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  • 16.09.2024 · IWW-Abrufnummer 243806

    Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 13.12.2022 – 3 K 524/22

    Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz


    In dem Finanzrechtsstreit
    - Klägerin -
    Prozessbevollmächtigte:
    gegen
    Finanzamt
    - Beklagter -
    wegen Haftung für Lohnsteuer
    hat der 3. Senat unter Mitwirkung
    auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 13. Dezember 2022
    für Recht erkannt:
    Tenor:

        1.

        Die Klage wird abgewiesen.
        2.

        Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
        3.

        Die Revision wird nicht zugelassen.

    Tatbestand

    Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob im Rahmen des § 40a EStG das Vorliegen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses wegen des Verweises auf §§ 8, 8a SGB IV allein nach sozialversicherungsrechtlichen Maßstäben zu beurteilen ist.

    Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Unternehmensgegenstand die Betreuung von Objekten und ein Hausmeisterdienst ist. Alleiniger Gesellschafter der Klägerin ist Herr X. Am 01.04.2014 schloss die Klägerin mit ihrem Alleingesellschafter einen Geschäftsführeranstellungsvertrag. In diesem verpflichtete sich Herr X in Teilzeit als alleiniger Geschäftsführer für die Klägerin tätig zu sein. Die regelmäßige Arbeitszeit sollte 10 Stunden wöchentlich umfassen (2 h/Tag). Als Bruttomonatsgehalt war ein Betrag von 450 EUR vereinbart. Die Klägerin nahm für ihren Geschäftsführer in dem Zeitraum März 2015 bis Dezember 2017 eine Pauschalierung der Lohnsteuer wegen einer geringfügigen Beschäftigung unter Anwendung des § 40a Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit einem einheitlichen Pauschalsteuersatz von 2 % und für den Zeitraum Januar 2018 bis Dezember 2019 nach § 40a Abs. 2a EStG mit einem Pauschalsteuersatz von 20 % vor.

    Im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung für den Zeitraum bis kam die Prüferin zu dem Ergebnis, dass die Pauschalversteuerung des Geschäftsführergehaltes nach § 40a EStG nicht möglich sei, da es sich bei dem Geschäftsführer der Klägerin nicht um einen abhängig Beschäftigten im Sinne des Sozialrechts handele. Der Beklagte folgte der Auffassung der Prüferin und nahm die Klägerin mit Bescheid vom 20.08.2021 gemäß § 42d EStG für die aus seiner Sicht nachzuversteuernden Beträge bezüglich des Geschäftsführergehaltes i.H.v. 2.789 EUR in Haftung. Aus den Gründen ergibt sich, dass die Klägerin mit Haftungsinanspruchnahme anstelle des Arbeitnehmers einverstanden war. Die nachgeforderte Lohnsteuer für das monatlich i.H.v. 450 EUR bezahlte Geschäftsführergehalt berechnete der Beklagte dabei nach dem individuellen Steuersatz von Herrn X. Da es sich um das 2. Arbeitsverhältnis des Geschäftsführers handelte erfolgte die Nachversteuerung der Lohnsteuer für den Zeitraum März 2015 bis Dezember 2019 nach der Steuerklasse VI.

    Gegen den Haftungs- und Nachforderungsbescheid vom 20.08.2021 legte die Klägerin am 16.09.2021 Einspruch ein. Als Begründung trug sie vor, dass ihr Geschäftsführer eine geringfügige Beschäftigung im Sinne des § 40a Abs. 2a EStG i.V.m. Abs. 2 und § 8 Abs. 1 Nr. 1 des SGB IV ausübe und ihr deshalb das Wahlrecht zustehe, die Lohnsteuer pauschal mit 20 % zu berechnen. Eine Versagung dieses Wahlrechts wegen der fehlenden Sozialversicherungspflicht sehe das Gesetz nicht vor. Der Sinn des Verweises in § 40a EStG und der Definition des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV liege ausschließlich darin, eine geringfügige Beschäftigung ihrem Charakter nach zu definieren, unabhängig davon, welche steuerlichen oder sozialversicherungsrechtlichen Folgen sich daran anschließen können. Solche seien in jeweils anderen Regelungen verankert und änderten am Charakter der Beschäftigung selbst nichts. Dass in ihrem Fall die geringfügige Beschäftigung nicht sozialversicherungspflichtig sei, könne mithin nicht zur Versagung der Pauschalierung führen. Offensichtlich habe der Gesetzgeber die unterschiedlichen sozialversicherungsrechtlichen Charaktere von geringfügigen Beschäftigungen im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB IV erkannt und gerade deshalb die zwanzigprozentige Pauschalierungsmöglichkeit mit der Sonderregelung einer zweiprozentigen Pauschalierungsmöglichkeit versehen, sofern Beiträge zu anderen Sozialkassen entrichtet werden.

    Der Beklagte wies den Einspruch der Klägerin mit Entscheidung vom 25.04.2022 als unbegründet zurück. Hiergegen hat die Klägerin am 25.05.2022 Klage erhoben. Sie trägt vor, wie bereits im Einspruchsverfahren ausgeführt, lege der Beklagte in die §§ 40a Abs. 2 und Abs. 2a EStG Tatbestandsvoraussetzungen hinein, die diese nicht aufwiesen. Für die Unterscheidung einer regulären und einer geringfügigen Beschäftigung komme es allein auf die Höhe des Arbeitsentgelts an. So erweise sich die Argumentation des Beklagten auch als widersprüchlich. Die Frage, ob ihr Geschäftsführer als Arbeitnehmer i.S.d. Lohnsteuer- und Sozialrechts anzusehen sei, beantworte er unterschiedlich, ziehe dafür aber dieselben Kriterien heran. Ob eine Person in ihrer Tätigkeit frei sei oder Weisungen unterliege könne bei denselben Kriterien nicht unterschiedlich beantwortet werden. Komme der Beklagte zu der Auf- fassung, dass es ihrem Geschäftsführer an der Weisungsgebundenheit fehle, müsse er konsequenter Weise auch im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung von Herrn X Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit i.S.d. § 18 EStG annehmen.

    Die Klägerin beantragt,

    den Haftungs- und Nachforderungsbescheid sowie Festsetzungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnsteuerabzugsbeträge für die Zeit von Dezember 2014 bis September 2019 vom 20.08.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.04.2022 aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er hält an seiner Auffassung, dass im Streitfall der als Geschäftsführer angestellte Alleingesellschafter der Klägerin in den streitigen Monaten keine geringfügige Beschäftigung im Sinne des § 40a EStG ausgeübt habe, fest.

    Wegen weiterer Sachverhaltseinzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die dem Gericht vorliegenden Akten verwiesen.
    Entscheidungsgründe

    I.

    Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Haftungs- und Nachforderungsbescheid vom 20.08.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.04.2022 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat die Klägerin zu Recht für die - der Höhe nach unstreitige - nachgeforderte Lohnsteuer in Haftung genommen. Die Voraussetzungen für eine steuerliche Pauschalierung gemäß § 40a EStG der monatlichen Einkünfte ihres Geschäftsführers i.H.v. 450 EUR lagen in den streitigen Monaten nicht vor. Es fehlt an einem Beschäftigungsverhältnis des Geschäftsführers der Klägerin im sozialversicherungsrechtlichen Sinne.

    1. Gem. § 40a Abs. 2 EStG kann der Arbeitgeber unter Verzicht auf den Abruf von elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmalen (§ 39e Absatz 4 Satz 2) oder die Vorlage einer Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug (§ 39 Absatz 3 oder § 39e Absatz 7 oder Absatz 8) die Lohnsteuer einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuern (einheitliche Pauschsteuer) für das Arbeitsentgelt aus geringfügigen Beschäftigungen im Sinne des § 8 Absatz 1 Nummer 1 oder des § 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch, für das er Beiträge nach § 168 Absatz 1 Nummer 1b oder 1c (geringfügig versicherungspflichtig Beschäftigte) oder nach § 172 Absatz 3 oder 3a (versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreite geringfügig Beschäftigte) oder nach § 276a Absatz 1 (versicherungsfrei geringfügig Beschäftigte) des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch zu entrichten hat, mit einem einheitlichen Pauschsteuersatz in Höhe von insgesamt 2 Prozent des Arbeitsentgelts erheben. Hat der Arbeitgeber in den Fällen des Absatzes 2 keine Beiträge nach § 168 Abs. 1 Nr. 1b oder 1c oder nach § 172 Abs. 3 oder 3a oder nach § 276 Abs. 1 des SGB VI zu entrichten, kann er unter Verzicht auf den Abruf von elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmalen (§ 39e Abs. 4 Satz 2) oder die Vorlage einer Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug (§ 39 Abs. 3 oder § 39e Abs. 7 oder Abs. 8) die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz in Höhe von 20 Prozent des Arbeitsentgelts erheben.

    2. Die Voraussetzungen für die Annahme einer geringfügigen Beschäftigung beurteilen sich dabei wegen des in § 40a Abs. 2 EStG genannten Verweises ausschließlich nach sozialversicherungsrechtlichen Maßstäben.

    2.1 Ausgehend von § 8 Abs. 1 Nummer 1 SGB IV liegt eine geringfügig entlohnte Beschäftigung vor, wenn das Arbeitsentgelt aus der Beschäftigung regelmäßig im Monat den Betrag von 450 Euro nicht übersteigt, was stets bei Beginn der Beschäftigung und erneut bei jeder dauerhaften Änderung der Verhältnisse im Wege der vorausschauenden Betrachtung zu beurteilen ist. Dabei ist Tatbestandsvoraussetzung nicht nur - wie die Klägerin meint -, dass die Geringfügigkeitsgrenze von 450 EUR eingehalten wird. Vielmehr setzt § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV den Begriff der "Beschäftigung" voraus, der in § 7 Abs. 1 SGB IV definiert ist. Dass der Gesetzgeber im Rahmen des § 40a EStG den sozialversicherungsrechtlichen und nicht den einkommensteuerlichen Arbeitnehmerbegriff i.S.d. § 19 EStG für die Beurteilung, ob die Pauschalierungsvoraussetzungen für das Arbeitsentgelt erfüllt sind, zugrunde legen wollte, ergibt sich aus dem Wortlaut des § 40a EStG, der ausdrücklich darauf verweist, dass es sich um eine Beschäftigung im Sinne des § 8 Abs. 1 Nummer 1 oder des § 8a SGB IV handeln muss.

    2.2 Eine Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne gem. § 7 Abs. 1 SGB IV ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Ist ein GmbH-Geschäftsführer zugleich als Gesellschafter am Kapital der Gesellschaft beteiligt, sind der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer ist nicht per se kraft seiner Kapitalbeteiligung selbstständig tätig, sondern muss, um nicht als abhängig beschäftigt angesehen zu werden, über seine Gesellschafter-stellung hinaus die Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können. Eine solche Rechtsmacht ist bei einem Gesellschafter gegeben, der mehr als 50 vH der Anteile am Stammkapital hält. Ein Geschäftsführer, der nicht über diese Kapitalbeteiligung verfügt und damit als Mehrheitsgesellschafter ausscheidet, ist dagegen grundsätzlich abhängig beschäftigt. Er ist ausnahmsweise nur dann als Selbstständiger anzusehen, wenn er exakt 50 vH der Anteile am Stammkapital hält oder ihm bei einer geringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende ("echte" oder "qualifizierte"), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist. Denn der selbstständig tätige Gesellschafter-Geschäftsführer muss eine Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen haben und zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern können. Demgegenüber ist eine "unechte", auf bestimmte Gegenstände begrenzte Sperrminorität nicht geeignet, die erforderliche Rechtsmacht zu vermitteln (Urteil des Bundessozialgerichts vom 19. September 2019 B 12 R 25/18 R, BSGE 129, 95).

    2.3 Ausgehend von diesen Grundsätzen war der Geschäftsführer der Klägerin in den streitigen Monaten nicht geringfügig i.S.d. § 8 Abs. 1 Nummer 1 SGB IV i.V.m. § 7 SGB IV beschäftigt. Zwar hat er steuerlich Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit i.S.d. § 19 EStG erwirtschaftet. Sozialrechtlich ist der Geschäftsführer der Klägerin hingegen kein Beschäftigter i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV, da er als Geschäftsführer und Alleingesellschafter keiner Weisungsgebundenheit unterliegt.

    2.4 Ermessensfehler wurden nicht vorgetragen und sind auch nach Aktenlage nicht ersichtlich.

    II.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO nicht vorliegen. Das vom Gericht gewonnene Ergebnis ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut.