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  • 23.11.2022 · IWW-Abrufnummer 232419

    Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 27.09.2022 – 3 K 1372/20

    Für die Steuerbefreiung der an Mitglieder einer Truppe gezahlten Bezüge nach Art. X Abs. 1 Satz 2 NATOTrStat ist nicht erforderlich, dass sich die Mitglieder einer Truppe im Sinne des Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat "nur in dieser Eigenschaft" im Hoheitsgebiet des Aufnahmestaates aufhalten.


    Tenor

    I. Die Einkommensteuerbescheide für 2010 und für 2011 ‒ jeweils vom 1. Oktober 2013 ‒ in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. März 2020 werden dahin geändert, dass keine Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit in Ansatz gebracht werden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    II. Von den Kosten des Verfahrens haben die Kläger 73 % und der Beklagte 27 % zu tragen.

    III. Das Urteil ist wegen der von dem Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leisten.

    IV. Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    1
    Zwischen den Klägern, in den Streitjahren (2010 und 2011) zusammen zur Einkommensteuer veranlagten und spätestens seit dem 2. Juni 2006 miteinander verheirateten Ehegatten, und dem Beklagten steht sowohl die Berechtigung des Klägers in Bezug auf steuerliche Privilegien des Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages vom 19. Juni 1951 über die Rechtsstellung ihrer Truppen ‒ NATOTrStat ‒ (BGBl II 1961, 1190), umgesetzt durch das Gesetz zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages vom 19. Juni 1951 über die Rechtsstellung ihrer Truppen und zu den Zusatzvereinbarungen vom 3. August 1959 zu diesem Abkommen vom 18. August 1961 ‒ Gesetz zum NATO-Truppenstatut und zu den Zusatzvereinbarungen ‒ (BGBl II 1961, 1183) in Streit als auch die Frage, ob Einkünfte des Klägers nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern vom 29. August 1989 i.d.F. der Bekanntmachung der Neufassung vom 4. Juni 2008 (BGBl I 2008, 612, BStBl I 2008, 784) ‒ DBA-USA 1989/2008 ‒ von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer auszunehmen sind.

    2
    Der Kläger, ein US-amerikanischer Staatsangehöriger, und die Klägerin, eine deutsche Staatsangehörige, verfügten ‒ spätestens ‒ seit dem Jahr 2009 und ‒ jedenfalls ‒ während des gesamten Streitzeitraums über eine gemeinsame Wohnung in L (Deutschland). Für seine ausschließlich im Inland ausgeübte Tätigkeit als Reservist der US-amerikanischen Streitkräfte erzielte der Kläger in den Streitjahren Einnahmen in Höhe von ‒ wenigstens ‒ 7.774 € für 2010 sowie 14.220 € für 2011.

    3
    Nach Aufforderung zur Abgabe von Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre machte der Kläger ‒ soweit für den Streitgegenstand von Bedeutung ‒ geltend, er habe eine „ID-Karte“ und sei in Deutschland nicht meldepflichtig. Er habe sich auch einen „großen Zeitraum des Jahres“ in den USA aufgehalten.

    4
    In ihren in der Folge übermittelten Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre gaben die Kläger einen „nach Doppelbesteuerungsabkommen/zwischenstaatlichen Übereinkommen“ steuerfreien Arbeitslohn des Klägers in Höhe von 24.498 € für 2010 an. Für 2011 findet sich eine Anlage N bei den Akten, die ‒ ohne dass dies aktenkundig gemacht worden wäre ‒ angesichts des Schriftbildes und des verwendeten Papiers offensichtlich von der Sachbearbeiterin des Beklagten ausgefüllt wurde und in der sich bei steuerpflichtigem Arbeitslohn, von dem kein Steuerabzug vorbenommen worden ist, die Angaben „s. VZ 2010“ und „36038“ finden.

    5
    Mit Bescheiden vom 1. Oktober 2013 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für die Streitjahre gegenüber den Klägern im Wege der Zusammenveranlagung fest, wobei er bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit Bruttoarbeitslöhne von 35.898 € (2010) und 36.038 € (2011) in Ansatz brachte. Zur Erläuterung führte der Beklagte aus, der Kläger sei als active duty bei dem civil support command beschäftigt. Das erklärte Gehalt sei daher um jeweils 3.800 € wegen Anpassung an die Gehaltsstufe und um 7.600 € (2010) sowie 7.740 € (2011) für erhaltene Privilegien im Wege der Schätzung erhöht worden.

    6
    Mit ihrem hiergegen gerichteten Einspruch machten die Kläger geltend, der Kläger sei kein Zivilist, sondern active duty, d.h., er sei im aktiven Militärdienst und damit als beschränkt steuerpflichtig zu behandeln, da er als Soldat in den USA unbeschränkt steuerpflichtig sei. Er, der Kläger, unterliege nicht dem DBA, sondern dem NATOTrStat. Nach dessen Art. X unterlägen die Einkünfte als Soldat nicht der deutschen Besteuerung. Allein die Tatsache, dass er, der Kläger, mit einer Deutschen verheiratet sei, führe nicht zu einer Steuerpflicht der Einkünfte in Deutschland. Er sei in Deutschland als Soldat nicht meldepflichtig. Er müsse, wenn er versetzt werde, dieser Versetzung Folge leisten. Damit sei ein unbegrenzter Aufenthalt in Deutschland aus familiären Gründen nicht gegeben.

    7
    Die Kläger hätten einen Wohnsitz in M (USA) und Kanada. Der Kläger habe ein im Jahr 2006 erworbenes Einfamilienhaus in den USA. Die Eltern des Klägers und seine restliche Familie lebten in den USA. Bei „den 24.498 €“ in der Anlage N handele es sich um einen Irrtum. Es seien versehentlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bzw. aus Beteiligungen „lt. US Erklärung Zeile 17“ eingetragen worden. Das „Gehalt W2“ habe nur 10.315 US-$ betragen.

    8
    Zudem legte der Kläger eine an seine Prozessbevollmächtigten gerichtete Stellungnahme des US-amerikanischen Department of the Army ‒ Office of the Staff Judge Advocate vom 23. Dezember 2013 vor (Blatt 24 ff. der Einkommensteuerakte), nach der ‒ u.a. ‒ der Kläger ein nach dem NATOTrStat in Deutschland stationierter Soldat und damit Mitglied der Truppe i.S. des Art. I Abs. 1 Buchst. a NATOTrStat sei. Abs. 2 Buchst. a des Unterzeichnungsprotokolls zu Art. 68 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 3. August 1959 ‒ NATOTrStatZAbk ‒ (BGBl II 1961, 1218) liste explizit und selbständig die Einkommensteuer als befreite Steuer unabhängig von einer unbeschränkten Steuerpflicht auf. Dies stelle keine bloße Konkretisierung des Art. X Abs. 1 NATOTrStat dar, weil ansonsten schon dessen Satz 2 überflüssig wäre. Vielmehr liege ein eigenständiger Gehalt beider Vorschriften vor. Zudem finde die vom Bundesfinanzhof (BFH) befürwortete Rückbezüglichkeit von Art. X Abs. 1 Satz 2 NATOTrStat auf Art. X Abs. 1 NATOTrStat keine Stütze in der Systematik der Regelung des Art. X NATOTrStat. Art. X Abs. 2 NATOTrStat verweise für die Steuerfreiheit nämlich ebenfalls nur auf die Art der Bezüge und Einkommen und dies ohne weiteren Bezug auf Art und Grund der Anwesenheit. Die Einschränkung „nur“ existiere nicht. Selbst Einkünfte aus einer Nebentätigkeit im Aufnahmestaat, mithin statusunabhängiges Einkommen, seien unschädlich für die Steuerfreiheit der „Statusbezüge“.

    9
    In seinem Bericht vom 8. November 2018 (Blatt 218 ff. der Einspruchsakte) über eine während des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens durch das Finanzamt N bei dem Kläger durchgeführte Steuerfahndungsprüfung vertrat dieses ‒ soweit für den Streitfall von Bedeutung ‒ die Auffassung, der Kläger unterliege der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht, da er im Inland einen Wohnsitz begründet habe. Die Voraussetzungen des Art. X NATOTrStat träfen nicht zu. Der Wohnsitz sei erst Mitte des Jahres 2016 aufgegeben worden. Die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit betrügen 7.774 € für 2010 sowie 14.220 € für 2011 und seien den US-amerikanischen Steuererklärungen entnommen worden.

    10
    Mit Schreiben vom 7. Oktober 2019 teilte der Beklagte mit, dass beabsichtigt sei, die Einkommensteuer unter Berücksichtigung der Feststellungen in dem Steuerfahndungsbericht vom 8. November 2018, aus denen sich gegenüber den bisher den Festsetzungen zu Grunde gelegten Beträgen höhere Einkünfte des Klägers aus Gewerbetrieb ergaben, zu erhöhen.

    11
    Mit Einspruchsentscheidung vom 11. März 2020 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für die Streitjahre auf 10.901 € (2010) und 9.910 € (2011) fest und wies die Einsprüche im Übrigen als unbegründet zurück. Ausweislich der Anlagen zur Einspruchsentscheidung legte der Beklagte hierbei bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit Bruttoarbeitslöhne von 7.774 € (2010) und 14.220 € (2011) zu Grunde. Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat ‒ so der Beklagte in seiner Begründung ‒ sei nicht anwendbar. Die Angaben des Klägers zu seinen Wohn- und Aufenthaltsorten seien teilweise unschlüssig und widersprächen den ihm, dem Beklagten, vorliegenden Unterlagen. Einen in den Streitjahren bestehenden Rückkehrwillen habe der Kläger nicht nachgewiesen. Allein aus der Tatsache, dass er im Jahr 2016 mit seiner Familie in die USA verzogen sei, lasse sich kein bereits Jahre zuvor bestehender Rückkehrwille ableiten.

    12
    Auch sei das Besteuerungsrecht abkommensrechtlich Deutschland zugewiesen. Der Kläger sei im Juli 2005 nicht ausschließlich zum Zweck der Leistung von Diensten als Soldat der US-Armee in das Inland eingereist, sondern aufgrund der bereits bestehenden persönlichen Beziehung zu seiner späteren Ehefrau. US-amerikanische Steuern, die allein aufgrund der sog. saving clause des Art. 1 Abs. 4 DBA-USA 1989/2008 erhoben worden seien, würden in Deutschland nicht angerechnet (Art. 23 Abs. 5 Buchst. a DBA-USA 1989/2008).

    13
    Mit ihrer Klage machen die Kläger geltend, das Bestehen eines Rückkehrwillens sei durch die Rückkehr der gesamten Familie in die USA bestätigt worden. Er, der Kläger, habe bereits seit November 2015 eine neue Arbeitsstelle in den USA angetreten. Darüber hinaus habe er im Februar 2011 in den USA eine Firma gegründet, die er bis zum heutigen Zeitpunkt als Geschäftsführer leite. Allein die Tatsache, dass er im Inland eine Familie gegründet habe, reiche nicht aus, um ihm den Schutz von Art. X NATOTrStat zu verwehren.

    14
    Er, der Kläger, sei 2005 nach K (Deutschland) gekommen, um dort für die US-amerikanischen Streitkräfte tätig zu sein. Ab 2009 habe er sich in M (USA) befunden und Ende 2009 wieder in K (Deutschland). Die im Jahr 2005 erfolgte Anmeldung des Hauptwohnsitzes in R (Deutschland) sei nur erfolgt, weil die Klägerin den Kläger bei „Deutschland sucht den Superstar“ angemeldet habe.

    15
    Die Kläger beantragen sinngemäß,
    die Einkommensteuerbescheide für 2010 und für 2011 ‒ jeweils vom 1. Oktober 2013 ‒ und die Einspruchsentscheidung vom 11. März 2020 aufzuheben.

    16
    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.

    17
    Er trägt vor, die Angaben der Kläger zu den Wohn-, Aufenthalts- und Beschäftigungsorten des Klägers seien widersprüchlich. Der Kläger habe sich nicht ausschließlich in seiner Eigenschaft als Soldat der US-amerikanischen Streitkräfte im Inland aufgehalten, zumal er diese Tätigkeit nicht als Hauptberuf ausgeübt habe. Der Kläger habe seinen Vortrag, dass er 2005 allein wegen einer Versetzung innerhalb der Streitkräfte und nicht aufgrund der Beziehung mit seiner späteren Ehefrau nach Deutschland eingereist sei, nicht nachgewiesen. Zudem habe er den Lebensunterhalt seiner Familie in den Streitjahren mit vielfältigen gewerblichen Tätigkeiten bestritten, die er unabhängig von seiner Reservistentätigkeit im Inland ausgeübt habe.

    Entscheidungsgründe

    18
    Die Klage, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‒ FGO ‒), ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

    19
    1. Der Kläger ist nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit sämtlichen Einkünften i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.

    20
    a) Nach dieser Vorschrift sind unbeschränkt einkommensteuerpflichtig natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und nutzen wird (§ 8 AO). Nicht erforderlich ist, dass sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen am Ort der Wohnung befindet (BFH-Urteil vom 19. März 1997 I R 69/96, BFHE 182, 296, BStBl II 1997, 447).

    21
    b) Gemessen daran hatte der Kläger in den Streitjahren einen Wohnsitz im Inland. Er wohnte ausweislich der von dem Beklagten abgefragten Meldedaten (Blatt 54 der Einkommensteuerakte) sowie der eigenen Angaben des Klägers spätestens seit dem Jahr 2009 und bis wenigstens zum Jahr 2016 ‒ und damit während des Streitzeitraums ‒ zusammen mit der Klägerin in L (Deutschland). Damit hatte er über einen ausreichend langen Zeitraum im Inland eine Wohnung inne, was gemäß § 8 AO zu einem inländischen Wohnsitz i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG führt. Dass sich der Kläger ‒ wie er im Festsetzungsverfahren geltend gemacht hat ‒ einen „großen Zeitraum des [nicht näher bezeichneten] Jahres in den USA“ aufgehalten haben will, ändert an dem Bestehen eines inländischen Wohnsitzes nichts, ist doch nichts dafür ersichtlich oder dargetan, dass die Wohnung in L (Deutschland) aufgelöst oder nicht nur vorübergehend nicht mehr durch den Kläger benutzt wurde. Auch die von den Beteiligten ausführlich erörterte Frage, ob der Kläger bereits seit dem Jahr 2006 in W (Deutschland) gewohnt hat, ist ‒ da einen Zeitraum vor Beginn der Streitjahre betreffend ‒ insoweit ohne Belang. Vergleichbares gilt für den aus den von dem Beklagten abgefragten Meldedaten (Blatt 138 der Einspruchsakte) hervorgehenden Auszug des Klägers aus der Wohnung in L (Deutschland) am 21. August 2012.

    22
    c) Hieran ändert auch Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat nichts.

    23
    aa) Nach dieser Vorschrift gelten die Zeitabschnitte, in denen sich ein Mitglied einer Truppe oder eines zivilen Gefolges des Entsendestaates nur in dieser Eigenschaft in der Bundesrepublik aufhält, nicht als Zeiten des Aufenthalts oder Wohnsitzes i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG.

    24
    bb) Nach der Begriffsbestimmung in Art. I Abs. 1 Buchst. a NATOTrStat bedeutet „Truppe“ das zu den Land-, See- oder Luftstreitkräften gehörende Personal einer Vertragspartei, wenn es sich im Zusammenhang mit seinen Dienstobliegenheiten in dem Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei innerhalb des Gebietes des Nordatlantikvertrags befindet, mit der Maßgabe jedoch, dass die beiden beteiligten Vertragsparteien vereinbaren können, dass gewisse Personen, Einheiten oder Verbände nicht als eine „Truppe“ im Sinne dieses Abkommens oder als deren Bestandteil anzusehen sind. „Ziviles Gefolge“ ist das die Truppe einer Vertragspartei begleitende Zivilpersonal, das bei den Streitkräften dieser Vertragspartei beschäftigt ist, soweit es sich nicht um Staatenlose handelt oder um Staatsangehörige eines Staates, der nicht Partei des Nordatlantikvertrags ist, oder um Staatsangehörige des Staates, in welchem die Truppe stationiert ist, oder um Personen, die dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (Art. I Abs. 1 Buchst. b NATOTrStat).

    25
    cc) Der Kläger hielt sich in den Streitjahren nicht „nur“ in seiner Eigenschaft als Mitglied der Truppe im Inland auf.

    26
    (1) Entsprechend dem Wortlaut des Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat greift die dort angeordnete Fiktion dann nicht ein, wenn sich eine Person auch aus anderen Gründen im Inland aufhält. Die Ausnahme von der unbeschränkten Steuerpflicht kann deshalb nur bejaht werden, wenn anhand von Indizien festgestellt werden kann, dass die betreffende Person in dem maßgeblichen Zeitraum fest entschlossen war, nach Beendigung ihres Dienstes in den Ausgangs- oder in ihren Heimatstaat zurückzukehren (vgl. BFH-Urteile vom 9. November 2005 I R 47/04, BFHE 211, 500, BStBl II 2006, 374; vom 22. Februar 2006 I R 17/05, n.v.; BFH-Beschlüsse vom 26. Mai 2010 VIII B 272/09, BFH/NV 2010, 1819; vom 28. Februar 2008 VIII B 129/07, BFH/NV 2008, 973; in BFH/NV 2009, 21). Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist von den zuständigen Finanzbehörden und den Gerichten eigenständig zu prüfen. Es besteht keine Bindung an die Erteilung des sog. „SOFA“-Status (BFH-Beschluss vom 18. Oktober 1994 I B 27/94, BFH/NV 1995, 735).

    27
    Der erforderliche feste Entschluss, nach Beendigung des Dienstes in den Ausgangs- oder in ihren Heimatstaat zurückzukehren, verlangt eine zeitliche Fixierung im Hinblick auf die Rückkehr nach der Beendigung des Dienstes. Es genügt dagegen nicht, irgendwann nach Beendigung des Dienstes zurückkehren zu wollen, die Rückkehr muss vielmehr in einer gewissen zeitlichen Nähe zur Beendigung des Dienstes stehen (BFH-Beschluss vom 18. September 2012 I B 10/12, BFH/NV 2013, 27). Maßgeblich sind die Lebensumstände des jeweiligen Besteuerungszeitraumes, nicht das spätere Verhalten des Betreffenden, das jedoch indiziell herangezogen werden darf.

    28
    Ein anderer Grund für den Aufenthalt im Inland kann beispielsweise die Eheschließung mit einem in der Bundesrepublik wohnhaften und berufstätigen Ehepartner sein (vgl. BFH-Urteil vom 24. Februar 1988 I R 69/84, BFHE 153, 30, BStBl II 1989, 290; BFH-Beschlüsse vom 16. Oktober 1996 I B 19/96, BFH/NV 1997, 468; in BFH/NV 1995, 735, m.w.N.). Das bedeutet allerdings nicht, dass eine solche Ehe zwangsläufig einer Privilegierung nach Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat entgegensteht. Es handelt sich vielmehr nur um ein Indiz, das in die vorzunehmende Gesamtbetrachtung mit einfließt (BFH-Urteil in BFHE 211, 500, BStBl II 2006, 374).

    29
    (2) Nach diesen Maßstäben steht nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger in den Streitjahren fest entschlossen war, nach Beendigung des Dienstes für die US-amerikanischen Streitkräfte in die USA zurückzukehren.

    30
    Zwar behaupten die Kläger, dass sie im Jahr 2016 in die USA gezogen seien. Ungeachtet der Frage, ob dies zutrifft, kann dieses spätere Verhalten ‒ seit dem Ende der Streitjahre sind über vier Jahre vergangen ‒ für die Frage des Vorliegens eines Entschlusses des Klägers, in die USA zurückzukehren, in den Streitjahren allenfalls als Indiz herangezogen werden; diesem stehen gegen das Bestehen eines Rückkehrwillens sprechende Umstände gegenüber, sodass es ebenso möglich erscheint, dass der Kläger erst nach Ablauf der Streitjahre den Entschluss gefasst hat, in die USA zurückzukehren. Zwar weist der Kläger auch zu Recht darauf hin, dass aus dem Umstand, dass er mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet ist, für sich genommen nicht der Schluss auf das Fehlen eines Rückkehrwillens gezogen werden kann. Auch mögen ‒ wie der Kläger im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren geltend gemacht hat ‒ seine Eltern und Teile seiner Familie in den USA leben. Jedoch stellt die jedenfalls seit dem Jahr 2006 (vgl. die Angaben der Kläger auf dem Mantelbogen der Einkommensteuererklärung für 2010, Blatt 60 der Einkommensteuerakte, während sich in dem Schreiben vom 23. Mai 2014, Blatt 42 der Einspruchsakte, die Angabe „Hochzeit Januar 1998“ findet) ‒ damit zu Beginn der Streitjahre wenigstens seit über drei Jahren ‒ bestehende Ehe ein Indiz gegen das Bestehen eines Rückkehrwillens in den Streitjahren dar.

    31
    Soweit die Kläger im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren behauptet haben, dass der Kläger ein Einfamilienhaus in den USA besitze sowie dass der Kläger einen Wohnsitz in M (USA) und die Kläger einen Wohnsitz in Kanada inne hätten, lässt dies schon mangels Angaben zur Nutzung des Einfamilienhauses und der Zeitpunkte, zu denen die Wohnsitze begründet worden sein sollen, keine Rückschlüsse auf einen in den Streitjahren bestehenden Entschluss des Klägers zu, nach Beendigung seines Dienstes für die US-amerikanischen Streitkräfte in die USA zurückzukehren. Darüber hinaus haben die Kläger keine über die schlichte Behauptung des Immobilieneigentums und des Bestehens ausländischer Wohnsitze hinausgehenden tatsächlichen Anhaltspunkte dargelegt, anhand derer dem Senat eine Überprüfung der klägerischen Angaben möglich gewesen wäre. Zudem müssen sich die Kläger fragen lassen, aufgrund welcher Umstände der Kläger zeitgleich einen Wohnsitz im Inland, im US-Bundesstaat M und in Kanada inne gehabt haben soll.

    32
    Gegen das Bestehen eines festen Beschlusses, nach Beendigung des Dienstes in die USA zurückzukehren, spricht auch, dass der Kläger ausweislich der von ihm erstellten Rechnungen (Blatt 91 ff. der Einspruchsakte) durch den Verkauf von Produkten des Herstellers X in K (Deutschland) (Juni 2009 bis Januar 2010) und R (Deutschland) (Februar 2010 bis Juli 2012) auf Provisionsbasis sowie aus der Beratung eines im Inland Ansässigen gewerbliche Einkünfte in einem erheblichen ‒ seine Einnahmen aus der Tätigkeit als Soldat der US-amerikanischen Streitkräfte deutlich übersteigenden ‒ Umfang erzielte (2010: 26.849 €; 2011: 10.880 €). Darüber hinaus gehen die Beteiligten davon aus, dass der Kläger aus einer ebenfalls im Inland ausgeübten weiteren gewerblichen Tätigkeit Einkünfte in Höhe von 25.384 € (2010) und 31.257 € (2011) erzielte. Aus welchen Gründen sich der Kläger vor diesem Hintergrund „nur“ in seiner Eigenschaft als Reservist der US-amerikanischen Streitkräfte ‒ und nicht jedenfalls auch zur Ausübung seiner gewerblichen Tätigkeiten, deren zeitlicher Umfang den der Reservistentätigkeit deutlich überschritten haben dürfte ‒ im Inland aufgehalten haben will, erscheint unklar.

    33
    (3) Soweit die Kläger im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren sinngemäß geltend gemacht haben, der Kläger unterfalle dem Aufenthaltsbestimmungsrecht seines Dienstherrn und könne einen davon abweichenden Willen gar nicht bilden, ist dies schon unerheblich, weil das Vorbringen auf die Zeit nach der Beendigung des aktiven Dienstes abstellt. Dass US-amerikanische Soldaten für die Zeit nach der Beendigung ihres aktiven Dienstverhältnisses den Willen, nicht in die USA zurückzukehren, nicht bilden dürfen, haben die Kläger nicht behauptet. Auch der völkerrechtliche Grundsatz der Organhoheit gebietet es nicht, bei der Auslegung von Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat von der Feststellung des Rückkehrwillens abzusehen. Die von den Klägern vorgeschlagene sehr enge Auslegung würde darauf hinauslaufen, dass Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat hinsichtlich der einschränkenden Voraussetzung, dass sich die Person „nur in dieser Eigenschaft“ im Inland aufhalten muss, keinen eigenständigen Anwendungsbereich hätte (BFH-Beschluss vom 26. Mai 2010 VIII B 272/09, BFH/NV 2010, 1819).

    34
    (4) Dies geht zu Lasten der Kläger, die für das Vorliegen der Voraussetzungen des sie begünstigenden Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat die Darlegungs- und Feststellungslast (objektive Beweislast) tragen (BFH-Urteile in HFR 2007, 437; I R 19/05, n.v.; BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2008, 973; in BFH/NV 2016, 28).

    35
    2. Das aufgrund der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht des Klägers begründete innerstaatliche Besteuerungsrecht für die aus dem Dienstverhältnis mit den USA stammenden Einnahmen ‒ als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ‒ wird nicht durch die Bestimmungen des DBA-USA 1989/2008 ausgeschlossen.

    36
    a) Nach Art. 19 Abs. 1 Buchst. a DBA-USA 1989/2008 können Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die von den USA an eine natürliche Person für die den USA geleisteten Dienste gezahlt werden, nur in den USA besteuert werden (sog. Kassenstaatsprinzip). Das Kassenstaatsprinzip gilt allerdings nur „vorbehaltlich des Buchstabens b“, d.h., es dürfen darüber hinaus nicht die Voraussetzungen des Art. 19 Abs. 1 Buchst. b DBA-USA 1989/2008 vorliegen. Nach dieser Vorschrift können Vergütungen amerikanischer Staatsangehöriger nur in Deutschland besteuert werden, wenn die natürliche Person im Inland ansässig ist, die Dienste dort leistet und nicht ausschließlich zu dem Zweck der Leistung der Dienste in Deutschland ansässig geworden ist (Art. 19 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. bb DBA-USA 1989/2008).

    37
    b) Der Kläger kann sich auf Art. 19 Abs. 1 DBA-USA 1989/2008 berufen. Zum einen ist er ‒ da Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat nicht das Bestehen eines inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes i.S. des § 1 Abs. 1 EStG ausschließt ‒ aufgrund seiner unbeschränkten Steuerpflicht im Inland abkommensberechtigte Person i.S. des Art. 1 Abs. 1 DBA-USA 1989/2008 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 DBA-USA 1989/2008. Zum anderen ist Art. 19 DBA-USA 1989/2008 auch in zeitlicher Hinsicht auf den Kläger anwendbar. Zwar findet Art. 19 DBA-USA 1989/2008 nach Art. XVII Abs. 3 Buchst. b des Protokolls vom 1. Juni 2006, wonach die Änderungen durch Art. X des Protokolls vom 1. Juni 2006, nach dem die Vorschrift des Art. 19 des Abkommens vom 29. August 1989 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern (BGBl. II 1991, 355) ‒ DBA-USA 1989 ‒ vollständig durch einen neuen Wortlaut ersetzt wurde, keine Anwendung auf natürliche Personen, die zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Abkommens Bedienstete der Vereinigten Staaten oder einer ihrer Gebietskörperschaften waren. Jedoch war der im Jahr 1976 geborene Kläger zu dem maßgeblichen Zeitpunkt ‒ dem 29. August 1989 und nicht etwa dem 1. Juni 2006 (vgl. BFH-Beschluss vom 23. Februar 2021 I B 55/20 (AdV), BFH/NV 2021, 1064) ‒ schon aufgrund seines damaligen Alters noch nicht als Soldat für die USA tätig.

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    c) Der Kläger war in den Streitjahren im Inland ansässig i.S. des Art. 19 Abs. 1 Buchst. b DBA-USA 1989/2008. Ungeachtet der Frage, ob er aufgrund seiner US-amerikanischen Staatsangehörigkeit in den USA nach deren Recht dort nicht nur mit Einkünften aus Quellen in den USA, mit den einer Betriebstätte in den USA zuzurechnenden Gewinnen oder mit in den USA gelegenem Vermögen i.S. des Art. 4 Abs. 1 DBA-USA 1989/2008 steuerpflichtig war ‒ und mithin abkommensrechtlich eine doppelte Ansässigkeit vorlag ‒, ist er für Zwecke der Abkommensanwendung in jedem Fall nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. a DBA-USA 1989/2008 als allein im Inland ansässig anzusehen. Nach dieser Vorschrift gilt in Fällen, in denen eine natürliche Person nach Art. 4 Abs. 1 DBA-USA 1989/2008 in beiden Vertragsstaaten ansässig ist, die Person als in dem Staat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt.

    39
    Zwar ist der Begriff der „ständigen Wohnstätte“ i.S. des Art. 4 Abs. 2 Buchst. a DBA-USA 1989/2008 nicht nach Art. 3 Abs. 2 DBA-USA 1989/2008 unter Rückgriff auf rein innerstaatliches Recht auszulegen. Da er jedoch Räumlichkeiten umfasst, die nach Art und Einrichtung zum Wohnen geeignet sind, über die der Steuerpflichtige ständig verfügen kann und die er regelmäßig nutzt (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 1998 I R 40/97, BFHE 187, 544, BStBl II 1999, 207 zum DBA-Schweiz), ist der Umstand, dass der Kläger in den Streitjahren eine Wohnung im Inland unterhielt und bewohnte, geeignet, sowohl einen Wohnsitz i.S. des § 8 AO als auch eine ständige Wohnstätte i.S. des Art. 4 Abs. 2 Buchst. a DBA-USA 1989/2008 im Inland zu begründen. Zugleich ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger während der Streitjahre zugleich über zum Wohnen geeignete Räumlichkeiten in den USA verfügte. Die Behauptung des Klägers, Wohnsitze in den USA und in Kanada inne gehabt zu haben, bezieht sich mangels Zeitangaben weder eindeutig auf die Streitjahre, noch hat der Kläger über die schlichte Behauptung hinausgehende Anhaltspunkte dargelegt, anhand derer der Senat in die Lage versetzt würde, das Bestehen eines Wohnsitzes eigenständig zu beurteilen. Ähnliches gilt, soweit der Kläger darüber hinaus behauptet, Eigentümer eines in den USA belegenen Wohnhauses zu sein. Zudem macht er nicht geltend, dass ihm dieses Wohnhaus auch zu Wohnzwecken zur Verfügung stand ‒ und nicht etwa vermietet war.

    40
    d) Zwar ist im Streitfall ‒ insbesondere aufgrund der insoweit unzureichenden Angaben des Klägers ‒ unklar, wann dieser erstmals im Inland ansässig geworden ist. So ergeben sich aus den von dem Beklagten abgefragten Meldedaten, dass der Kläger am 1. Juli 2005 (Blatt 138 der Einspruchsakte) in eine Wohnung in R (Deutschland) eingezogen ist und zuvor in den USA gemeldet war. Dementgegen will der Kläger nach seinem Vorbringen im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren (Schreiben vom 23. Mai 2014, Blatt 42 f. der Einspruchsakte), das sich auf die Aneinanderreihung von Jahreszahlen und Orten beschränkt, von 2000 bis 2005 erstmals in Deutschland (B) als Soldat tätig gewesen sein, 2005 bis 2006 in den USA, 2006 bis 2009 in Deutschland (W), 2009 in den USA und seit 2009 wieder in K (Deutschland).

    41
    Jedoch ist sowohl bei Zugrundelegung der Meldedaten als auch bei Zugrundelegung der Angaben des Klägers davon auszugehen, dass er nicht ausschließlich zu dem Zweck der Leistung der Dienste als Soldat der US-amerikanischen Streitkräfte in Deutschland ansässig geworden ist und das Besteuerungsrecht für die hieraus erzielten Einkünfte damit nach Art. 19 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. bb DBA-USA 1989/2008 ausschließlich Deutschland als Ansässigkeitsstaat zugewiesen ist. So ergibt sich aus den Meldedaten der Klägerin für den Zeitraum ab dem 1. Juni 2004 die Adresse, unter der auch der Kläger ab dem 1. Juli 2005 gemeldet war (…straße …, … R- Deutschland). Auch wollen die Kläger bereits im Jahr 1998 geheiratet haben (vgl. Schreiben vom 23. Mai 2014, Blatt 42 f. der Einspruchsakte: „Hochzeit Januar 1998“), sodass davon auszugehen ist, dass der Kläger (auch) aus privaten Gründen im Jahr 2005 einen Wohnsitz im Inland begründet hat. Doch selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kläger und die Klägerin ‒ wie sie auf den Mantelbögen der Einkommensteuererklärungen angeben ‒ erst am 2. Juni 2006 geheiratet haben, ist anzunehmen, dass zwischen dem Kläger und der Klägerin bereits zu dem Zeitpunkt des Einzuges des Klägers in die Wohnung in R (Deutschland) eine persönliche Beziehung bestand. So will der Kläger bereits zwischen 2000 und 2005 in B (Deutschland) tätig gewesen sein, während die Klägerin vom 21. Juli 2000 bis zum 1. Juni 2004 in dem etwa 40 km entfernten R (Deutschland) gemeldet war, sodass die Kläger ohne Weiteres die Möglichkeit hatten, sich kennen zu lernen. Hätten sich der Kläger und die Klägerin erst nach dem 1. Juli 2005 kennen gelernt, wäre zu erwarten gewesen, dass der Kläger, der „2005 bis 2006“ in den USA und „2006 bis 2009“ im etwa 120 km von R (Deutschland) entfernten W (Deutschland) für die US-amerikanischen Streitkräfte tätig gewesen sein will, ‒ wenn überhaupt ‒ gegenüber den deutschen Behörden einen Wohnsitz in W (Deutschland) angegeben hätte.

    42
    Auch ist mangels Angaben des Klägers zu seinen Wohnverhältnissen und mangels anderer Anhaltspunkte ‒ insbesondere zur Beibehaltung eines inländischen Wohnsitzes ‒ davon auszugehen, dass der Kläger ‒ sofern er bereits ab dem Jahr 2000, in dem er erstmals im Inland für die US-amerikanischen Streitkräfte tätig geworden sein will, einen Wohnsitz und/oder gewöhnlichen Aufenthalt inne hatte ‒ mit Aufnahme der Tätigkeit in den USA im Zeitraum „2005 bis 2006“ einen ggf. bestehenden inländischen Wohnsitz i.S. des § 8 AO und/oder inländischen gewöhnlichen Aufenthalt i.S. des § 9 AO aufgegeben hat, sodass ab diesem Zeitpunkt keine unbeschränkte Steuerpflicht i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG ‒ und damit auch keine abkommensrechtliche Ansässigkeit i.S. des Art. 4 Abs. 1 DBA-USA 1989/2008 im Inland ‒ mehr bestand. Das ‒ für die Anwendung des Art. 19 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. bb DBA-USA 1989/2008 allein maßgebliche (BFH-Beschluss in BFH/NV 2021, 1064) ‒ erneute Ansässigwerden im Jahr 2005 (Meldedaten) oder im Jahr 2006 (Angaben des Klägers) erfolgte jedoch (auch) aufgrund der bereits bestehenden persönlichen Beziehung zu der Klägerin ‒ und damit nicht ausschließlich zu dem Zweck der Leistung von Diensten für die US-amerikanischen Streitkräfte.

    43
    3. Jedoch sind die Einkünfte des Klägers aus seiner Tätigkeit für die US-amerikanischen Streitkräfte nach Art. X Abs. 1 Satz 2 NATOTrStat von der Einkommensteuer befreit.

    44
    a) Nach dieser Vorschrift sind die Mitglieder einer Truppe oder eines zivilen Gefolges in dem Aufnahmestaat ‒ im Streitfall Deutschland ‒ von jeder Steuer auf Bezüge und Einkünfte befreit, die ihnen in ihrer Eigenschaft als derartige Mitglieder von dem Entsendestaat ‒ im Streitfall die USA ‒ gezahlt werden, sowie von jeder Steuer auf die ihnen gehörenden beweglichen Sachen, die sich nur deshalb in dem Aufnahmestaat befinden, weil sich das Mitglied vorübergehend dort aufhält.

    45
    b) Der Kläger ist als Mitglied der Truppe i.S. des Art. I Abs. 1 Buchst. a NATOTrStat anzusehen. Er stand in den Streitjahren als Soldat in den Diensten der USA und gehörte zu deren Land-, See- oder Luftstreitkräften. Dass er lediglich eine Stellung als Reservist inne hatte, ist ‒ da Art. I Abs. 1 Buchst. a NATOTrStat insoweit keine Einschränkung enthält ‒ unerheblich. Zugleich hielt der Kläger sich aufgrund seiner Stationierung und damit im Zusammenhang mit seinen Dienstobliegenheiten in den Streitjahren im Inland auf. Dass zugleich eine persönliche Beziehung zu seiner Ehefrau, der Klägerin, bestand, ist hierbei unerheblich. Art. I Abs. 1 Buchst. a NATOTrStat stellt lediglich auf einen „Zusammenhang“ mit den Dienstobliegenheiten ab, der ein Danebentreten weiterer Beweggründe für den Aufenthalt im Inland ohne Weiteres zulässt. Zudem wäre andernfalls die Einschränkung des Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat („nur in dieser Eigenschaft“) überflüssig.

    46
    c) Für die Steuerbefreiung des Art. X Abs. 1 Satz 2 NATOTrStat ist nicht erforderlich, dass die Mitglieder einer Truppe oder eines zivilen Gefolges unter Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat fallen, d.h. ‒ woran es im Streitfall fehlt ‒ sich „nur in dieser Eigenschaft“ im Hoheitsgebiet des Aufnahmestaates aufhalten (BFH-Urteil vom 19. Mai 1971 I R 55/69, BFHE 102, 499, BStBl II 1971, 659; Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 2 AO Rz 114; so wohl auch Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 2 AO Rz 25; anders BFH-Urteile vom 24. Februar 1988 I R 69/84, BFHE 153, 30, BStBl II 1989, 290; I R 121/84, BFH/NV 1988, 632; I R 70/84, n.v.; Kußmaul/Nothof, Internationales Steuerrecht 2018, 491, 492; vgl. auch BFH-Beschluss in BFH/NV 2021, 1064). Hierbei kann sowohl dahinstehen, ob die deutsche Sprachfassung, die im Anschluss an das Gesetz zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages vom 19. Juni 1951 über die Rechtsstellung ihrer Truppen und zu den Zusatzvereinbarungen vom 3. August 1959 zu diesem Abkommen (Gesetz zum NATO-Truppenstatut und zu den Zusatzvereinbarungen) vom 18. August 1961 (BGBl II 1961, 1183) wiedergegeben wird (BGBl II 1961, 1190), für die innerstaatlichen Gerichte beachtlich ist, als auch ‒ hierauf aufbauend ‒, welche Bedeutung dem Umstand, dass das NATOTrStat in englischer und französischer Sprache abgeschlossen wurde und diese Fassungen ebenfalls im BGBl veröffentlicht wurden, für die Anwendung des NATOTrStat durch die innerstaatlichen Gerichte zukommt. Denn sowohl nach der „Übersetzung“ in das Deutsche als auch nach den beiden authentischen Sprachfassungen des NATOTrStat stellt Art. X Abs. 1 Satz 2 NATOTrStat keine über den „Zusammenhang“ mit den Dienstobliegenheiten hinausgehende Anforderungen an die Beweggründe, aus denen sich ein Mitglied der Truppe oder des zivilen Gefolges im Aufnahmestaat aufhält.

    47
    Zwar befreit Art. X Abs. 1 Satz 2 NATOTrStat nur Bezüge und Einkünfte von Mitgliedern der Truppe oder eines zivilen Gefolges, die ihnen in der Eigenschaft als „derartige Mitglieder“ von dem Entsendestaat gezahlt werden. Jedoch bezieht sich der Begriff „derartige Mitglieder“ nicht auf Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat, sondern auf den ersten Halbsatz von Art. X Abs. 1 Satz 2 NATOTrStat. Indem dieser auf die „Mitglieder der Truppe oder eines zivilen Gefolges abstellt“, während sich der zweite Halbsatz von Art. X Abs. 1 Satz 2 NATOTrStat auf die Verwendung des Begriffs der „Mitglieder“ beschränkt, ist eine Inbezugnahme durch „derartig“ erforderlich, um einen Gleichlauf von persönlichem Anwendungsbereich („Mitglieder der Truppe oder eines zivilen Gefolges“) und sachlichem Anwendungsbereich (Zahlung der Einkünfte und Bezüge in der Eigenschaft als „Mitglieder der Truppe oder eines zivilen Gefolges“) zu gewährleisten. Ebendies gilt ‒ umso mehr ‒ für die französische Sprachfassung („payés en cette qualité“), die auf die „Eigenschaft“ abstellt, in welcher die traitements oder émoluments einem membre d’une force oder élément civil gezahlt werden, aber auch für die englische Sprachfassung („paid to them as such members“), die insoweit der deutschen Übersetzung vergleichbar ist. Für eine Beschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs des Art. X Abs. 1 Satz 2 NATOTrStat auf Mitglieder einer Truppe oder eines zivilen Gefolges, die sich „nur in dieser Eigenschaft“ im Aufnahmestaat aufhalten, wäre die Aufnahme einer dem Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat entsprechenden Formulierung erforderlich gewesen. Vielmehr soll durch die Inbezugnahme sichergestellt werden, dass sich die Steuerbefreiung des Art. X Abs. 1 Satz 2 NATOTrStat ausschließlich auf die Vergütung für die Tätigkeit als Soldat oder Zivilbeschäftigter der Streitkräfte ‒ nicht aber auf andere von dem Entsendestaat gezahlte Bezüge ‒ erstreckt.

    48
    Auch kommen bei einer solchen Auslegung sowohl Art. X Abs. 1 Satz 1 als auch Art. X Abs. 1 Satz 2 NATOTrStat jeweils eigenständige Anwendungsbereiche zu. Insbesondere bilden Art. X Abs.1 Sätze 1 und 2 NATO-Truppenstatut keine Einheit mit dem Zweck, die nach Art. X Abs. 1 Satz 1 NATO-Truppenstatut nach deutschem Steuerrecht beschränkt Steuerpflichtigen von der Besteuerung nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG zu befreien (so jedoch BFH-Urteile in BFHE 153, 30, BStBl II 1989, 290; in BFH/NV 1988, 632; I R 70/84, n.v.). So wäre für diesen Zweck auch eine in ihrer Rechtsfolge dem Art. X Abs. 1 Satz 2 NATOTrStat entsprechende Regelung ‒ vergleichbar dem Kassenstaatsprinzip des Art. 19 Abs. 1 Buchst. a des OECD-Musterabkommens und ggf. unter Einschluss der ihrem Regelungsgedanken nach dem Art. 19 Abs. 1 Buchst. b Ziffer ii des OECD-Musterabkommens entsprechenden Einschränkung, dass sich die Mitglieder einer Truppe oder eines zivilen Gefolges „nur in dieser Eigenschaft“ im Aufnahmestaat aufhalten müssen ‒ ausreichend gewesen. Zum anderen geht die Rechtsfolge des Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat über die des Art. X Abs. 1 Satz 2 NATOTrStat dahingehend hinaus, dass durch die Fiktion eines fehlenden Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes eine nicht lediglich auf inländische Einkünfte begrenzte Einkommensteuerpflicht vermieden wird.

    49
    Hieran ändert auch die Regelung des Art. X Abs. 2 NATOTrStat nichts. Zwar wird danach die Besteuerung von Mitgliedern einer Truppe oder eines zivilen Gefolges hinsichtlich gewinnbringender Tätigkeiten, die sie etwa im Aufnahmestaat ausüben, mit Ausnahme der Tätigkeit in ihrer Eigenschaft als Mitglieder der Truppe oder des zivilen Gefolges durch Art. X NATOTrStat nicht ausgeschlossen (Art. X Abs. 2 Halbsatz 1 NATOTrStat). Auch steht Art. X NATOTrStat der Erhebung von solchen Steuern nicht entgegen, denen die Mitglieder nach dem Recht des Aufnahmestaates auch dann unterliegen, wenn sie so behandelt werden, als hätten sie ihren Aufenthalt oder Wohnsitz außerhalb des Hoheitsgebietes dieses Staates (Art. X Abs. 2 Halbsatz 2 NATOTrStat). Jedoch macht die damit dem Aufnahmestaat eingeräumte Befugnis der Besteuerung gewinnbringender Tätigkeiten und der beschränkten Steuerpflicht unterliegender inländischer Einkünfte ein einheitliches Verständnis von Art. X Abs. 1 Satz 1 und Art. X Abs. 1 Satz 2 NATOTrStat nicht erforderlich. So kommt der Fiktion des Nichtbestehens eines (gewöhnlichen) Aufenthalts oder Wohnsitzes im Aufnahmestaat in Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat nicht nur Bedeutung für die Art der persönlichen Steuerpflicht ‒ keine Besteuerung nach dem Welteinkommen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG), sondern auf inländische Einkünfte beschränkte Steuerpflicht i.S. des § 1 Abs. 4 EStG ‒, sondern auch ‒ wie etwa im Fall der Zusammenveranlagung, die nach § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG eine unbeschränkte Steuerpflicht beider Ehegatten erfordert ‒ für das steuerliche Verfahrensrecht oder für die abkommensrechtliche Ansässigkeit ‒ und damit insbesondere für die persönliche Berechtigung in Bezug auf mit Drittstaaten bestehende DBA ‒ zu.

    50
    d) Es kann dahinstehen, ob der Kläger ‒ wie es der Beklagte zunächst der Festsetzung der Einkommensteuer für die Streitjahre in den Bescheiden vom 1. Oktober 2013 zugrunde gelegt hat ‒ aufgrund seines Dienstverhältnisses mit den USA berechtigt war, den (full range of) individual logistic support i.S. der Ziffer 2-1. der Army in Europe Regulation 600-700 (in der Fassung vom 19. Dezember 2018 abrufbar unter https://media.defense.gov/2018/Dec/19/2002074303/-1/-1/0/AER600-700.PDF) in Anspruch zu nehmen. Denn die Befreiung des Art. X Abs. 1 Satz 2 NATOTrStat bezieht sich nicht ausschließlich auf den dem Kläger für seine Tätigkeit als Reservist der US-amerikanischen Streitkräfte gezahlten Sold, der nach den Angaben des Klägers in seinen für Zwecke der US-amerikanischen Bundeseinkommensteuer gefertigten Steuererklärungen im Jahr 2010 7.774 € und im Jahr 2011 14.220 € betragen haben soll. Vielmehr stellen auch aufgrund der Eigenschaft als Mitglied der Truppe gewährte Vergünstigungen ‒ worum es sich bei dem auf Grundlage der Army in Europe Regulation 600-700 gewährten individual logistic support handelt (vgl. Senatsurteil vom 26. Juli 2022  3 K 1147/20) ‒ „Bezüge und Einkünfte“ i.S. des Art. X Abs. 1 Satz 2 NATOTrStat dar, die in der Eigenschaft als Mitglied der Truppe von den USA gezahlt werden.

    51
    4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Ausgehend von dem der begehrten Aufhebung zukommenden Streitwert von insgesamt 20.811 € (= 10.901 € + 9.910 €) und der ohne Berücksichtigung der Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit festzusetzenden Einkommensteuer von insgesamt 15.223 € (= 9.101 € + 6.122 €) haben die Kläger mit 27 % (= 5.588 € / 20.811 €) obsiegt.

    52
    5. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

    53
    6. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO zuzulassen. Zum einen kommt der Frage, ob die Steuerbefreiung des Art. X Abs. 1 Satz 2 NATOTrStat erfordert, dass die Mitglieder einer Truppe oder eines zivilen Gefolges unter Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat fallen, d.h. sich „nur in dieser Eigenschaft“ im Hoheitsgebiet des Aufnahmestaates aufhalten, grundsätzliche Bedeutung zu. Zum anderen wird sie in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet (verneinend BFH-Urteil vom 19. Mai 1971 I R 55/69, BFHE 102, 499, BStBl II 1971, 659; bejahend hingegen BFH-Urteile in BFHE 153, 30, BStBl II 1989, 290; in BFH/NV 1988, 632; I R 70/84, n.v.).

    VorschriftenArt. 19 DBA USA 1989/2008, § 1 Abs. 1 S. 1 EStG, Art. I Abs. 1 Buchst. a NATOTrStat, Art. X Abs. 1 S. 1 NATOTrStat, Art. X Abs. 1 S. 2 NATOTrStat

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