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  • 07.12.2011 · IWW-Abrufnummer 114132

    Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 18.05.2011 – 1 K 2465/09

    Für die Einsatzwechseltätigkeit ist auf die individuelle Situation und nicht auf das abstrakte Berufsbild abzustellen, wenn der Steuerpflichtige seit 19 Jahren immer denselben Einsatzort hatte.


    Tatbestand
    Streitig ist, ob eine Einsatzwechseltätigkeit vorliegt.
    Der Kläger ist seit dem 13. Mai 1974 bei der S AG in E als Elektromonteur beschäftigt. Seit dem 20. Juli 1987 arbeitet er im Kraftwerk B.
    In der Einkommensteuererklärung für 2006 hat er im Rahmen doppelter Haushaltsführung Kosten in Höhe von 7.720,20 € geltend gemacht, wobei er Familienheimfahrten (2.476,80 €) doppelt angegeben hatte. Der Arbeitgeber bescheinigte ihm am 22. März 2007 steuerfreie Auslösungen/Reisekosten in Höhe von 6.988,18 €, Übernachtungsanteile in Höhe von 5.951,68 €, Verpflegungspauschalen in Höhe von 12,00 €, Wochenendheimfahrten in Höhe von 1.024,50 € und Familienheimfahrten bei Einsatzwechseltätigkeit in Höhe von 3.158,10 €.
    In der Einkommensteuererklärung für 2007 hat er im Rahmen der doppelten Haushaltsführung Kosten in Höhe von 7.770,60 € geltend gemacht, wobei er ebenfalls die Familienheimfahrten doppelt angegeben hat (ebenfalls ein Betrag von 2.476,80 €). Nach der Arbeitgeberbescheinigung für 2007 vom 29. Januar 2008 betrugen die steuerfreien Auslösungen/Reisekosten 7.060,22 €, die Übernachtungsanteile 6.019,52 €, die Kosten für Wochenendheimfahrten 1.040,70 € und Familienheimfahrten bei Einsatzwechseltätigkeit 3.184,50 €). In den Einkommensteuerbescheiden für 2006 und 2007 vom 14. November 2008 hat der Beklagte die Kosten der doppelten Haushaltsführung anerkannt. Da der Arbeitgeber auf Grund der Annahme einer Einsatzwechseltätigkeit dem Kläger höhere Kosten erstattete, hat der Beklagte die Differenz für 2006 in Höhe von 4.902,88 € und für 2007 in Höhe von 4.990,52 € dem Arbeitslohn zugerechnet.
    Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 7. Oktober 2009 als unbegründet zurückgewiesen.
    Mit der Klage trägt der Kläger vor, dass er als Monteur eine berufliche Tätigkeit ausübe, die typischerweise vom Berufsbild her an wechselnden Einsatzstätten erfolge. Auf das Berufsbild allein sei nicht abzustellen, sondern auf das konkrete Dienstverhältnis in der Weise, ob nach dem Direktionsrecht des Arbeitgebers der Arbeitnehmer habe damit rechnen müssen, seine Arbeitsleistung an immer wieder anderen Arbeitsstätten zu erbringen. Die Behandlung als Einsatzwechseltätigkeit beruhe nicht auf der Unvorhersehbarkeit des Wechsels oder des Einsatzortes, sondern darauf, dass sich der Arbeitnehmer dem ständigen Wechsel nicht entziehen könne. Der Beklagte beurteile die individuelle Situation aus rückschauender Sicht und verneine damit allein im Hinblick auf die zeitliche Dauer des Arbeitseinsatzes in B, dass er in der Vergangenheit habe damit rechnen müssen, seine Arbeitsleistung an wechselnden Arbeitsstätten zu erbringen. Er sei seit 1974 bei der S AG beschäftigt und sei vor dem Einsatz in B auch noch an anderen Einsatzorten tätig gewesen. Aus der als Anlage beigefügten Bescheinigung des Arbeitgebers gehe hervor, dass dieser ihn als Arbeitnehmer mit Einsatzwechseltätigkeit eingestuft habe. Gemäß dem BFH-Urteil vom 9. Juli 2009 habe die Beurteilung, ob sich ein Arbeitnehmer auf eine bestimmte Tätigkeitsstätte einstellen müsse, aus der Sicht zum Zeitpunkt des Beginns der jeweiligen Tätigkeit (ex ante) zu erfolgen. Für diese Sicht des Arbeitnehmers sei allein das Arbeitsverhältnis und nicht die Vertragsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Kunde maßgeblich. Er sei von seinem Arbeitgeber weder speziell für die Arbeit im Kraftwerk B noch sei er während der gesamten Dauer seines bisherigen Arbeitsverhältnisses im Kraftwerk B eingesetzt gewesen. Die tatsächlich lange Tätigkeitsdauer resultiere aus einer Reihe von verschiedenen Bauaufträgen des Arbeitgebers, die im zeitlichen Anschluss aneinander vergeben worden seien. Die Einsatzorte seien im Zeitablauf immer wieder neu geplant und vergeben worden. Da er hinsichtlich seines Einsatzortes den Weisungen seines Arbeitgebers unterlegen habe, hätte er nicht davon ausgehen können, immer am gleichen Einsatzort im Kraftwerk B eingesetzt zu werden.
    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 3. Dezember 2009, 10. März 2010 und 13. August 2010 verwiesen.
    Die Kläger beantragen,
    unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 7. Oktober 2009 die Einkommensteuerbescheide für 2006 und 2007 vom 14. November 2009 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit der Bruttoarbeitslohn für 2006 in Höhe von 4.902,88 € und für 2007 in Höhe von 4.990,52 € gekürzt wird.
    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Zur Begründung führt er aus, dass nach dem Urteil des BFH vom 20. November 1987 für die Annahme einer Einsatzwechseltätigkeit nicht auf abstraktes Berufsbild, sondern auf die individuelle Situation abzustellen sei. Auf Grund der individuellen Situation sei der Kläger trotz seines Berufs als Monteur seit dem 20. Juli 1987 ununterbrochen in B und nicht auch an anderen Orten beschäftigt gewesen, weshalb auf Grund der Rechtsprechung des BFH es sich nicht um eine Einsatzwechseltätigkeit handele. Er habe nämlich nicht damit rechnen müssen, seine Arbeitsleistung an immer wieder anderen Arbeitsstätten zu erbringen. Hieran ändere auch nicht die lediglich abstrakte Möglichkeit einer Versetzung. Denn diesem „Risiko” sei eine Vielzahl von Arbeitnehmern ausgesetzt, so auch im öffentlichen Dienst, ohne dass eine Einsatzwechseltätigkeit gegeben sei. Die vom Kläger zitierte Rechtsprechung des BFH vom 9. Juli 2009 könne nicht zur Beurteilung herangezogen werden, da dieses Urteil die Frage betroffen habe, ob die betriebliche Einrichtung eines Kunden des Arbeitgebers auch bei längerfristigem Einsatz im Hinblick auf die Abzugsbeschränkung der Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nach § 9 Abs. 2 Einkommensteuergesetz -EStG- (Entfernungspauschale) die regelmäßige Arbeitsstätte des Arbeitnehmers darstelle. Im Streitfall gehe es nicht um Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, sondern um Einsatzwechseltätigkeit. Hier sei auch zutreffend eine „ex-ante”-Beurteilung vorgenommen worden. Die vorgelegte, allgemein gehaltene Arbeitgeberbescheinigung gebe im Streitfall nichts her. Der Arbeitgeber bescheinige lediglich, dass er den Kläger gem. § 9 EStG unabhängig von seinen Einsatzorten der Einsatzwechseltätigkeit zugeordnet habe. Der Kläger trage selbst vor, er sei nur vor seinem Einsatz in B im Jahr 1987 an anderen Orten tätig gewesen. Nach einer solch langen Tätigkeit am gleichen Einsatzort stelle B den Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit dar.
    Gründe
    Die Klage ist nicht begründet.
    Die Einkommensteuerbescheide für 2006 und 2007 vom 14. November 2008 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-).
    Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall auf Grund der konkreten Situation des Klägers keine Einsatzwechseltätigkeit vorliegt.
    Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und verweist insofern auf die zutreffenden Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 7. Oktober 2009 (§ 105 Abs. 5 FGO).
    Ergänzend wird ausgeführt, dass ein Arbeitnehmer eine Einsatzwechseltätigkeit ausübt, wenn er davon ausgehen muss, dass er seine individuelle berufliche Tätigkeit typischerweise nur an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten ausüben wird, z.B. als Bau- und Montagearbeiter, Leiharbeitnehmer und Mitglied einer Betriebsreserve für Filialbetriebe. Dabei kommt es nicht auf die Vorhersehbarkeit des Wechsels oder des Einsatzortes, sondern darauf an, dass sich der Arbeitnehmer dem ständigen Wechsel nicht entziehen kann. Es wird aber nicht auf die abstrakten Merkmale eines Berufsbildes abgestellt. Entscheidend ist vielmehr, ob der Arbeitnehmer auf Grund des konkret zu beurteilenden Dienstverhältnisses, also auf Grund seiner individuellen Berufssituation sich auf Fahrten zu immer wieder neuen Tätigkeitsstätten einzustellen hat, die er nicht durch eine entsprechende Wohnsitznahme vermeiden kann (Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer-Lohnsteuer „Einsatzwechseltätigkeit” Rz. 12).
    Maßgebend für die von Fahrten zwischen Wohnung und feste Arbeitsstätte abweichende Behandlung für Fahrten zu sog. ständig wechselnden Einsatzstellen ist der Umstand, dass der Arbeitnehmer - wie bei Dienstreisen - nicht laufend zur gleichen Arbeitsstätte fährt und deshalb nicht die Möglichkeit hat, durch eine entsprechende Wohnsitznahme selbst die Höhe seiner Fahrtaufwendungen zu bestimmen. Die besondere Behandlung von Arbeitnehmern mit sog. ständig wechselnden Einsatzstellen beruht nicht auf der Unvorhersehbarkeit des Wechsels oder des Einsatzortes, sondern darauf, dass der Arbeitnehmer dem ständigen Wechsel sich nicht entziehen kann. Die jeweils besonders weiten Fahrten entstehen nicht deshalb, weil der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz nicht in der Nähe seines Arbeitsortes gewählt hat, sondern vielmehr, weil der Arbeitsort ständig wechselt.
    Weiterhin ist bei Arbeitnehmern mit sog. ständig wechselnden Einsatzstellen kennzeichnend, dass sie einen Beruf ausüben, bei dem ein solcher ständiger Wechsel typisch ist. Da es indessen nicht darum geht, ein Sonderrecht für bestimmte Berufsgruppen zu schaffen, ist nicht auf die abstrakten Merkmale eines bestimmten Berufsbildes abzustellen, sondern darauf, ob der Arbeitnehmer des konkreten zu beurteilenden Dienstverhältnisses nach dem Direktionsrecht eines Arbeitgebers aller Voraussicht nach damit rechnen muss, dass er seine Arbeitsleistung an immer wieder anderen Arbeitsstätten zu erbringen hat. Der Berufstyp als solcher kann schon deshalb nicht allein entscheidend sein, weil einerseits Arbeitnehmer mit Berufen, bei denen der Einsatz an wechselnden Arbeitsstellen häufig vorkommt, auf Dauer nur an einer Arbeitsstelle beschäftigt sein können und andererseits Angehörige von Berufen, die üblicherweise an einem unveränderten Arbeitsplatz ausgeübt werden, an ständigen wechselnden Einsatzstellen beschäftigt sein können. Mithin kommt es nicht auf Berufsbilder, sondern darauf an, ob der jeweilige Arbeitnehmer auf Grund seiner individuellen Berufssituation sich auf Fahrten zu immer wieder neuen Arbeitsstätten einzustellen hat, die er nicht durch eine entsprechende Wohnsitznahme vermeiden kann (BFH-Urteil vom 20. November 1987 VI R 6/86, BStBl II 1988, 443).
    Im Streitfall ist der Kläger seit dem 20. Juli 1987 von seinem Arbeitgeber bei dem Kernkraftwerk in B eingesetzt. Es mag zwar zutreffend sein, dass er vor dieser Zeit von seinem Arbeitgeber an mehreren Baustellen eingesetzt worden ist. Weiterhin geht aus dem Arbeitsvertrag des Klägers nicht hervor, dass er nur für das Kernkraftwerk B eingesetzt worden ist, sondern es besteht auch die Möglichkeit, an anderen Baustellen des Arbeitgebers eingesetzt zu werden. Da er aber sei dem 20. Juli 1987 und damit seit nunmehr über 20 Jahren in B eingesetzt ist, besteht zwar die theoretische Möglichkeit, auch an anderen Baustellen eingesetzt zu werden, aber nach einem derart langen Zeitraum an einer Baustelle ist es nicht denkbar, dass der Kläger damit zu rechnen hat, auch an anderen Baustellen eingesetzt zu werden. Nach dem Berufsbild für den konkreten Fall kommt es allein darauf an, wie die individuelle Berufssituation in seinem Fall aussieht. Insofern hat der Kläger nicht damit zu rechnen, von seinem Arbeitgeber an immer wieder neuen Baustellen eingesetzt zu werden. Wie der BFH in seinem Urteil vom 20. November 1987 a.a.O. ausführt, geht es nicht darum, ein Sonderrecht für bestimmte Berufsgruppen zu schaffen, sondern, ob der Arbeitnehmer des konkreten zu beurteilenden Dienstverhältnisses nach dem Direktionsrecht seines Arbeitgebers damit zu rechnen hat, dass er seine Arbeitsleistung an immer wieder anderen Arbeitsstätten zu erbringen hat. Dieser Fall liegt hier nicht vor, da der Kläger seit 1987 nur in B eingesetzt worden ist.
    Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.

    VorschriftenEStG § 9 Abs. 1 Nr. 4

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