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  • 15.12.2011 · IWW-Abrufnummer 114068

    Finanzgericht Thüringen: Urteil vom 22.03.2011 – 4 K 820/10

    1. Ein außerbetriebliches Berufsfortbildungswerk, das das Kind im Rahmen seiner Berufsausbildung nach den Regelungen des Ausbildungsvertrags regelmäßig an insgesamt rund der Hälfte der planmäßigen Arbeitstage im Rahmen jeweils mehrwöchiger Ausbildungsabschnitte aufzusuchen hat, stellt – neben dem Ausbildungsbetrieb – eine weitere regelmäßige Ausbildungsstätte dar.


    2. Fahrtkosten zu dieser weiteren regelmäßigen Ausbildungsstätte sind im Rahmen der Prüfung, ob der Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überschritten ist, wie Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Werbungskosten zu berücksichtigen.


    Urteil
    In dem Rechtsstreit
    hat der IV. Senat des Thüringer Finanzgerichts … auf Grund der mündlichen Verhandlung in der Sitzung vom 22. März 2011 für Recht erkannt:
    1. Die Klage wird abgewiesen.
    2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
    3. Die Revision wird zugelassen.
    Tatbestand
    Die Parteien streiten darüber, ob die Einkünfte und Bezüge des Kindes der Klägerin im Streitjahr über dem Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 7.680 EUR bis 2009 lagen.
    Der am 7. April 1987 geborene Sohn der Klägerin (kurz: C) schloss am 27. April 2007 einen Berufsausbildungsvertrag (Blatt 22 der Gerichtsakte) mit dem S-Werk (kurz: Ausbilder). Die Ausbildung sollte 42 Monate vom 1. September 2007 bis 28. Februar 2011 dauern. Buchstabe C des Formblattvertrages, der den Ort der Ausbildung umschreiben sollte, war nicht ausgefüllt. Nach Buchstabe D des Vertrages sollten Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte im Berufsfortbildungswerk (bfw) GmbH Saalfeld stattfinden. Unter Buchstabe E war die Ausbildungsvergütung für die vier Ausbildungsjahre geregelt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Ausbildungsvertrag Bezug genommen. Die Klägerin hat eine vom Ausbildungsbetrieb bestätigte, farblich gekennzeichnete chronologische Auflistung der Verteilung der Einsatzzeiten auf die einzelnen Ausbildungsstätten und -einrichtungen (Blatt 56 und 57 der Gerichtsakte) vorgelegt, die von der Beklagten nicht mehr bestritten wird. Danach ergibt sich folgende zeitliche Verteilung der tatsächlich aufgesuchten Ausbildungsorte:

    KalenderjahrAusbildungsbetriebBerufsfortbildungswerkstattBerufsschuleIHK
    2007251190
    20089137770
    200942120601
    20109981571
    201104100
    Für den streitigen Zeitraum Januar bis Dezember 2009 hat C nach übereinstimmender Auffassung aller Beteiligter aus diesem Ausbildungsverhältnis ein Bruttoeinkommen in Höhe von 11.456,12 abzüglich der gesetzlichen Sozialabgaben in Höhe von 2.392,26 EUR, also Einnahmen in Höhe von 9.063,86 EUR erzielt. Im Rahmen der Überprüfung seiner Einkünfte durch die Beklagte machte die Klägerin folgende Werbungskosten des C geltend:
    – Gewerkschaftsbeiträge76,08 EUR
    – Arbeitskleidung und deren Reinigung (geschätzt)100,00 EUR
    – Kontoführungsgebühren (Pauschale)16,00 EUR
    – Schulbedarf (geschätzt)50,00 EUR
    – Fahrtkosten für Fahrten zur überbetrieblichen Berufsschule (einfache Entfernung 7 km, aufgesucht an 65 Tagen, 14 km × 65 × 0,30 EUR/km) 273,00 EUR
    – Fahrtkosten für Fahrten zum überbetrieblichen Berufsfortbildungswerk (einfache Entfernung 14 km, aufgesucht an 160 Tagen, 28 km × 160 × 0,30 EUR/km) 1.344,00 EUR
    – Fahrtkosten für Fahrt zur Zwischenprüfung (einfache Entfernung 57,5 km, aufgesucht an einem Tag, 115 km × 0,30 EUR/km)34,50 EUR
    1.893,58 EUR
    Mit Bescheid vom 04.06.2010 wurde die Kindergeldfestsetzung für C für den Zeitraum Januar bis Dezember 2009 aufgehoben und das für diese Monate gezahlte Kindergeld in Höhe von 2.068 EUR zurückgefordert, weil die Einkünfte und Bezüge des C den Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überstiegen hätten. Dabei setzte die Beklagte folgende Werbungskosten in Höhe von 1.171,58 EUR mindernd an:
    – Gewerkschaftsbeiträge0,00 EUR
    – Arbeitskleidung und deren Reinigung (geschätzt)100,00 EUR
    – Kontoführungsgebühren (Pauschale)16,00 EUR
    – Schulbedarf (geschätzt)50,00 EUR
    – Fahrtkosten für Fahrten zur überbetrieblichen Berufsschule (einfache Entfernung 7 km, aufgesucht an 65 Tagen, 14 km × 65 × 0,30 EUR/km) 273,00 EUR
    – Fahrtkosten für Fahrten zum überbetrieblichen Berufsfortbildungswerk (einf. Entfernung 14 km, aufgesucht an 160 Tagen, 14 km × 160 × 0,30 EUR/km) 672,00 EUR
    – Fahrtkosten für Fahrt zur Zwischenprüfung (einfache Entfernung 57,5 km, aufgesucht an einem Tag, 115 km × 0,30 EUR/km)34,50 EUR
    1.171.58 EUR
    Der Einspruch dagegen wurde mit Einspruchsentscheidung vom 28.08.2010 als unbegründet zurückgewiesen. Voraussetzung der Kindergeldfestsetzung sei gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG, dass die Einkünfte des Kindes und seine Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet seien, den gesetzlich festgelegten Grenzbetrag von 7.680 EUR für das jeweilige Kalenderjahr nicht überschritten. Als Einkünfte seien die Bruttoeinnahmen des Kindes aus den sieben steuerlichen Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG abzüglich der Werbungskosten bzw. der Betriebsausgaben anzurechnen. Vorliegend seien Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (z. B. Ausbildungsvergütung, Arbeitslohn) zu berücksichtigen. Zu den Einkünften gehörten auch Sonderzuwendungen, d. h. nicht monatlich gezahlte Vergütungen wie z. B. Weihnachts- und Urlaubsgeld. Von den Bruttoeinnahmen des Kindes seien dessen Werbungskosten abzuziehen. Weiterhin seien die Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung in Höhe des Arbeitnehmeranteils, die vom Arbeitgeber abgeführt worden seien und nicht in den Verfügungsbereich des Arbeitnehmers gelangt seien, nicht als Einkommen des Kindes zu berücksichtigen. Von den Einkünften und Bezügen des Kindes könnten dessen besondere Ausbildungskosten abgesetzt werden. Dabei handele es sich um ausbildungsbedingte Ausgaben, die nicht bereits Werbungskosten seien, jedoch der Höhe nach wie Werbungskosten berücksichtigt würden. Für den streitigen Zeitraum seien Einnahmen entsprechend der detaillierten Berechnung laut Anlage, auf die verwiesen werde, in Höhe von 9.063 EUR (Bruttoeinkommen in Höhe von 11.456,12 abzüglich gesetzliche Sozialabgaben in Höhe von 2.392,26 EUR) anzurechnen. Diese Einnahmen seien um Werbungskosten/besondere Ausbildungskosten in Höhe von 1.171,58 EUR (Auflistung wie zuvor aufgeführt) zu vermindern. Die Aufwendungen für die Fahrten zur Bildungswerkstatt Saalfeld könnten nicht als Auswärtstätigkeit berücksichtigt werden. Eine beruflich veranlasste Auswärtstätigkeit liege vor, wenn ein Arbeitnehmer vorübergehend außerhalb seiner Wohnung und an keiner seiner regelmäßigen Arbeitsstätten beruflich tätig werde. Die Bildungsstätte in Saalfeld sei hier als regelmäßige Arbeitsstätte zu betrachten. Die Familienkasse habe nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes die Höhe der Einkünfte und Bezüge eines Kindes selbständig und ohne Bindung an den Inhalt eines für das Kind ergangenen Einkommensteuerbescheids zu ermitteln. Dem für das Kind ergangenen Einkommensteuerbescheid komme für die Festsetzung des Kindergelds keine Bindungswirkung zu; es handele sich dabei nicht um einen Grundlagenbescheid. Die so ermittelten Einkünfte und Bezüge des Kindes von 7.892,28 EUR überschritten den maßgeblichen Grenzbetrag von 7.680 EUR. Somit bestehe für alle Anspruchsmonate nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 EStG innerhalb des Kalenderjahres kein Anspruch auf Kindergeld. Rechtsgrundlage für die Aufhebungsentscheidung sei § 70 Abs. 4 EStG. Hiernach sei die Kindergeldfestsetzung aufzuheben oder zu ändern, soweit nachträglich bekannt werde, dass die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 EStG über- oder unterschritten hätten. Die Erstattungspflicht ergebe sich aus § 37 Abs. 2 Abgabenordnung (AO). Hiernach sei eine Steuervergütung zu erstatten, soweit sie ohne rechtlichen Grund gezahlt worden sei. Dies sei vorliegend der Fall, weil ein Anspruch nicht bestanden habe und die Kindergeldfestsetzung deshalb insoweit aufgehoben worden sei. Die Erstattungsforderung von 2.068 EUR errechne sich aus den Zahlungen im streitigen Zeitraum von Januar bis Dezember 2009.
    Zur Begründung ihrer dagegen eingelegten Klage trägt die Klägerin vor, dass die Kindergeldfestsetzung aufgehoben worden sei, weil die Beklagte von einer Überschreitung der Freigrenze gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG bei den eigenen Einkünften und Bezügen des C ausgehe. Unstreitig habe sich C im Zeitraum 01.01.2009 bis 31.12.2009 in einer Berufsausbildung befunden. Ebenfalls unstreitig sei, dass C in dieser Zeit im Rahmen des Ausbildungsdienstverhältnisses Einnahmen in Höhe von 11.456,12 EUR erzielt habe und davon Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 2.336,35 EUR einbehalten worden seien. Werbungskosten seien im Jahr 2009 aber in Höhe von 1.675 EUR angefallen, und zwar:
    – Gewerkschaftsbeiträge76,08 EUR
    – Arbeitskleidung und deren Reinigung (geschätzt)100,00 EUR
    – Kontoführungsgebühren (Pauschale)16,00 EUR
    – Schulbedarf (geschätzt)50,00 EUR
    – Fahrtkosten für Fahrten zur überbetrieblichen Berufsschule (einfache Entfernung 7 km, aufgesucht an 60 Tagen, 14 km × 60 × 0,30 EUR/km) 252,00 EUR
    – Fahrtkosten für Fahrten zum überbetrieblichen Berufsfortbildungswerk (einf. Entfernung 14 km, aufgesucht an 120 Tagen, 28 km × 120 × 0,30 EUR/km) 1.008,00 EUR
    – Fahrtkosten für Fahrten zum Ausbildungsbetrieb (einfache Entfernung 7 km, aufgesucht an 42 Tagen, 7 km × 42 × 0,30 EUR/km)88,20 EUR
    – Fahrtkosten für Fahrt zur Zwischenprüfung (einfache Entfernung 57,5 km, aufgesucht an einem Tag, 115 km × 0,30 EUR/km)34,50 EUR
    1.674.78 EUR
    Auf die in Abstimmung mit den Ausbildern gefertigte Aufstellung über die Einsatzorte während der gesamten Ausbildung und auf die Aufstellung über die Urlaubstage (Blatt 44 – 46 der Gerichtsakte) werde verwiesen. Der praktische Teil der Ausbildung sei demnach so angelegt, dass diese anfangs überwiegend in der überbetrieblichen Berufsbildungswerkstatt absolviert und mit zunehmender Ausbildungsdauer immer mehr in den Ausbildungsbetrieb verlagert werde, bevor dann am Ende der Ausbildung die Vorbereitung auf die Abschlussprüfung wieder vorrangig in der Berufsbildungswerkstatt stattfinde. Zwar habe die praktische Ausbildung zumindest in den Jahren 2008 und 2009 häufig in der Berufsbildungswerkstatt stattgefunden, jedoch sei dies nur vorübergehend und eben gerade nicht auf Dauer angelegt und zudem unregelmäßig gewesen. Die Aufstellung der Einsatzorte zeige, dass die Berufsbildungswerkstatt während der gesamten Ausbildungsdauer zusammenhängend meist nur für kurze Zeiträume von häufig nicht mehr als zwei Wochen und außerdem in keinerlei Regelmäßigkeit bezüglich zusammenhängender Dauer, nämlich zwischen einer Woche und sechs Wochen, den Ort der praktischen Ausbildung darstelle. Zudem gebe es keine regelmäßigen Abstände zwischen den Ausbildungsabschnitten in der Berufsbildungswerkstatt. Dass die Berufsbildungswerkstatt während der gesamten Ausbildungsdauer von 42 Monaten eine der Ausbildungsstätten darstelle, sei unerheblich, denn nach Ansicht des BFH werde auch der Veranstaltungsort einer längerfristigen beruflichen Bildungsmaßnahme (im Urteilsfall vier Jahre) nicht zu einer weiteren regelmäßigen Arbeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG, wenn es sich um eine vorübergehende berufliche Bildungsmaßnahme handele. Entscheidend für die Berücksichtigung der Fahrtkosten sei vielmehr, ob der Arbeitnehmer den Betriebssitz des Arbeitgebers oder eine sonstige ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der er zugeordnet sei, nicht nur vorübergehend und unregelmäßig, sondern fortdauernd und mit einer gewissen Regelmäßigkeit aufsuche. Denn die typisierende Einschränkung der Abziehbarkeit von Fahrtkosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG stelle darauf ab, dass sich der Arbeitnehmer auf die immer gleichen Wege, die er dauerhaft und regelmäßig zurücklegen müsse, einstellen und so, etwa durch die Organisation von Fahrgemeinschaften oder eine zielgerichtete Verlegung des Wohnsitzes in der Nähe der regelmäßigen Arbeitsstätte, auf eine Minderung der Wegekosten hinwirken könne. Nur wenn sich der Arbeitnehmer in dieser Weise auf eine regelmäßige Arbeitsstätte einstellen könne, könne die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz Nr. 4 EStG als sachgerechte und folgerichtige Ausnahme vom objektiven Nettoprinzip angesehen werden. Dies sei vorliegend bei C bezüglich der Berufsbildungswerkstatt gerade nicht gegeben, da die Berufsbildungswerkstatt einen Ausbildungsort neben der Berufsschule und dem Ausbildungsbetrieb darstelle, der nur vorübergehend, in unregelmäßigen Abständen und von unregelmäßiger Dauer aufgesucht werden müsse. Somit könne es sich bei der Berufsbildungswerkstatt nicht um eine regelmäßige Ausbildungsstätte im Sinne einer regelmäßigen Arbeitsstätte gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG handeln. Vielmehr könne nach der einschlägigen Rechtsprechung eine regelmäßige Arbeitsstätte nur vorliegen, wenn es sich um eine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers handele. Die Darstellung der Beklagten, dass die Ausbildung zu keinem Zeitpunkt im Ausbildungsbetrieb absolviert werde, sei nicht zutreffend. Die von der Beklagten beim Ausbildungsbetrieb eingeholten Angaben, nach denen es im Ausbildungsbetrieb keine Ausbildungswerkstatt und auch keine Ausbilder gebe, könnten diese Schlussfolgerung nicht rechtfertigen. Tatsache sei, dass C im Kalenderjahr 2009 an 42 Tagen im Ausbildungsbetrieb tätig gewesen sei. Somit handele es sich bei dem S-Werk um eine Arbeits- oder Ausbildungsstätte im Rahmen des Ausbildungsdienstverhältnisses neben anderen, welche im Jahr 2009 nicht so oft aufgesucht worden seien wie die Berufsbildungswerkstatt, andererseits aber wiederum 2010 öfter aufgesucht worden sei als die Berufsbildungswerkstatt. Der Schwerpunkt der praktischen Ausbildung möge über die gesamte Ausbildungsdauer in der Berufsbildungswerkstatt liegen. Dies sei jedoch nicht maßgeblich für die Beurteilung, ob es sich bei der Berufsbildungsstätte um eine regelmäßige Arbeits- bzw. Ausbildungsstätte im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG handele. Dafür sei nach der Intention des Gesetzgebers allein entscheidend, ob es sich überhaupt um eine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers bzw. Ausbildungsbetriebes des Kindes handele. Deshalb könne bei der Berufsbildungswerkstatt keine regelmäßige Ausbildungsstätte im Sinne einer regelmäßigen Arbeitsstätte gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG vorliegen. Von der Beklagten seien nur Werbungskosten in Höhe von 1.171,58 EUR anerkannt und die Einkünfte des C mit einem Betrag von 7.892,28 EUR berücksichtigt worden. Tatsächlich habe C im Jahr 2009 aber über Einkünfte in Höhe von 7.444,99 EUR verfügt. Von der Beklagten nicht anerkannt worden sei, dass es sich bei den Gewerkschaftsbeiträgen um Werbungskosten handele und dass die Fahrten zur überbetrieblichen Fortbildungswerkstatt nicht nur mit der einfachen Entfernung zu berücksichtigen seien, sondern nach Reisekostengrundsätzen mit der tatsächlich mit dem eigenen Pkw zurückgelegten Strecke. Die Berücksichtigung lediglich der einfachen Entfernung wäre nur zutreffend, wenn es sich bei der Berufsbildungswerkstatt um eine dauerhafte betriebliche Einrichtung des Ausbildungsbetriebes des C handele, denn nur dann würde eine regelmäßige Ausbildungsstätte im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG vorliegen.
    Die Klägerin stellt den Antrag,
    den Bescheid vom 04.06.2010 über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für das Kind C. für die Zeit Januar bis Dezember 2009 und über die Anordnung der Erstattung des Kindergeld für die Monate Januar bis Dezember 2009 in Höhe von 2.068 EUR, in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.08.2010, aufzuheben;
    die Kosten des Verfahrens der Beklagten aufzuerlegen;
    die Revision zuzulassen;
    die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären;
    das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
    Die Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Zur Begründung ihres Antrages trägt sie vor, dass die Gewerkschaftsbeiträge in Höhe von 76,08 EUR berücksichtigt worden seien. Die Aufwendungen für Arbeitskleidung seien mit dem als Schätzung angegebenen Betrag von 100 EUR ebenso berücksichtigt worden wie die Kontoführungsgebühren in Höhe von 16 EUR. Die Aufwendungen für Schulbedarf seien nicht berücksichtigt worden, da diese weder konkret vorgetragen noch nachgewiesen worden seien. Fahrten zur überbetrieblichen Ausbildungsstätte in Saalfeld seien nicht im Rahmen einer Auswärtstätigkeit berücksichtigt worden. Es sei nur ein Ansatz der Entfernungskilometer in Höhe von 672 EUR mit der Begründung erfolgt, dass es sich bei dieser Ausbildungsstätte um die regelmäßige Ausbildungsstätte des C gehandelt habe. An dieser Rechtsauffassung werde festgehalten. Regelmäßige Arbeitsstätte sei der ortsgebundene Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers, unabhängig davon, ob es sich um eine Einrichtung des Arbeitgebers handele.
    Regelmäßige Arbeitsstätte sei insbesondere jede ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet sei und die er mit einer gewissen Nachhaltigkeit immer wieder aufsuche. Von einer regelmäßigen Arbeitsstätte sei auszugehen, wenn die betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers vom Arbeitnehmer durchschnittlich im Kalenderjahr an einem Arbeitstag je Arbeitswoche aufgesucht werde. Ausbildungsbetrieb sei vorliegend das S-Werk, denn mit diesem sei der Ausbildungsvertrag geschlossen worden. Die Ausbildung selbst werde jedoch dort zu keinem Zeitpunkt absolviert. Eine entsprechende Nachfrage beim Ausbildungsbetrieb habe ergeben, dass es im S-Werk selbst keine Ausbildungswerkstatt und keine Ausbilder gebe. Die praktische Ausbildung werde aufgrund einer vertraglichen Regelung in und von der überbetrieblichen Ausbildungsstätte bfw Saalfeld durchgeführt. Dies sei unter Buchstabe D des Ausbildungsvertrages geregelt. Daher sei das bfw der regelmäßige Ort der Ausbildung und damit die regelmäßige Ausbildungsstätte des C. Dabei handele es sich um den Ausbildungsort, der im Ausbildungsvertrag festgehalten sei und an dem C regelmäßig und hauptsächlich ausgebildet werde. Er sei dem bfw Saalfeld für die Dauer der Ausbildung insoweit dauerhaft zugeordnet. Es handele sich dabei um einen Vertragspartner des Ausbildungsbetriebes, der zur Durchführung der Ausbildung bestimmt und vertraglich verpflichtet sei. Dabei sei unerheblich, dass das bfw eine eigene Firma und keine betriebliche Einrichtung des S-Werkes sei. Überdies könne hier von unregelmäßigen Einsätzen keinesfalls die Rede sein, denn C werde während der gesamten Ausbildung überwiegend im bfw Saalfeld praktisch ausgebildet. Allein im Jahr 2009 habe er 120 Tage der Ausbildung dort absolviert. Nach Abzug der berücksichtigten erhöhte Werbungskosten in Höhe von 1.171,58 EUR verblieben Einkünfte in Höhe von 7.892,28 EUR, die den Grenzbetrag von 7.680 EUR überstiegen.
    Entscheidungsgründe
    Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angegriffene Verwaltungsakt ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).
    Die Klägerin hat keinen Anspruch auf das streitige gesetzliche Kindergeld für C für die Monate Januar bis Dezember 2009. Die Einkünfte des C haben den im Streitjahr 2009 geltenden Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in Höhe von 7.680 EUR überstiegen.
    Gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG wird ein Kind nach Satz 1 Nummern 1 und 2 (volljähriges Kind) nur dann für das Kindergeld bzw. den Kinderfreibetrag berücksichtigt, wenn es neben den hier unstreitig vorliegenden weiteren Voraussetzungen für den Kindergeldbezug Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 7.680 EUR hat.
    Der Begriff der Einkünfte im Sinne von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG entspricht dem in § 2 Abs. 2 EStG gesetzlich definierten Begriff und ist im Streitfall als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu verstehen. Erzielt das Kind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sind daher von den Bruttoeinnahmen die Werbungskosten abzuziehen (Urteil des BFH vom 21.10.2010 III R 18/10, Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH/NV – 2011, 251).
    Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes (Beschluss des BVerfG vom 11.01.2005 – 2 BvR 167/02, Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts – BVerfGE – 112, 164, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260) sind im Wege verfassungskonformer Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG Einkünfte nur zu berücksichtigen, soweit sie zur Bestreitung des Unterhalts und der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind. Diejenigen Beträge, die – wie die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge – von Gesetzes wegen dem Einkünfte erzielenden Kind oder dessen Eltern nicht für den Unterhalt zur Verfügung stehen, sind nicht als Einkünfte anzusetzen. Die vom Arbeitslohn einbehaltene Lohnsteuer ist aber nicht von den Einkünften abzusetzen (Urteil des BFH vom 26.09.2007 III R 4/07, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFHE – 219, 112, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2008, 738). Danach sind vorliegend von den Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit des C im Rahmen seines Ausbildungsarbeitsverhältnisses in Höhe von 11.456,12 EUR die gesetzlichen Sozialabgaben in Höhe von 2.392,26 EUR abzuziehen, sodass sich ein Betrag in Höhe von 9.063,86 EUR ergibt.
    Die Klägerin kann jedoch höchstens 1.120,70 EUR als Werbungskosten von den vorgenannten Betrag abziehen, sodass der C nach den Feststellungen des Senats Einkünfte in Höhe von 7.943,16 EUR erzielt, die den Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 S. 2 EStG in Höhe von 7.680 EUR übersteigen. Bei dieser Berechnung hat der Senat den Gewerkschaftsbeitrag mit 76,08 EUR, eine Pauschale für Arbeitskleidung mit 100 EUR, eine Pauschale für die Kontoführung mit 16 EUR, eine Pauschale für Schulbedarf in Höhe von 50 EUR, die Fahrtkosten zum S-Werk für 42 Tage mit 7 Entfernungskilometern und einer Fahrtkostenpauschale von 0,30 EUR pro Entfernungskilometer, insgesamt mit 88,20 EUR, die Fahrten zur Berufsschule mit den angegebenen 252 EUR sowie die Fahrt zur Zwischenprüfung mit den erklärten 34,50 EUR angesetzt. Die Pauschalen für Arbeitskleidung und Schulbedarf wurden ohne nähere Prüfung der Voraussetzungen für den Werbungskostenabzug angesetzt, weil sie unter keinen Umständen Einfluss auf das Ergebnis der Entscheidung haben können. Insoweit sind Werbungskosten in Höhe von 616,78 EUR zu berücksichtigen.
    Der Senat ist jedoch entgegen der Auffassung der Klägerin der Überzeugung, dass die 120 Fahrten von der Wohnung des C (der Eltern des C) zu dem 14 km entfernt liegenden überbetrieblichen Berufsfortbildungswerk in Saalfeld Fahrten Wohnung Arbeitsstätte/Ausbildungsstätte darstellen und deshalb nur mit der Entfernungspauschale von 0,30 EUR für den Entfernungskilometer angesetzt werden können. Dementsprechend können für diese Fahrten nur 120 × 14 km × 0,30 EUR/km = 504 EUR und nicht, wie die Klägerin geltend macht, 1.008 EUR als Werbungskosten berücksichtigt werden.
    Aufwendungen im Zusammenhang mit der vorliegenden Berufsausbildung des C sind, wenn sie wie hier unstreitig beruflich veranlasst sind, Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Als Werbungskosten abziehbar sind sämtliche Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der beruflichen Bildungsmaßnahme stehen. Hierher gehören auch die in diesem Verfahren in erster Linie streitigen Fahrtkosten des C von der Wohnung seiner Eltern zu dem bfw Saalfeld. Fahrkosten sind grundsätzlich gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen (Urteil des BFH vom 10.04.2008 VI R 66/05, BFHE 221, 35, BStBl II 2008, 825). Im Interesse der verfassungsrechtlich gebotenen steuerlichen Lastengleichheit hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, im Einkommensteuerrecht die objektive finanzielle Leistungsfähigkeit nach dem Saldo aus den Erwerbseinnahmen einerseits und den beruflichen Erwerbsaufwendungen andererseits zu bemessen (objektives Nettoprinzip). Auch Kosten für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind danach beruflich veranlasst und damit Erwerbsaufwendungen. Das objektive Nettoprinzip erfährt allerdings durch § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG insoweit eine Einschränkung, als die Fahrtkosten zwischen Wohnung und (regelmäßiger) Arbeitsstätte nicht im tatsächlichen Umfang steuerlich abziehbar sind, sondern nur im Umfang einer Entfernungspauschale in Höhe von 0,30 EUR/Entfernungskilometer. Diese Begrenzung ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sachlich gerechtfertigt (Urteile des BFH vom 10.04.2008 IV R 46/05, a. a. O. und vom 11. Mai 2005 VI R 7/02, BFHE 209, 502, BStBl II 2005, 782). Denn liegt eine auf Dauer und Nachhaltigkeit angelegte (regelmäßige) Arbeitsstätte (hier Ausbildungsstätte) vo r, so kann sich der Auszubildende in unterschiedlicher Weise auf die immer gleichen Wege einstellen und so auf eine Minderung der Wegekosten hinwirken. Dies kann etwa durch Bildung von Fahrgemeinschaften und Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und ggf. durch eine entsprechende Wohnsitznahme geschehen. Deshalb erweist sich die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG als sachgerechte und folgerichtige Ausnahme vom objektiven Nettoprinzip. Liegt jedoch keine auf Dauer und Nachhaltigkeit angelegte (regelmäßige) Arbeitsstätte vor, auf die sich der Arbeitnehmer typischerweise in der aufgezeigten Weise einstellen kann, ist eine Durchbrechung der Abziehbarkeit beruflich veranlasster Mobilitätskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sachlich nicht gerechtfertigt. Dies gilt nicht nur für Auswärtstätigkeiten, sondern – so der BFH in dem von der Klägerin zur Begründung für ihre Rechtsauffassung angeführten Urteil vom 10.04.2008 VI R 66/05, a. a. O. – u. a. auch dann, wenn ein vollbeschäftigter Arbeitnehmer mit regelmäßiger Arbeitsstätte eine – zeitlich befristete bzw. nicht auf Dauer angelegte – Bildungseinrichtung an einem anderen Ort aufsucht. Ein solcher Arbeitnehmer hat typischerweise nicht die vorbezeichneten Möglichkeiten, seine Wegekosten gering zu halten.
    Die Ausbildungsstelle beim bfw Saalfeld stellte nach Überzeugung des hier entscheidenden Senats nach den vorgenannten Kriterien eine regelmäßige Arbeitsstätte/Ausbildungsstätte im Sinne von § 9 Abs. 1 Nummer 4 S. 1 EStG dar, sodass für die hier streitigen 120 Fahrten die Pauschale von 0,30 EUR/Entfernungskilometer für die 14 Entfernungskilometer und nicht die Summe der wirklich gefahrenen Kilometer maßgeblich ist. Arbeitsstätte im Sinne dieser Vorschrift ist (nur) die regelmäßige Arbeitsstätte (Urteil des BFH vom 11.05.2005 VI R 25/04, BFHE 209, 523, BStBl II 2005, 791). Dies ist der (ortsgebundene) Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers (s. auch R 37 Abs. 2 Satz 1 der Lohnsteuer Richtlinien – LStR –). Eine entsprechende Regelung gleichen Inhalts zur Anerkennung von Verpflegungsmehraufwendungen enthält nunmehr auch § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG i. V. m. § 9 Abs. 5 EStG. Auch dort wird gefordert, dass der Steuerpflichtige vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit entfernt tätig wird. Regelmäßige Arbeitsstätte i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ist der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung zu erbringen hat; dies ist im Regelfall der Betrieb oder eine Betriebsstätte des Arbeitgebers/Ausbilders. Demgegenüber ist es nach der aufgeführten Rechtsprechung des BFH nicht von Belang, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer an der regelmäßigen Arbeitsstätte beruflich tätig wird. Der Betrieb des Arbeitgebers ist auch dann als (regelmäßige) Arbeitsstätte i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG anzusehen, wenn der Betrieb nur gelegentlich, aber mit einer gewissen Regelmäßigkeit aufgesucht wird, um seine Arbeitsverpflichtungen zu erfüllen. Ob ein Arbeitnehmer eine regelmäßige Arbeitsstätte innehat, richtet sich nicht danach, welche Tätigkeit er an dieser Arbeitsstätte im Einzelnen wahrnimmt oder wahrzunehmen hat bzw. welches konkrete Gewicht dieser Tätigkeit zukommt. Wo der Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit liegt, bestimmt sich nicht nach den qualitativen Merkmalen einer wie auch immer gearteten Arbeitsleistung. Entscheidend sowohl für die Berücksichtigung von Fahrtkosten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG als auch von Verpflegungsmehraufwendungen nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG (i. V. m. § 9 Abs. 5 EStG) ist, ob ein Arbeitnehmer den Betriebssitz des Arbeitgebers oder sonstige ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtungen, denen er zugeordnet ist, nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, d. h. fortdauernd und immer wieder aufsucht (Urteil des BFH vom 11.05.2005 VI R 25/04, a. a. O.). Ein Arbeitnehmer kann auch mehrere Arbeitsstätten innehaben, wenn er sie nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit aufsucht (Beschluss des BFH vom 06.11.2008 VI B 54/08, Homepage des BFH, Haufe Steuer Office Kanzlei Edition). Die regelmäßige Arbeitsstätte unterscheidet sich von einer Auswärtstätigkeit nach der neueren Rechtsprechung des BFH (Urteil des BFH vom 17.06.2010 VI R 35/08, BFHE 230, 147, BStBl II 2010, 852) nicht danach, ob der Arbeitnehmer aus einer ex post-Betrachtung tatsächlich an einem bestimmten Ort für längere Zeit tätig gewesen war, sondern danach, ob sich der Arbeitnehmer zu Beginn der jeweiligen Tätigkeit „ex ante”) darauf hatte einrichten können, dort dauerhaft tätig zu sein. Deshalb ist auch eine Tätigkeitsstätte beim Kunden des Arbeitgebers keine regelmäßige Arbeitsstätte. Denn selbst dann, wenn ein Arbeitnehmer jahrelang bei einem bestimmten Kunden seines Arbeitgebers tätig gewesen sein sollte, hatte sich der Arbeitnehmer darauf typischerweise nicht einstellen können. Denn z. B. ein Leiharbeitnehmer ist typischerweise stets bei Kunden seines Arbeitgebers tätig. Damit ist zwar nicht ausgeschlossen, dass der Leiharbeitnehmer auch länger-fristig an einer bestimmten Tätigkeitsstätte zum Einsatz kommen kann. Die Einsatzdauer ist aber letztlich von der konkreten, aber oft nicht vorhersehbaren Ausgestaltung und Dauer der jeweiligen vertraglichen Beziehung zwischen dem Arbeitgeber und dessen Kunden abhängig.
    Gemessen an diesen rechtlichen Vorgaben handelt es sich bei der Ausbildungsstelle beim bfw Saalfeld um eine regelmäßige weitere Arbeitsstätte/Ausbildungsstätte des C. Mit Abschluss des Berufsausbildungsvertrages von 27.4.2007 konnte C sich darauf einstellen, dass die praktische Ausbildung weitgehend (auch) in den Räumen des Berufsfortbildungswerkes Saalfeld stattfindet. Dies war im Ausbildungsvertrag unter Buchstabe D geregelt. Der Senat verkennt nicht, dass in dieser Vertragsklausel „Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte” beschrieben werden. Bei der Auslegung dieser Klausel ist aber zu beachten, dass unter dem formularmäßig vorgesehenen Buchstaben C des Vertrages der Ort der Ausbildung selbst nicht ausdrücklich angegeben wurde. Der dafür vorgesehene formularmäßige Raum für individuelle Eintragungen wurde von den Vertragsparteien nicht ausgefüllt. Demgegenüber ist die Klausel unter Buchstabe D konkret durch Eintragung in das vorgesehene Formularfeld geregelt. Dabei ist zu beachten, dass ein detaillierter Ausbildungsplan existiert, der genau bestimmt, in welchen Ausbildungsstätten die praktische Ausbildung stattfindet. Durch die Vertragsbestimmung „(mit Zeitraumangabe)” unter Punkt D des Vertrages ist diese „Lehrplanaufstellung C. 2007 – 2011” Bestandteil des Ausbildungsvertrages geworden. Auch wenn dieser quantitative Ansatz nicht entscheidend ist für die Qualifizierung der Ausbildungsstätte, ist doch festzustellen, dass von insgesamt 744 Ausbildungstagen 379 (50,94 %) aufgrund der ausbildungsvertraglichen Regelung von vornherein in den Räumen des bfw Saalfeld abgeleistet werden sollten, während in den Räumen des S-Werkes (Ausbildungsbetrieb) nur 150 Tage (20,16 %) durchgeführt werden sollten. Das bfw wurde, wie ein Blick auf den bunt dargestellten Lehrplan zeigt, von C auch nicht nur gelegentlich, sondern mit einer großen Nachhaltigkeit, d. h. fortdauernd und immer wieder aufgesucht, Kriterien, die der BFH für die Qualifizierung als regelmäßige Ausbildungsstätte (z. b. im Urteil vom 11.05.2005 VI R 25/04, a. a. O.) aufgestellt hat. So war C im Streitjahr 2009 ebenso wie in 2008 in jeweils 11 teilweise mehrere Wochen dauernden Ausbildungsabschnitten im bfw Saalfeld beschäftigt. Nach Auffassung des Senates ist deshalb der Berufsausbildungsvertrag dahingehend auszulegen, dass die praktische Berufsausbildung in zwei Ausbildungsstätten durchgeführt wird. Im bfw sollte die Unterweisung in den grundsätzlichen, für den Beruf des Elektronikers für Betriebstechnik generell notwendigen praktischen Fertigkeiten erfolgen, während im S-Werk wohl eher nur die betriebsspezifischen Kenntnisse vermittelt wurden. Hierfür spricht auch der von der Klageseite nicht konkret bestrittene bzw. widerlegte Einwand der Beklagten, dass nach Mitteilung des Ausbildungsbetriebes im S-Werk überhaupt keine Ausbilder und keine Lehrwerkstatt vorhanden sind. Die allgemeinpraktische Ausbildung konnte demgemäß nur in den Räumen des bfw durchgeführt werden. Dabei ist auch zu bedenken, dass die Ausbildungsfirma mit dem bfw Saalfeld einen Ausbildungsvertragspartner mit der allgemeinpraktischen Ausbildung beauftragt hat, der seinen Betrieb rein räumlich in solch einer Nähe zum Ausbildungsbetrieb unterhielt, dass die Lehrlinge beide Betriebsstätten ohne Mühe von ihren Wohnungen aus erreichen konnten. Sie konnten sich also auf beide regelmäßigen Ausbildungsstätten in gleicher Weise einstellen und so auf die Minderung der Wegekosten hinwirken, wie diese der BFH in den bisher zitierten BFH-Urteilen fordert.
    Der vorliegende Sachverhalt ist auch von dem Sachverhalt des Leiharbeitnehmers zu unterscheiden, der in den Räumen eines Kunden seines Arbeitgebers seine Arbeit ve rrichtet. Der Sohn der Klägerin hatte aufgrund einer vorherigen vertraglichen Vereinbarung einen Anspruch gegenüber seinem Arbeitgeber auf Ausbildung in den Räumen des bfw. Das bfw erfüllte eine vertragliche Verpflichtung des Ausbildungsbetriebes gegenüber dem C auf Ausbildung im allgemeinpraktischen Bereich. C konnte sich deshalb aufgrund seines Ausbildungsvertrages von vornherein auf eine Tätigkeit in den Räumen des bfw über die gesamte Dauer der Ausbildung einstellen. Demgegenüber erfüllt ein Leiharbeitnehmer eine vertragliche Verpflichtung seines Arbeitsgebers gegenüber dessen Kunden. Er wird ohne eigenen Anspruch auf Ableistung seiner Arbeit in den Räumen eines bestimmten Kunden des Arbeitgebers entsprechend der betriebswirtschaftlichen Dispositionen seines Arbeitgebers an verschiedenen Stellen tätig. Er kann sich deshalb nicht darauf einstellen, wie lange er bei bestimmten Kunden seines Arbeitgebers eingesetzt wird.
    Ob, wie der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung vortrug, nach Abschluss der Ausbildung eine Übernahme beim Ausbildungsbetrieb erfolgt, ist für die Beurteilung im vorliegenden Fall ohne Bedeutung, weil ein Ausbildungsverhältnis ein zeitlich in sich geschlossenes Rechtsverhältnis darstellt und es den Ausbildungsvertragsparteien nach Abschluss des Ausbildungsverhältnisses rechtlich freisteht, das Rechtsverhältnis fortzusetzen und im Laufe des Ausbildungsverhältnisses auch überhaupt nicht feststeht, ob der Lehrling die Ausbildung überhaupt erfolgreich abschließt.
    Die von vornherein getroffene vertragliche Gestaltung des Ausbildungsverhältnisses mit der Durchführung der Ausbildung in zwei Ausbildungsstätten unterscheidet den vorliegenden Sachverhalt auch von dem Sachverhalt, den der Bundesfinanzhof im Urteil vom 22.10.2009 (III R 101/07, BFH/NV 2010, 200) entschieden hat. In dieser Entscheidung hat der Bundesfinanzhof klargestellt, dass die Fachhochschule, in der ein Rechtspflegeranwärter im Rahmen seiner Ausbildung Studienabschnitte von 12 Monaten beziehungsweise 9 Monaten absolvierte, keine regelmäßige Arbeitsstätte/Ausbildungsstätte darstellt. Bei dem Ausbildungsverhältnis des Rechtspflegers wurde zu Beginn vertraglich ein bestimmtes Amtsgericht als Stammdienststelle bestimmt. Im Laufe der Ausbildung wurde er dann, auch wenn dies in der Ausbildungsordnung unabweislich vorgeschrieben war, zur Durchführung der theoretischen Ausbildung an der Fachhochschule gesondert abgeordnet. Im Anschluss an die Studienabschnitte kehrte der Rechtspflegeranwärter wieder an seine Stammdienststelle zurück. Demgegenüber war für C vorliegend von vornherein das bfw als weitere Ausbildungsstelle für die praktische Ausbildung über den gesamten Ausbildungszeitraum vorgesehen. Eine besondere Abordnung zum bfw durch den Ausbildungsbetrieb musste deshalb auch nicht erfolgen, weil die Ausbildungszeiten beim bfw vertraglich feststanden. Die Studienausbildung des Rechtspflegers an der Fachhochschule entspricht den theoretischen Ausbildungsabschnitten des C in der Berufsschule, in der 213 (28,63 %) der 744 Ausbildungstage blockweise an einem anderen Ort als den vertraglich vereinbarten regelmäßigen Ausbildungsstätten durchgeführt wurden und für die die Auszubildenden von ihrem Ausbildungsbetrieb freigestellt werden mussten. Diese Blockunterrichtsabschnitte in der Berufsschule wurden im Streitfall als Tätigkeit außerhalb der regelmäßigen Ausbildungsstelle steuerlich berücksichtigt, sodass die Fahrten dorthin ungekürzt steuerlich anzusetzen waren.
    Ist aber, wie die vorherigen Ausführungen belegen, das bfw Saalfeld eine weitere Ausbildungsstelle des C, so sind die Fahrten des C dorthin als Fahrten Wohnung Arbeitsstätte/Ausbildungsstätte zu qualifizieren, die mit der Entfernungspauschale gemäß § 9 Abs. 1 Nummer 4 EStG in Höhe von 0,30 EUR/Entfernungskilometer steuerlich zu berücksichtigen sind und nicht mit 0,30 EUR je gefahrenem Kilometer. Damit übertreffen die Einkünfte des C den Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 S. 2 EStG in Höhe von 7.680 EUR und das streitige Kindergeld kann für das Streitjahr 2009 nicht gewährt werden.
    Die Beklagte hat deshalb zu Recht die Festsetzung des Kindergeldes für die Monate Januar bis Dezember 2009 gemäß § 70 Abs. 4 EStG mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben. Nach dieser Vorschrift ist die Kindergeldfestsetzung aufzuheben, wenn nachträglich bekannt wird, dass die Einkünfte und Bezüge des Kindes, wie oben dargestellt, den Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 überschreiten. Die Behörde hat insoweit keinen Ermessensspielraum (Urteil des BFH vom 14. Oktober 2003 VIII R 56/01, BStBl II 2004, 123,BFHE 203, 472). Auf das Verschulden des Kindergeldberechtigten kommt es nicht an (vgl. Beschluss des BFH vom 18. Dezember 1998 VI R 215/98, BFHE 187, 559, BStBl II 1999, 231).
    Die Familienkasse war damit auch berechtigt, die rückwirkende Erstattung des Kindergeldes für diese Monate anzuordnen. Da die Kindergeldfestsetzungen für die streitbefangenen Monate gemäß § 70 Abs. 4 EStG aufgehoben wurden, hat die Klägerin das Kindergeld ohne rechtlichen Grund erhalten und deshalb gemäß § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) zu erstatten.
    Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung gem. § 115 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Dem Gericht ist bekannt, dass gerade größere Unternehmen zunehmend häufiger die vorliegend entscheidungserhebliche Gestaltung wählen, dass die allgemeinpraktische Berufsausbildung nicht mehr in den eigenen Räumen des Betriebs durchgeführt, sondern gegen Bezahlung von speziellen Ausbildungsbetrieben übernommen wird, und nur noch die betriebsspezifischen Ausbildungsabschnitte in den eigenen Räumen des Ausbildungsbetriebes stattfinden. Da die Abgrenzung, ob es sich bei diesem speziellen Ausbildungsbetrieb um eine weitere regelmäßige Ausbildungsstätte handelt oder ob der Auszubildende nur in den Räumen seines Ausbildungsvertragspartners eine regelmäßige Ausbildungsstätte hat, schwer vorzunehmen ist, aber wegen der zunehmenden Anzahl derartiger Ausbildungsverhältnisse immer bedeutender wird, erscheint eine höchstrichterliche Klärung der Abgrenzungsfrage notwendig.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    VorschriftenEStG § 32 Abs. 4 S. 2, EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4