialgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 29.06.2017 – L 5 KR 20/15
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
AZ: L 5 KR 20/15
AZ: S 10 KR 149/12 SG Kiel
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht
verkündet am 29. Juni 2017
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
- Kläger und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
gegen
Deutsche Rentenversicherung Bund, Ruhrstraße 2, 10709 Berlin,
- Beklagte und Berufungsklägerin -
Beigeladen:
1) K____________ GmbH,
2) Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit Kiel, Rechtsbehelfsstelle
im Operativen Service, Adolf-Westphal-Straße 2, 24143 Kiel,
3) BKK24, Sülbecker Brand 1, 31683 Obernkirchen
4) BKK24 - Pflegekasse -, Sülbecker Brand 1, 31683 Obernkirchen,
hat der 5. Senat des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2017 in Schleswig durch
den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht _____,
den Richter am Landessozialgericht _____,
die Richterin am Landessozialgericht ________ sowie
den ehrenamtlichen Richter _________ und
den ehrenamtlichen Richter ________
für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 5. Februar 2015 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Instanzen nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Versicherungspflicht des Klägers in mehreren Zweigen der Sozialversicherung vom 1. März 2011 bis zum 5. Juni 2014 im Rahmen seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1).
Der Kläger ist Geschäftsführer und Mitgesellschafter der Beigeladenen zu 1), an der er ein Drittel der Gesellschaftsanteile hält. Der notariell beurkundete und entsprechend ins Handelsregister eingetragene Gesellschaftsvertrag vom 1. März 2011 sieht u. a. die Alleinvertretungsbefugnis des Geschäftsführers vor, wobei allerdings für bestimmte Geschäfte eine Zustimmung der Gesellschafter bestimmt ist. Gesellschaftsbeschlüsse werden mit einfacher Mehrheit getroffen, Sperrminoritäten sind nicht vorgesehen. Mit der Beigeladenen zu 1) hat der Kläger einen Geschäftsführervertrag abgeschlossen. Dieser sieht u. a. eine monatliche Vergütung in Höhe von zunächst 550,00 EUR brutto nebst Prämien mit späteren Erhöhungen auf 850,00 EUR (1. Juni 2011), 2.200,00 EUR (1. Dezember 2011) und 2.800,00 EUR (1. Juli 2012), Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und einen festen Urlaubsanspruch vor. Die Kündigung durch die Beigeladene zu 1) ist nur aus wichtigem Grund möglich, der Kläger ist im Wesentlichen alleinvertretungsbefugt und bedarf nur für bestimmte Geschäfte der Zustimmung der Gesellschafterversammlung. Für Änderungen des Vertrages ist eine schriftliche Form vorgesehen.
Im April 2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status.
Mit Bescheid vom 28. Juli 2011 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis im Sinne von § 7 SGB IV bei der Beigeladenen zu 1) stehe und somit der Versicherungspflicht in der Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung unterliege. Er sei abhängig beschäftigt, da er ein regelmäßiges Entgelt für seine Arbeitskraft erhalte und keinen ausreichend großen Anteil an der GmbH halte, um entscheidenden Einfluss ausüben zu können. Dass er im Wesentlichen weisungsfrei arbeite und alleinvertretungsbefugt sei, reiche insoweit für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit nicht aus.
Mit dem Widerspruch machte der Kläger geltend, es liege eine selbstständige Tätigkeit vor. Insofern sei zu beachten, dass er das Unternehmen faktisch selbstständig und weisungsfrei führe. Er könne auch Beschlüsse der Gesellschaft verhindern, da eine Beschlussfähigkeit erst bei Anwesenheit von 75 % der Stimmrechte vorgesehen sei. Außerdem stehe das wirtschaftliche Risiko durch seine Gesellschafterstellung gegenüber dem geringen Entgelt deutlich im Vordergrund, da er Bürgschaften für die Beigeladene zu 1) in Höhe von 120.000,00 EUR übernommen habe.
Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2012 im Wesentlichen aus den Gründen des Ausgangsbescheides zurück. Es stehe außer Zweifel, dass das Beschäftigungsverhältnis Merkmale einer Selbstständigkeit aufweise, diese seien aber auch bei Fremdgeschäftsführern üblich, so dass sie bei der Gesamtbeurteilung nur eine untergeordnete Bedeutung hätten.
Mit der am 2. Juli 2012 beim Sozialgericht Kiel erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Die Einschätzung seines sozialversicherungsrechtlichen Status durch die Beklagte sei falsch. Der Gesellschaftsvertrag sei nie so gelebt worden, wie er am 1. März 2011 notariell beurkundet worden sei. So hätten die Gesellschafter bereits am 2. März 2011 im Rahmen einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung beschlossen, dass Entscheidungen durch die Gesellschafter nur einstimmig erfolgen könnten. Dies sei am 22. Mai 2014 erneut bestätigt und dann am 6. Juni 2014 ins Handelsregister eingetragen worden. Die Änderung sei aber auch ohne die Eintragung schon wirksam gewesen, da nach der Rechtsprechung des BGH auch außerhalb der Satzung eine schuldrechtliche Bindung der Gesellschafter möglich sei. Außerdem seien die finanziellen Verpflichtungen des Klägers in Form der übernommenen Bürgschaft und seine besondere Fachkompetenz zu berücksichtigen.
Nachdem die Beklagte den Anspruch des Klägers ab Registereintragung am 6. Juni 2014 anerkannt und der Kläger dieses Teilanerkenntnis angenommen hat,
hat der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2012 aufzuheben und festzustellen, dass er auch im Zeitraum vom 1. März 2011 bis 5. Juni 2014 in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer für die K____________ GmbH nicht als abhängig Beschäftigter versicherungspflichtig war.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden verwiesen. Erst mit der Eintragung des Gesellschafterbeschlusses ins Handelsregister habe der Kläger formal eine Stellung bei der Beigeladenen zu 1) erreicht, mit der er einen ausreichend großen Einfluss ausüben könne, ihm unliebsame Entscheidungen zu verhindern.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Mit Urteil vom 5. Februar 2015 hat das Sozialgericht die vom Kläger angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger auch im Zeitraum vom 1. März 2011 bis 5. Juni 2014 in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer für K____________ GmbH nicht als abhängig Beschäftigter versicherungspflichtig gewesen sei. Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass auch ein Gesellschafter einer GmbH zu dieser grundsätzlich gleichzeitig in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen könne. Dies sei regelmäßig nur dann ausgeschlossen, wenn der Gesellschafter auf die Willensbildung der Gesellschaft einen maßgeblichen rechtlichen oder tatsächlichen Einfluss ausübe und damit Einzelanweisungen jederzeit verhindern könne. Eine entscheidende Rechtsmacht hätten GmbH-Gesellschafter regelmäßig dann, wenn sie zugleich Geschäftsführer der Gesellschaft seien und mindestens 50 % des Stammkapitals innehätten oder über eine Sperrminorität verfügten. Beides sei beim Kläger nach dem Gesellschaftsvertrag nicht der Fall. Gleichwohl hätte der Kläger auch vor der Eintragung des Beschlusses der Gesellschafter vom 2. März 2011 ins Handelsregister bereits eine Rechtsposition gehabt, mit der er einen ausreichend großen Einfluss auf die Geschicke der Beigeladenen zu 1) gehabt hätte, um sämtliche Entscheidungen maßgeblich zu beeinflussen. Zwar sei nach § 54 Abs. 3 GmbHG eine Änderung des Gesellschaftsvertrages grundsätzlich nur dann rechtlich wirksam, wenn sie ins Handelsregister eingetragen sei. Dies gelte aber nicht ohne Weiteres für den gesamten Inhalt des Gesellschaftsvertrages. Nach der Rechtsprechung des BGH sei es grundsätzlich zulässig, dass Gesellschafter auch außerhalb des Gesellschaftsvertrages schuldrechtlich bindende von der Satzung abweichende Vereinbarungen träfen. Hier liege ein wirksamer Stimmbindungsvertrag vor. Denn Stimmbindungsvereinbarungen seien grundsätzlich rechtlich zulässig. Anhaltspunkte für die Unwirksamkeit der hier getroffenen Vereinbarung lägen nicht vor. Das GmbHG enthalte keine diesbezüglichen Verbote. An eine besondere Form (etwa notarielle Beurkundung) seien solche Vereinbarungen nicht gebunden. Hätten sich – wie hier – alle Gesellschafter einer GmbH außerhalb der Satzung durch Vertrag verpflichtet, Gesellschafterbeschlüsse nur übereinstimmend zu fassen, hätten Minderheitsgesellschafter die Rechtsmacht, ihnen nicht genehme Beschlüsse und Weisungen der Gesellschafterversammlung abzuwenden.
Gegen dieses der Beklagten am 24. Februar 2015 zugestellte Urteil richtet sich ihre Berufung, die am 9. März 2015 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Zur Begründung führt die Beklagte aus, dass das Urteil nicht im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung stehe. Nach den Regelungen des Gesellschaftsvertrages verfüge der Kläger weder über die erforderliche Mehrheit der Stimmen noch über eine umfassende Sperrminorität und somit nicht über die Rechtsmacht, maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft zu nehmen. Das Sozialgericht gehe auch davon aus, dass der Kläger aufgrund seiner Einlage in Höhe von lediglich eines Drittels an den Gesellschaftsanteilen der Beigeladenen zu 1) keine Sperrminorität und damit einhergehender Möglichkeit gehabt habe, ihm unliebsame Beschlüsse zu verhindern. Im Weiteren habe es jedoch unzutreffend festgestellt, dass der Kläger aufgrund der Stimmrechtsvereinbarung die tatsächliche Rechtsmacht gehabt habe, ihm unangenehme Beschlüsse zu verhindern. Eine außerhalb des Gesellschaftsvertrages geschlossene Stimmbindungsvereinbarung sei grundsätzlich nicht geeignet, eine sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebende, nicht wirksam abbedungene Rechtsmacht zu negieren. Die im Geschäftsführeranstellungsvertrag getroffene Regelung führe vielmehr allenfalls zu einer so genannten „Schönwetterselbstständigkeit“, die für die vorausschauende beitragsrechtliche Beurteilung des Klägers als Gesellschaftergeschäftsführer der GmbH aber nicht ausschlaggebend sei. Das Bundessozialgericht messe jedenfalls einer durch einen der betroffenen Gesellschafter jederzeit kündbaren Stimmrechtsvereinbarung nicht die Bedeutung bei, die im Ergebnis dazu führen könne, für einen Minderheitsgesellschafter ohne Sperrminorität einen maßgeblichen Einfluss auf die Belange der Gesellschaft zu bejahen. Eine Stimmrechtsvereinbarung, die stets eine abgestimmte und damit einstimmige Beschlussfassung verlange, greife nicht in Konfliktsituationen, insbesondere nicht im Fall der Abberufung des Minderheitsgesellschafters als Geschäftsführer. Bei einem Zerwürfnis der Gesellschafter dürfe der zum Geschäftsführer bestellte Minderheitsgesellschafter nicht abstimmen, sofern seine eigene Abberufung im Raume stehe. Einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss zu verhindern, sei ihm daher nicht möglich. Daneben könne die Stimmrechtsvereinbarung von den übrigen Gesellschaftern zumindest aus wichtigem Grund jederzeit gekündigt werden. Eine Stimmrechtsvereinbarung sei von ihrer rechtlichen Qualität her im Ergebnis damit nicht anders zu bewerten als eine vom Gesellschaftsvertrag abweichende praktische Handhabung. In allen Fällen bleibe die im Gesellschaftsvertrag verankerte Rechtsmacht unangetastet.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 5. Februar 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Unabhängig von der rechtlichen Bewertung der Stimmbindungsvereinbarung ergebe sich aus dem Geschäftsführervertrag ein Überwiegen der Indizien für eine selbstständige Tätigkeit.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge. Sie haben sich nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und begründet.
Das Sozialgericht hat für den noch streitigen Zeitraum vom 1. März 2011 bis 5. Juni 2014 zu Unrecht die genannte Feststellung getroffen und den Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2012 insoweit aufgehoben. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts unterlag der Kläger der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung und Pflegeversicherung. Die Beklagte war auch gemäß § 7a Abs. 2 SGB IV berufen, über den Antrag des Klägers auf Statusfeststellung zu entscheiden.
Versicherungspflichtig sind in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III und in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 19. August 2015, B 12 KR 9/14 R, in juris, Rn. 19 m.w.N.) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen.
Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine in Widerspruch zur ursprüngliche getroffenen Vereinbarung stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht nur der formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteil vom 8. Dezember 1994, 11 RAr 49/94, in juris, Rn. 20). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSG, Urteil vom 10. August 2000, B 12 KR 21/98 R, in juris, Rn. 17 m.w.N.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 29. August 2012, B 12 KR 25/10 R, in juris, Rn. 16).
Nach diesen Grundsätzen beurteilt sich auch, ob der Gesellschafter einer GmbH zu dieser in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht. Eine Abhängigkeit gegenüber der Gesellschaft ist nicht bereits durch die Stellung des Betroffenen als Gesellschafter ausgeschlossen. Bei einem am Stammkapital der Gesellschaft beteiligten Geschäftsführer ist der Umfang der Beteiligung und das Ausmaß der sich daraus für ihn ergebenden Einflussmöglichkeit auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal (BSG, Urteil vom 4. Juli 2007, B 11a AL 5/06 R, in juris, Rn. 16).
Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis liegt nicht vor, wenn der Geschäftsführer an der Gesellschaft beteiligt ist und allein oder jedenfalls mit Hilfe seiner Gesellschafterrechte die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit vermeiden kann (BSG, Urteil vom 24. September 1992, 7 RAr 12/92, in juris, Rn. 18). Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ist daher vom BSG verneint worden, wenn der Geschäftsführer Alleingesellschafter ist (BSG, Urteil vom 24. November 2005, B 12 RA 1/14 R, in juris, Rn. 13), wenn der Geschäftsführer über die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft verfügt (BSG, Urteil vom 17. Mai 2001, B 12 KR 34/00 R, in juris, Rn. 15) und wenn der Geschäftsführer über eine Sperrminorität verfügt, um ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschaft zu verhindern (BSG, Urteil vom 30. April 2013, B 12 KR 19/11 R, in juris, Rn. 16 m.w.N.).
Bei Fehlen einer (maßgeblichen) Unternehmensbeteiligung in diesem Sinne hat die Rechtsprechung des BSG bereits früher eine abhängige Beschäftigung nur in sehr begrenzten Einzelfällen angenommen, etwa bei Familienunternehmen (sog. „Kopf und Seele“-Rechtsprechung). Diese Rechtsprechung hat der für Statusentscheidungen zuständige 12. Senat des BSG inzwischen zu Gunsten einer streng am Vorliegen von Rechtsmacht orientierten Normanwendung aufgegeben. Eine vom rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhalten der Beteiligten abhängige Statuszuordnung sei mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht vereinbar (BSG, Urteile vom 29. Juli 2015, B 12 KR 23/13 R und B 12 R 1/15 R, in juris, Rn. 26, 30, sowie Urteil vom 11. November 2015, B 12 KR 10/14 R, in juris, Rn. 31).
Ausgehend von diesen Grundsätzen war der Kläger im streitigen Zeitraum abhängig beschäftigt. Ihm kam nach dem Gesellschaftsvertrag keine Rechtsmacht zu, Weisungen der Gesellschafter zu verhindern. Der Gesellschaftsvertrag sah eine Entscheidung mit einfacher Mehrheit vor. Der Kläger besaß nur ein Drittel der Stimmanteile und keine Sperrminorität. Der außerhalb des Gesellschaftsvertrages getroffenen Stimmrechtsvereinbarung vom 2. März 2011 kommt nicht die vom Sozialgericht angenommene Bedeutung zu. Zunächst einmal ist festzustellen, dass es sich bei dieser Vereinbarung nicht um eine schuldrechtliche Stimmbindungsvereinbarung handelt, wie sie von den Beteiligten und dem Sozialgericht stellenweise genannt wurde. Inhalt der Vereinbarung war, dass Entscheidungen durch die Gesellschafter nur einstimmig erfolgen können und nicht, dass Gesellschafter ihr Abstimmungsverhalten an das Abstimmungsverhalten anderer Gesellschafter binden. Daher ist in der Vereinbarung eine Stimmrechtsvereinbarung zu sehen. Diese mag auch ohne notarielle Beurkundung und Eintragung in das Handelsregister gesellschaftsrechtlich zulässig sein. Sozialversicherungsrechtlich entfaltet sie jedoch keine Relevanz, weil sie außerhalb des Gesellschaftsvertrages getroffen wurde und ihr ohne Beurkundung und Eintragung in das Handelsregister die insoweit erforderliche Publizität fehlt.
Sozialversicherungsrechtlich ist bedeutsam, dass im Gesellschaftsvertrag eingeräumte Minderheitenrechte eine ganz andere Stellung des Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführers vermitteln als im vorliegenden Fall. Die Anforderungen an die Aufhebung gesellschaftsvertraglicher Regelungen sind nämlich ungleich höher als bei einer bloßen „einfachen“ Kündigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund. Der Beschluss über eine Änderung des Gesellschaftsvertrages muss nach § 53 Abs. 2 GmbHG notariell beurkundet werden und bedarf einer Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen. Wer als Minderheitsgesellschafter über eine solche ihm im Gesellschaftsvertrag eingeräumte Sperrminorität verfügt, kann sich deshalb im Konfliktfall gegen eine Entziehung seiner Sperrminorität wehren und diese nicht – insbesondere nicht anlassbezogen – allein schon durch die Ausübung eines fremden Kündigungsrechts wieder verlieren. Nur im Gesellschaftsvertrag selbst vereinbarte Minderheitenrechte können deshalb für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung des Gesamtbildes ihrer Tätigkeit verlässlich bedeutsam sein, soweit daraus eine Selbstständigkeit hergeleitet werden soll (BSG, Urteil vom 11. November 2015, B 12 KR 10/14 R, in juris, Rn. 32). Sie können auf keinen Fall von der Entscheidung der Gesellschafter abhängig sein, ob sie nicht beurkundete und nicht eingetragene Vereinbarungen außerhalb des Gesellschaftsvertrags in Verkehr bringen oder nicht.
Angesichts der dem Kläger fehlenden Rechtsmacht, ihm unliebsame Entscheidungen abzuwehren, fallen im Rahmen der Gesamtabwägung für eine selbstständige Tätigkeit sprechende Indizien nicht ins Gewicht. Die für und gegen eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Indizien sind ihrer Bedeutung entsprechend zu gewichten. Die fehlende Rechtsmacht hat dabei eine herausragende Bedeutung. Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall und ein Urlaubsanspruch sprechen ebenfalls für eine abhängige Beschäftigung. Das (am Anfang) verhältnismäßig geringe feste monatliche Gehalt spricht jedenfalls nicht für eine selbstständige Tätigkeit. Dies gilt auch für die vom Kläger für die Beigeladene zu 1) übernommene Bürgschaft. Denn die Übernahme von Bürgschaften führt zu keiner unmittelbaren Einflussnahme auf die Gesellschaft, weil sie in der Regel nur zur Absicherung weiterer Verbindlichkeit dient und selbst im Falle ihrer Kündigung bzw. Rücknahme allenfalls mittelbare Auswirkungen haben kann (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juli 2015, B 12 KR 23/13 R; Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 20. Dezember 2016, L 6 KR 1417/13). Im Hinblick darauf fallen die dem Kläger eingeräumten Befugnisse als Geschäftsführer (z. B. Einzelvertretungsbefugnis, Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB) nicht ins Gewicht. Leitende Angestellte verfügen regelmäßig über derartige Freiheiten und Befugnisse, ohne dass dies den Charakter als abhängige Beschäftigung berühren würde (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2014, B 12 R 13/13 R, in juris, Rn. 13, Urteil vom 30. März 2013, B 12 KR 19/11 R, in juris, Rn. 29 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtsmittelbelehrung und Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe
I. Rechtsmittelbelehrung
Diese Entscheidung kann nur dann mit der Revision angefochten werden, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung schriftlich oder in elektronischer Form beim Bundessozialgericht einzulegen. Sie muss bis zum Ablauf der Monatsfrist beim Bundessozialgericht eingegangen sein und die angefochtene Entscheidung bezeichnen.
Postanschriften des Bundessozialgerichts:
bei Brief und Postkarte
34114 Kassel
bei Eilbrief, Telegramm, Paket und Päckchen
Graf-Bernadotte-Platz 5
34119 Kassel
Die elektronische Form wird durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundessozialgericht (ERVVOBSG) in der Fassung der Änderungsverordnung vom Dezember 2015 (BGBl I) an die elektronische Gerichtspoststelle zu übermitteln ist. Weitere Informationen hierzu können über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) abgerufen werden.
Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen
1. Rechtsanwälte,
2. Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen,
3. selbstständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,
4. berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6. Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder,
7. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nrn. 3 bis 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Die Organisationen zu den Nrn. 3 bis 7 müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.
Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Nrn. 1 bis 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen.
In der Begründung muss dargelegt werden, dass
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
- die Entscheidung von einer zu bezeichnenden Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
- ein zu bezeichnender Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann.
Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht und eine Verletzung des § 103 SGG nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
II. Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe
Für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.
Der Antrag kann von dem Beteiligten persönlich gestellt werden; er ist beim Bundessozialgericht schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.
Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen; hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck ist kostenfrei bei allen Gerichten erhältlich. Er kann auch über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) heruntergeladen und ausgedruckt werden.
Im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs ist der Vordruck in Papierform auszufüllen, zu unterzeichnen, einzuscannen, qualifiziert zu signieren und dann in das elektronische Gerichtspostfach des Bundessozialgerichts zu übermitteln.
Falls die Beschwerde nicht schon durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt ist, müssen der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den Belegen innerhalb der Frist für die Einlegung der Beschwerde beim Bundessozialgericht eingegangen sein.
Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.
III. Ergänzende Hinweise
Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden. Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um zwei weitere Abschriften. Dies gilt nicht im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs.
AZ: S 10 KR 149/12 SG Kiel
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht
verkündet am 29. Juni 2017
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
- Kläger und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
gegen
Deutsche Rentenversicherung Bund, Ruhrstraße 2, 10709 Berlin,
- Beklagte und Berufungsklägerin -
Beigeladen:
1) K____________ GmbH,
2) Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit Kiel, Rechtsbehelfsstelle
im Operativen Service, Adolf-Westphal-Straße 2, 24143 Kiel,
3) BKK24, Sülbecker Brand 1, 31683 Obernkirchen
4) BKK24 - Pflegekasse -, Sülbecker Brand 1, 31683 Obernkirchen,
hat der 5. Senat des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2017 in Schleswig durch
den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht _____,
den Richter am Landessozialgericht _____,
die Richterin am Landessozialgericht ________ sowie
den ehrenamtlichen Richter _________ und
den ehrenamtlichen Richter ________
für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 5. Februar 2015 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Instanzen nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Versicherungspflicht des Klägers in mehreren Zweigen der Sozialversicherung vom 1. März 2011 bis zum 5. Juni 2014 im Rahmen seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1).
Der Kläger ist Geschäftsführer und Mitgesellschafter der Beigeladenen zu 1), an der er ein Drittel der Gesellschaftsanteile hält. Der notariell beurkundete und entsprechend ins Handelsregister eingetragene Gesellschaftsvertrag vom 1. März 2011 sieht u. a. die Alleinvertretungsbefugnis des Geschäftsführers vor, wobei allerdings für bestimmte Geschäfte eine Zustimmung der Gesellschafter bestimmt ist. Gesellschaftsbeschlüsse werden mit einfacher Mehrheit getroffen, Sperrminoritäten sind nicht vorgesehen. Mit der Beigeladenen zu 1) hat der Kläger einen Geschäftsführervertrag abgeschlossen. Dieser sieht u. a. eine monatliche Vergütung in Höhe von zunächst 550,00 EUR brutto nebst Prämien mit späteren Erhöhungen auf 850,00 EUR (1. Juni 2011), 2.200,00 EUR (1. Dezember 2011) und 2.800,00 EUR (1. Juli 2012), Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und einen festen Urlaubsanspruch vor. Die Kündigung durch die Beigeladene zu 1) ist nur aus wichtigem Grund möglich, der Kläger ist im Wesentlichen alleinvertretungsbefugt und bedarf nur für bestimmte Geschäfte der Zustimmung der Gesellschafterversammlung. Für Änderungen des Vertrages ist eine schriftliche Form vorgesehen.
Im April 2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status.
Mit Bescheid vom 28. Juli 2011 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis im Sinne von § 7 SGB IV bei der Beigeladenen zu 1) stehe und somit der Versicherungspflicht in der Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung unterliege. Er sei abhängig beschäftigt, da er ein regelmäßiges Entgelt für seine Arbeitskraft erhalte und keinen ausreichend großen Anteil an der GmbH halte, um entscheidenden Einfluss ausüben zu können. Dass er im Wesentlichen weisungsfrei arbeite und alleinvertretungsbefugt sei, reiche insoweit für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit nicht aus.
Mit dem Widerspruch machte der Kläger geltend, es liege eine selbstständige Tätigkeit vor. Insofern sei zu beachten, dass er das Unternehmen faktisch selbstständig und weisungsfrei führe. Er könne auch Beschlüsse der Gesellschaft verhindern, da eine Beschlussfähigkeit erst bei Anwesenheit von 75 % der Stimmrechte vorgesehen sei. Außerdem stehe das wirtschaftliche Risiko durch seine Gesellschafterstellung gegenüber dem geringen Entgelt deutlich im Vordergrund, da er Bürgschaften für die Beigeladene zu 1) in Höhe von 120.000,00 EUR übernommen habe.
Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2012 im Wesentlichen aus den Gründen des Ausgangsbescheides zurück. Es stehe außer Zweifel, dass das Beschäftigungsverhältnis Merkmale einer Selbstständigkeit aufweise, diese seien aber auch bei Fremdgeschäftsführern üblich, so dass sie bei der Gesamtbeurteilung nur eine untergeordnete Bedeutung hätten.
Mit der am 2. Juli 2012 beim Sozialgericht Kiel erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Die Einschätzung seines sozialversicherungsrechtlichen Status durch die Beklagte sei falsch. Der Gesellschaftsvertrag sei nie so gelebt worden, wie er am 1. März 2011 notariell beurkundet worden sei. So hätten die Gesellschafter bereits am 2. März 2011 im Rahmen einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung beschlossen, dass Entscheidungen durch die Gesellschafter nur einstimmig erfolgen könnten. Dies sei am 22. Mai 2014 erneut bestätigt und dann am 6. Juni 2014 ins Handelsregister eingetragen worden. Die Änderung sei aber auch ohne die Eintragung schon wirksam gewesen, da nach der Rechtsprechung des BGH auch außerhalb der Satzung eine schuldrechtliche Bindung der Gesellschafter möglich sei. Außerdem seien die finanziellen Verpflichtungen des Klägers in Form der übernommenen Bürgschaft und seine besondere Fachkompetenz zu berücksichtigen.
Nachdem die Beklagte den Anspruch des Klägers ab Registereintragung am 6. Juni 2014 anerkannt und der Kläger dieses Teilanerkenntnis angenommen hat,
hat der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2012 aufzuheben und festzustellen, dass er auch im Zeitraum vom 1. März 2011 bis 5. Juni 2014 in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer für die K____________ GmbH nicht als abhängig Beschäftigter versicherungspflichtig war.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden verwiesen. Erst mit der Eintragung des Gesellschafterbeschlusses ins Handelsregister habe der Kläger formal eine Stellung bei der Beigeladenen zu 1) erreicht, mit der er einen ausreichend großen Einfluss ausüben könne, ihm unliebsame Entscheidungen zu verhindern.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Mit Urteil vom 5. Februar 2015 hat das Sozialgericht die vom Kläger angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger auch im Zeitraum vom 1. März 2011 bis 5. Juni 2014 in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer für K____________ GmbH nicht als abhängig Beschäftigter versicherungspflichtig gewesen sei. Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass auch ein Gesellschafter einer GmbH zu dieser grundsätzlich gleichzeitig in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen könne. Dies sei regelmäßig nur dann ausgeschlossen, wenn der Gesellschafter auf die Willensbildung der Gesellschaft einen maßgeblichen rechtlichen oder tatsächlichen Einfluss ausübe und damit Einzelanweisungen jederzeit verhindern könne. Eine entscheidende Rechtsmacht hätten GmbH-Gesellschafter regelmäßig dann, wenn sie zugleich Geschäftsführer der Gesellschaft seien und mindestens 50 % des Stammkapitals innehätten oder über eine Sperrminorität verfügten. Beides sei beim Kläger nach dem Gesellschaftsvertrag nicht der Fall. Gleichwohl hätte der Kläger auch vor der Eintragung des Beschlusses der Gesellschafter vom 2. März 2011 ins Handelsregister bereits eine Rechtsposition gehabt, mit der er einen ausreichend großen Einfluss auf die Geschicke der Beigeladenen zu 1) gehabt hätte, um sämtliche Entscheidungen maßgeblich zu beeinflussen. Zwar sei nach § 54 Abs. 3 GmbHG eine Änderung des Gesellschaftsvertrages grundsätzlich nur dann rechtlich wirksam, wenn sie ins Handelsregister eingetragen sei. Dies gelte aber nicht ohne Weiteres für den gesamten Inhalt des Gesellschaftsvertrages. Nach der Rechtsprechung des BGH sei es grundsätzlich zulässig, dass Gesellschafter auch außerhalb des Gesellschaftsvertrages schuldrechtlich bindende von der Satzung abweichende Vereinbarungen träfen. Hier liege ein wirksamer Stimmbindungsvertrag vor. Denn Stimmbindungsvereinbarungen seien grundsätzlich rechtlich zulässig. Anhaltspunkte für die Unwirksamkeit der hier getroffenen Vereinbarung lägen nicht vor. Das GmbHG enthalte keine diesbezüglichen Verbote. An eine besondere Form (etwa notarielle Beurkundung) seien solche Vereinbarungen nicht gebunden. Hätten sich – wie hier – alle Gesellschafter einer GmbH außerhalb der Satzung durch Vertrag verpflichtet, Gesellschafterbeschlüsse nur übereinstimmend zu fassen, hätten Minderheitsgesellschafter die Rechtsmacht, ihnen nicht genehme Beschlüsse und Weisungen der Gesellschafterversammlung abzuwenden.
Gegen dieses der Beklagten am 24. Februar 2015 zugestellte Urteil richtet sich ihre Berufung, die am 9. März 2015 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Zur Begründung führt die Beklagte aus, dass das Urteil nicht im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung stehe. Nach den Regelungen des Gesellschaftsvertrages verfüge der Kläger weder über die erforderliche Mehrheit der Stimmen noch über eine umfassende Sperrminorität und somit nicht über die Rechtsmacht, maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft zu nehmen. Das Sozialgericht gehe auch davon aus, dass der Kläger aufgrund seiner Einlage in Höhe von lediglich eines Drittels an den Gesellschaftsanteilen der Beigeladenen zu 1) keine Sperrminorität und damit einhergehender Möglichkeit gehabt habe, ihm unliebsame Beschlüsse zu verhindern. Im Weiteren habe es jedoch unzutreffend festgestellt, dass der Kläger aufgrund der Stimmrechtsvereinbarung die tatsächliche Rechtsmacht gehabt habe, ihm unangenehme Beschlüsse zu verhindern. Eine außerhalb des Gesellschaftsvertrages geschlossene Stimmbindungsvereinbarung sei grundsätzlich nicht geeignet, eine sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebende, nicht wirksam abbedungene Rechtsmacht zu negieren. Die im Geschäftsführeranstellungsvertrag getroffene Regelung führe vielmehr allenfalls zu einer so genannten „Schönwetterselbstständigkeit“, die für die vorausschauende beitragsrechtliche Beurteilung des Klägers als Gesellschaftergeschäftsführer der GmbH aber nicht ausschlaggebend sei. Das Bundessozialgericht messe jedenfalls einer durch einen der betroffenen Gesellschafter jederzeit kündbaren Stimmrechtsvereinbarung nicht die Bedeutung bei, die im Ergebnis dazu führen könne, für einen Minderheitsgesellschafter ohne Sperrminorität einen maßgeblichen Einfluss auf die Belange der Gesellschaft zu bejahen. Eine Stimmrechtsvereinbarung, die stets eine abgestimmte und damit einstimmige Beschlussfassung verlange, greife nicht in Konfliktsituationen, insbesondere nicht im Fall der Abberufung des Minderheitsgesellschafters als Geschäftsführer. Bei einem Zerwürfnis der Gesellschafter dürfe der zum Geschäftsführer bestellte Minderheitsgesellschafter nicht abstimmen, sofern seine eigene Abberufung im Raume stehe. Einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss zu verhindern, sei ihm daher nicht möglich. Daneben könne die Stimmrechtsvereinbarung von den übrigen Gesellschaftern zumindest aus wichtigem Grund jederzeit gekündigt werden. Eine Stimmrechtsvereinbarung sei von ihrer rechtlichen Qualität her im Ergebnis damit nicht anders zu bewerten als eine vom Gesellschaftsvertrag abweichende praktische Handhabung. In allen Fällen bleibe die im Gesellschaftsvertrag verankerte Rechtsmacht unangetastet.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 5. Februar 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Unabhängig von der rechtlichen Bewertung der Stimmbindungsvereinbarung ergebe sich aus dem Geschäftsführervertrag ein Überwiegen der Indizien für eine selbstständige Tätigkeit.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge. Sie haben sich nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und begründet.
Das Sozialgericht hat für den noch streitigen Zeitraum vom 1. März 2011 bis 5. Juni 2014 zu Unrecht die genannte Feststellung getroffen und den Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2012 insoweit aufgehoben. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts unterlag der Kläger der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung und Pflegeversicherung. Die Beklagte war auch gemäß § 7a Abs. 2 SGB IV berufen, über den Antrag des Klägers auf Statusfeststellung zu entscheiden.
Versicherungspflichtig sind in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III und in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 19. August 2015, B 12 KR 9/14 R, in juris, Rn. 19 m.w.N.) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen.
Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine in Widerspruch zur ursprüngliche getroffenen Vereinbarung stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht nur der formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteil vom 8. Dezember 1994, 11 RAr 49/94, in juris, Rn. 20). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSG, Urteil vom 10. August 2000, B 12 KR 21/98 R, in juris, Rn. 17 m.w.N.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 29. August 2012, B 12 KR 25/10 R, in juris, Rn. 16).
Nach diesen Grundsätzen beurteilt sich auch, ob der Gesellschafter einer GmbH zu dieser in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht. Eine Abhängigkeit gegenüber der Gesellschaft ist nicht bereits durch die Stellung des Betroffenen als Gesellschafter ausgeschlossen. Bei einem am Stammkapital der Gesellschaft beteiligten Geschäftsführer ist der Umfang der Beteiligung und das Ausmaß der sich daraus für ihn ergebenden Einflussmöglichkeit auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal (BSG, Urteil vom 4. Juli 2007, B 11a AL 5/06 R, in juris, Rn. 16).
Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis liegt nicht vor, wenn der Geschäftsführer an der Gesellschaft beteiligt ist und allein oder jedenfalls mit Hilfe seiner Gesellschafterrechte die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit vermeiden kann (BSG, Urteil vom 24. September 1992, 7 RAr 12/92, in juris, Rn. 18). Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ist daher vom BSG verneint worden, wenn der Geschäftsführer Alleingesellschafter ist (BSG, Urteil vom 24. November 2005, B 12 RA 1/14 R, in juris, Rn. 13), wenn der Geschäftsführer über die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft verfügt (BSG, Urteil vom 17. Mai 2001, B 12 KR 34/00 R, in juris, Rn. 15) und wenn der Geschäftsführer über eine Sperrminorität verfügt, um ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschaft zu verhindern (BSG, Urteil vom 30. April 2013, B 12 KR 19/11 R, in juris, Rn. 16 m.w.N.).
Bei Fehlen einer (maßgeblichen) Unternehmensbeteiligung in diesem Sinne hat die Rechtsprechung des BSG bereits früher eine abhängige Beschäftigung nur in sehr begrenzten Einzelfällen angenommen, etwa bei Familienunternehmen (sog. „Kopf und Seele“-Rechtsprechung). Diese Rechtsprechung hat der für Statusentscheidungen zuständige 12. Senat des BSG inzwischen zu Gunsten einer streng am Vorliegen von Rechtsmacht orientierten Normanwendung aufgegeben. Eine vom rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhalten der Beteiligten abhängige Statuszuordnung sei mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht vereinbar (BSG, Urteile vom 29. Juli 2015, B 12 KR 23/13 R und B 12 R 1/15 R, in juris, Rn. 26, 30, sowie Urteil vom 11. November 2015, B 12 KR 10/14 R, in juris, Rn. 31).
Ausgehend von diesen Grundsätzen war der Kläger im streitigen Zeitraum abhängig beschäftigt. Ihm kam nach dem Gesellschaftsvertrag keine Rechtsmacht zu, Weisungen der Gesellschafter zu verhindern. Der Gesellschaftsvertrag sah eine Entscheidung mit einfacher Mehrheit vor. Der Kläger besaß nur ein Drittel der Stimmanteile und keine Sperrminorität. Der außerhalb des Gesellschaftsvertrages getroffenen Stimmrechtsvereinbarung vom 2. März 2011 kommt nicht die vom Sozialgericht angenommene Bedeutung zu. Zunächst einmal ist festzustellen, dass es sich bei dieser Vereinbarung nicht um eine schuldrechtliche Stimmbindungsvereinbarung handelt, wie sie von den Beteiligten und dem Sozialgericht stellenweise genannt wurde. Inhalt der Vereinbarung war, dass Entscheidungen durch die Gesellschafter nur einstimmig erfolgen können und nicht, dass Gesellschafter ihr Abstimmungsverhalten an das Abstimmungsverhalten anderer Gesellschafter binden. Daher ist in der Vereinbarung eine Stimmrechtsvereinbarung zu sehen. Diese mag auch ohne notarielle Beurkundung und Eintragung in das Handelsregister gesellschaftsrechtlich zulässig sein. Sozialversicherungsrechtlich entfaltet sie jedoch keine Relevanz, weil sie außerhalb des Gesellschaftsvertrages getroffen wurde und ihr ohne Beurkundung und Eintragung in das Handelsregister die insoweit erforderliche Publizität fehlt.
Sozialversicherungsrechtlich ist bedeutsam, dass im Gesellschaftsvertrag eingeräumte Minderheitenrechte eine ganz andere Stellung des Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführers vermitteln als im vorliegenden Fall. Die Anforderungen an die Aufhebung gesellschaftsvertraglicher Regelungen sind nämlich ungleich höher als bei einer bloßen „einfachen“ Kündigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund. Der Beschluss über eine Änderung des Gesellschaftsvertrages muss nach § 53 Abs. 2 GmbHG notariell beurkundet werden und bedarf einer Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen. Wer als Minderheitsgesellschafter über eine solche ihm im Gesellschaftsvertrag eingeräumte Sperrminorität verfügt, kann sich deshalb im Konfliktfall gegen eine Entziehung seiner Sperrminorität wehren und diese nicht – insbesondere nicht anlassbezogen – allein schon durch die Ausübung eines fremden Kündigungsrechts wieder verlieren. Nur im Gesellschaftsvertrag selbst vereinbarte Minderheitenrechte können deshalb für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung des Gesamtbildes ihrer Tätigkeit verlässlich bedeutsam sein, soweit daraus eine Selbstständigkeit hergeleitet werden soll (BSG, Urteil vom 11. November 2015, B 12 KR 10/14 R, in juris, Rn. 32). Sie können auf keinen Fall von der Entscheidung der Gesellschafter abhängig sein, ob sie nicht beurkundete und nicht eingetragene Vereinbarungen außerhalb des Gesellschaftsvertrags in Verkehr bringen oder nicht.
Angesichts der dem Kläger fehlenden Rechtsmacht, ihm unliebsame Entscheidungen abzuwehren, fallen im Rahmen der Gesamtabwägung für eine selbstständige Tätigkeit sprechende Indizien nicht ins Gewicht. Die für und gegen eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Indizien sind ihrer Bedeutung entsprechend zu gewichten. Die fehlende Rechtsmacht hat dabei eine herausragende Bedeutung. Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall und ein Urlaubsanspruch sprechen ebenfalls für eine abhängige Beschäftigung. Das (am Anfang) verhältnismäßig geringe feste monatliche Gehalt spricht jedenfalls nicht für eine selbstständige Tätigkeit. Dies gilt auch für die vom Kläger für die Beigeladene zu 1) übernommene Bürgschaft. Denn die Übernahme von Bürgschaften führt zu keiner unmittelbaren Einflussnahme auf die Gesellschaft, weil sie in der Regel nur zur Absicherung weiterer Verbindlichkeit dient und selbst im Falle ihrer Kündigung bzw. Rücknahme allenfalls mittelbare Auswirkungen haben kann (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juli 2015, B 12 KR 23/13 R; Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 20. Dezember 2016, L 6 KR 1417/13). Im Hinblick darauf fallen die dem Kläger eingeräumten Befugnisse als Geschäftsführer (z. B. Einzelvertretungsbefugnis, Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB) nicht ins Gewicht. Leitende Angestellte verfügen regelmäßig über derartige Freiheiten und Befugnisse, ohne dass dies den Charakter als abhängige Beschäftigung berühren würde (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2014, B 12 R 13/13 R, in juris, Rn. 13, Urteil vom 30. März 2013, B 12 KR 19/11 R, in juris, Rn. 29 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtsmittelbelehrung und Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe
I. Rechtsmittelbelehrung
Diese Entscheidung kann nur dann mit der Revision angefochten werden, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung schriftlich oder in elektronischer Form beim Bundessozialgericht einzulegen. Sie muss bis zum Ablauf der Monatsfrist beim Bundessozialgericht eingegangen sein und die angefochtene Entscheidung bezeichnen.
Postanschriften des Bundessozialgerichts:
bei Brief und Postkarte
34114 Kassel
bei Eilbrief, Telegramm, Paket und Päckchen
Graf-Bernadotte-Platz 5
34119 Kassel
Die elektronische Form wird durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundessozialgericht (ERVVOBSG) in der Fassung der Änderungsverordnung vom Dezember 2015 (BGBl I) an die elektronische Gerichtspoststelle zu übermitteln ist. Weitere Informationen hierzu können über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) abgerufen werden.
Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen
1. Rechtsanwälte,
2. Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen,
3. selbstständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,
4. berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6. Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder,
7. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nrn. 3 bis 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Die Organisationen zu den Nrn. 3 bis 7 müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.
Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Nrn. 1 bis 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen.
In der Begründung muss dargelegt werden, dass
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
- die Entscheidung von einer zu bezeichnenden Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
- ein zu bezeichnender Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann.
Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht und eine Verletzung des § 103 SGG nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
II. Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe
Für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.
Der Antrag kann von dem Beteiligten persönlich gestellt werden; er ist beim Bundessozialgericht schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.
Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen; hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck ist kostenfrei bei allen Gerichten erhältlich. Er kann auch über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) heruntergeladen und ausgedruckt werden.
Im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs ist der Vordruck in Papierform auszufüllen, zu unterzeichnen, einzuscannen, qualifiziert zu signieren und dann in das elektronische Gerichtspostfach des Bundessozialgerichts zu übermitteln.
Falls die Beschwerde nicht schon durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt ist, müssen der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den Belegen innerhalb der Frist für die Einlegung der Beschwerde beim Bundessozialgericht eingegangen sein.
Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.
III. Ergänzende Hinweise
Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden. Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um zwei weitere Abschriften. Dies gilt nicht im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs.
RechtsgebietSGB 4Vorschriften§ 7 Abs 1 S 2 SGB 4