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  • 01.07.2022 · IWW-Abrufnummer 230038

    Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 12.05.2022 – 5 K 141/18

    1. Fasst der Steuerpflichtige den Entschluss, seine Wohnung im Inland aufzugeben und dauerhaft ins Ausland umzuziehen, wird der inländische Wohnsitz bis zum tatsächlichen Verlassen der Wohnung am Umzugstag beibehalten.

    2. Der gewöhnliche Aufenthalt im Inland endet in diesem Fall in dem Moment, in dem der Steuerpflichtige am Umzugstag das Inland verlässt.

    3. Der Tag des Umzugs ins Ausland zählt noch zum Zeitraum der unbeschränkten Steuerpflicht.

    4. Bei einer Nettolohnvereinbarung fließt dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Auszahlung eines sonstigen Bezuges grundsätzlich auch der Lohn in Form der vom Arbeitgeber übernommenen Lohnsteuer zu.


    Finanzgericht Hamburg

    Urteil vom 12.05.2022


    Tatbestand

    Streitig ist, ob eine vom Kläger an A gezahlte Abfindung der inländischen Besteuerung unterliegt und der Beklagte den Kläger zur Recht für die darauf entfallende Lohnsteuer, die Kirchensteuer und den Solidaritätszuschlag in Haftung genommen hat.

    Der Kläger war in den Streitjahren Arbeitgeber von A, einem deutschen Staatsangehörigen, auf der Grundlage eines befristeten Arbeitsvertrages vom ... 2001 zum ... Juni 2004. Vereinbart waren u.a. ein monatliches Bruttogehalt, ein Urlaubsgeld sowie zweimal jährlich zu leistende Sonderzahlungen.

    A erwarb ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück in B und lebte dort mit seiner damaligen Lebensgefährtin und späteres Ehefrau C. Anfang 2003 erhielt A ein Angebot eines chinesischen Arbeitgebers (D) in E. Er reiste am 8. Februar 2003 zu einem Vorstellungsgespräch nach E, wofür er vom Kläger freigestellt wurde. In E schloss A am ... Februar 2003 einen Anstellungsvertrag mit dem chinesischen Arbeitgeber und reiste am selben Tag zurück nach Hamburg.

    Am ... Februar 2003 schloss der Kläger mit A eine Auflösungsvereinbarung, wonach der Vertrag vom ... 2001 mit Ablauf des ... Februar 2003 beendet werden sollte. Der Kläger verpflichtete sich, "für den Verlust des Arbeitsplatzes" eine Abfindung in Höhe von ... € "netto" zu zahlen und Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag ebenso wie Sozialversicherungsbeiträge zu tragen. Die Abfindung sollte in drei Beträgen zu zahlen sein, und zwar in Höhe von jeweils ... € bei Auflösung des Vertrages und im Juli 2003 sowie in Höhe von ... € im Juli 2004.

    Am 20. Februar 2003 flog A mit C und seinen beiden Hunden um 14.35 Uhr in Hamburg ab nach Frankfurt am Main, wo er um 15.45 Uhr landete. Von dort aus startete der Flug nach E um 17.40 Uhr. In E bezogen A und C ein durch den chinesischen Arbeitgeber angemietetes möbliertes Haus, das A sich während des Vorstellungstermins ausgesucht hatte.

    Der Kläger reichte den Überweisungsauftrag für die erste Abfindungsrate in Höhe von ... € am Abend des 19. Februar 2003 bei der Bank-1 ein. Der Betrag wurde dem Bankkonto des A bei der Bank-2 am 20. Februar 2003 um 15.00 Uhr gutgeschrieben.

    A meldete der Stadt B seinen Auszug zum 20. Februar 2003 und vermietete das Haus in B im Sommer 2003 an G. Der zunächst auf ein Jahr befristete Arbeitsvertrag zwischen A und D wurde anschließend um ein Jahr verlängert. Im Dezember 2004 kehrte A nach Deutschland zurück.

    In der Gehaltsabrechnung des Klägers für A für Februar 2003 vom 19. Februar 2003 wurden u.a. eine Abfindung "netto" von ... €, ein steuerfreier Betrag der Abfindung von ... € sowie Lohnsteuer für die Abfindung in Höhe von ... €, Kirchensteuer in Höhe von ... € und ein Solidaritätszuschlag in Höhe von ... € aufgeführt.

    Mit Lohnsteueranmeldung für Februar 2003 vom 17. März 2003 meldete der Kläger u.a. diese Beträge an und führte sie ab. Die Lohnsteueranmeldung wurde bestandskräftig und der Vorbehalt der Nachprüfung in der Folge einer Lohnsteuer-Außenprüfung für den Zeitraum August 2000 bis Februar 2003 mit Bescheid vom 20. Juni 2003 aufgehoben.

    Mit Schreiben vom 26. März 2003 beantragte der Kläger bei dem seinerzeit zuständigen Betriebsstättenfinanzamt Hamburg-1 die Erteilung einer Lohnsteuer-Anrufungsauskunft bzgl. der Lohnsteuerpflicht für die zweite und dritte Abfindungsrate und ging dabei von einer fehlenden unbeschränkten und beschränkten Steuerpflicht bzw. einem vorrangigem Besteuerungsrecht Chinas aus, da A im Anschluss an die Aufhebung des Arbeitsvertrages mit ihm, dem Kläger, seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt nach China verlegt habe. Das Finanzamt Hamburg-1 sah in der Auskunft vom 18. Juli 2003 nur den Betrag von ... € als nach § 3 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei an. Auf den Einspruch des Klägers hin erteilte es unter dem 29. September 2003 eine Bescheinigung für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer mit dem Inhalt, dass die Abfindungszahlungen vom Juli 2003 und Juli 2004 gem. § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG i.V.m. dem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) China in der Bundesrepublik Deutschland nicht steuerpflichtig seien, sofern der A zum Zahlungszeitpunkt seinen Wohnsitz nach China verlegt habe.

    Am 30. Oktober 2003 erstellte der Kläger eine geänderte Gehaltsabrechnung für A für Februar 2003, in der er die erste Rate der Abfindungszahlung vollen Umfangs als "steuerfrei" schlüsselte und die hierauf bezogenen Steuerbeträge zurückrechnete.

    In der Lohnsteueranmeldung für Oktober 2003 vom 17. November 2003 meldete der Kläger entsprechend geringere Beträge für Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer an und erstellte eine korrigierte Jahreslohnsteuerbescheinigung für A.

    Das Finanzamt Hamburg-2 führte aufgrund einer Prüfungsanordnung vom 7. August 2006 beim Kläger eine Lohnsteuer-Außenprüfung für den Zeitraum März 2003 bis zum September 2006 durch. Der Prüfer war der Auffassung, dass der ursprüngliche Lohnsteuereinbehalt vorschriftsmäßig gewesen sei, weil A zum Zeitpunkt der Auszahlung der ersten Raten noch seinen Wohnsitz und seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland gehabt habe und daher unbeschränkt steuerpflichtig gewesen sei. Mit Erklärung vom 5. April 2007 erklärte sich der Kläger mit der vorrangigen Inanspruchnahme für die durch Haftungsbescheid nachzufordernde Brutto-Lohnsteuer einverstanden.

    Daraufhin erließ das Finanzamt Hamburg-2 am 25. Juli 2007 einen Haftungsbescheid, mit dem es den Kläger - neben anderen Beträgen - für die auf die Abfindungszahlung entfallende Lohnsteuer in Höhe von ... €, den Solidaritätszuschlag in Höhe von ... € und die Kirchensteuer in Höhe von ... € unter Bezugnahme auf § 42d EStG in Haftung nahm. Der Kläger habe die Lohnsteuer in unzutreffender Höhe einbehalten und abgeführt und sich mit seiner vorrangigen Haftungsinanspruchnahme einverstanden erklärt. Der Kläger bezahlte die Haftungsbeträge am 29. August 2007.

    Gegen den Haftungsbescheid legte der Kläger am 27. August 2007 Einspruch ein und führte zur Begründung aus, dass A bereits am Mittag des 20. Februar 2003 und damit bei Zufluss der ersten Abfindungsrate weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland gehabt habe. Er habe seine Wohnung verlassen und Umstände, die darauf schließen ließen, dass er die Wohnung hätte beibehalten und weiter nutzen wollen, lägen nicht vor. Von seinem gewöhnlichen Aufenthalt im Inland habe er sich bereits gelöst, indem er die Ausreise angetreten habe. Die Änderung der Lohnsteueranmeldung sei gemäß § 41c Abs. 3 EStG auch zulässig gewesen. Mit der "Ausschreibung" der Lohnsteuerbescheinigung sei diejenige Bescheinigung gemeint, die dem Arbeitnehmer erstmals ausgehändigt worden sei. Die ursprüngliche Lohnsteuerbescheinigung für Februar 2003 sei in seiner, des Klägers, Buchhaltung automatisch generiert, mittels Klebestreifens auf die Rückseite der Lohnsteuerkarte aufgebracht und zunächst bei ihm, dem Kläger, verwahrt worden. Nach Berichtigung der Lohnsteuer sei eine nunmehr zutreffende weitere Bescheinigung generiert und unter Streichung des ersten Formulars mittels Klebestreifens über das ungültige Formular geklebt worden. Die Lohnsteuerkarte sei zunächst weiterhin bei ihm, dem Kläger, verblieben und erst auf Anforderung seitens des Steuerberaters des A mit Schreiben vom 25. Juni 2004 an den Berater übersandt worden.

    In der Einkommensteuererklärung für 2003 erklärte A die Abfindungszahlung als im Inland freizustellende Einkünfte und fügte die korrigierte Lohnsteuerbescheinigung des Klägers bei. In dem durch das Finanzamt L gegenüber A erlassenen Einkommensteuerbescheid für 2003 vom 15. Oktober 2009 war die Abfindungszahlung in den angesetzten Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von insgesamt ... € enthalten und der diesbezügliche Lohnsteuerabzug wurde im Abrechnungsteil angerechnet. Gegen diesen Bescheid legte A Einspruch ein mit der Begründung, dass die erste Abfindungsrate gezahlt worden sei, als er in Deutschland nicht mehr unbeschränkt steuerpflichtig gewesen sei, weshalb das Besteuerungsrecht China zustehe. Mit Schreiben vom 9. Juni 2010 nahm A den Einspruch zurück mit dem Hinweis, dass er wegen der Nettolohnvereinbarung nicht mit Steuern belastet sei.

    Der zwischenzeitlich zuständig gewordene Beklagte wies den Einspruch des Klägers gegen den Haftungsbescheid mit Einspruchsentscheidung vom 14. Juni 2018 als unbegründet zurück. Zur Begründung der Entscheidung verwies der Beklagte darauf, dass die Lohnsteuer auf die erste Abfindungsrate zunächst vorschriftsmäßig einbehalten und im Rahmen der bestandskräftigen Einkommensteuerveranlagung des A angerechnet worden sei. A habe durch die Rücknahme des Einspruchs das Besteuerungsrecht Deutschlands bestätigt.

    Der Kläger hat am 17. Juli 2018 Klage erhoben. Er trägt vor, dass A im Zeitpunkt des Zuflusses der ersten Abfindungsrate seinen Wohnsitz und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland bereits aufgegeben und daher nicht mehr der unbeschränkten Steuerpflicht unterlegen habe.

    A habe seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik vor Zufluss der ersten Abfindungsrate aufgegeben. Den Entschluss, nach China zu ziehen, habe A vermutlich bereits bei dem Vorstellungsgespräch gefasst. Dieser Entschluss sei spätestens mit Unterzeichnung der Auflösungsvereinbarung am ... Februar 2003 nach außen erkennbar geworden. Zu diesem Zeitpunkt habe A das Haus in B zwar noch innegehabt, aber eine Nutzung für eigene Wohnzwecke sei nicht mehr wahrscheinlich gewesen. Er habe die Wohnung lediglich zur Vorbereitung seines Umzuges nach China genutzt. Anschließend habe er sie nur noch zum Zwecke der Vermögensverwaltung gehalten und sich darin nicht mehr unter Umständen aufgehalten, die auf eine dauerhafte Nutzung hätten schließen lassen. Die Aufgabe des Wohnsitzes sei auch von Dauer gewesen, wie sich aus der Dauer des Engagements bei D ergebe sowie aus dem Umstand, dass A mit C und beiden Hunden nach China gezogen sei. Einen neuen Wohnsitz in Deutschland habe er erst Anfang 2005 wieder begründet.

    Da die Aufgabe des Wohnsitzes keine Neubegründung an einem anderen Ort voraussetze, sei unerheblich, ab welchem Zeitpunkt A über eine Wohnung in China habe verfügen können. Angesichts der Aufgabe des Wohnsitzes schon mit der Unterzeichnung des Auflösungsvertrages am ... Februar 2003 komme es auch nicht darauf an, ob für die Begründung oder Aufgabe des Wohnsitzes die genaue Uhrzeit oder der Ablauf des jeweiligen Tages maßgeblich sei.

    Da der gewöhnliche Aufenthalt zumeist am Ort des Wohnsitzes begründet werde, ende mit der Aufgabe des Wohnsitzes im Zweifel auch der gewöhnliche Aufenthalt (Bundesfinanzhof -BFH-, Urteile vom 28. August 1968, I 254/65, und vom 27. April 2005, I R 112/04). Der gewöhnliche Aufenthalt sei als Kriterium für die unbeschränkte Steuerpflicht nur subsidiär zu prüfen. Es werde nicht etwa die Zeit des Aufenthalts vor der Aufgabe des Wohnsitzes für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts aufgrund Überschreitung der 6-Monatsfrist berücksichtigt. Auch ein etwaiger fiktiver gewöhnlicher Aufenthalt, der nur bei Fehlen eines Wohnsitzes vorliegen könne, hätte mangels Dauerhaftigkeit des beabsichtigten Verbleibens geendet. Denn sowohl der Wohnsitz als auch das Merkmal des gewöhnlichen Aufenthalts seien zukunftsgerichtet zu interpretieren.

    Nach den dargestellten Umständen sei davon auszugehen, dass A schon vor der erneuten Wiedereinreise in China nach dem Abschluss der Auflösungsvereinbarung einen gewöhnlichen Aufenthalt in China begründet habe, nämlich zum Zeitpunkt des Vorstellungsgesprächs im Februar 2003. Aus der Tatsache, dass A unmittelbar nach seiner Rückkehr den Vertrag mit dem Kläger aufgelöst habe, lasse sich ableiten, dass er bereits zuvor den Entschluss gefasst haben müsse, zukünftig nicht mehr in Deutschland zu arbeiten, zumal er bei ihm, dem Kläger, keine Perspektive mehr gehabt habe.

    Die Aufgabe des gewöhnlichen Aufenthalts (hier in der Bundesrepublik) sei aber auch nicht von der Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts (hier in China) abhängig. Anderes folge nicht daraus, dass nach der Rechtsprechung des BFH ein Steuerpflichtiger nur einen gewöhnlichen Aufenthalt haben könne. Selbst wenn man annehmen wollte, der gewöhnliche Aufenthalt habe noch über den Zeitpunkt der Wohnsitzaufgabe hinaus bestanden, so sei er spätestens mit dem tatsächlichen Verlassen des Hauses vor dem Abflug nach China am 20. Februar 2003 um 14.35 Uhr und damit vor der Gutschrift der ersten Rate der Abfindung aufgegeben worden.

    Zu beachten sei, dass die Vereinfachungsregelung in § 9 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) nicht für die Aufgabe des gewöhnlichen Aufenthalts anwendbar sei. Anderenfalls könnte stets bei unstreitiger Aufgabe des Wohnsitzes noch für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten ein gewöhnlicher Aufenthalt im Inland vermutet werden, wenn lediglich eine gelegentliche Präsenz in Deutschland und noch kein gewöhnlicher Aufenthalt im Zuzugsstaat gegeben sei. Der gewöhnliche Aufenthalt im Inland ende regelmäßig, wenn der Steuerpflichtige seinen Aufenthalt für mehr als sechs Monate ins Ausland verlege. Bei einem Auslandsaufenthalt von mehr als einem Jahr liege grundsätzlich kein gewöhnlicher Aufenthalt im Inland mehr vor. Maßgeblich seien nach außen sichtbare Umstände, die verdeutlichten, dass ein Verbleiben im Inland nicht mehr beabsichtigt gewesen sei. Der Auflösungsvertrag ebenso wie das ... seien hierfür deutliche Indizien.

    Auf die Frage der Begründung einer unbeschränkten Steuerpflicht bzw. Registrierung in China komme es nicht an. Dessen ungeachtet wäre, selbst wenn A zum hier maßgeblichen Zeitpunkt seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik noch nicht verloren hätte, auf der Grundlage der Regelung zur Doppelansässigkeit in Art. 4 Abs. 2 DBA China der Staat China als Ansässigkeitsstaat anzusehen und hätte mithin das alleinige Besteuerungsrecht. Aufgrund der anschließenden Tätigkeit des A in China habe er nur dort eine Wohnstätte unterhalten und regelmäßig genutzt.

    Nach der im Streitjahr geltenden Gesetzesfassung des § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG vor Einfügung des Buchstaben c habe die Abfindung auch noch nicht der beschränkten Steuerpflicht unterlegen. Die Abfindung sei ausschließlich als Ausgleich für den Verlust künftiger Einnahmen und als Anreiz zur Aufnahme der geringer vergüteten Tätigkeit in China gezahlt worden und nicht zur Abgeltung in der Vergangenheit erdienter Ansprüche. So seien die Sonderzahlungen und das Urlaubsgeld Anreize für den Verbleib bei ihm, dem Kläger, und kein Entgelt für erbrachte Leistungen. Der Arbeitsvertrag enthalte keinen Hinweis darauf, dass dem Arbeitnehmer bei vorzeitiger Vertragsauflösung die vereinbarten Zahlungen anteilig zustünden; dies wäre auch keine branchenübliche Regelung. Bei der Regelung in § 3 des Auflösungsvertrages handele es sich um eine übliche Abschlussformulierung, aus der kein Vergangenheitsbezug der Abfindungszahlungen abgeleitet werden könne.

    Unabhängig von der Beurteilung der Abfindung selbst sei jedenfalls die auf die Abfindung entfallende Lohnsteuer A erst im Zeitpunkt der Lohnsteueranmeldung zugeflossen und unterfalle daher nicht mehr der unbeschränkten Steuerpflicht. Für einen Zufluss genüge die Zuwendung eines Anspruchs nicht; vielmehr führe erst dessen Erfüllung zu einem Zufluss. Bei einer Nettolohnvereinbarung, wie sie hier vorliege, habe der Arbeitnehmer zunächst nur einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Einbehaltung, Anmeldung und Abführung der Lohnsteuer. Erst die Abführung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber führe zum Erlöschen des Lohnsteueranspruchs des Finanzamtes und dazu, dass der Arbeitnehmer als Schuldner der Lohnsteuer nicht mehr auf deren Zahlung in Anspruch genommen werden könne. Erst in diesem Zeitpunkt sei die Lohnsteuer, die wegen der Nettolohnabrede selbst als Lohn gelte, als zugeflossen anzusehen. Dass der Arbeitnehmer bei durch den Arbeitgeber nicht ordnungsgemäß abgeführter Lohnsteuer nach § 42d Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 EStG grundsätzlich nicht als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden könne, betreffe das Vollstreckungsverfahren und sei für die Frage des Erfüllungszeitpunkts im Rahmen des Erhebungsverfahrens nicht relevant. Aber selbst wenn man auf die Vorschriften zur Haftung abstelle, könne der Anspruch auf Zahlung der Lohnsteuer frühestens mit der Anmeldung erfüllt werden, weil der Arbeitnehmer nur von der Haftung befreit werde, wenn er bis dahin keine Kenntnis von der etwaig nicht vorschriftsmäßigen Anmeldung und Abführung habe.

    Auf die Vorschrift des § 38 Abs. 2 Satz 2 EStG komme es in diesem Zusammenhang nicht an, weil hierdurch lediglich der Zeitpunkt des Entstehens der Lohnsteuer festgelegt werde und nicht der Zeitpunkt der Erfüllung des Lohnsteueranspruchs und damit des Zuflusses. Der Einbehalt der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber sei nicht mit der Abführung der Lohnsteuer an das Finanzamt gleichzusetzen, die nach der aktuellen Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 17. Oktober 2013, VI R 44/12) erst zum Erlöschen des Lohnsteueranspruchs des Arbeitnehmers führe. Einschlägig für den Zuflusszeitpunkt der Lohnsteuer als Arbeitslohn sei folglich § 38 Abs. 1 Satz 1 EStG und nicht § 38 Abs. 2 EStG. Von einer in diesem Sinne erhobenen Steuer könne nach allgemeinem Sprachgebrauch aber erst ausgegangen werden, wenn sie beim Gläubiger eingegangen oder der Anspruch auf andere Weise erloschen sei. Im Ergebnis sei es im Streitfall daher nicht vor dem 10. März 2003 zu einem Zufluss des Lohnsteuerbetrages gekommen, als die Lohnsteuer für Februar 2003 habe angemeldet werden müssen.

    Der Kläger beantragt,

    den Haftungsbescheid vom 25. Juli 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Juni 2018 über Lohnsteuer 2003 in Höhe von ... €, Solidaritätszuschlag 2003 in Höhe von ... € und Kirchensteuer 2003 in Höhe von ... € aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte trägt vor, dass A zum Zeitpunkt der Zahlung der ersten Abfindungsrate noch der unbeschränkten Steuerpflicht unterlegen habe. Zwar habe A seinen Wohnsitz in Deutschland mit dem Verlassen des Hauses in B und der anschließenden bloßen Vermögensverwaltung am Tag des 20. Februar 2003 aufgegeben. Indes führe dies wohl nicht minutengenau zum Ende der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland, sondern im Einklang mit der entsprechenden Behandlung im Rahmen des § 108 AO, des § 9 Satz 2 AO und der Berechnung der 183-Tagesfrist in den DBA erst mit Ablauf des Tages um 24 Uhr. Der vorherige Abschluss des Aufhebungsvertrages mit dem Kläger ändere hieran nichts. Im Übrigen treffe den Kläger insoweit die Feststellungslast. Auch der Anwendungserlass zur AO stelle zu § 8 (Nr. 6) auf den Wegzug und das Zurücklassen der Wohnung zur bloßen Vermögensverwaltung ab. Demgegenüber sei das auf wahrscheinliche zukünftige Umstände gerichtete Gesamtbild der Verhältnisse nur in Konstellationen relevant, in denen ein Wegzug schon lange vorher erfolgt und die Wohnung in Deutschland zusätzlich erhalten geblieben sei.

    Zum Zeitpunkt des Zuflusses der ersten Rate habe auch der gewöhnliche Aufenthalt des A noch in Deutschland gelegen. Für eine Subsidiarität des Merkmals des gewöhnlichen Aufenthalts gegenüber dem Merkmal des Wohnsitzes fänden sich in Gesetz und Rechtsprechung keine Anhaltspunkte. Mindestvoraussetzung sei insoweit die körperliche Anwesenheit. Am 20. Februar 2003 um 15.00 Uhr habe A sich im Flugzeug auf dem Weg von Hamburg nach Frankfurt und damit über dem Luftraum der Bundesrepublik Deutschland befunden, der völkerrechtlich zum Staatsgebiet des jeweiligen Staates gehöre. Zudem gelte die Vermutungsregel des § 9 Satz 2 AO, da A sich durchgängig seit mehr als sechs Monaten in Deutschland aufgehalten habe. Der kurze Aufenthalt in China zwecks Absolvierung des nur wenige Stunden dauernden Vorstellungsgesprächs ändere hieran nichts, zumal es nur dazu gedient habe, sich dem potentiell zukünftigen Arbeitgeber vorzustellen, und keineswegs sicher gewesen sei, ob ein Arbeitsvertrag zustande kommen würde. Zwar seien dem Vorstellungsgespräch vermutlich umfangreiche Verhandlungen zur Vertragsanbahnung vorausgegangen. Dennoch sei ein Scheitern des Wechsels noch möglich gewesen und müsse gerade bei älteren Arbeitnehmern einkalkuliert werden. Auch hätte A sich noch gegen einen Wechsel nach China entscheiden können; dies zeige der erst nach dem Aufenthalt in China abgeschlossene Auflösungsvertrag mit dem Kläger.

    In China sei zum Zuflusszeitpunkt weder ein Wohnsitz noch ein gewöhnlicher Aufenthalt begründet worden. Für ersteres habe es an der Verfügungsbefugnis des A über die von D für ihn angemieteten und erst nach der Einreise bezogenen Wohnung gefehlt. Die Frist gem. § 9 Satz 2 AO könne bezogen auf einen gewöhnlichen Aufenthalt in China erst mit dem der Einreise nachfolgenden Tag, also am 22. Februar 2003, begonnen haben.

    Auf die Aufgabe des Wohnsitzes in Deutschland könne für die Aufgabe des gewöhnlichen Aufenthalts nicht abgestellt werden. Anderes gelte nur, soweit ein neuer Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt begründet worden sei; dies sei hier nicht der Fall.

    Hilfsweise könne die Haftungsinanspruchnahme des Klägers für die erste Rate darauf gestützt werden, dass alle drei Teilzahlungen wenigstens teilweise der beschränkten Steuerpflicht unterlägen. Abfindungszahlungen würden insoweit von § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG erfasst, als sie nicht zur Abgeltung des Verlusts zukünftigen Arbeitsverdienstes, sondern zur Abgeltung erdienter Ansprüche aus dem vergangenen Arbeitsverhältnis gezahlt würden. Hierfür bestünden im Streitfall hinsichtlich der sich aus der Anlage zum Arbeitsvertrag ergebenden Ansprüche u.a. auf das Urlaubsgeld und die Sonderzahlungen Anhaltspunkte. Es sei davon auszugehen, dass A einen Großteil seiner Arbeit für die Sonderzahlungen bei Abschluss der Auflösungsvereinbarung bereits geleistet habe und die Abfindungszahlungen zumindest teilweise auch diesen Anspruch hätten ausgleichen sollen. Hieran ändere die Fälligkeit der Sonderzahlungen erst nach dem Zeitpunkt der Auflösungsvereinbarung nichts. Hätte A zum 31. März 2003 keinen Anspruch auf die Sonderzahlung gehabt, wäre bei wirtschaftlicher bzw. objektiver Betrachtungsweise die Höhe der Abfindung geringer ausgefallen.

    Nach der Zeugenbefragung des A sei unklar geblieben, wann dessen Haushaltsregistrierung in China erfolgt sei. Dies sei indes unerheblich, da er zum Zeitpunkt des Eingangs der ersten Abfindungsrate noch unbeschränkt steuerpflichtig gewesen sei. Erst nach dem 20. Februar 2003 hätten Anhaltspunkte für eine Aufgabe seines Wohnsitzes in Deutschland bestanden.

    Mit Zahlung der ersten Abfindungsrate sei A auch die Lohnsteuer insgesamt zugeflossen. Bei einer Nettolohnvereinbarung werde die Lohnsteuer durch Hochrechnung auf den Bruttolohn insgesamt und einheitlich ermittelt. Sie entstehe in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer zufließe (§ 38 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ginge man von einem Zufluss erst im Zeitpunkt der Anmeldung aus, unterläge die Lohnsteuer für Dezember erst der Einkommensteuer für das Folgejahr. Auch bei einer Nettolohnvereinbarung lägen nicht zwei unterschiedliche Lohnzahlungsposten vor - die Abfindung und die Übernahme der Lohnsteuer darauf -, sondern der Arbeitslohn sei insgesamt zu bewerten bzw. die Lohnsteuer teile das Schicksal der Hauptleistung. In vergleichbarer Weise bestimme § 10 Abs. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG), dass, wenn der Schenker zusätzlich zur Schenkung auch die Schenkungsteuer übernehme, als Erwerb der Betrag gelte, der sich bei der Zusammenrechnung des Erwerbes mit der aus ihm errechneten Steuer ergebe. Der Zufluss habe somit insgesamt mit Zahlung der Abfindung stattgefunden und nicht zu zwei verschiedenen Zeitpunkten.

    Der Senat hat über das Deutsch-Chinesische Institut für Rechtswissenschaft der Georg-August-Universität Göttingen und einen auf der homepage https://www.uni-goettingen.de/de/423274.html befindlichen Link am 15. März 2021 die Fassung des Einzelpersonen-Einkommensteuergesetzes der Volksrepublik China vom 31. Oktober 1993 in der Fassung vom 29. Dezember 2007 nebst Ausführungsbestimmungen vom 28. Januar 1995 in der Fassung vom 18. Februar 2008, jeweils in der Übersetzung und mit Anmerkungen von Prof. Dr. N, ermittelt (...). Die damalige Berichterstatterin hat sodann Beweis erhoben durch schriftliche Zeugenbefragung des A zu einem Wohnsitz und einer Haushaltsregistrierung in China im Jahr 2003. Auf den Beweisbeschluss vom 21. April 2021 nebst Anschreiben vom 22. April 2021 sowie das Schreiben des Zeugen A vom 17. Mai 2021 (Eingang) wird Bezug genommen (...).

    Auf die Niederschriften der Erörterungstermine vom 18. September 2020 und vom 22. November 2021 sowie der mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 2022 wird verwiesen (...). Das Gericht hat im Erörterungstermin vom 22. November 2021 Beweis erhoben durch Zeugenvernehmung des A. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird ebenfalls auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung ist dem Beklagten am 17. März 2022 zugestellt und der Beklagte ist in der Ladung darauf hingewiesen worden, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden könne.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

    I.

    Die Klage ist zulässig.

    1. Der Kläger ist aktivlegitimiert.

    ...

    2. Die Klage richtet sich auch gegen den richtigen Beklagten.

    ...

    II.

    Die Klage ist unbegründet.

    Der angefochtene Haftungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat den Kläger zu Recht als Haftenden für die Lohnsteuer nebst Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag auf die erste Abfindungsrate in Anspruch genommen.

    Nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet.

    Nach der Rechtsprechung des BFH ist die Entscheidung über die Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners zweigliedrig aufgebaut. Danach hat das Finanzamt zunächst zu prüfen, ob in der Person, die es zur Haftung heranziehen will, die tatbestandlichen Voraussetzungen der jeweiligen Haftungsnorm erfüllt sind. Insoweit handelt es sich um eine vom Finanzgericht in vollem Umfang zu überprüfende rechtlich gebundene Entscheidung (vgl. grundlegend BFH, Urteil vom 13. April 1978, V R 109/75, BStBl II 1978, 508). Erst danach, auf der zweiten Stufe, entscheidet die Finanzbehörde nach ihrem Ermessen (BFH, Urteil vom 20. September 2016, X R 36/15, BFH/NV 2017, 593); diese Ermessensentscheidung ist durch das Gericht nach § 102 Satz 1 FGO nur eingeschränkt auf Ermessensfehler hin überprüfbar (BFH, Urteil vom 26. Juni 2014, IV R 17/14, BFH/NV 2014, 1507).

    Der Beklagte hat die Klägerin dem Grunde nach zu Recht in Haftung genommen (1.). Der Höhe nach ist die Berechnung der Lohnsteuer nebst Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag ebenso wenig zu beanstanden (2.). Das Ermessen wurde ordnungsgemäß ausgeübt (3.).

    1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Haftungsnorm des § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG sind vorliegend erfüllt.

    Danach haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat. Bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit wird die Einkommensteuer nach § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben (Lohnsteuer), soweit der Arbeitslohn von einem inländischen Arbeitgeber gezahlt wird. Nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer für Rechnung des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten, den Lohnsteuerabzug bei unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern durchzuführen (§ 39b Abs. 1 EStG), die Lohnsteuer anzumelden (§ 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) und sie an das Betriebsstättenfinanzamt abzuführen (§ 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Für die Kirchensteuer und den Solidaritätszuschlag als Zuschlagsteuern gilt gem. § 51a Abs. 1 EStG Entsprechendes.

    Die streitgegenständliche Abfindungszahlung zählt zu den vom Kläger als inländischem Arbeitgeber gezahlten Einkünften des A aus nichtselbständiger Arbeit i.S. von § 19 EStG (a.). Im maßgeblichen Zeitpunkt des Zuflusses (b.) war A im Inland noch unbeschränkt steuerpflichtig (c.). Das deutsche Besteuerungsrecht ist nicht durch ein DBA ausgeschlossen (d.).

    a) Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG - neben Gehältern und Löhnen - auch andere Bezüge und Vorteile, die "für" eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG). Abfindungen, die - wie hier - aus Anlass der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses gezahlt werden, sind Arbeitslohn (Eisgruber in Kirchhof/Seer, EStG, 21. Aufl. 2022, § 19 Rn. 78 "Abfindungen").

    b) Maßgeblich für die unbeschränkte Steuerpflicht des A als Voraussetzung für die Verpflichtung des Klägers zum Lohnsteuerabzug ist der Zeitpunkt des Zuflusses der Abfindungsrate.

    aa) (1) Ob bestimmte Einkünfte der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen, ist nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Erzielens der Einkünfte zu beurteilen (BFH, Urteile vom 27. August 2008, I R 81/07, BStBl II 2009, 632; vom 19. Dezember 2001, I R 63/00, BStBl II 2003, 302). Hinsichtlich des Zeitpunkts der Vereinnahmung von Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gelten gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 EStG die Vorschriften des § 38a Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG. Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird (sonstige Bezüge), wird in dem Kalenderjahr bezogen, in dem er dem Arbeitnehmer zufließt (§ 11 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG). § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG ist auf den Zufluss von sonstigen Bezügen als Arbeitslohn nicht anwendbar (BFH, Urteil vom 24. August 2017, VI R 58/15, BStBl II 2018, 72). Zu den sonstigen Bezügen zählen einmalige Abfindungen und Entschädigungen (Bundessozialgericht -BSG-, Urteil vom 27. Juni 2019, B 10 EG 2/18 R, juris; R 39b.2 Abs. 2 Nr. 2 der Lohnsteuerrichtlinien -LStR- 2021).

    (2) Auch wenn in § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG auf das Kalenderjahr abgestellt wird, ist Zuflusszeitpunkt der Tag der Erfüllung des Anspruchs des Arbeitnehmers (BFH, Urteile vom 24. August 2017, VI R 58/15, BStBl II 2018, 72; vom 20. November 2008, VI R 25/05, BStBl II 2009, 382). Auf den Tag des Zuflusses kommt es u.a. an, wenn die unbeschränkte Steuerpflicht des Arbeitnehmers im Zusammenhang mit einem Umzug in das Ausland unterjährig endet, weil mit dem Umzug der Wohnsitz und der gewöhnliche Aufenthalt im Inland aufgegeben werden. Dabei zählt der Tag des Umzugs selbst noch zum Zeitraum der unbeschränkten Steuerpflicht (vgl. BFH, Urteil vom 19. Dezember 2001, I R 63/00, BStBl II 2003, 302).

    (3) Bei einer Zahlung per Banküberweisung erlangt der Empfänger die für den Zufluss maßgebliche wirtschaftliche Verfügungsmacht im Zeitpunkt der Gutschrift auf seinem Bankkonto (Hessisches FG, Urteil vom 17. Oktober 2001, 13 K 4248/97, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2002, 245).

    bb) Die dem A gezahlte Abfindung ist ein sonstiger Bezug, für den der Zuflusszeitpunkt maßgeblich ist. Die Abfindung floss A unstreitig mit Gutschrift auf seinem Bankkonto am 20. Februar 2003 um 15.00 Uhr zu.

    c) A war zum Zeitpunkt des Zuflusses am 20. Februar 2003 noch unbeschränkt steuerpflichtig, weil er seinen inländischen Wohnsitz frühestens an diesem Tag aufgegeben hat und sein gewöhnlicher Aufenthalt im Inland erst an diesem Tag endete.

    aa) Unbeschränkt steuerpflichtig ist, wer im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG).

    (1) Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird (§ 8 AO). Aufgegeben wird der Wohnsitz dadurch, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des Wohnsitzbegriffs beseitigt werden. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den objektiv erkennbaren Umständen (BFH, Urteil vom 24. Juli 2018, I R 58/16, BFH/NV 2019, 104). Das Innehaben einer Wohnung führt nur so lange zum Bestehen eines Wohnsitzes, wie nach dem Gesamtbild der Verhältnisse wahrscheinlich ist, dass sich das Benutzen der Wohnung in Zukunft fortsetzen wird (BFH, Urteil vom 27. August 2008, I R 81/07, BStBl II 2009, 632). Für das Fortbestehen eines Wohnsitzes reicht es nicht aus, dass völlig offen ist, ob der Steuerpflichtige jemals in die Wohnung zurückkehren wird. Bei voraussichtlicher Rückkehr innerhalb eines Jahres liegt aber i.d.R. keine Aufgabe des Wohnsitzes vor (Avvento in Gosch, AO/FGO, § 8 AO Rn. 40 ff., Stand Oktober 2019). Ist zweifelhaft, ob die hiernach erforderliche Wahrscheinlichkeit besteht, so ist die Wohnsitzfrage nach den Grundsätzen der Feststellungslast zu entscheiden (Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 8 AO Rn. 44, Stand April 2021). Behält ein ins Ausland versetzter Arbeitnehmer eine Wohnung im Inland bei, deren Benutzung ihm jederzeit möglich ist und die so ausgestattet ist, dass diese ihm jederzeit als Bleibe dienen kann, so ist - widerlegbar - zu vermuten, dass er einen Wohnsitz im Inland hat. Die Vermutung kann dadurch widerlegt werden, dass die Wohnung (unter-) vermietet wird oder dass die Familie eines ins Ausland versetzten Bediensteten kurzfristig nachzieht, der Bedienstete am neuen Tätigkeitsort einer uneingeschränkten Residenzpflicht unterliegt und deswegen seinen Wohnsitz im Inland aufgibt (BFH, Urteil vom 17. Mai 1995, I R 8/94, BStBl II 1996, 2). Auch bei einer bereits absehbaren zukünftigen Aufgabe der Wohnung ergibt sich aus den Umständen, dass der Steuerpflichtige die Wohnung bis zu eben diesem Zeitpunkt noch beibehalten und benutzen wird (BFH, Urteil vom 22. August 2007, III R 89/06, BFH/NV 2008, 351; Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 8 AO Rn. 47, Stand April 2021).

    (2) (a) Der gewöhnliche Aufenthalt einer Person befindet sich gemäß § 9 Satz 1 AO dort, wo sie sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass sie an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Als ein solcher Aufenthalt ist stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten anzusehen (§ 9 Satz 2 AO), wenn es sich nicht um einen Aufenthalt für private Zwecke handelt (§ 9 Satz 3 AO). Das i.S. von § 9 Satz 1 AO relevante Gebiet ist, wenn es um die Anwendung des § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG geht, das gesamte Inland (Avvento in Gosch, AO/FGO, § 9 AO Rn. 27, Stand Oktober 2019).

    (b) § 9 Satz 1 AO verlangt, dass sich der Betreffende an einem bestimmten Ort aufhält. Vorausgesetzt wird damit die tatsächliche körperliche Anwesenheit (BFH, Urteile vom 27. August 2008, I R 81/07, BStBl II 2009, 632; vom 18. Juli 1990, I R 109/88, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFHE- 161, 482). Dementsprechend kann eine Person nicht gleichzeitig verschiedene gewöhnliche Aufenthalte i.S. des § 9 AO, sondern zu einer bestimmten Zeit immer nur einen einzigen gewöhnlichen Aufenthalt haben (BFH, Urteil vom 22. Juni 2011, I R 26/10, BFH/NV 2011, 2001).

    (c) Die spätere körperliche Entfernung vom Ort des (bisherigen) gewöhnlichen Aufenthaltes beendet denselben nicht notwendigerweise, weil der gewöhnliche Aufenthalt keine ständige Anwesenheit voraussetzt (BFH, Urteil vom 18. Juli 1990, I R 109/88, BFHE 161, 482). Sie ist aber die Voraussetzung für die Beendigung des gewöhnlichen Aufenthalts. Aufgegeben wird ein gewöhnlicher Aufenthalt entweder, sobald an anderer Stelle ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt begründet wird (BFH, Urteil vom 22. Juni 2011, I R 26/10, BFH/NV 2011, 2001), oder in dem Moment, in dem der bisherige gewöhnliche Aufenthaltsort tatsächlich verlassen wird und eine Rückkehr innerhalb eines überschaubaren Zeitraums nicht zu erwarten ist (Avvento in Gosch, AO/FGO, § 9 AO Rn. 30, Stand Oktober 2019). Letzteres richtet sich danach, ob nach den äußerlich erkennbaren Merkmalen eine konkrete Rückkehrabsicht besteht oder nicht. Dabei sind insbesondere berufliche, familiäre oder gesellschaftliche Bindungen zu berücksichtigen (FG München, Urteil vom 9. Februar 2012, 5 K 1854/10, juris; Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 9 AO Rn. 26, Stand April 2021). Der gewöhnliche Aufenthalt wird regelmäßig mit der Auflösung der Wohnung und dem Umzug ins Ausland beendet (BFH, Urteile vom 27. April 2005, I R 112/04, BFH/NV 2005, 1756; vom 19. Dezember 2001, I R 63/00, BStBl II 2003, 302). Wird nach dem Entschluss zur Ausreise der Inlandsaufenthalt kurzfristig fortgesetzt, um noch bestimmte Formalitäten zu erledigen, so besteht der gewöhnliche Aufenthalt bis zur tatsächlichen Ausreise fort. Das gilt sogar dann, wenn der Wohnsitz im Inland bereits aufgegeben worden ist und der Steuerpflichtige nunmehr in einer vorübergehenden Unterkunft (z.B. Hotel) wohnt (Avvento in Gosch, AO/FGO, § 9 Rn. 61 "Ausreise", Stand Oktober 2019). Zwar nimmt die zuletzt genannte Literaturmeinung, worauf der Kläger zu Recht hinweist, Bezug auf ein Urteil des Reichsfinanzhofs (RFH, Urteil vom 10. September 1936, III A 111/36, RStBl 1936, 1063), das zur Reichsfluchtsteuer ergangen ist und dessen Grundsätze sich nicht auf das Verständnis des gewöhnlichen Aufenthalts gemäß § 9 AO übertragen lassen. Dennoch hält der erkennende Senat es im Rahmen der Anwendung des § 9 AO für zutreffend, dass der gewöhnliche Aufenthalt bis zur tatsächlichen Ausreise fortdauert, auch wenn der Entschluss zur Ausreise schon vorher getroffen wurde und der Steuerpflichtige nur noch einmal in das Inland zurückkehrt, um die endgültige Ausreise vorzubereiten.

    (3) Der Tag des Umzugs ins Ausland, an dem der Wohnsitz und der gewöhnliche Aufenthalt im Inland aufgegeben werden, zählt noch zum Zeitraum der unbeschränkten Steuerpflicht (vgl. BFH, Urteil vom 19. Dezember 2001, I R 63/00, BStBl II 2003, 302).

    bb) (1) A hatte bis einschließlich Januar 2003 unstreitig sowohl einen Wohnsitz als auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, letzteres schon deshalb, weil er sich seit mehr als sechs Monaten dort aufhielt.

    (2) Seinen inländischen Wohnsitz hatte A noch nicht aufgegeben, als ihm die erste Abfindungsrate am 20. Februar 2003 auf seinem Bankkonto gutgeschrieben wurde und damit zufloss, weil er sein Haus in B erst an diesem Tag morgens verließ. Allein sein Entschluss, nach China auszureisen, den er durch die Vertragsunterzeichnung mit D am ... Februar 2003 und den Auflösungsvertrag mit dem Kläger vom Folgetag dokumentierte, führte nicht zur Aufgabe des inländischen Wohnsitzes vor dem tatsächlichen Auszug aus der Wohnung, weil die Absicht, die Wohnung beizubehalten und zu nutzen, bis zum Auszug fortbesteht (s. oben aa. (1)). Bis zur Ausreise am 20. Februar 2003 nutzte A das Haus in B mit C als Familienwohnung.

    Das Haus war selbst nach dem Verlassen durch A und C am Morgen des 20. Februar 2003 zudem noch vollständig möbliert und weder vermietet noch verkauft, sodass der inländische Wohnsitz möglicherweise noch über den 20. Februar 2003 hinaus, jedenfalls aber bis zum genauen Zeitpunkt des Zuflusses um 15.00 Uhr, beibehalten wurde. Da der Vertrag mit D nur bis zum Ende des Jahres 2003 geschlossen war, bestand am 20. Februar 2003 noch die realistische Möglichkeit, dass A danach wieder in das Haus zurückkehren würde. Denn ob es zu einer Vertragsverlängerung im Anschluss an die Befristung bis zum 31. Dezember 2003 kommen würde, war zu diesem Zeitpunkt, in dem das Vertragsverhältnis noch nicht konkret begonnen hatte, nicht absehbar. Wie A in seiner Zeugenvernehmung bekundet hat, hatten er und C grundsätzlich den Wunsch, später wieder in Hamburg zu leben. Bis zur Vermietung des Hauses an G im Sommer 2003 stand es A und C auch noch zur Verfügung. Gegen eine Absicht, in absehbarer Zeit in das Haus in B zurückzukehren, und damit gegen die Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes über den 20. Februar 2003 hinaus könnte allerdings sprechen, dass A nach seinem Bekunden seine Eltern bereits am Tag des Auszugs beauftragt hatte, das Haus zu räumen, zu renovieren und anschließend zu vermieten.

    (3) Die Frage der Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes über den Morgen des 20. Februar 2003 hinaus kann indes offenbleiben. Denn zum einen kommt es nur auf den Tag und nicht auf die Uhrzeit des Zuflusses an und zum anderen hatte A im Zeitpunkt des Zuflusses der Abfindung jedenfalls seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland noch nicht aufgegeben, weil er sich zu diesem Zeitpunkt körperlich noch im Inland aufhielt. Sein Flug nach China startete in Frankfurt am Main erst um 17.40 Uhr.

    (4) Entgegen der Auffassung des Klägers hatte A nicht bereits anlässlich des Vorstellungsgesprächs in China vom 8. bis zum 16. Februar 2003 dort einen gewöhnlichen Aufenthalt begründet mit der Folge, dass der gewöhnliche Aufenthalt im Inland zwangsläufig geendet hätte. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass A den Vertrag mit D bereits am ... Februar 2003 unterzeichnete und seine Absicht, in China einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen, damit erkennbar wurde. Denn wie dargelegt (s. oben aa. (2) (c)), endet der gewöhnliche Aufenthalt auch dann, wenn man sich zur Ausreise entschlossen hat und in das Inland nur noch einmal für kurze Zeit zur Erledigung von Formalitäten zurückkehrt, wie es hier der Fall war, erst mit der endgültigen Ausreise, hier am 20. Februar 2003.

    d) Beschränkungen des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland durch ein DBA greifen nicht.

    Bei der hier in Rede stehenden Abfindungszahlung handelt es sich um Einkünfte i.S. von Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA China, für die das Besteuerungsrecht unter Berücksichtigung der Regelungen in Art. 4 DBA China mangels Ansässigkeit des A in China zum maßgeblichen Zeitpunkt der Bundesrepublik Deutschland zusteht.

    aa) (1) Im Streitfall findet das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 10. Juni 1985 (BGBl II 1986, 446; im Folgenden: DBA China) Anwendung. Das Folgeabkommen vom 28. März 2014 (BGBl II 2015, 1647) gilt erst für ab dem 1. Januar 2017 beginnende Steuerjahre (Pfaar/Hackmann in Wassermeyer, DBA China Art. 32 Rn. 13, Stand Januar 2022). Gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA China können Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so können die dafür bezogenen Vergütungen im anderen Staat besteuert werden (Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA China).

    (2) Da eine Abfindung noch durch das (beendete) Dienstverhältnis veranlasst ist, zählt sie zu den Einkünften aus unselbständiger Arbeit i.S. des Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA China. Die aufgrund einer Nettolohnvereinbarung vom Arbeitgeber übernommene Steuerschuld ist grundsätzlich auch als Vergütung i.S. des Art. 15 DBA China anzusehen (Prokisch in Vogel/Lehner, DBA, 7. Aufl. 2021, Art. 15 Rn. 54 m.w.N.). Jedoch handelt es sich bei Abfindungen nicht um ein zusätzliches Entgelt für eine frühere Tätigkeit i.S. des Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA China. Sie werden nicht für eine konkrete im Inland oder Ausland ausgeübte Tätigkeit gezahlt, sondern gerade für den Verlust des Arbeitsplatzes. Ein bloßer Anlasszusammenhang zwischen Zahlung und Tätigkeit genügt nach dem Abkommenswortlaut ("dafür") indes nicht (BFH, Urteil vom 10. Juni 2015, I R 79/13, BStBl II 2016, 326, für DBA Schweiz).

    (3) Bei der Anwendung des Abkommens ist auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Zuflusses abzustellen (BFH, Urteil vom 29. November 2000, I R 102/99, BStBl II 2001, 195, für DBA Zypern).

    bb) Im Streitfall kann offenbleiben, ob die an A gezahlte Abfindung auch bereits erdiente Vergütungsansprüche abgelten sollte oder ob sie ausschließlich für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt wurde. Im ersten Fall stünde der Bundesrepublik Deutschland als Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht nach Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA China auch dann zu, wenn A in China ansässig gewesen wäre. Im zweiten Fall läge das ausschließliche Besteuerungsrecht zwar beim Ansässigkeitsstaat. A war im fraglichen Zeitpunkt jedoch in Deutschland und nicht in China ansässig.

    (1) Nach Art. 4 Abs. 1 DBA China ist eine Person in einem Vertragsstaat ansässig, wenn sie nach dem Recht dieses Staates dort aufgrund ihres Wohnsitzes oder ihres ständigen Aufenthalts steuerpflichtig ist. Ist sie danach in beiden Vertragsstaaten ansässig, so gilt sie als in dem Staat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt. Verfügt sie in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als nur in dem Staat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen; Art. 4 Abs. 2 Buchst. a DBA China). Wenn nicht bestimmt werden kann, in welchem Staat die Person den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hat, oder wenn sie in keinem der Staaten über eine ständige Wohnstätte verfügt, so gilt sie als nur in dem Staat ansässig, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 4 Abs. 2 Buchst. b DBA China). Hat die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in beiden Staaten oder in keinem der beiden Staaten, so gilt sie als nur in dem Staat ansässig, dessen Staatsangehöriger sie ist (Art. 4 Abs. 2 Buchst. c DBA China).

    (2) Dem Begriff der "Wohnstätte" unterfallen alle Räumlichkeiten, die nach Art und Einrichtung zum Wohnen geeignet sind. Eine Wohnstätte ist "ständige" i.S. des Art. 4 Abs. 2 DBA China, wenn sie auf Grund einer langfristigen Rechtsposition ständig genutzt werden kann und tatsächlich regelmäßig genutzt wird. Erforderlich ist eine Art und Intensität der Nutzung, welche die Wohnung als eine nicht nur hin und wieder aufgesuchte, sondern in den allgemeinen Lebensrhythmus einbezogene Anlaufstelle des Steuerpflichtigen erscheinen lässt (BFH, Urteil vom 5. Juni 2007, I R 22/06, BStBl II 2007, 812). Zusätzlich ist eine gewisse persönliche Bindung an die Wohngelegenheit erforderlich (Ismer/Blank in Vogel/Lehner, DBA, 7. Aufl. 2021, Art. 4 OECD-MA Rn. 180a m.w.N.).

    (3) Der ebenfalls abkommensautonom auszulegende Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts setzt eine gewisse, aber nicht genau bestimmte zeitliche Dauer voraus. Neben dem zeitlichen Moment ist die qualitative Komponente des "gewöhnlichen Aufenthalts" und damit die "Gewohnheitsmäßigkeit" relevant. Wird der Aufenthalt in einem Vertragsstaat durch Aufenthalte in anderen Staaten unterbrochen, so muss die Person die Absicht haben, in den Vertragsstaat immer wieder zurückzukehren. Entscheidend ist, dass zwischen den Einzelaufenthalten ein ausreichender Sachzusammenhang besteht, der es erlaubt, sie als einen "gewöhnlichen" zu behandeln (Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, DBA, Art. 4 MA Rn. 75 f., Stand Januar 2022; Ismer/Blank in Vogel/Lehner, DBA, 7. Aufl. 2021, Art. 4 OECD-MA Rn. 206).

    bb) (1) A war nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland dort ansässig i.S. des Art. 4 Abs. 1 DBA China, weil er im Zeitpunkt des Zuflusses am 20. Februar 2003 um 15.00 Uhr noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt gemäß § 9 AO im Inland hatte (s. oben c. bb. (3) und (4)). Ob es abkommensrechtlich auch auf den Tag des Zuflusses oder auf die genaue Uhrzeit ankommt, kann insoweit ebenfalls offenbleiben (vgl. zur ggf. stundenweisen Aufteilung von Arbeitsentgelt bei der Anwendung eines DBA BFH, Urteil vom 29. Januar 1986, I R 22/85, BStBl II 1986, 479).

    (2) Dagegen war A im fraglichen Zeitpunkt nach dem innerstaatlichen Recht Chinas nicht auch dort ansässig.

    (a) (aa) Der in Art. 4 Abs. 1 verwendete Wohnsitzbegriff muss nach dem innerstaatlichen Recht des Wohnsitzstaates ausgelegt werden. Dies gilt auch dann, wenn das innerstaatliche Recht des Wohnsitzstaates nicht den Wohnsitz-, sondern einen vergleichbaren Begriff verwendet. Abkommensrechtlich kann der innerstaatliche Wohnsitzbegriff des Wohnsitzstaates nur dahin überprüft werden, ob er eine ausreichende ortsbezogene Beziehung der Person zu dem Wohnsitzstaat ausdrückt (Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, DBA, OECD-MA 2017 Art. 4 MA Rn. 31, Stand Januar 2022)

    (bb) Entsprechend muss auch der Ausdruck "ständiger Aufenthalt" nach dem innerstaatlichen Recht des potentiellen Wohnsitzstaates ausgelegt werden. Dies gilt auch dann, wenn der potentielle Wohnsitzstaat den Ausdruck "ständiger Aufenthalt" nicht verwendet. In diesem Fall ist auf den Ausdruck aus dem innerstaatlichen Recht des Wohnsitzstaates zurückzugreifen, der dem "ständigen Aufenthalt" am nächsten steht (Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, DBA, OECD-MA 2017 Art. 4 MA Rn. 35, Stand Januar 2022).

    (cc) Nach § 1 des Einzelpersonen-Einkommensteuergesetzes der Volksrepublik (VR) China vom 31. Oktober 1993 in der Fassung vom 29. Dezember 2007 nebst Ausführungsbestimmungen vom 28. Januar 1995 in der Fassung vom 18. Februar 2008 greift eine nicht auf bestimmte Einkunftsarten beschränkte Steuerpflicht für Einkommen, welches die Einzelperson aus dem chinesischen Gebiet und von außerhalb des chinesischen Gebietes bezieht, und zwar für Einzelpersonen, die im chinesischen Gebiet ihren Wohnsitz oder keinen Wohnsitz, aber ein volles Jahr ihren Aufenthalt haben. Nach den Anmerkungen zu der vorliegenden Übersetzung des Einzelpersonen-Einkommensteuergesetzes galten die genannten Bestimmungen des Gesetzes in dieser Fassung seit 1993 und bezogen sich die späteren Änderungen auf andere, hier nicht relevante Bestimmungen. Der Senat versteht die Anmerkungen dahingehend, dass dies entsprechend für die Ausführungsbestimmungen ab 1995 gilt.

    Nach den Ausführungsbestimmungen hat eine Einzelperson ihren Wohnsitz im chinesischen Gebiet, wenn sie wegen ihrer Haushaltsregistrierung und ihrer familiären und wirtschaftlichen Interessenbeziehungen ihren gewöhnlichen Aufenthalt im chinesischen Gebiet hat (ebenso Heijenga in Wassermeyer, DBA China, Anhang Rn. 22, Stand Januar 2022).

    Mit einem Aufenthalt von einem vollen Jahr im chinesischen Gebiet ist nach den Ausführungsbestimmungen gemeint, dass man sich während eines Steuerjahres (vom 1. Januar bis zum 31. Dezember) 365 Tage in China aufgehalten hat. Wurde das Gebiet vorübergehend verlassen, so werden diese Tage nicht abgezogen.

    (b) Danach hatte A zu dem maßgeblichen Zeitpunkt nach dem maßgeblichen chinesischem Recht gem. § 1 des Einzelpersonen-Einkommensteuergesetzes der VR China weder einen Aufenthalt in China, weil er sich dort nicht 365 Tage im Jahr aufgehalten hat, noch hatte er einen Wohnsitz in China.

    Der schriftlich und im Erörterungstermin zur Haushaltsregistrierung als Zeuge befragte A hat bekundet, nach seiner Ankunft das von seinem chinesischen Arbeitgeber für ihn angemietete Haus bezogen zu haben. Jegliche weiteren Registrierungen seien von dem damaligen chinesischen Arbeitgeber vorgenommen worden. Belege hierüber könne er nicht vorlegen. Nach Auffassung des Senats ist es fernliegend, dass eine Haushaltsregistrierung ohne Vorlage der Original-Ausweispapiere und der Einreisebestätigung geschehen kann. Diese lagen indes erst mit der Einreise des Zeugen A am 21. Februar 2003 vor. Es besteht danach nach Auffassung des Senats kein Anhaltspunkt dafür, dass eine Haushaltsregistrierung schon zu dem hier maßgeblichen Zuflusszeitpunkt am 20. Februar 2003 erfolgt war. Dass der Sachverhalt insoweit nicht weiter aufgeklärt werden konnte, geht im Übrigen zulasten des Klägers, der die Feststellungslast für die Tatsachen trägt, die eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts durch das DBA China begründen würden.

    Ungeachtet dessen fehlt es jedenfalls an dem im chinesischen Recht für den Wohnsitz neben der Haushaltsregistrierung erforderlichen Merkmal des gewöhnlichen Aufenthalts aufgrund familiärer und wirtschaftlicher Interessenbeziehungen im Zuflusszeitpunkt am 20. Februar 2003 um 15 Uhr. Die vorübergehende Anwesenheit anlässlich des Vorstellungsgesprächs am 8. Februar 2003 genügt insoweit nicht. Hier gelten die Ausführungen zum gewöhnlichen Aufenthalt nach deutschem Recht entsprechend (s. oben c. bb. (4)).

    (3) Die Frage, ob A in China nach Art. 4 Abs. 1 DBA China ansässig war oder nicht, kann letztlich aber auch dahinstehen. Denn auch bei einer Doppelansässigkeit nach Art. 4 Abs. 1 DBA China wäre A aufgrund der Kollisionsregeln gemäß Art. 4 Abs. 2 DBA China als in Deutschland ansässig anzusehen.

    (a) Unabhängig davon, wann genau D das Haus in E für A bereits angemietet hat, konnte es sich hierbei am 20. Februar 2003 nach Auffassung des erkennenden Senats nicht um eine ständige Wohnstätte i.S. des Art. 4 Abs. 2 Buchst. a DBA China handeln, weil A zu diesem Zeitpunkt die Schlüssel zu dem Haus noch nicht erhalten und es noch nicht betreten und bezogen hatte. An einer persönlichen Bindung fehlte es erst recht.

    Demgegenüber war der 20. Februar 2003 der letzte Tag, an dem A das Haus in B ständig als Wohnstätte im Sinne einer in seinen allgemeinen Lebensrhythmus einbezogene Anlaufstelle genutzt hat.

    (b) Aber selbst wenn man auf die Uhrzeit (und nicht den Tag) des Zuflusses der Abfindung abstellte und deshalb keine ständige Wohnstätte des A, der das Haus in B zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen hatte, in Deutschland mehr annähme, wäre A aufgrund der subsidiären Kollisionsregel des Art. 4 Abs. 2 Buchst. b DBA China wegen seines gewöhnlichen Aufenthaltes in Deutschland ansässig gewesen.

    Vorliegend hatte der gewöhnliche Aufenthalt des A in China im Zuflusszeitpunkt noch nicht begonnen, weil A sich dort noch nicht tatsächlich aufgehalten hat. Aber selbst wenn man auf den vorherigen Aufenthalt vom 8. bis zum 16. Februar 2003 ... abstellte und einen sachlichen Zusammenhang mit dem folgenden, dauerhaften Aufenthalt annähme, läge jedenfalls gleichzeitig noch ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland vor wegen der Anwesenheit des A im Inland vom 17. bis 20. Februar 2003 und dem sachlichen Zusammenhang mit der dem Vorstellungsgesprächs vorangegangenen Zeit. In diesem Fall käme es nach der weiteren subsidiären Kollisionsregel gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchst. c DBA China auf die Staatsbürgerschaft des A an, die deutsch ist.

    2. Die Haftungsschuld ist in dem angefochtenen Bescheid der Höhe nach zutreffend festgesetzt.

    a) Zum Zeitpunkt der Gutschrift des Abfindungsbetrages zugeflossen sind auch die aufgrund der Nettolohnvereinbarung vom Kläger als Arbeitgeber übernommenen Lohnsteueranteile nebst Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer.

    aa) (1) Unter einer Nettolohnvereinbarung ist eine Abrede zwischen den Parteien eines Dienstverhältnisses des Inhalts zu verstehen, dass der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt als Nettolohn zahlt, der Arbeitnehmer also den als Nettolohn vereinbarten Betrag ungekürzt durch sämtliche oder bestimmte gesetzliche Abgaben erhält, während sich der Arbeitgeber verpflichtet, die Beträge für den Arbeitnehmer zu tragen (BFH, Urteil vom 3. September 2015, VI R 1/14, BStBl II 2016, 31). Die vom Arbeitgeber übernommenen Lohnabzugsbeträge werden dem ausgezahlten Betrag bei der Lohnsteuerberechnung als weiterer geldwerter Vorteil hinzugerechnet; der Nettolohn wird auf den (fiktiven) Bruttolohn "hochgerechnet" und der so ermittelte Gesamtbruttobetrag ist die Bemessungsgrundlage für die Lohnsteuer. Entsprechendes gilt, wenn außer der Lohnsteuer auch die Kirchensteuer, der Solidaritätszuschlag und der Arbeitnehmeranteil an den Sozialversicherungsbeiträgen vom Arbeitgeber übernommen werden (Stache in Horowski/Altehoefer, LStR, § 39b EStG Rn. 196, Stand September 2020). Wegen der Außergewöhnlichkeit einer Nettolohnvereinbarung und ihrer Folgen muss ihr Abschluss klar und einwandfrei feststellbar sein (BFH, Beschluss vom 25. Oktober 2013, VI B 144/12, BFH/NV 2014, 181; Urteil vom 28. Februar 1992, VI R 146/87, BStBl II 1992, 733).

    (2) Gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG wird die durch Steuerabzug erhobene Einkommensteuer auf die Jahreseinkommensteuer angerechnet, soweit sie auf die bei der Veranlagung erfassten Einkünfte entfällt. "Erhoben" i.S. des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG ist eine Abzugssteuer dann, wenn sie vom Abzugspflichtigen einbehalten worden ist. Denn nicht einbehaltene und nicht abgeführte Lohnsteuer kann vom Arbeitnehmer nachgefordert werden (§ 42d Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 EStG; BFH, Urteil vom 17. Oktober 2013, VI R 44/12, BStBl II 2014, 892). Lohnsteuer ist immer dann anzurechnen, wenn sie als vom Arbeitnehmer entrichtet gelten muss, weil sie aus seiner Sicht vorschriftsmäßig einbehalten worden ist. Voraussetzung hierfür ist, dass entweder der Arbeitgeber die Lohnsteuer bei Auszahlung des dem Arbeitnehmer zustehenden Lohnes tatsächlich und vorschriftsmäßig einbehalten oder sie im Rahmen einer Nettolohnvereinbarung übernommen hat (BFH, Urteil vom 18. Juni 1993, VI R 67/90, BStBl II 1994, 182). Bei einer Nettolohnvereinbarung setzt die Annahme eines vorschriftsmäßigen Lohnsteuereinbehalts durch den Arbeitnehmer zusätzlich voraus, dass er dem Arbeitgeber die für den Lohnsteuerregelabzug erforderliche Lohnsteuerkarte ausgehändigt (BFH, Beschluss vom 25. Oktober 2013, VI B 144/12, BFH/NV 2014, 181) bzw. die Daten nach § 39 Abs. 1 Satz 1 EStG für den Abruf der Lohnsteuer-Abzugsmerkmale mitgeteilt hat (Krüger in Schmidt, EStG, 41. Aufl. 2022, § 39b Rn. 13).

    (3) Dass die einbehaltene Lohnsteuer auf die Einkommensteuerschuld anzurechnen ist, gilt bei einer Nettolohnvereinbarung im Umkehrschluss aus § 42d Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 EStG auch dann, wenn sie nicht angemeldet und abgeführt worden ist, es sei denn, der Arbeitnehmer hat gewusst, dass der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig angemeldet hat (BFH, Beschluss vom 25. Oktober 2013, VI B 144/12, BFH/NV 2014, 181; Urteile vom 30. Juli 2009, VI R 29/06, BStBl II 2010, 148; vom 28. Februar 1992, BStBl II 1992, 733; vom 8. November 1985, VI R 238/80, BStBl II 1986, 186; vom 26. Februar 1982, VI R 123/78, BStBl II 1982, 403), und diesen Sachverhalt dem Finanzamt nicht unverzüglich mitgeteilt (BFH, Urteile vom 30. Juli 2009, VI R 29/06, BStBl II 2010, 148; vom 28. Februar 1992, VI R 146/87, BStBl II 1992, 733; Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 17. Juni 2002, II 102/01, juris).

    (4) Daraus, dass die aus Sicht des Arbeitnehmers bei einer Nettolohnvereinbarung mit Auszahlung des Nettolohns einbehaltene Lohnsteuer abgesehen von den genannten Ausnahmefällen auch dann bei der Veranlagung nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG auf die Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers anzurechnen ist, wenn sie nicht angemeldet und abgeführt wurde, folgert die Rechtsprechung, dass die Lohnsteuer dem Arbeitnehmer mit der Auszahlung des Nettolohns zufließt (BFH, Urteile vom 29. November 2000, I R 102/99, BStBl II 2001, 546 [BFH 01.02.2001 - IV R 57/99]; vom 6. Dezember 1991, VI R 122/89, BStBl II 1992, 441).

    (5) Dieser Beurteilung schließt sich der erkennende Senat ungeachtet des Umstandes an, dass nicht vor dem 10. des jeweiligen Folgemonats (§ 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) feststeht, ob der Arbeitgeber die Lohnsteuer anmeldet und abführt und ob der Arbeitnehmer Kenntnis von einer unterbliebenen Anmeldung hat und diese dem Finanzamt unverzüglich anzeigt, und dass erst die spätere Abführung der Lohnsteuer den Anspruch des Finanzamts zum Erlöschen bringt.

    Zwar führt, worauf der Kläger zu Recht hinweist, das bloße Innehaben von Ansprüchen oder Rechten den Zufluss von Einnahmen regelmäßig noch nicht herbei und begründet damit auch noch keinen gegenwärtigen Zufluss von Arbeitslohn (BFH, Urteil vom 22. Februar 2018, VI R 17/16, BStBl II 2019, 496). Wird jedoch die Zuwendung eines Anspruchs gegen einen Dritten geschuldet, tritt der Leistungserfolg bereits mit der Begründung des Anspruchs ein; zum Zufluss kommt es dann nicht erst mit der Leistung des Dritten auf die Forderung, sondern im Zeitpunkt ihrer Entstehung (BFH, Urteil vom 15. November 2007, VI R 30/04, BFH/NV 2008, 550; Krüger in Schmidt, EStG, 41. Aufl. 2022, § 11 Rn. 16 m.w.N.). Das gilt auch dann, wenn die Erfüllung der Forderung durch den Dritten nicht sofort verlangt werden kann, sondern von bestimmten Bedingungen abhängt (BFH, Urteil vom 29. November 2000, I R 102/99, BStBl II 2001, 195). Der spätere Verlust der Verfügungsbefugnis macht den Zufluss nicht rückgängig, weil der Zufluss das Behaltendürfen nicht voraussetzt (Krüger in Schmidt, EStG, 41. Aufl. 2022, § 11 Rn. 18 m.w.N.).

    Ist aus Sicht des Arbeitnehmers bei Auszahlung des Nettolohns die darauf entfallende Lohnsteuer einbehalten worden, hat er bereits in diesem Zeitpunkt einen Anspruch gegen das Veranlagungsfinanzamt - als Dritten - auf Anrechnung der Lohnsteuer auf die Einkommensteuerschuld gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG. Dass dieser Anspruch unter der (auflösenden) Bedingung steht, dass der Arbeitnehmer von der nicht vorschriftsmäßigen Anmeldung der Lohnsteuer Kenntnis hat, hindert den Zufluss nicht; ein Behaltendürfen ist nicht erforderlich. Das gilt umso mehr, als der Arbeitnehmer es auch in diesem Fall in der Hand hat, die Anrechnung des Lohnsteuerbetrages zu erreichen, indem er dem Finanzamt die nicht vorschriftsmäßige Anmeldung unverzüglich mitgeteilt (§ 42d Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 Satz 2 EStG).

    (6) Zu einem Zufluss kommt es jedoch nur, wenn der Arbeitgeber zum Lohnsteuerabzug verpflichtet ist. Besteht diese Verpflichtung nicht, kann von vornherein mit der Auszahlung des "Nettolohnes" aus der Sicht des Arbeitnehmers der Bruttolohn nicht vorschriftsmäßig gekürzt worden sein, sodass in Höhe irgendwelcher Abzugsbeträge noch kein Lohn zugeflossen sein kann (Stache in Horowski/Altehoefer, LStR, § 39b EStG Rn. 191, Stand September 2020). Das gilt etwa bei einem ausländischen, nicht zum Lohnsteuerabzug verpflichteten Arbeitgeber (BFH, Urteil vom 6. Dezember 1991, VI R 122/89, BStBl II 1992, 441).

    (7) Ebenso soll es nach der Rechtsprechung des BFH bei einer Nettolohnabrede dann nicht zu einem Zufluss des Lohnsteuerbetrages im Zeitpunkt der jeweiligen Lohnzahlung kommen, wenn die Parteien des Arbeitsvertrages den gezahlten Lohn für steuerfrei halten. Denn dann habe der Arbeitgeber erkennbar keine Veranlassung zur Einbehaltung und Abführung von Lohnsteuer und es bestehe kein Anhaltspunkt für die Annahme des Erlöschens der Steuerschuld des Arbeitnehmers. Die später doch übernommene Lohnsteuer fließe erst im Zeitpunkt ihrer Abführung zu (BFH, Urteil vom 29. November 2000, I R 102/99, BStBl II 2001, 195).

    bb) Nach diesen Maßstäben ist A mit Auszahlung der ersten Abfindungsrate am 20. Februar 2003 auch die darauf entfallende Lohnsteuer zugeflossen.

    (1) Dass der Kläger und A im Vertrag vom ... Februar 2003 eine Nettolohnabrede getroffen haben, ist zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig. Nach dieser Vereinbarung sollte der Kläger sämtliche Steuerabzugsbeträge tragen und sicherte deren ordnungsgemäße Abführung zu. Auch hatte A dem Kläger die Lohnsteuerkarte für 2003 zur Verfügung gestellt.

    (2) Mit Auszahlung der ersten Rate war daher aus Sicht des A auch die hierauf entfallende Lohnsteuer (einschließlich Lohnkirchensteuer und Solidaritätszuschlag) einbehalten worden mit der Folge, dass ihm ein Anspruch auf Anrechnung auf seine Einkommensteuerschuld nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG zustand und die Abzugsbeträge ebenfalls zugeflossen sind. Anhaltspunkte dafür, dass A von der späteren Änderung des Lohnsteuerabzugs durch den Kläger im Oktober 2003 wusste, liegen im Übrigen nicht vor.

    (3) Da der Kläger als inländischer Arbeitgeber gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zum Lohnsteuerabzug verpflichtet war, gelten die dargelegten Grundsätze auch im Streitfall. Ebenso wenig gingen der Kläger und A bei Auszahlung der ersten Abfindungsrate übereinstimmend davon aus, dass diese steuerfrei sei (s. oben aa. (7)). Das ergibt sich zum einen aus dem Aufhebungsvertrag vom ... Februar 2003, in dem die Lohnversteuerung durch den Kläger ausdrücklich zugesagt wurde. Zum anderen hat der Kläger die Lohnsteuer im Folgemonat ordnungsgemäß angemeldet und abgeführt, was zeigt, dass er jedenfalls zunächst von einer entsprechenden Verpflichtung ausging. Die spätere Änderung des Lohnsteuerabzugs ändert daran nichts.

    (4) Der Beklagte hat daher zu Recht auch die Steuerbeträge in den Haftungsbescheid aufgenommen, die aufgrund der Nettolohnvereinbarung auf die Lohnsteuer entfallen ("Lohnsteuer auf die Lohnsteuer", vgl. Wagner in Hermann/Heuer/Raupach, EStG, § 39b Anm. 51, Stand Juni 2018) und sich unstreitig auf ... € Lohnsteuer, ... € Solidaritätszuschlag und ... € Kirchensteuer belaufen.

    b) Es ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass der im Haftungsbescheid für 2003 u.a. aufgeführte Lohnsteuerbetrag von ... € nebst Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag korrekt auf der Basis des auf den Bruttobetrag von ... € gemäß Lohnbescheinigung vom 19. Februar 2003 hochgerechneten Nettolohns, der ersten Abfindungsrate von ... €, ermittelt wurde. Anhaltspunkte für eine unrichtige Berechnung liegen nicht vor.

    c) Es kann offenbleiben, ob die Abfindung zu den nach § 39b Abs. 3 Satz 9 EStG ermäßigt zu besteuernden außerordentlichen Einkünften i.S. von § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG zählt und zu einer Zusammenballung von Einkünften führt (vgl. hierzu BFH, Urteile vom 13. März 2018, IX R 16/17, BStBl II 2018, 709; vom 8. April 2014, IX R 33/13, BFH/NV 2014, 1358). Denn die Anwendung dieser Bestimmungen führt im Streitfall angesichts der Höhe der Einkünfte des A nicht zu einer geringeren Lohnsteuerbelastung.

    d) Der Steuerfreibetrag für Abfindungen wegen einer vom Arbeitgeber veranlassten Auflösung des Dienstverhältnisses in Höhe von ... € gemäß § 3 Nr. 9 Satz 1 EStG in der Fassung des Streitjahres (vom 19. Oktober 2002, BGBl I 2002, 4210, aufgehoben durch Gesetz vom 22. Dezember 2005, BGBl I 2005, 3682) wurde berücksichtigt, sodass die Frage der Veranlassung durch den Arbeitgeber dahinstehen kann.

    e) Die Klägerin hat die streitigen Beträge zwar zunächst auf der Grundlage der Lohnsteueranmeldung für Februar 2003 abgeführt, indes aufgrund einer geänderten Lohnsteueranmeldung für Oktober 2003 in diesem Monat und damit für das Jahr 2003 insgesamt einen entsprechend reduzierten Betrag an Lohnsteuer nebst Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag abgeführt.

    3. Die Inanspruchnahme des Klägers war ermessensfehlerfrei.

    a) Das gilt zunächst für das Entschließungsermessen. Gründe, die die Inanspruchnahme des Klägers dem Grunde nach als unbillig erscheinen ließen, hat er nicht vorgetragen und sind nach Aktenlage nicht ersichtlich.

    b) Ein Fehler des Beklagten bei der Ausübung des Auswahlermessens liegt ebenso wenig vor.

    aa) Unabhängig davon, ob A gemäß § 42d Abs. 3 Satz 4 EStG überhaupt hätte in Anspruch genommen werden können, ist die Inanspruchnahme des Arbeitgebers als Haftungsschuldner anstelle des Arbeitnehmers regelmäßig ermessensgerecht, wenn der Arbeitgeber sich damit einverstanden erklärt hat (BFH, Urteil vom 24. August 2017, VI R 58/15, BStBl II 2018, 72), wie hier der Kläger in der Arbeitgebererklärung vom 5. April 2007. Hierauf hat das Finanzamt Hamburg-2 in dem angefochtenen Haftungsbescheid auch hingewiesen.

    bb) Anhaltspunkte dafür, dass die unterlassene Anmeldung und Abführung der Lohnsteuer auf einer zumindest grob fahrlässigen Pflichtverletzung der damaligen Verantwortlichen des - steuerlich beratenen - Klägers beruhen und zu deren Haftung gemäß §§ 34, 69 AO führen könnten (vgl. hierzu BFH, Urteil vom 2. September 2021, VI R 47/18, BFH/NV 2022, 99), liegen nicht vor. Der Beklagte hat diese Haftung und ein diesbezügliches Auswahlermessen daher zu Recht nicht geprüft.

    4. Unentschieden bleiben kann die vorgerichtlich zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob die nachträgliche Änderung der mit der Lohnsteueranmeldung für Februar 2003 angemeldeten Lohnsteuer durch die Lohnsteueranmeldung für Oktober 2003 gemäß § 41c EStG zulässig war.

    Nach § 41c Abs. 1 Nr. 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung (vor der Neuregelung durch Steueränderungsgesetz vom 15. Dezember 2003, BGBl I 2003, 2645 ab dem Veranlagungszeitraum 2004) ist der Arbeitgeber berechtigt, bei der jeweils nächstfolgenden Lohnzahlung bisher erhobene Lohnsteuer zu erstatten oder noch nicht erhobene Lohnsteuer nachträglich einzubehalten, wenn er erkennt, dass er die Lohnsteuer bisher nicht vorschriftsmäßig einbehalten hat. Gem. § 41c Abs. 3 EStG ist die Änderung des Lohnsteuerabzugs nach Ablauf des Kalenderjahres oder, wenn das Dienstverhältnis vor Ablauf des Kalenderjahres endet, nach Beendigung des Dienstverhältnisses nur bis zur Ausschreibung der Lohnsteuerbescheinigung zulässig.

    Mittlerweile sind sich die Beteiligten darin einig, dass die Ausschreibung erst dann als bewirkt anzusehen ist, wenn die Bescheinigung an den Arbeitnehmer bzw. das Betriebsstättenfinanzamt ausgehändigt wurde. Insoweit ist unstreitig, dass die korrigierte Lohnsteuerbescheinigung dem Steuerberater des A erst im Juni 2004 übersandt wurde.

    III.

    1. Das Gericht kann entscheiden, ohne den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes -GG-) zu verletzen.

    Zwar ist für den Beklagten zur mündlichen Verhandlung niemand erschienen. Jedoch ist der Beklagte ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann (§ 91 Abs. 2 FGO).

    2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    3. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß 115 Abs. 2 FGO zuzulassen.

    RechtsgebieteAO, EStGVorschriftenAO § 8, AO § 9, EStG § 11, EStG § 36 Abs. 1 Nr. 2, EStG § 38, EStG § 38a Abs. 1, EStG § 42d

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