Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 08.01.2010

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 28.06.2001 – 14 K 341/94

    1. Der Lauf der Zwei-Jahres-Frist in Art. 20 Abs. 1 Satz 1 DBA-USA für die Bestimmung der Dauer des USA-Aufenthalts eines an einer US-amerikanischen Universität lehrenden deutschen Professors mit Familienwohnsitz in Deutschland wird nicht dadurch unterbrochen, dass er von der Universität vor Ablauf von zwei Jahren seit Beginn seines Aufenthalts in den USA für eine einjährige Forschungstätigkeit in Deutschland beurlaubt wird, wenn er - unabhängig vom Aufenthalt seiner Familie - in regelmäßigen Abständen von weniger als sechs Monaten für mehrere Wochen (1,5 bis zu 8) u.a. zur Betreuung von Doktoranden in die USA zurückkehrt. Währt der Aufenthalt in der USA aufgrund des durch die häufige Rückkehr in die USA einzubeziehenden Zeitraums der Forschungstätigkeit in Deutschland länger als zwei Jahre, sind die Einkünfte aus der Hochschullehrertätigkeit von Beginn an gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA-USA in den USA zu besteuern.

    2. Der Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG ist nicht zu kürzen, wenn kein in Deutschland steuerpflichtiger Arbeitslohn bezogen wird.


    Im Namen des Volkes

    hat der 14. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg am 28. Juni 2001 durch den Berichterstatter Richter am Finanzgericht …

    für Recht erkannt:

    I. Die Einspruchsentscheidung vom 16. September 1994 wird aufgehoben. Der Einkommensteuerbescheid 1991 vom 11. November 1993 wird mit der Maßgabe geändert, dass die in den USA bezogenen Einkünfte des Klägers in Höhe von 34.121 DM steuerfrei sind und gemäß § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG nur bei der Anwendung des Steuersatzes berücksichtigt werden und der Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen gemäß § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG in Höhe von 8.000 DM in vollem Umfang gewährt wird. Die Neuberechnung der Einkommensteuer 1991 wird dem beklagten Finanzamt übertragen.

    II. Die Kosten des Verfahrens trägt das beklagte Finanzamt.

    III. Das Urteil ist wegen der den Klägern zu erstattenden Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Das Finanzamt kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leisten.

    IV. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

    V. Die Revision wird nicht zugelassen.

    Tatbestand

    Bei der Einkommensteuerveranlagung 1991 ist streitig, ob Einkünfte eines Hochschullehrers aus einer Lehr- und Forschungstätigkeit in den USA gemäß Art. 20 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA-USA) der deutschen Besteuerung unterliegen und ob der Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen gemäß § 10 Abs. 3 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) zu kürzen ist.

    Die in den Jahren 1949 und 1951 geborenen Kläger sind verheiratet. Sie haben eine im Jahr 1981 geborene Tochter und einen im Jahr 1983 geborenen Sohn. Sie sind je zur Hälfte Miteigentümer eines im Jahr 1982 erworbenen Zweifamilienhauses in … S. … das sie im streitigen Veranlagungszeitraum 1991 selbst nutzten und nach zwischenzeitlichem Umzug seit 1995 wieder selbst bewohnen.

    Die Klägerin ist Zahnärztin. Sie erzielte im Jahr 1991 Einkünfte aus Praxisvertretungen in Höhe von 6.360 DM. Der Kläger ist Universitätsprofessor der Fachrichtung Physik mit dem Spezialgebiet theoretische Atomphysik. Er war vom 15. Oktober 1987 bis zum 09. November 1990 als Beamter auf Zeit der Besoldungsgruppe C2 an der Universität … tätig. In der Zeit vom 10. November 1990 bis zum 31. März 1991 bezog er ein steuerfreies Übergangsgeld gemäß § 47 Beamtenversorgungsgesetz. Im Anschluss daran erhielt er vom 01. April 1991 bis zum 31. August 1991 ein Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft in Höhe von insgesamt 28.595 DM.

    Nachdem er Lehrstuhlangebote von den Universitäten T. und O. erhalten hatte, reiste er mit seiner Frau, der Klägerin, in der Zeit vom 23. März 1991 bis 03. April 1991 zu Berufungsverhandlungen in die USA.

    Ab 01. September 1991 war er als „Full Professor” (ordentlicher Professor) an der Universität des Staates T. in K. (USA) tätig. Zur Aufnahme seiner Tätigkeit reiste er am 27. August 1991 in die USA ein. Nach dem Anstellungsvertrag vom 23. September 1991 begann das Anstellungsverhältnis bereits am 01. August 1991 und war zunächst befristet. Es war eine Probezeit von maximal drei Jahren vereinbart. Spätestens am Ende des akademischen Jahres 1992/93 sollte die unbefristete Anstellung geprüft werden. Das vereinbarte Jahresgehalt betrug 53.000 US-Dollar. Im streitigen Veranlagungszeitraum 1991 erhielt der Kläger 21.760,89 US-Dollar = 36.121,60 DM. Nach dem Anstellungsvertrag kam er außerdem in den Genuss eines Pensionsplanes, der voll vom Staat T. finanziert wird („A retirement program fully paid by the State of Tennessee”). Außerdem zahlte die Universität T. 80 % der Beiträge zu einer Gruppen- Kranken- und Unfallversicherung nach dem sog. „Basic Plan”. Für Versicherungsschutz mit weitergehenden Leistungen musste der Kläger selbst sorgen. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Anstellungsvertrag vom 23. September 1991 Bezug genommen (Gerichtsakte B. 68. ff.).

    Mit dem Kläger wechselten einer seiner Assistenten und ein Doktorand an die Universität T. Außerdem nahm er seine umfangreiche Forschungsausstattung mit, die die Universität T. der Universität F. bzw. der Deutschen Forschungsgemeinschaft für mehrere Hunderttausend DM aufkaufte. An seiner neuen Wirkungsstätte baute er ein neues Forschungslabor auf, für das ihm umfangreiche Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt wurden. Dem Forschungslabor gehörten mehrere promovierte Assistenten und Doktoranden an. Die Forschungsprojekte des Klägers wurden von der National Science Foundation finanziert. An der Universität T. war er von Anfang an in vollem Umfang in den Lehrbetrieb einbezogen.

    Bereits neun Monate nach Beginn seiner Tätigkeit bot ihm die Universität T. mit Schreiben vom 25. Mai 1992 eine Anstellung als „Full Professor” auf unbefristete Zeit an und sicherte ihm weitere Laborräume sowie zusätzliche Forschungsmittel in Höhe von 170.000 US-Dollar für zusätzliche Laboreinrichtungen usw. zu (vgl. Einkommensteuerakte Bd. II Bl. 109). Der Kläger nahm dieses Angebot an.

    Nachdem er am 06. November 1992 für sich und seine Familie die unbefristete Aufenthaltsgenehmigung (sog. Green Card) für die USA erhalten hatte, bezog er mit der Klägerin und den beiden zu dieser Zeit schulpflichtigen Kindern im November 1991 eine Wohnung in … in Tennessee. In ihrem Zweifamilienhaus in S. vermieteten sie die 138 m² große Erdgeschosswohnung und behielten die 77 m² große Dachgeschosswohnung bei.

    In den Jahren 1991 und 1992 war der Kläger wiederholt aus Anlass von Vorträgen, Promotionsprüfungen, Kooperationsgesprächen mit der Technischen Universität B. Urlaub, Vorbereitung des Familienumzuges usw. nach Deutschland gereist – im Jahr 1992 zwei Reisen und 1993 sechs Reisen von jeweils zwei bis drei Wochen Dauer.

    Mit Schreiben des Kanzlers der Universität T. vom 11. Februar 1993 wurde dem Kläger unter Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses und Freistellung von der Lehrverpflichtung sowie unter Aufrechterhaltung der Pensionsanwartschaft und der Versicherungsansprüche ab 01. Februar 1993 ein unbezahlter einjähriger Forschungsaufenthalt zum Zweck der Weiterbildung am M. Institut der Technischen Universität B. bewilligt, wo er eine befristete Stelle eines Direktors eines der drei wissenschaftlichen Fachbereiche antrat. Er bezog dort im Jahr 1993 ein Gehalt in Höhe von 106.672 DM. In B. bewohnte er eine Einzimmerwohnung.

    Fünf Monate nach Beginn des Forschungsaufenthaltes in B. zog die Klägerin mit den beiden Kindern zum 01. Juli 1993 nach S. zurück. Kurz darauf wurde der Kläger am 12. Juli 1993 mit Wirkung zum 01. Juli 1993 von der Universität T. zum „Tenured Professor” ernannt, was in etwa einer Anstellung eines Professors auf Lebenszeit nach deutschem Recht entspricht.

    Während seiner Beurlaubung, die von der Universität T. bis Ende Juli 1994 verlängert wurde, kehrte der Kläger wiederholt in die USA zurück, um seine dortigen Forschungsprojekte weiterzuführen und seine Doktoranden zu betreuen. Zu diesem Zweck hielt er sich in den folgenden Zeiträumen in den USA auf:

    1993:
    17.03.-10.04.ca. 3½ Wochen
    14.05.-Mitte Julica. 8 Wochen
    16.08.-28.08.knapp 2 Wochen
    24.10.-Mitte Novemberca. 3 Wochen
    1994:
    03.02.-14.02.1½ Wochen
    14.04.-24.04.1½ Wochen
    12.05.-Ende Mai2 Wochen
    16.07.- Anfang August2 Wochen


    Wegen der näheren Einzelheiten der Ein- und Ausreisen des Klägers in die USA in den Jahren 1991 bis 1994 wird auf die Kopien seines Reisepasses und die dazu von ihm gefertigte Aufstellung Bezug genommen (vgl. Gerichtsakte Bl. 57ff.).

    Nachdem der Kläger zum 01. August 1994 eine Berufung auf eine C4-Professur an die Technischen Universität B. mit der Position eines Direktors des M. Instituts erhalten hatte, kündigte er das Beschäftigungsverhältnis mit der Universität T. zum 31. Juli 1994. Ihm wurde dort der Status eines „Adjunct Professors” verliehen, mit der Berechtigung, seine dortigen mit Drittmitteln betriebenen Forschungsprojekte weiterzuführen und seine Doktoranden weiterhin zu betreuen, was er in der Folgezeit auch tat. Zu diesem Zweck hielt er sich in den Jahren 1994 und 1995 wiederholt in den USA auf – im Jahr 1994 in der Zeit vom 24. Oktober bis 05. November 1994 (ca. 2 Wochen).

    Im August 1994 zog die Familie der Kläger vorübergehend von S. nach B. Ein Jahr später zog sie wieder nach S. zurück.

    Bei der zuständigen amerikanischen Steuerbehörde reichte der Kläger am 13. April 1992 eine Steuererklärung für 1991 auf dem Formular „US Nonresident Alien Income Tax Return” (Gerichtsakte Bl. 77ff.) ein und errechnete im Wege der dort üblichen Selbstveranlagung aus seinen in den USA bezogenen Einkünften eine Einkommensteuer in Höhe von 3.887 US-Dollar, die er per Scheck am 20. April 1992 bezahlte.

    In der am 18. August 1993 beim beklagten Finanzamt (FA) eingereichten Einkommensteuererklärung 1991 behandelte der Steuerberater der Kläger das in den USA bezogene Gehalt in Höhe von 21.760,89 US-Dollar = 36.121,60 DM als in Deutschland nicht steuerpflichtige aber dem Progressionsvorbehalt gemäß § 32 b EStG unterliegende Einnahmen. Das FA war dagegen der Auffassung, dass diese Einkünfte gemäß Art. 20 Abs. 1 DBA-USA in vollem Umfang der deutschen Einkommensteuer unterlägen. Im Einkommensteuerbescheid 1991 vom 11. November 1993 setzte es das o.a. Gehalt als steuerpflichtige Einnahmen an und zog den Arbeitnehmerpauschbetrag in Höhe von 2.000 DM ab. Außerdem kürzte es bei den Sonderausgaben den Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen von 8.000 DM gemäß § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG um 4.333 DM (= 12 % des Arbeitslohnes).

    Gegen diesen Bescheid legte der Steuerberater der Kläger am 03. Dezember 1993 ausschließlich im Namen des Klägers Einspruch ein mit der Begründung, entgegen der Auffassung des FA sei Art. 20 Abs. 1 DBA-USA nicht anzuwenden, da der Kläger nicht Gastprofessor im Sinne dieser Vorschrift, sondern ordentlicher Lehrstuhlinhaber an der Universität T. gewesen sei. Er sei gemäß Art. 15 DBA-USA in den Vereinigten Staaten steuerpflichtig gewesen. Bei der Anstellung des Klägers an der Universität T. habe es sich – wie sich aus einer Bescheinigung dieser Universität vom 14. April 1994 ergebe (Einkommensteuerakte Bd. II Bl. 107f.) – um eine dem Beamtenstatus voll entsprechende lebenslange Anstellung als ordentlicher Professor gehandelt. In den USA sei für die Besteuerung der Status eines „Permanent Resident (Immigrant)” absolut zwingend für die weltweite Steuerpflicht. Dieser Status bestehe für den Kläger seit 06. November 1992. Nach den Steuervorschriften der USA sei ein „Permanent Resident (Immigrant)” für das ganze Jahr wie ein amerikanischer Staatsbürger mit Wohnsitz in den USA steuerpflichtig. Der Wohnsitz des Familienoberhaupts sei in den USA maßgebend für die Besteuerung des Welteinkommens. Im übrigen sei die vorgenommene Kürzung des Vorwegabzugs für Vorsorgeaufwendungen nicht gerechtfertigt.

    Das FA wies den Einspruch mit der Begründung zurück, der Kläger habe sich nach Aktenlage vom 01. September 1991 bis Juni bzw. August 1993 in den USA aufgehalten. Die Aufenthaltsdauer betrage weniger als zwei Jahre. Gemäß Art. 20 Abs. 1 DBA-USA seien daher die Einkünfte des Klägers aus seiner Hochschullehrertätigkeit an der Universität T. in Deutschland steuerpflichtig. Der Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen sei zu Recht gemäß § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG gekürzt worden, da der Kläger im Jahr 1991 der deutschen Besteuerung unterliegenden Arbeitslohn bezogen habe und im übrigen sein Arbeitgeber, die Universität T. die gesetzlichen Beitragsanteile zur Rentenversicherung übernommen habe. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 16. September 1994 Bezug genommen, in deren Rubrum beide Kläger als Einspruchsführer und Adressaten der Einspruchsentscheidung genannt sind.

    Dagegen richtet sich die vorliegende Klage vom 17. Oktober 1994 die am 18. Oktober 1994 bei Gericht einging und im Namen beider Kläger erhoben wurde. In seiner Begründung stützt sich der Prozessbevollmächtigte der Kläger im wesentlichen auf das Vorbringen im Einspruchsverfahren. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf seine Schriftsätze vom 05. Januar 1996 und 27. Juli 2000 Bezug genommen.

    Die Kläger begehren,

    den Einkommensteuerbescheid 1991 vom 11. November 1993 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 16. September 1994 zu ändern und die in den USA bezogenen Einnahmen des Klägers in Höhe von umgerechnet 36.121 DM unter Berücksichtigung des Progressionsvorbehaltes (§ 32 b EStG) steuerfrei zu belassen und außerdem den Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen gemäß § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG in Höhe von 8.000 DM in vollem Umfang zu gewähren.

    Das beklagte FA beantragt.

    die Klage abzuweisen.

    Es hält an der in der Einspruchsentscheidung vertretenen Auffassung fest. Ergänzend trägt es vor, nach Art. 20 Abs. 1 DBA-USA werde entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Kläger nicht auf die voraussichtliche Aufenthaltsdauer abgestellt, sondern maßgebend sei die tatsächliche feststellbare Verweildauer. Dies werde durch Abs. 18 des Protokolls zum DBA-USA bestätigt, das Bestandteil des Abkommens sei. Das Wort „Gastprofessor” in der Überschrift des Art. 20 des DBA habe nur die Bedeutung einer kurzen Inhaltsangabe und werde in der Vorschrift selbst nicht verwendet. Die Überschrift sei nicht Bestandteil des Gesetzes. Nach Aktenlage sei der Kläger vom 01. September 1991 bis Mitte August 1993 in den USA gewesen und habe sich dort eindeutig kürzer als zwei Jahre aufgehalten.

    Die Beteiligten haben mit Schreiben vom 29. Oktober 1998 und 20. November 1998 auf mündliche Verhandlung verzichtet und sich damit einverstanden erklärt, dass der Berichterstatter den Rechtsstreit anstelle des Senats entscheidet (§ 79 a Abs. 3 und 4 und § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO–).

    Dem Gericht haben die Einkommensteuerakten der Kläger für die Veranlagungszeiträume 1989 bis 1999 vorgelegen.

    Gründe

    Die Klage ist begründet.

    1. Soweit sich die Einspruchsentscheidung vom 16. September 1994 gegen die Klägerin richtet, ist sie bereits deshalb aufzuheben, weil die Klägerin keinen Einspruch eingelegt hat und daher gegen sie keine Einspruchsentscheidung ergehen durfte.

    2. Die Einkünfte des Klägers aus seiner Tätigkeit in den USA unterliegen nicht der deutschen Einkommensteuer. Sie sind bei der Einkommensteuerveranlagung 1991 nur hinsichtlich der Anwendung des Steuersatzes zu berücksichtigen (sog. Progressionsvorbehalt, Art. 23 Abs. 2 a DBA-USA i.V.m. § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG).

    Gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA-USA werden Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus einer in dem anderen Vertragsstaat ausgeübten Tätigkeit bezieht grundsätzlich in diesem Staat (im Staat der Tätigkeitsausübung) besteuert. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz enthält der für Gastprofessoren und Gastlehrer geltende Art. 20 Abs. 1 DBA-USA, der dem Wohnsitzstaat das Besteuerungsrecht zuweist, wenn ein in seinem Staatsgebiet ansässiger Hochschullehrer oder Lehrer sich im anderen Vertragsstaat für höchstens zwei Jahre zu fortgeschrittenen Studien oder Forschungsarbeiten oder zur Ausübung einer Lehrtätigkeit an einer anerkannten Universität, Hochschule, Schule oder anderen Lehranstalt oder einer öffentlichen Forschungseinrichtung oder anderen Einrichtung für Forschungsarbeiten zum öffentlichen Nutzen aufhält. Wenn sich der betreffende Lehrer oder Hochschullehrer länger als zwei Jahre in dem anderen Vertragsstaat aufhält, kann dieser Staat ihn nach seinem innerstaatlichen Recht für den gesamten Zeitraum des Aufenthaltes besteuern (Abs. 18 des Protokolls zu Art. 20 DBA-USA).

    Der Bundesfinanzhof (BFH) hat im Fall eines in Kanada ansässigen kanadischen Staatsbürgers, der in Deutschland für eine kürzere Zeit als zwei Jahre als Lehrer tätig war, sich aber hier länger als zwei Jahre aufhielt, entschieden, dass der Art. 20 Abs. 1 DBA-USA entsprechende Art. 14 DBA-Kanada a. F. nicht anwendbar und der betreffende Lehrer im gesamten Zeitraum seines Aufenthalts im Gastland – also in Deutschland – steuerpflichtig sei (vgl. BFH-Urteil vom 13. März 1985 – I R 86/80, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1985, 500). In einem ähnlichen Fall einer englischen Staatsbürgerin, die zunächst aufgrund zweier auf jeweils ein Jahr befristeter Verträge in Deutschland als Lehrerin tätig war, sich hier verheiratete und hier anschließend weiterarbeitete, hat der BFH in gleicher Weise entschieden und betont, dass es nach Art. 13 DBA-Großbritannien, der im Wortlaut Art. 14 DBA-Kanada a.F. und Art. 20 Abs. 1 DBA-USA entspricht, nicht auf die ursprünglich beabsichtigte Aufenthaltsdauer, sondern auf die objektiv feststellbare Verweildauer ankomme (BFH-Urteil vom 22. Juli 1987 – I R 224/83, BStBl II 1987, 842).

    Der Bundesminister der Finanzen (BMF) hat sich dieser Auffassung mit Schreiben vom 10. Januar 1994 (BStBl I 1994, 14) angeschlossen und vertritt die Ansicht, liege zwischen zwei Aufenthalten ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten, so seien die Aufenthalte als nicht zusammenhängend anzusehen. Betrage der Zeitraum weniger als sechs Monate, so gelte er als nicht unterbrochen, es sei denn aus den Umständen des Einzelfalls ergebe sich, dass die beiden Aufenthalten völlig unabhängig voneinander seien.

    Das Gericht schließt sich dieser Auffassung an. Sie führt bei Gastlehrkräften, die ihren Aufenthalt im Gastland aus den verschiedensten Gründen sehr häufig kurzfristig unterbrechen (z. B. Familienheimfahrten, Urlaub, berufliche Kontakte zum bisherigen Arbeitgeber, bei Professoren: Vortragsreisen, Kongresse, Berufungsverhandlungen, Promotionsprüfungen usw.) zu einer praktikablen Anwendung der für Gastlehrkräfte geltenden Bestimmungen der Doppelbesteuerungsabkommen und entspricht deren Zweck, den Austausch von Gastlehrkräften zu erleichtern.

    Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Aufenthalt des Klägers von seiner Einreise in die USA am 27. August 1991 zumindestens bis zu seiner Ausreise nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses mit der Universität T. Anfang August 1994 als ein einheitlicher Aufenthalt anzusehen. Denn das Beschäftigungsverhältnis mit der Universität T. hat bis zum 31. Juli 1994 als ein einheitliches Rechtsverhältnis fortbestanden. Die zahlreichen Reisen des Klägers nach Deutschland haben in dieser Zeit nie zu einer längeren Abwesenheit in den USA als zwei Monate geführt.

    Unerheblich ist, dass die Universität T. den Kläger in der Zeit vom 01. Februar 1993 bis zum 31. Juli 1994 von seinen Lehrverpflichtungen – nicht dagegen von seiner Verpflichtung zur Forschung – freigestellt und ihm einen unbezahlten Forschungsaufenthalt in B. bewilligt hat. Denn der Kläger hielt sich in dieser Zeit in regelmäßigen Abständen wiederholt in den USA auf, um seine dortigen Forschungsprojekte weiterzuführen und seine Doktoranden zu betreuen; und zwar im Jahr 1993 einschließlich des Monats Januar rd. 20 Wochen und im Jahr 1994 neun Wochen (vgl. S. 5f. des Tatbestandes). Unerheblich ist ferner, dass die Klägerin mit den beiden Kinder der Kläger zum 01. Juli 1993 aus den USA nach Deutschland zurückgezogen ist. Denn für die Anwendung des Art. 20 DBA-USA kommt es auf den Aufenthalt des betreffenden Gastlehrers bzw. Gastprofessors und nicht auf den Aufenthalt seiner Familie an.

    Da der als einheitlich zu beurteilende Aufenthalt des Klägers in den USA vom 27. August 1991 zumindest bis Anfang August 1994 und damit länger als zwei Jahre dauerte, ist Art. 20 Abs. 1 DBA-USA nicht anwendbar mit der Folge, dass gemäß Art. 15 DBA-USA den Vereinigten Staaten ab 1991 das Besteuerungsrecht für die in den USA bezogenen Einkünfte des Klägers zusteht. Diese Einkünfte in Höhe von 36.121 DM Einnahmen abzüglich 2.000 DM Arbeitnehmerpauschbetrag = 34.121 DM sind gemäß Art. 23 Abs. 2 a DBA-USA i.V.m. § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG bei der Anwendung des Steuersatzes zu berücksichtigen (sog. Progressionsvorbehalt).

    Da der Kläger im streitigen Veranlagungszeitraum 1991 keinen in Deutschland steuerpflichtigen Arbeitslohn bezogen hat, entfällt die Kürzung des Vorwegabzugs für Vorsorgeaufwendungen gemäß § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG (vgl. Ludwig Schmidt, Kommentar zum EStG, 20. Auflage 2001 § 10 Rdz. 217). Der Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen in Höhe von 8.000 DM ist daher in vollem Umfang zu gewähren.

    Die Neuberechnung der Einkommensteuer 1991 wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem beklagten FA übertragen.

    Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 3, 151 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für notwendig erklärt, da für eine sachgerechte Rechtsverfolgung fachkundiger Rat erforderlich war.

    Die Revision wird nicht zugelassen, da keine der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO vorliegt.

    VorschriftenDBA USA Art. 20 Abs. 1, EStG § 10 Abs. 3 Nr. 2, DBA USA Art. 15 Abs. 1

    Lehrvideos

    Ausgewiesene Steuerexperten machen Sie alle 14 Tage mit einem aktuellen steuerlichen Thema vertraut.

    Mehr Videos