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  • 19.08.2011 · IWW-Abrufnummer 113489

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 18.01.2011 – 15 K 2392/07 E

    Ein Feuerwehrmann, der neben seinem regelmäßigen Einsatz bei der Rettungswache auch als Rettungsassistent auf einem Noteinsatzfahrzeug von der Rettungswache B aus Bereitschaftsdienst leistet und der dort auch berufstypische Arbeitsleistungen erbringt, kann keine Pauschbeträge wegen Mehraufwandes an Verpflegung geltend machen.


    Im Namen des Volkes
    URTEIL
    In dem Rechtsstreit
    hat der 15. Senat in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richter … ehrenamtliche Richterin … ehrenamtlicher Richter … im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 18.01.2011 für Recht erkannt:
    Tatbestand:
    Streitig ist, ob der Kläger (Kl.) in den Streitjahren 2004 und 2005 eine Einsatzwechseltätigkeit ausgeübt hat und ob deshalb Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften des Kl. aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen sind.
    Der Kl. erzielte in den Streitjahren als Rettungsassistent Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Sein Arbeitgeber war die aus mehreren Gesellschaftern bestehende X gGmbH. Die regelmäßige Arbeitszeit betrug 38,5 Stunden. Formeller Einsatzort des Kl. war nach seinem Vortrag in C die Rettungswache A, A-Straße. Ferner besetzte der Kl. laut den ESt-Erklärungen zeitweilig auch die Rettungswache B, B-Straße, sowie einen Notarztwagen. In der ESt-Erklärung 2004 machte der Kl. bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit u.a. Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen für Einsatzwechseltätigkeit an 69 Tagen auf der Einsatzstelle Rettungswache A von 660 EUR und an 38 Tagen auf der Einsatzstelle Rettungswache B von 456 EUR (= insgesamt 1.116 EUR) und in der ESt-Erklärung 2005 Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen für Einsatzwechseltätigkeit an 66 Tagen auf der Einsatzstelle Rettungswache A von 702 EUR und an 33 Tagen auf der Einsatzstelle Rettungswache B von 396 EUR (= insgesamt 1.098 EUR) als Werbungskosten geltend. Das beklagte Finanzamt (FA) erließ am 21.08.2006 ESt-Bescheide für 2004 und 2005, in denen es die Verpflegungsmehraufwendungen nicht zum Werbungskostenabzug zuließ. Gegen die Bescheide legte der Kl. Einspruch mit der Begründung ein, eine Einsatzwechseltätigkeit ausgeübt zu haben, so dass die erklärten Verpflegungsmehraufwendungen zum Werbungskostenabzug zuzulassen seien. 2004 habe er auf der Rettungswache B 39 Schichten mit einer Abwesenheit zwischen 14 und 24 Stunden und davon mit einer anrechenbaren Arbeitszeit von 17,7 Stunden, auf dem Notarztwagen des Y 40 Schichten mit einer Abwesenheit zwischen 14 und 24 Stunden und davon mit einer anrechenbaren Arbeitszeit von 14,92 Stunden, in 2005 auf der Rettungswache B 33 Schichten mit einer Abwesenheit zwischen 14 und 24 Stunden und davon mit einer anrechenbaren Arbeitszeit von 17,7 Stunden sowie auf dem Notarztwagen des Y 41 Schichten mit einer Abwesenheit zwischen 14 und 24 Stunden und davon mit einer anrechenbaren Arbeitszeit von 14,92 Stunden geleistet. Im Sinne der BFH-Rechtsprechung sei die Rettungswache A als eine Betriebsstätte des Arbeitgebers und seien die Rettungswache B sowie der Notarztwagen als betriebsfremde Arbeitsstätten anzusehen, so dass jedenfalls hinsichtlich der beiden zuletzt genannten Einsatzorte eine Einsatzwechseltätigkeit vorliege.
    Der Einspruch hatte keinen Erfolg. In der Einspruchsentscheidung (EE) vom 04.05.2007 führte das FA als Begründung aus: Die Rettungswachen A und B sowie der Notarztwagen stellten mehrere regelmäßige Arbeitsstätten dar, so dass der Kl. keine Einsatzwechseltätigkeit ausgeführt habe. Eine Einsatzwechseltätigkeit setzte voraus, dass der Arbeitnehmer im Betrieb des Arbeitgebers keine regelmäßige Arbeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) innehabe. Die Rettungswache A erfülle die Voraussetzungen eines Tätigkeitsmittelpunktes bzw. einer regelmäßigen Arbeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG. Auch die Rettungswache B und den Notarztwagen habe der Kl. fortdauernd aufgesucht und dort berufstypische Tätigkeiten ausgeübt. Laut seinen Angaben zu den Fahrtkosten habe er während der Woche an mehreren Tagen die Rettungswache A und die Rettungswache B aufgesucht. Laut der Rechtsprechung des BFH könnten nebeneinander mehrere regelmäßige Arbeitsstätten vorliegen, was vorliegend der Fall sei.
    Mit der hiergegen erhobenen Klage begehrt der Kläger die Anerkennung von Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten für 2004 von 1.116 EUR und für 2005 von 1.098 EUR. Er sei als Rettungsassistent auf einem Notarztwagen tätig gewesen. Er habe deshalb die jeweils eingeteilte Einsatzstelle aufgesucht und dort den Rettungswagen besetzt und am jeweiligen Standort den ihm zugeteilten Rettungswagen bestiegen, um zu den jeweiligen Einsatzorten zu fahren. Er sei an unterschiedlichen Orten in den Rettungswagen eingestiegen. Unterschiedliche Träger hätten diese Standorte unterhalten. Durch den Verbund dreier Einsatzgeber zu einem Arbeitgeber hätten sich jeweils unterschiedliche Einsatzorte ergeben. Er habe somit nicht Bereitschaftsdienste an ortsfesten Stationen, sondern Tätigkeiten an jeweils unterschiedlichen, wechselnden Stationen ausgeführt, so dass nicht von einer regelmäßigen Arbeitsstätte auszugehen sei.
    Der Kl. beantragt,
    unter Änderung der ESt-Bescheide 2004 und 2005 vom 21.08.2006 und der EE vom 04.05.2007 bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit weitere Werbungskosten für 2004 von 1.116 EUR und für
    2005 von 1.098 EUR zum Abzug zuzulassen,
    hilfsweise, die Revision zuzulassen.
    Das FA beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Zur Begründung verweist es auf die EE.
    Entscheidungsgründe:
    Die Klage ist nicht begründet.
    Die ESt-Bescheide 2004 und 2005 vom 21.08.2006 und die EE vom 04.05.2007 sind rechtmäßig und verletzen den Kl. nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Zutreffend hat das FA angenommen, dass der Kl. keine Mehraufwendungen für Verpflegung nach Maßgabe des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 3 in Verbindung mit § 9 Abs. 5 EStG bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Werbungskosten in Abzug bringen kann, weil er keine Einsatzwechseltätigkeit ausgeübt hat.
    Nach der Rechtsprechung des BFH zu § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 3 EStG (Urteil vom 14.09.2005, VI R 93/04, BFH/NV 2006, 53; BFH-Urteil vom 11.05.2005, VI R 15/04, BFHE 209, 515, BStBl II 2005, 788; BFH-Urteil vom 17.06.2010, VI R 20/09, DStR 2010, 2392) wird als Arbeitnehmer typischerweise nur an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten tätig, wer im Betrieb seines Arbeitsgebers keine regelmäßige Arbeitsstätte innehat, die für ihn den (ortsgebundenen) Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit darstellt. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 3 EStG findet nur dann Anwendung, wenn ein solcher Tätigkeitsmittelpunkt fehlt. Verfügt der Arbeitnehmer hingegen über eine regelmäßige Arbeitsstätte, im Regelfall der Betrieb des Arbeitgebers, dem der Arbeitnehmer zugeordnet ist, von der aus er seine weitere berufliche Tätigkeit an auswärtigen Einsatzstellen antritt, so berechnen sich die Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen nach der tätigkeitsbedingten Abwesenheitsdauer von Wohnung und Tätigkeitsmittelpunkt, § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG. Der Begriff des Tätigkeitsmittelpunktes nach dieser Vorschrift entspricht dem Begriff der regelmäßigen Arbeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG. Regelmäßige Arbeitsstätte ist jede ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, an dem der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung zu erbringen hat, im Regelfall der Betrieb oder eine Betriebsstätte des Arbeitgebers. Entscheidend ist insoweit, ob der Arbeitnehmer den Betriebssitz des Arbeitgebers oder sonstige betriebliche Einrichtungen, denen er zugeordnet ist, nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, d.h. fortdauernd und immer wieder aufsucht. Liegen diese Voraussetzungen vor, kann ein Arbeitnehmer auch mehrere regelmäßige Arbeitsstätten nebeneinander innehaben. Somit liegt keine Einsatzwechseltätigkeit vor, wenn ein Arbeitnehmer mehrere ortsfeste Betriebsstätten seines Arbeitgebers ständig aufsucht. Dementsprechend hat sich der BFH auf den Standpunkt gestellt, dass ein Rettungsassistent, der von seinem Arbeitgeber im Wechsel an mehreren Rettungsstationen beschäftigt wird, keine Verpflegungsmehraufwendungen für Einsatzwechseltätigkeit geltend machen kann, soweit es sich bei den Rettungsstationen um ortsfeste betriebliche Einrichtungen handelt (BFH-Urteil vom 14.09.2005, VI R 93/04, a.a.O.).
    Die Rettungswachen A und B stellen entgegen der Auffassung des Kl. für ihn mehrere regelmäßige Arbeitsstätten dar. Es handelte sich um ortsfeste Einrichtungen, die von seiner Arbeitgeberin, einem Zusammenschluss mehrerer Unternehmen, unterhalten wurden und die die Arbeitgeberin dem Kl. ebenso wie den Rettungswagen als Arbeitsstätten zugewiesen hatte. Beide Rettungswachen suchte der Kl. in den Streitjahren zwar abwechselnd, aber immer wieder in größerem Umfang und damit nachhaltig auf, um dort seine berufstypischen Arbeitsleistungen, z.B. Bereitschaftsdienst und Zustieg auf den Rettungswagen, für seine Arbeitgeberin auszuführen. Soweit der Kl. in der Klage die Auffassung vertritt, es sei von einem Einsatz auf einem Fahrzeug auszugehen, vermag der Senat dem schon deshalb nicht zu folgen, weil nach dem unwiderlegten Vorbringen des FA die Einsätze auf dem Rettungswagen jeweils ab der Rettungswache erfolgten und der Kl. nach einem Einsatz dorthin zurückkehrte und dort wieder weitere arbeitsvertraglich vereinbarte Tätigkeiten ausführte.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
    Mangels vorliegender Zulassungsgründe im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO war die Revision nicht zuzulassen.

    VorschriftenEStG § 4 Abs 5 S 1 Nr 5 S 2, EStG § 9 Abs 1 S 3 Nr 4, EStG § 4 Abs 5 S 1 Nr 5 S 3