09.01.2024 · IWW-Abrufnummer 239029
Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 18.10.2023 – 1 K 163/23
Einer Klage eines Arbeitsnehmers gegen den Arbeitgeber auf Auszahlung der Energiepreispauschale fehlt das Rechtsschutzinteresse, weil der Arbeitsgeber nicht Schuldner der Energiepreispauschale ist. Solange die Energiepreispauschale noch nicht im Sinne des § 115 Abs. 2 EStG ausgezahlt worden ist, muss der Arbeitnehmer als Gläubiger der Energiepreispauschale grundsätzlich gemäß § 115 Abs. 1 EStG gegenüber dem Finanzamt die Festsetzung durch Abgabe einer Einkommensteuererklärung geltend machen.
FINANZGERICHT HAMBURG
T a t b e s t a n d
Mit E-Mail vom 24. November 2022 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass am ... 2022 voraussichtlich das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten eröffnet werde, sodass es zu Besonderheiten bei der November-Verdienstabrechnung und der Auszahlung der Energiepreispauschale kommen werde. Die Energiepreispauschale - so die E-Mail des Beklagten - könne nicht über die Abrechnung ausgeschüttet werden, jedoch könne der jeweilige Arbeitnehmer die Energiepreispauschale über die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2022 geltend machen.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte habe im Monat September 2022 pflichtwidrig die Energiepreispauschale weder abgerechnet noch ausgezahlt.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verteilen, an die Klägerin EUR 300,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2022 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, die Klage sei unbegründet. Für den Insolvenzgeldzeitraum habe die Beklagte ihren Arbeitnehmern - so auch der Klägerin - keine Gehälter ausgezahlt und dementsprechend auch keine Lohnsteueranmeldungen abgegeben, sodass sie von der Auszahlung der Energiepreispauschale im September 2022 nach § 117 Abs. 1 Satz 2 EStG befreit gewesen sei. Die Beklagte habe die Energiepauschale dementsprechend keinem ihrer Arbeitnehmer ausbezahlt.
Das Gericht hat die Beteiligten mit Schreiben vom 4. September 2023 sowie 4. Oktober 2023 jeweils auf die - vorläufige - rechtliche Würdigung des Berichterstatters hingewiesen, die Möglichkeit rechtlichen Gehörs gegeben und angekündigt durch Gerichtsbescheid über den Rechtstreit zu entscheiden.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Für die Klage gegen die Beklagte als Arbeitgeberin besteht kein Rechtsschutzinteresse, weil diese nicht Schuldnerin der Energiepreispauschale ist. Vielmehr erfüllt die Beklagte durch die Auszahlung der Energiepreispauschale weder eine arbeitsvertragliche Leistungspflicht noch eine Zahlungspflicht, die ihr als selbst zu erbringende Arbeitgeberleistung durch den Gesetzgeber auferlegt ist, sondern allein eine ihr durch den Gesetzgeber auferlegte Pflicht einer Zahlstelle (mit ausführlicher Begründung unter Berücksichtigung der Wertungen des Gesetzgebers vgl. FG Münster, Beschluss vom 5. September 2023, 11 K 1588/23 Kg (PKH), BB 2023, 2335).
Solange die Energiepreispauschale daher noch nicht im Sinne des § 115 Abs. 2 EStG ausgezahlt worden ist, muss die Klägerin daher als Gläubigerin der Energiepreispauschale grundsätzlich gemäß § 115 Abs. 1 EStG gegenüber dem Finanzamt die Festsetzung durch Abgabe einer Einkommensteuererklärung geltend machen (vgl. Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 2022, BT-Drs. 20/1765 Seite 24, Krüger in Schmidt, 42. Aufl. 2023, § 115 EStG, Rz. 1; Schober in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 115 EStG Rn 2).
Rein vorsorglich weist das Gericht darauf hin, dass angesichts der eindeutigen Bezeichnung der Beklagten in der Klageschrift durch die anwaltlich vertretene Klägerin eine Umdeutung der vorliegenden Klage in ein derartiges Begehren nicht möglich. Außerdem wäre eine solche Klage ohnehin unzulässig, da ein Vorverfahren über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf im Hinblick auf den Einkommensteuerbescheid 2022 vorliegend nicht durchgeführt worden ist.
Selbst wenn man das Rechtschutzbedürfnis der Klägerin vorliegend für gegeben hielte, etwa, weil man aus der der Beklagten gesetzlich zugewiesenen Funktion als Zahlstelle der Energiepreispauschale ein subjektives Recht der Klägerin ableiten wollte (z.B. im Hinblick auf etwaige Zinsansprüche bei Nichtauszahlung), wäre die vorliegende Klage gleichwohl unbegründet.
Nach § 117 Abs. 1 Satz 2 EStG erfolgt die Auszahlung der Energiepreispauschale dann nicht durch den Arbeitgeber, wenn dieser - wie vorliegend - keine Lohnsteuer-Anmeldung abgibt. Durch diese gesetzliche Regelung konkretisiert der Gesetzgeber die Funktion des Arbeitgebers als bloße organisatorische Zahlstelle der Energiepreispauschale. Der Arbeitgeber soll nämlich durch die Energiepreispauschale zusätzlich zur organisatorischen Belastung grundsätzlich gerade nicht selbst finanziell belastet werden. Vielmehr entnimmt er für die Auszahlung der Energiepreispauschale den Zahlbetrag dem Gesamtbetrag der einzubehaltenden Lohnsteuer (vgl. Krüger in Schmidt, 42. Aufl. 2023, § 115 EStG, Rz. 1). Dementsprechend kann eine Auszahlungspflicht dann nicht bestehen, wenn keine Lohnsteuererklärungen abgeben wurde, da andernfalls der Arbeitgeber entgegen der gesetzlichen Wertung mitunter erhebliche Beträge vorzufinanzieren hätte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
18.10.2023
Gerichtsbescheid - Einzelrichter
T a t b e s t a n d
Die Klägerin begehrt die Beklagte zur Zahlung der Energiepreispauschale in Höhe von EUR 300,00 zu verurteilen.
Die Beklagte ist Teil der A-Gruppe, die auf Ebene des Groß- und Einzelhandels mit ... und verwandten Waren tätig ist. Zwischen den Beteiligten besteht seit dem 1. März 1994 ein Arbeitsverhältnis. Die Klägerin war im Jahr 2022 bei der Beklagten als Verkäuferin in der Filiale in B beschäftigt.
Die Beklagte zahlte für die Monate September, Oktober und November 2022 bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens (sog. Insolvenzgeldzeitraum) ihren Arbeitnehmern kein Arbeitsentgelt und gab in dieser Zeit auch keine Lohnsteuer-Anmeldungen ab.
Mit Beschluss vom ... 2022 eröffnete das Amtsgericht Hamburg - Insolvenzgericht - (Az. XXX), zunächst das vorläufige Insolvenzverfahren und später das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten in Eigenverwaltung und setzte Herrn Dr. C als Sachwalter ein. Mit Schreiben vom selben Tag sprach die Beklagte gegenüber der Klägerin die Kündigung aus.
Die Klägerin hat am 12. Dezember 2022 die vorliegende Klage zum Arbeitsgericht B erhoben, mit der sie - unter Ziffer 2. der angekündigten Klageanträge - unter anderem die Verurteilung zur Zahlung der Energiepreispauschale gemäß §§ 112 ff. Einkommensteuergesetz (EStG) in Höhe von EUR 300,00 zzgl. Zinsen von der Beklagten verlangte. Mit Beschluss vom 11. Mai 2023 (Az. XXX) trennte das Arbeitsgericht B die Klage betreffend den Klageantrag zu 2. ab und verwies den Rechtstreit wegen Unzulässigkeit des Arbeitsrechtswegs insoweit an das Finanzgericht D. Mit Beschluss vom 13. Juli 2023 (Az. XXX) erklärte sich das Finanzgericht D für örtlich unzuständig und verwies den Rechtstreit an das Finanzgericht Hamburg.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verteilen, an die Klägerin EUR 300,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2022 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, die Klage sei unbegründet. Für den Insolvenzgeldzeitraum habe die Beklagte ihren Arbeitnehmern - so auch der Klägerin - keine Gehälter ausgezahlt und dementsprechend auch keine Lohnsteueranmeldungen abgegeben, sodass sie von der Auszahlung der Energiepreispauschale im September 2022 nach § 117 Abs. 1 Satz 2 EStG befreit gewesen sei. Die Beklagte habe die Energiepauschale dementsprechend keinem ihrer Arbeitnehmer ausbezahlt.
Das Gericht hat die Beteiligten mit Schreiben vom 4. September 2023 sowie 4. Oktober 2023 jeweils auf die - vorläufige - rechtliche Würdigung des Berichterstatters hingewiesen, die Möglichkeit rechtlichen Gehörs gegeben und angekündigt durch Gerichtsbescheid über den Rechtstreit zu entscheiden.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
Über die Klage wird gemäß § 79a Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Finanzgerichtsordnung (FGO) durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden.
II.
Die Klage ist unzulässig, jedenfalls aber unbegründet.
1.
Solange die Energiepreispauschale daher noch nicht im Sinne des § 115 Abs. 2 EStG ausgezahlt worden ist, muss die Klägerin daher als Gläubigerin der Energiepreispauschale grundsätzlich gemäß § 115 Abs. 1 EStG gegenüber dem Finanzamt die Festsetzung durch Abgabe einer Einkommensteuererklärung geltend machen (vgl. Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 2022, BT-Drs. 20/1765 Seite 24, Krüger in Schmidt, 42. Aufl. 2023, § 115 EStG, Rz. 1; Schober in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 115 EStG Rn 2).
Rein vorsorglich weist das Gericht darauf hin, dass angesichts der eindeutigen Bezeichnung der Beklagten in der Klageschrift durch die anwaltlich vertretene Klägerin eine Umdeutung der vorliegenden Klage in ein derartiges Begehren nicht möglich. Außerdem wäre eine solche Klage ohnehin unzulässig, da ein Vorverfahren über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf im Hinblick auf den Einkommensteuerbescheid 2022 vorliegend nicht durchgeführt worden ist.
2.
Nach § 117 Abs. 1 Satz 2 EStG erfolgt die Auszahlung der Energiepreispauschale dann nicht durch den Arbeitgeber, wenn dieser - wie vorliegend - keine Lohnsteuer-Anmeldung abgibt. Durch diese gesetzliche Regelung konkretisiert der Gesetzgeber die Funktion des Arbeitgebers als bloße organisatorische Zahlstelle der Energiepreispauschale. Der Arbeitgeber soll nämlich durch die Energiepreispauschale zusätzlich zur organisatorischen Belastung grundsätzlich gerade nicht selbst finanziell belastet werden. Vielmehr entnimmt er für die Auszahlung der Energiepreispauschale den Zahlbetrag dem Gesamtbetrag der einzubehaltenden Lohnsteuer (vgl. Krüger in Schmidt, 42. Aufl. 2023, § 115 EStG, Rz. 1). Dementsprechend kann eine Auszahlungspflicht dann nicht bestehen, wenn keine Lohnsteuererklärungen abgeben wurde, da andernfalls der Arbeitgeber entgegen der gesetzlichen Wertung mitunter erhebliche Beträge vorzufinanzieren hätte.
III.