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  • 31.05.2012 · IWW-Abrufnummer 122436

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 21.03.2012 – 4 K 4095/10

    1. Der Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG greift auch dann ein, wenn in nur einem Teil des Kalenderjahres unbeschränkte Steuerpflicht besteht und im anderen Teil keine in Deutschland zu besteuernden Einkünfte anfallen.
    2. Auch wenn nur in einem Teil des Kalenderjahres eine unbeschränkte Steuerpflicht besteht, ist der Veranlagungszeitraum das Kalenderjahr.
    3. Die Anwendung des Progressionsvorbehalts setzt nicht voraus, dass das DBA dies positiv erlaubt. Sie ist nur dann ausgeschlossen, wenn das DBA sie verbietet. Ein solches Verbot ist im DBA-Schweiz nicht enthalten.
    4. Die Bestimmung des Steuersatzes, mit dem die während der Dauer der unbeschränkten Steuerpflicht erzielten Einkünfte besteuert werden, ist ausschließlich Sache des Ansässigkeitsstaates. Folglich entscheidet sich allein nach dem deutschen innerstaatlichen Steuerrecht, ob ein Progressionsvorbehalt anzuwenden ist.


    Im Namen des Volkes
    Urteil
    In dem Finanzrechtsstreit
    hat der 4. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg in der Sitzung vom 21. März 2012 durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Ehrenamtliche Richterin … Ehrenamtlichen Richter …
    für Recht erkannt:
    1) Die Klage wird abgewiesen.
    2) Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
    3) Die Revision wird zugelassen.
    Tatbestand
    Streitig ist, ob Einkünfte der Klägerin (Klin) aus nichtselbständiger Arbeit, die sie nach ihrem Umzug in die Schweiz aus einer dort ausgeübten nichtselbständigen Tätigkeit erzielt hat, im Jahr des Umzugs bei der deutschen Besteuerung im Wege des Progressionsvorbehalts berücksichtigt werden dürfen.
    Die Kläger (Kl) sind seit dem Jahr 1999 miteinander verheiratet. Bis zum 31. Juli 2004 lebten sie im Inland, wo die Klin als Angestellte nichtselbständig beschäftigt war. Seit dem Umzug der Kl in die Schweiz am 1. August 2004 war die Klin in der Schweiz nichtselbständig tätig.
    Am 8. November 2005 reichten die Kl ihre Einkommensteuer(ESt)-Erklärung für das Streitjahr beim Beklagten (Bekl) ein. Dabei erklärten sie für die Klin den bis zum 31. Juli 2004 angefallenen inländischen Arbeitslohn in Höhe von 29.195 EUR. Weiter führten sie aus, es würden in der deutschen ESt-Erklärung nach Art. 4 Abs. 5 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-Schweiz) nur die deutschen Einkünfte erklärt, da die Klin im Jahr 2004 sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz unbeschränkt steuerpflichtig gewesen sei.
    Mit Bescheid vom 14. August 2006 setzte der Bekl – antragsgemäß im Wege der Zusammenveranlagung – die ESt der Kl für das Streitjahr fest. Dabei berücksichtigte er den in der Zeit vom 1. August 2004 bis zum 31. Dezember 2004 in der Schweiz erzielten Arbeitslohn der Klin entsprechend dem Einschätzungsbescheid der schweizerischen Steuerbehörden mit 23.335 EUR im Wege des Progressionsvorbehalts. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (VdN) gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO).
    Mit Schreiben vom 16. August 2006 legten die Kl den schweizerischen Steuerbescheid vor, aus dem sich für die Zeit vom 1. August bis zum 31. Dezember 2004 Einkünfte der Klin aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von (i.H.v.) 28.240 EUR ergaben.
    Mit Bescheid vom 11. Dezember 2006 änderte der Bekl den ESt-Bescheid vom 14. August 2006 unter Bezugnahme auf § 164 Abs. 2 AO dahingehend, dass die in der Schweiz bezogenen Einkünfte der Klin aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. 28.240 EUR im Wege des Progressionsvorbehalts berücksichtigt wurden.
    Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 11. Januar 2007 legten die Kl Einspruch ein. Zur Begründung machten sie im Wesentlichen geltend, die schweizerischen Einkünfte der Klin unterlägen nicht dem Progressionsvorbehalt, da nach der Sondervorschrift des Art. 4 Abs. 5 DBA-Schweiz im Jahr des Wohnsitzwechsels die unbeschränkte Steuerpflicht auf den Zeitraum der Ansässigkeit begrenzt sei. Gemäß Art. 4 Abs. 5 DBA-Schweiz könnten im Inland die Steuern auf der Grundlage der unbeschränkten Steuerpflicht nur für die Zeit bis zum 31. Juli 2004 festgesetzt werden, weil nur bis zu diesem Zeitpunkt ein Wohnsitz im Inland bestanden habe. Ab dem 1. August 2004 seien die Kl nur noch nach den Grundsätzen der beschränkten Steuerpflicht im Inland steuerpflichtig.
    Mit Einspruchsentscheidung vom 5. Oktober 2010 wies der Bekl den Einspruch der Kl als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die Einkünfte der Klin dürften nach deren Wegzug ins Ausland nicht in die Bemessungsgrundlage der deutschen ESt einbezogen werden. Sie seien jedoch gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) im Wege des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen. Nach § 1 Abs. 1 EStG seien natürliche Personen, die im Inland ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hätten, unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Die Kl hätten in der Zeit vom 1. Januar 2004 bis zum 31. Juli 2004 einen Wohnsitz im Inland gehabt und seien deshalb während dieses Zeitraums unbeschränkt steuerpflichtig gewesen. Durch ihren Umzug in die Schweiz hätten sie sowohl ihren inländischen Wohnsitz als auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland aufgegeben, womit ihre unbeschränkte Steuerpflicht geendet habe. Die in der Schweiz erzielten Einkünfte dürften nicht in die Bemessungsgrundlage der für das Streitjahr festzusetzenden Steuer einbezogen werden. Nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG sei bei der Festsetzung der ESt u.a. dann ein besonderer Steuersatz (§ 32b Abs. 2 EStG) anzuwenden, wenn ein zeitweise unbeschränkt Steuerpflichtiger ausländische Einkünfte bezogen habe, die im Veranlagungszeitraum nicht der deutschen ESt unterlegen hätten. Diese Regelung gelte kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung „nur für Fälle der zeitweisen unbeschränkten Steuerpflicht einschließlich der in § 2 Abs. 7 Satz 3 EStG geregelten Fälle”. Wie sich aus dem Wort „einschließlich” ableiten lasse, erfasse diese Regelung nicht nur die in § 2 Abs. 7 Satz 3 EStG geregelte Situation, in der ein Steuerpflichtiger in einem Teil des Kalenderjahres unbeschränkt steuerpflichtig sei und in einem anderen beschränkt steuerpflichtige Einkünfte im Sinne des (i.S.d.) § 49 EStG erziele. Sie greife vielmehr ihrem Wortlaut nach auch dann ein, wenn in einem Teil des Kalenderjahres unbeschränkte Steuerpflicht bestehe und im anderen Teil keine in der Bundesrepublik zu besteuernden Einkünfte anfielen (Frotscher, EStG, § 32b Rn. 10a; Handzik/Hellwig, in Littmann/Bitz/ Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 32b EStG Rn. 101; Fitsch, in Lademann, EStG, § 32b Rn. 7; Mössner, IStR 1997, 225, 226).
    Nach den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. Dezember 2001 I R 63/00, Bundessteuerblatt – BStBI – II 2003, 302 und vom 15. Mai 2002, BStBI II 2002, 660 greife diese Bestimmung unabhängig davon ein, ob der Steuerpflichtige außerhalb der Zeit seiner unbeschänkten Steuerpflicht „beschränkt steuerpflichtige Einkünfte (§ 49 EStG)” erzielt habe oder nicht. Könne sich der Steuerpflichtige auf ein DBA berufen, setze die Berücksichtigung des Progressionsvorbehalts nicht voraus, dass das DBA sie positiv erlaube. Sie sei vielmehr nur dann ausgeschlossen, wenn ein einschlägiges DBA sie verbiete. Entgegen der Ansicht der Kl enthalte Art. 4 Abs. 5 DBA-Schweiz kein entsprechendes Verbot. Diese Regelung ziele nur auf die sachliche Steuerpflicht der nach § 2 Abs. 7 Satz 3 EStG in die Bemessungsgrundlage einzubeziehenden Einkünfte. Bei der Anwendung des § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG gehe es demgegenüber darum, mit welchem Steuersatz die während der Dauer der unbeschränkten Steuerpflicht erzielten Einkünfte besteuert würden. Dies zu bestimmen sei ausschließlich Sache des Ansässigkeitsstaates (Urteil des Finanzgerichts – FG – Baden-Württemberg vom 4. Dezember 2007 12 K 19/04, EFG 2008, 592; Hamminger, in Debatin/Wassermeyer, DBA-Schweiz, Art. 4 Rn. 163).
    Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 8. November 2010 erhoben die Kl Klage, mit der sie sich weiterhin gegen den Ansatz des Progressionsvorbehalts für die schweizerischen Einkünfte der Klin aus nichtselbständiger Arbeit wenden. Zur Begründung lassen sie im Wesentlichen ausführen, nach ihrer Auffassung schlössen die Regelungen in Art. 4 Abs. 4 und Abs. 5 DBA-Schweiz eine Berücksichtigung der nach dem Wegzug in die Schweiz angefallenen Einkünfte der Klin aus nichtselbständiger Arbeit einen Ansatz bei deutschen Einkommensbesteuerung im Wege des Progressionsvorbehalts aus.
    Im Erörterungstermin vom 25. August 2011 ließen die Kl ausführen, ihres Erachtens seien die Voraussetzungen des § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG nicht erfüllt, da die ausländischen Einkünfte der Klin erst ab dem 1. August 2004 angefallen seien und die Regelung des § 32b Abs. 1 Nr. 2 voraussetze, dass ausländische Einkünfte „im Veranlagungszeitraum” nicht der deutschen ESt unterlegen hätten. Da die Klin ihre ausländischen Einkünfte aber erst ab dem 1. August 2004 bezogen habe, seien diese Einkünfte nicht „im Veranlagungszeitraum” bezogen worden. Denn der Veranlagungszeitraum habe im Streitfall mit Ablauf des 31. Juli 2004 geendet. Weiter ließen die Kl ausführen, die Regelungen in Art. 4 Abs. 4 letzter Satz und 4 Abs. 5 DBA-Schweiz enthielten lediglich eine nicht regelungsbedürftige Selbstverständlichkeit, wenn man bei einer Situation wie im Streitfall entsprechend der Auffassung des Bekl annähme, dass damit nur die Einbeziehung der in der Zeit ab 1. August 2004 bezogenen Auslandseinkünfte der Kl in die Berechnung der inländischen Bemessungsgrundlage ausgeschlossen würde. Da aber davon auszugehen sei, dass die DBA-Vertragsstaaten nicht nur diese Selbstverständlichkeit hätten regeln wollen, sei Art. 4 Abs. 5 DBA-Schweiz so auszulegen, dass er auch die Erfassung der Auslandseinkünfte der Klin im Wege des Progressionsvorbehalts verbiete. Im Übrigen hätten die schweizerischen Steuerbehörden auch keinen Progressionsvorbehalt, sondern lediglich die sog. Zwölftelregelung angewandt und damit die Hochrechnung der in der Zeit ab 1. August 2004 bezogenen schweizerischen Einkünfte der Klin auf einen Jahresbetrag zum Zweck der Ermittlung des Steuersatzes vorgenommen.
    Im Nachgang zum Erörterungstermin ließen die Kl weiter vortragen, im Unterschied zu dem Sachverhalt, der dem Urteil des FG Baden-Württemberg vom 4. Dezember 2007 12 K 19/04 zugrundeliege, habe im vorliegenden Falle die Klin in der Zeit ab dem Wegzug in die Schweiz keine inländischen Einkünfte i.S.d. § 49 EStG bezogen, so dass bei ihr keine beschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 4 EStG begründet worden sei. Eine Ausweitung der Steuerpflicht über § 2 Abs. 7 EStG scheitere damit an der Sonderregelung des Art. 4 Abs. 5 DBA-Schweiz. Was der maßgebliche „Veranlagungszeitraum” i.S.d. § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG sei, beantworte sich im Streitfall nicht aus § 2 Abs. 7 EStG, sondern aus Art. 4 Abs. 5 DBA-Schweiz. Denn nach dieser Regelung gelte seit dem Jahr 1971, dass die Einkünfte in jedem Vertragsstaat „nur” nach Maßgabe der Zeit erhoben werden könnten, die der Ansässigkeit entspreche. Im Jahr 1971 habe § 1 Abs. 7 Satz 3 EStG (Zitat wohl unzutreffend) jedoch verkürzte Veranlagungszeiträume vorgesehen („so tritt an die Stelle des Kalenderjahres der Zeitraum der jeweiligen Einkommensteuerpflicht”). Bei Abschluss des DBA-Schweiz habe es somit nach deutschem Steuerrecht im Zuzugs- bzw. Wegzugsjahr stets einen verkürzten Veranlagungszeitraum für die Zeit der unbeschränkten Steuerpflicht und – gegebenenfalls, wenn Einkünfte i.S.d. § 49 EStG in der anderen Zeit angefallen seien – einen zweiten Veranlagungszeitraum für die Dauer der beschränkten Steuerpflicht gegeben. Angesichts dieser Regelung in § 1 Abs. 7 Satz 2 EStG 1971 (Zitat wohl unzutreffend) hätten die DBA-Vertragsstaaten im DBA vereinbart, dass in jedem Staat die Steuern nur nach Maßgabe der Ansässigkeit erhoben werden dürften. Aus diesem Umstand ergebe sich, dass Art. 4 Abs. 5 DBA-Schweiz für die Zeit der Ansässigkeit und damit für die Zeit der unbeschränkten Steuerpflicht einen Progressionsvorbehalt nicht ausschließe, wohl aber für die Zeit der Ansässigkeit im anderen Staat. Die Ausschließlichkeit des Art. 4 Abs. 5 DBA-Schweiz („nur”) habe der nationale Gesetzgeber nicht einseitig ändern können, ohne gegen das DBA zu verstoßen. Denn im Verhältnis zur Schweiz habe Art. 4 Abs. 5 DBA-Schweiz und der dadurch begründete Ausschluss eines Progressionsvorbehalts für schweizerische Einkünfte, die nach dem erfolgten Wegzug angefallen seien, jedenfalls bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 49 EStG Vorrang vor der gesetzlichen Neuregelung in § 2 Abs. 7 EStG. Nachdem Art. 4 Abs. 5 DBA-Schweiz aus Anlass der Neuregelungen in § 1 Abs. 4 und § 2 Abs. 7 EStG nicht neu mit der Schweiz verhandelt, sondern beibehalten worden sei, fänden diese gesetzlichen Neuregelungen des EStG im Verhältnis zur Schweiz im Falle des Art. 4 Abs. 5 DBA keine Anwendung. § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG begründe ohnehin keine Steuerpflicht, sondern stelle lediglich eine Rechtsfolgenregelung dar („gegen BFH-Urteile vom 15. Mai 2002, BStBI II 2002, 660; vom 19. Dezember 2001, BStBI II 2003, 302 und vom 19. November 2003, BStBI II 2004, 549”). Weiter lassen die Kl ausführen, von der sog. „überdachenden Besteuerung” und damit von der Erweiterung des deutschen Besteuerungsrechts nach Art. 4 Abs. 4 des DBA-Schweiz seien ausdrücklich natürliche Personen ausgenommen, die in der Schweiz ansässig geworden seien, um dort eine echte unselbständige Tätigkeit auszuüben (Art. 4 Abs. 4 letzter Satz DBA-Schweiz). Die „überdachende Besteuerung” nach Art. 4 Abs. 4 DBA habe jedoch wirtschaftlich die Wirkung eines Progressionsvorbehalts, wenn nach Einbeziehung der aus Deutschland stammenden Einkünfte in die deutsche Besteuerungsgrundlage und die deutsche ESt die darauf anfallende ausländische Steuer anzurechnen sei. Für den „echten Arbeitnehmer-Wegzugsfall” schränke – der Ausnahmeregelung des Art. 4 Abs. 4 letzter Satz DBA-Schweiz folgend – der unmittelbar sich daran anschließende Art. 4 Abs. 5 DBA-Schweiz das Besteuerungsrecht ein („… so können in jedem Staat nur nach Maßgabe der Zeit erhoben werden …”).
    Im Verhältnis zur Schweiz habe Art. 4 Abs. 5 DBA-Schweiz zur Folge, dass in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem nach dem Wegzug in die Schweiz keinerlei inländischen Einkünfte i.S.d. § 49 EStG angefallen seien, eine Ausschlusswirkung gegenüber einem Progressionsvorbehalt vereinbart sei.
    Mit Schriftsatz vom 7. September 2011 legten die Kl den Einschätzungsbescheid für die Staats- und Gemeindesteuern 2004 des Kantonalen Steueramtes X vom 6. März 2006 nebst Anlage sowie den Bescheid über die Veranlagung zur direkten Bundessteuer 2004 vom selben Tage vor und führten hierzu aus, weder beim steuerbaren Einkommen noch bei der Ermittlung des satzbestimmenden Einkommens für 2004 habe die Schweiz die von der Klin bis zum 31. Juli 2004 in Deutschland bezogenen Einkünfte berücksichtigt und damit die Regelung des Art. 4 Abs. 5 DBA-Schweiz entsprechend der von der Klägerseite vertretenen Rechtsauffassung angewandt. Die Besteuerung der Klin in der Schweiz bestätige das Verbot der Anwendung eines inländischen Progressionsvorbehaltes auf schweizerische Einkünfte, die nach dem Wegzug aus Deutschland bezogen worden seien.
    Da für die Zeit ab dem 1. August 2004 ausschließlich der Schweiz das unbeschränkte Besteuerungsrecht zustehe, verbleibe umgekehrt für die Bundesrepublik Deutschland allenfalls ein Besteuerungsrecht nach den Regelungen der beschränkten Steuerpflicht. § 32b EStG in der Fassung von 1971, also der Rechtslage bei Abschluss des DBA-Schweiz, habe aber nur einen Progressionsvorbehalt für unbeschränkt Steuerpflichtige und nach § 25 Abs. 2 Satz 1 EStG einen verkürzten Veranlagungszeitraum in Zu- oder Wegzugsfällen gekannt. Nach der im Jahr 1971 geltenden Rechtslage sei in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden keine beschränkte Steuerpflicht für den Zeitraum ab dem Wegzug gegeben gewesen, da ab dem Wegzug keine inländischen Einkünfte i.S.d. § 49 EStG bezogen worden seien. Auch sei nach der Rechtslage von 1971 kein Progressionsvorbehalt auf die schweizerischen Einkünfte ab dem 1. August 2004 anwendbar gewesen. Die späteren Gesetzesänderungen in den §§ 1, 25 und 32b EStG hätten nicht zu einer Änderung des Art. 4 Abs. 5 DBA-Schweiz geführt, obgleich dazu Veranlassung bestanden hätte, wenn in die Rechtslage von 1971 hätte eingegriffen werden sollen. Dies sei jedoch nicht geschehen. Art. 4 Abs. 5 DBA-Schweiz gehe somit als speziellere Regelung den Neufassungen der §§ 1, 25 und 32b EStG vor und verbiete die Berücksichtigung eines Progressionsvorbehalts in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden. Eine Schlechterstellung der Klin gegenüber der Rechtslage von 1971 stehe im Widerspruch zu Sinn und Zweck des DBA und den darin zwischen den beteiligten Staaten gefundenen Verständigungen. In der Schweiz werde das außerhalb der unbeschränkten Steuerpflicht erzielte Einkommen nicht bei der Ermittlung des Steuersatzes berücksichtigt. Die Hochrechnung der in der Schweiz erzielten Einkünfte auf einen Jahresbetrag erfolge unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige vor seinem Zuzug in die Schweiz überhaupt Einkünfte bezogen habe oder gar ein 100-faches der schweizerischen Einkünfte. Die Methode der Ermittlung eines besonderen Steuersatzes in der Schweiz bestätige damit die Rechtsauffassung der Kl zu Art. 4 Abs. 5 DBA-Schweiz.
    Die Kl beantragen sinngemäß,
    den geänderten ESt-Bescheid vom 11. Dezember 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Oktober 2010 dahingehend abzuändern, dass die ESt auf 10.391 EUR herabgesetzt wird,
    die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären
    sowie hilfsweise die Revision zuzulassen.
    Der Bekl beantragt,
    die Klage abzuweisen,
    hilfsweise die Revision zuzulassen.
    Er bezieht sich zur Erwiderung auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, das die Rechtsauffassung des Bekl bestätigende Urteil des FG BadenWürttemberg vom 4. Dezember 2007, Az. 12 K 19/04, sei aufgrund des Beschlusses des BFH vom 27. Mai 2008 I R 11/08 in Rechtskraft erwachsen. Weiter argumentiert der Bekl, wenn der Wohnsitz während des Kalenderjahres verlegt werde, sei die Regelung des Art. 4 Abs. 5 DBA-Schweiz zu beachten. Danach stehe den Vertragsstaaten das jeweils unbeschränkte Besteuerungsrecht nur für die Dauer der Ansässigkeit der Person im jeweiligen Staatsgebiet zu. Die Änderung „der persönlichen Steuerpflicht und im Recht zur unbeschränkten Besteuerung” schließe allerdings nicht aus, dass die während des Kalenderjahres bezogenen Einkünfte nach Maßgabe des § 2 Abs. 7 S. 1 und 2 EStG zu einem Gesamteinkommen zusammengefasst würden (vgl. Flick/Wassermeyer/Kempermann, DBA-Schweiz, Art. 4 Rn. 141, 143.1).
    § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG sehe vor, dass für das so zu ermittelnde zu versteuernde Einkommen ein Progressionsvorbehalt gelte, in den nicht nur die nach dem DBA-Schweiz in Deutschland steuerfreien, sondern auch alle nicht steuerbaren ausländischen Einkünfte einzubeziehen seien (vgl. Flick/Wassermeyer/Kempermann, DBA-Schweiz, Art. 4 Rn. 141, 143.2; Jörg Weigell, in Weigell/Brand/Safarih, Investitions- und Steuerstandort Schweiz, 2. Auflage 2007, G. Steuerliche Voraussetzungen und Folgen des Wohnsitzwechsels von Deutschland in die Schweiz, V. Nr. 1).
    Nach den BFH-Urteilen vom 19. Dezember 2001 I R 63/00, BFH/NV 2002, 584 sowie BStBI II 2003, 302 und vom 15. Mai 2002, BStSI II 2002, 660 setze die Berücksichtigung des Progressionsvorbehalts nicht voraus, dass das DBA sie positiv erlaube. Sie sei vielmehr nur dann ausgeschlossen, wenn ein einschlägiges DBA sie verbiete. Dies sei hier nicht der Fall. Aus dem Zusammenhang der Art. 6 bis 22 einerseits und des Art. 24 Abs. 1 andererseits ergebe sich nur, dass dem jeweiligen Quellenstaat ein Besteuerungsrecht nach Maßgabe der Art. 6 bis 22 ohne Progressionsvorbehalt zustehe. Diese Einschränkung beziehe sich jedoch nur auf die Besteuerung der während der Dauer der beschränkten Steuerpflicht erzielten Quelleneinkünfte. Bei der Anwendung des § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG gehe es aber darum, mit welchem Steuersatz die während der Dauer der unbeschränkten Steuerpflicht erzielten Einkünfte besteuert würden. Dies zu bestimmen sei ausschließlich Sache des Ansässigkeitsstaates (vgl. Flick/Wassermeyer/Kempermann, DBA-Schweiz, Art. 4 Rz. 143.2). Die Anwendung des Progressionsvorbehalts nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG erfolge nach innerstaatlichem Recht. Die Vorschrift des Art. 4 Abs. 5 DBA-Schweiz regle materielles Recht und kein Verfahrensrecht. Insoweit würden nur die Rechte des Wohnsitzstaates auf die Dauer der Ansässigkeit dort begrenzt (vgl. Hamminger in Debatin/Wassermeyer, DBA-Schweiz, Art. 4 Rn. 163). Progressionsvorbehalt bedeute, dass auf das zu versteuernde Einkommen ein besonderer Steuersatz anzuwenden sei. Auch in der Schweiz werde bei einer nur während eines Teils der Steuerperiode bestehenden Steuerpflicht ein besonderer Steuersatz angewandt. Aufgrund innerstaatlichen Rechts obliege es dann wiederum jedem Vertragsstaat selbst, ob er bei der Ermittlung des besonderen Steuersatzes tatsächlich erzielte Einkünfte berücksichtige oder die während der zeitlich begrenzten Steuerpflicht erzielten Einkünfte auf einen Jahresbetrag hochrechne.
    Zusammenfassend sei festzustellen, dass sowohl Deutschland als auch die Schweiz entsprechend der Vorschrift des Art. 4 Abs. 5 DBA-Schweiz nur die Einkünfte, die während der jeweiligen unbeschränkten Steuerpflicht bezogen würden, besteuerten. Dabei wendeten auch beide Vertragsstaaten einen besonderen Steuersatz an.
    Die Beteiligten haben schriftsätzlich auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Senat verzichtet.
    Entscheidungsgründe
    I. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
    a) Die Klin war nur bis zu ihrem Umzug in die Schweiz am 31. Juli 2004 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gemäß § 1 Abs. 1 EStG. In der Folgezeit war sie im Inland auch nicht beschränkt einkommensteuerpflichtig gemäß § 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 EStG, da sie ab dem 1. August 2004 keine inländischen Einkünfte mehr bezog.
    b) Gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 2, 1. Halbsatz EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung ist bei der Festsetzung der ESt u.a. dann ein besonderer Steuersatz (§ 32b Abs. 2 EStG) anzuwenden, wenn ein zeitweise unbeschränkt Steuerpflichtiger ausländische Einkünfte bezogen hat, die im Veranlagungszeitraum nicht der deutschen ESt unterlegen haben. Dies gilt gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 2, 2. Halbsatz nur für Fälle der zeitweisen unbeschränkten Steuerpflicht einschließlich der in § 2 Abs. 7 Satz 3 geregelten Fälle. Hiernach wird also der Progressionsvorbehalt nicht nur in den Fällen des § 2 Abs. 7 Satz 3 EStG angewandt, in denen ein Steuerpflichtiger in einem Teil des Kalenderjahres unbeschränkt und in einem anderen mit inländischen Einkünften i.S.d. § 49 EStG beschränkt steuerpflichtig ist. Sie greift vielmehr auch dann ein, wenn – wie im Streitfall – in einem Teil des Kalenderjahres unbeschränkte Steuerpflicht besteht und im anderen Teil keine in Deutschland zu besteuernden Einkünfte anfallen (BFH-Urteile vom 14. Oktober 2003 VIII R 111/01, BFH/NV 2004, 331; vom 19. Dezember 2001 I R 63/00, BStBl II 2003, 302 mit weiteren Nachweisen – m.w.N. – und vom 15. Mai 2002 I R 40/01, BStBl II 2002, 660).
    Der Argumentation der Kl, die Voraussetzungen der Regelung des § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG seien nicht erfüllt, weil die Einkünfte der Klin, die sie in der zweiten Jahreshälfte für ihre Tätigkeit in der Schweiz bezogen habe, nicht „im Veranlagungszeitraum” – wie es § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG voraussetze – erzielt worden seien, ist nicht zu folgen. Denn auch in Fällen wie dem vorliegenden ist der Veranlagungszeitraum gemäß § 25 Abs. 1 EStG das Kalenderjahr. Lediglich der Steuerermittlungszeitraum ist in solchen Fällen kürzer als das Kalenderjahr (vgl. hierzu: L. Schmidt/Weber-Grellet, EStG, Kommentar, 31. Aufl. 2012, § 2 Rn. 69 und L. Schmidt-Seeger, a.a.O., § 25 Rn. 15 m.w.N.).
    c) Der Anwendung des Progressionsvorbehalts steht auch nicht das DBA-Schweiz entgegen. Bei Bestehen eines DBA setzt die Anwendung des Progressionsvorbehalts nicht voraus, dass das DBA die Anwendung des Progressionsvorbehalts positiv erlaubt. Sie ist vielmehr nur dann ausgeschlossen, wenn ein einschlägiges DBA sie verbietet (BFH-Urteile vom 19. Dezember 2001 I R 63/00, BStBl II 2003, 302; vom 15. Mai 2002 I R 40/01, BStBl II 2002, 660 und vom 14. Oktober 2003 VIII R 111/01, BFH/NV 2004, 331). Ein solches Verbot enthält das DBA-Schweiz entgegen der Auffassung der Klägerseite nicht. Insbesondere ist der Regelung in Art. 4 Abs. 5 DBA-Schweiz kein solches Verbot zu entnehmen. Hiernach können dann, wenn eine natürliche Person nur für einen Teil des Jahres als im Sinne dieses Artikels in einem Vertragsstaat ansässig, für den Rest des gleichen Jahres aber als in dem anderen Vertragsstaat ansässig gilt (Wohnsitzwechsel), in jedem Staat die Steuern auf der Grundlage der unbeschränkten Steuerpflicht nur nach Maßgabe der Zeit erhoben werden, während welcher diese Person als in diesem Staat ansässig gilt. Zwar weisen die Kl zutreffend darauf hin, dass die Rechtslage, wie sie nach § 2 Abs. 7 Satz 3 EStG bis zum Veranlagungszeitraum 1995 galt und wie sie – der Sache nach – auch bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des DBA-Schweiz im Jahr 1971 Bestand hatte, regelte, dass dann, wenn die unbeschränkte oder beschränkte Steuerpflicht nicht jeweils während eines ganzen Kalenderjahres bestand, die Grundlagen für die Festsetzung der ESt für den Zeitraum der jeweiligen EStPflicht zu ermitteln waren und sich der anzuwendende Steuersatz nur nach der Höhe des Einkommens bemaß, das der Steuerpflichtige in dem betreffenden Zeitraum erzielt hatte. Es kam mithin weder zu einer Zusammenrechnung der in den einzelnen Phasen erzielten Einkünfte noch zur Anwendung eines Progressionsvorbehalts (vgl. BFH-Urteil vom 19. Dezember 2001 I R 63/00, BStBl II 2003, 302). Der Umstand, dass für Fälle wie den vorliegenden zum Zeitpunkt des Abschlusses des DBA-Schweiz nach der inländischen Gesetzeslage keine Anwendung eines Progressionsvorbehalts vorgesehen war, führt jedoch nicht dazu, dass davon auszugehen wäre, dass das DBA-Schweiz – insbesondere mit der Regelung des Art. 4 Abs. 5 – die Anwendung eines inländischen Progressionsvorbehalts ausschlösse. Angesichts des Umstands, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses des DBA-Schweiz kein entsprechender Handlungsbedarf bestand, ist vielmehr davon auszugehen, dass durch das DBA-Schweiz kein solcher Ausschluss festgelegt werden sollte. Die Regelung in Art. 4 Abs. 5 DBA-Schweiz ist daher so zu verstehen, dass sie sich nur auf die sachliche Steuerpflicht der nach § 2 Abs. 7 Satz 3 EStG in die Bemessungsgrundlage einzubeziehenden Einkünfte bezieht. Dasselbe gilt für die Regelung in Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz, wonach vorbehaltlich der – im Streitfall nicht einschlägigen – Regelungen der Art. 16, 18 und 19 DBA-Schweiz Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt (anderer Ansicht: Mössner, Internationales Steuerrecht – IStR – 1997, 225). Bei der Anwendung des § 32b Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 EStG geht es demgegenüber darum, mit welchem Steuersatz die während der Dauer der unbeschränkten Steuerpflicht (hier Januar bis Juni 2004) erzielten Einkünfte besteuert werden. Dies zu bestimmen ist ausschließlich Sache des Ansässigkeitsstaates (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 4. Dezember 2007 12 K 19/04, EFG 2008, 592; Flick/Wassermeyer/Wingert/Kempermann, a.a.O., Art. 4 Rn. 143.2). Folglich entscheidet sich allein nach dem deutschen innerstaatlichen Steuerrecht, ob ein Progressionsvorbehalt anzuwenden ist (vgl. BFH-Urteile vom 19. Dezember 2001 I R 63/00, BStBl II 2003, 302 und vom 15. Mai 2002 I R 40/01, BStBl II 2002, 660).
    II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
    III. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

    VorschriftenEStG 2004 § 32b Abs. 1 Nr. 2, EStG 2004 § 32b Abs. 2, EStG 2004 § 1 Abs. 1, EStG 2004 § 1 Abs. 4, EStG 2004 § 49, EStG 2004 § 25 Abs. 1