09.08.2012 · IWW-Abrufnummer 122474
Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 20.06.2012 – 14 K 4685/09
1. Wird die Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit eines im Inland ansässigen Grenzgängers, der bei einem Schweizer Arbeitgeber beschäftigt ist, als fester Bestandteil des Monatslohnes allgemein pauschaliert abgegolten und ist deshalb weder eine Zurechnung der Sache nach (tatsächlich geleistete Arbeit während begünstigter Zeiten) noch der Höhe nach (Steuerfreistellung nur nach Prozentsätzen des Grundlohns) möglich, kommt eine Steuerbefreiung nach § 3b EStG nicht in Betracht.
2. Ist eine Zurechnung der Höhe nach nicht möglich, schließt dies aus, lediglich die Differenz zwischen der Pauschale und dem sich bei der Einzelberechnung ergebenden Betrag als steuerpflichtigen Arbeitslohn zu behandeln.
3. Dies gilt auch bei einem ausländischen Arbeitgeber.
4. Das Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EG steht dem nicht entgegen, da dieses auf Steuernormen keine Anwendung findet und als völkerrechtlicher Vertrag den Rang eines Bundesgesetzes hat und damit den Steuergesetzen nicht vorgeht.
5. Das FA ist bei einem Zuständigkeitswechsel nicht an die steuerliche Behandlung des bisher zuständigen FA gebunden.
6. Vertrauensschutz aufgrund einer Verwaltungsanweisung wird nicht im Rahmen der Steuerfestsetzung, sondern im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme gewährt.
FG Baden-Württemberg v. 20.06.2012
14 K 4685/09
Tatbestand
Die Kläger (Kl) sind Eheleute, die zusammen veranlagt werden und ihren Wohnsitz im Inland haben. Der Kl ist als Lokomotivführer seit 1. Mai 2004 bei der C GmbH, X/Schweiz, im Schichtdienst tätig. Er fährt „Cargo” und nicht Personenverkehr. Seine wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden ohne Berücksichtigung von Pausen (Ziffer 8 des Arbeitsvertrags). Nach Ziffer „9. Gehalt” des Arbeitsvertrags erhält der Arbeitnehmer ein
„jährliches Bruttosalär von CHF 108.600.–, zahlbar in 12 Monatslöhnen von je brutto CHF 9050,– spätestens am Ende jeden Monats. … In diesen Beträgen sind CHF 13600,– p.a. bzw. CHF 1133,33 p.M. an Sonn-, Feiertags- und Nachtdienstzuschlägen pauschal enthalten, ebenso der Ortszuschlag. …”
Wegen der Einzelheiten wird auf den Arbeitsvertrag Bezug genommen (Klage-Akte, S. 99-101).
Der Lohnausweis des Kl für das Streitjahr 2006 (Einkommensteuer(ESt)-Akte, S. 62) wies einen Bruttolohn von 112.896 Schweizer Franken (SFr.) aus und darauf hin, dass im Bruttolohn 16.000 SFr. Zuschläge für Sonn-, Feiertags- und Nachtdienst enthalten seien. Darüber hinaus hat der Kl Reisespesen von insgesamt 4.898 SFr. erhalten. Diese setzen sich nach den Angaben des Kl aus Reisekosten (3.586,30 SFr. für Hin- und Rückfahrten zum/vom Einsatzort) und einer Ausbleibeentschädigung von 1,30 Sfr. ab der 16. Stunde von insgesamt 1.311,30 SFr. zusammen. Der Steuerberater des Arbeitgebers des Kl bestätigte mit Schreiben vom 8. Oktober 2008, dass es sich bei den Reisespesen um die Erstattung „effektiver Auslagen (z.B. für auswärtige Übernachtungen)” handelt (Rechtsbehelfs(Rb)-Akte, S. 14 f.). Die Spesenabrechnungen, abgezeichnet vom Arbeitgeber, legte der Kl vor (Rb-Akte, S. 58 ff.).
Nach der Lohnabrechnung Januar 2006 in SFr. erhielt der Kl:
„Monatslohn 7 '716.65
Sonn-, Feiertags- und Nachtd. 1 '333.35
Total AHV-pflichtiger Lohn 9'050.00 …
Nettolohn 7'688.80 …
Reisespesen für den Monat Dezember 2005 237,25
Ausbleibeentschädigung für den Monat Dezember 2005 151.05…”
Der Monatslohn sowie der Betrag für Sonn-, Feiertags- und Nachtdienst war in den Monaten Februar 2006 bis Dezember 2006 identisch. Wegen der Einzelheiten wird auf die Lohnabrechnungen der Monate Januar 2006 bis Dezember 2006 Bezug genommen (Klage-Akte, S. 21-32).
Der Kl reichte einen Einzelnachweis der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden für die Monate Januar 2006 bis Dezember 2006 mit folgenden Angaben ein:
„Tag Gearbeitet bis Std. Sonntag Feiertag Nacht Davon
von Std. Std. Std.20,00-6,00Uhr Std. 0,00-4,00 Uhr”
Wegen der Einzelheiten wird auf diese Bezug genommen (Klage-Akte, S. 33-50).
In seiner Jahresaufstellung der tatsächlich geleisteten Arbeit 2006 (Klage-Akte, S. 51) gab er Folgendes an:
Monat Std. Sonntag Std. Feiertag Std. Nacht Std. 20,00-6,00 Uhr Davon Std. 0,00-4,00 Uhr
Januar 61,36 16,03 5,01
Februar 114,49 2,26 25,13 12,15
März 190,39 1,30 29,37 12,45
April 139,57 11,03 6,13 17,47 6,53
Mai 75,13 15,46 4,45
Juni 124,06 38,06 16,28
Juli 128,36 3,21 36,01 22,32
August 70,33 24,57 13,40
September 58,08 13,07 12,03
Oktober 47,16 15,22 3,50
November 147,47 7,33 39,00 27,30
Dezember 110,53 29,58 16,59
1.269,43 18,20 13,46 300,57 154,41
Der Kl machte in seiner ESt-Erklärung 2006 geltend, von seinem auf dem Schweizer Lohnausweis ausgewiesenen Bruttoarbeitslohn sei von den von seinem Arbeitgeber pauschal gezahlten Zuschlägen in Höhe von 16.000 SFr. ein Betrag von 9.108,25 SFr. steuerfrei.
Diesen ermittelte er wie folgt:
„Grundlohn 7.716,25 Sfr. × 12 = 92.595,00 Sfr.: tatsächlich geleistete Arbeitsstunden
1.269,43 Std. = 72,90 Sfr. = 47,02 EUR
Tatsächlich geleistete Sonn- und Feiertagsarbeitsstunden
Sonntag 18,20 Std. á 36,45 Sfr. = 663,39 Sfr.
Feiertagszuschlag 13,46 Std. á 91,13 Sfr. = 1.226,61 Sfr.
Nachtarbeit von
20.00 – 24.00 u. 04.00 – 06.00 146,16 Std. á 18,58 Sfr. = 2.715,65 Sfr.
Nachtarbeit von
00.00 – 04.00 154,41 Std. á 29,16 Sfr. = 4.502,60 Sfr.
Gesamt Sonn- und Feiertagszuschläge 9.108,25 Sfr.”
Wegen der Einzelheiten wird auf die Berechnung Bezug genommen (Klage-Akte, S. 52).
Der Beklagte (Bekl) behandelte die Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit als steuerpflichtigen Arbeitslohn des Kl. Er berücksichtigte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit des Kl in Höhe von (72.521 EUR Bruttoarbeitslohn ./. 8.442 EUR Werbungskosten =) 64.079 EUR, da das Grenzgängerhandbuch Fach B Teil 2 Nummer 10 (Stand Dezember 2004) zur steuerlichen Behandlung der pauschalen Schichtzulage unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) u.a. ausführt:
„Steuerliche Behandlung der pauschalen Schichtzulage
…Eine Schichtpauschale kann steuerfrei bleiben, wenn und soweit sie sich der tatsächlich geleisteten SFN-Arbeit konkret zuordnen lässt, d.h. wenn sie sich erkennbar aus Einzelzuschlägen zusammensetzt. ….
Die in der Pauschale enthaltenen Einzelzuschläge können aber nur für die am Sonntag, Feiertag und in der Nacht tatsächlich geleistete Arbeit steuerfrei bleiben. Soweit sie auf nicht geleistete Stunden (Krankheit, Absenzen, Urlaub) entfallen, sind die Zuschläge in jedem Fall steuerpflichtig (A 30 Abs. 6 Satz 2 LStR). Dies erfordert, dass der Schweizer Arbeitgeber die tatsächlich geleisteten SFN-Arbeitsstunden festhält.
Darüber hinaus macht die Verwaltung in A 30 Abs. 7 LStR (bestätigt durch BFH-Urteil vom 25.03.1998, a.a.O.) die Steuerbefreiung von einer Einzelabrechnung durch den Arbeitgeber abhängig, mit der dieser spätestens am Jahresende eventuell zu viel gezahlte Pauschalzuschläge der Lohnbesteuerung unterwirft. Auf diese Voraussetzung kann bei Grenzgängern verzichtet werden. Die LStR enthalten Anweisungen für den Lohnsteuerabzug durch den inländischen Arbeitgeber. Ein Arbeitgeber in der Schweiz hat keine Steuerabzugsverpflichtung; folglich kann er selbst bei durchgeführter Abrechnung zu viel gezahlte Pauschalzuschläge nie der Lohnbesteuerung unterwerfen. Aus diesem Grund ist die erforderliche „Abrechnung” durch den Steuerpflichtigen bzw. das deutsche Finanzamt im Rahmen der Grenzgänger-Veranlagung zulässig.
Die vom Finanzamt für die Abrechnung benötigten Angaben führen zu einer Steuerermäßigung; deswegen liegt die Feststellungslast beim Grenzgänger. …
Die Schichtzulage … ist teilweise steuerfrei zu belassen, wenn
■• der Grenzgänger das jeweilige Reglement vorlegt und daraus die Zusammensetzung der Schichtzulage ersichtlich ist sowie
■• der Schweizer Arbeitgeber im Lohnausweis oder in einer Anlage auf Grund von Einzelaufzeichnungen die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden an Sonntagen, Feiertagen und zur Nachtzeit sowie den darauf entfallenden Zuschlag einschließlich Zuschlagsatz bescheinigt. Zur optimalen Ausnutzung der steuerfreien Nachtzuschläge sind die Nachtstunden von 0.00 Uhr bis 4.00 Uhr getrennt von der übrigen Nachtarbeit auszuweisen (§ 3b Abs. 3 EStG). Für die abgelaufenen Jahre ist der Nachweis der tatsächlich geleisteten SFN-Arbeit auch nachträglich möglich ( BFH-Urteil vom 28.11.1990, BStBl II 1991, S. 298), z.B. durch einen Abgleich des Schichtplans mit der Urlaubs- und Krankenkartei.
…
Der Bekl wich außerdem von den erklärten Werbungskosten des Kl bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und aus Vermietung und Verpachtung ab und setzte mit Bescheid vom 22. September 2008 die ESt 2006 in Höhe von 10.080 EUR fest. Er zog hiervon die Schweizer Abzugssteuer in Höhe von 3.226 EUR zurück.
Hiergegen legten die Kl Einspruch ein.
Während des Rechtsbehelfsverfahrens änderte der Bekl die ESt-Festsetzung 2006 mit Bescheid vom 17. Juli 2009 zugunsten der Kl – er berücksichtigte nunmehr die vom Kl geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit – auf 9.386 EUR. Im Übrigen wies er den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 21. Oktober 2009 als unbegründet ab.
Hiergegen erhoben die Kl Klage und machen im Wesentlichen geltend, die vom Schweizer Arbeitgeber des Kl gezahlten Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit seien gemäß § 3b Einkommensteuergesetz (EStG) in der für das Streitjahr geltenden Fassung steuerfrei. Diese würden für tatsächlich geleistete Dienste an Sonn- und Feiertagen und in der Nacht neben seinem festen Monatssalär vergütet. Das Grenzgängerhandbuch Fach B Teil 12 Nummer 10 sehe vor, dass auch Pauschalzuschläge steuerfrei sein können, soweit sie den im Einzelnen ermittelten Zuschlägen für tatsächlich geleistet Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit entsprächen. Diese Vorgehensweise stehe in Einklang mit der Rechtsprechung des BFH. Danach seien pauschal gezahlte Zuschläge dann steuerfrei, wenn der Arbeitgeber die entsprechenden tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden auflistet, danach zum Jahresende abrechnet und zu viel gezahlte Pauschalzuschläge nachträglich der Lohnbesteuerung unterwirft. Da ein Schweizer Arbeitgeber nicht zum Steuerabzug an den deutschen Fiskus verpflichtet sei, könne die erforderliche „Abrechnung” vom Steuerpflichtigen vorgenommen werden und zwar im Rahmen der Grenzgänger-Veranlagung. Die Schichtzulage sei danach unter Beachtung des Grenzgängerhandbuchs steuerfrei zu belassen, da die Zuschläge durch Einzelauflistung den tatsächlich geleisteten Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeiten konkret zugeordnet werden könne. Die Einzelauflistung weise die tatsächlichen Arbeitsstunden für das gesamte Jahr nach und damit auch an Sonntagen, Feiertagen und für Nachtarbeit, wobei die Nachtarbeit zwischen 0 Uhr und 4 Uhr nochmals getrennt ausgewiesen worden sei. Die steuerfreien Zuschläge beliefen sich auf 9.108,25 SFr. (5.783 EUR). Des Kl Arbeitslohn sei damit mit 66.738 EUR anzusetzen.
Im Übrigen sei bei den Veranlagungen der Vorjahre diese Berechnung der Steuerfreiheit der Zuschläge vom Bekl anerkannt worden. Die Einzelaufstellung habe der Kl auf Wunsch des Bekl -früher sei für seine Besteuerung die Hauptstelle zuständig gewesenerstellt. Ein entsprechendes Schreiben des Bekl vom 28. Juni 2006 (Herrn D) habe er zur Einsichtnahme vorgelegt. Ändere sich die interne Zuständigkeit, könne dies nicht zu einer abweichenden Steuerfestsetzung führen. Er habe die von seinem Arbeitgeber unterschriebenen Dienstpläne verwendet. Die Dienstpläne würden vom Bundesamt für Verkehr mit Sitz in Bern überprüft. Dieses überprüfe aus Sicherheitsgründen die Arbeitszeiten. Diese überprüften Arbeitszeiten habe der Kl seiner Auflistung und Berechnung zugrunde gelegt. Außerdem unterschreibe der Betriebsleiter die Arbeitszeitlisten. Sein Arbeitgeber habe auch die Einzelaufstellungen unterschrieben, welche von seinem Prozessbevollmächtigten für den Bekl aufbereitet worden seien.
Die Kl beantragen,
den geänderten ESt-Bescheid 2006 vom 19. Januar 2012 dahin gehend zu ändern, dass die ESt in Höhe von 7.522 EUR festgesetzt wird;
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Bekl beantragt,
die Klage abzuweisen;
hilfsweise, die Zulassung der Revision.
Er macht im Wesentlichen unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung geltend, Zuschläge, die in festen Monatsbeträgen pauschal ohne Rücksicht auf die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden gezahlt werden, seien nicht steuerfrei. Allein die Aufzeichnung der tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden reiche für eine Steuerbefreiung nicht aus. Unterliege der Arbeitslohn bei Grenzgängern zur Schweiz nicht dem Lohnsteuerabzug, finde keine für die Steuerbefreiung erforderliche Einzelabrechnung der Pauschalzuschläge durch den Arbeitgeber statt. Nach den bestehenden Verwaltungsanweisungen (Grenzgängerhandbuch) könne zwar eine „Abrechnung” durch den Kl bzw. den Bekl im Rahmen der ESt-Veranlagung vorgenommen werden. Dies setze indes voraus, dass sich die Pauschale erkennbar aus Einzelzuschlägen zusammensetze, die sich wiederum an den tatsächlichen Soll-Arbeitsstunden der Arbeitnehmer orientierten und darüber hinaus vom Schweizer Arbeitgeber im Lohnausweis oder einer Anlage dazu auf Grund von Einzelaufzeichnungen die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden an Sonn- und Feiertagen bzw. zur Nachtzeit sowie den darauf entfallenden Zuschlag einschließlich Zuschlagsatz bescheinigt werden. Der Kl erhalte jedoch neben dem Grundlohn eine feste Schichtzulage und zwar auch während den Urlaubs- und Krankheitszeiten. In solch einem Falle stelle die Zulage keine Abschlagszahlung dar, die im Hinblick auf eine spätere Einzelabrechnung geleistet werde. Im Übrigen setze die Steuerfreiheit der Zulage voraus, dass der Kl das jeweilige Reglement vorlege, woraus ersichtlich sei, wie sich die Schichtpauschale im Einzelnen zusammensetze. Einen solchen Nachweis habe der Kl nicht erbracht, da es nach seinen Angaben kein Reglement gebe, in dem die Zusammensetzung der gezahlten Schichtpauschale geregelt sei.
Die Berichterstatterin erörterte mit den Beteiligten am 28. Juli 2011 die Sach- und Rechtslage. Der Kl legte u.a. ein Schreiben seines Arbeitgebers für 2010 zur Einsichtnahme vor, nach dem er auch aus beruflichen Gründen in der Schweiz übernachtet habe. Eine Freistellung der Einkünfte begehre er indes nicht. Die Berichterstatterin gab u.a. zu bedenken, dass der Kläger in den Streitjahren in einer Anlage auf Grund von Einzelaufzeichnungen die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden aufgezeichnet habe und ein Abgleich mit dem Schichtplan unter Berücksichtigung von Urlaubs- und Krankentagen erfolgt sei. Danach sei eine sachlich zutreffende Aufteilung der Zuschläge tatsächlich möglich, so dass eine Aufteilung der dem Kläger gezahlten Zuschläge in steuerpflichtige und steuerfreie Zahlungen erfolgen könne (vgl. BFH-Beschluss vom 9. August 2004 IV B 160/02 , Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2004, 1649; Moritz in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 3b Rn. 23). Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift Bezug genommen (Klage-Akte, S. 81-83).
Der Bekl erwiderte mit Schreiben vom 5. August 2011, nach Hinzuziehung der Akten der Vorjahre, dass der Kl laut Ziffer 9 des Arbeitsvertrags vom 2. Februar 2004 ein jährliches Bruttosalär von 108.600 Sfr., zahlbar in 12 Monatslöhnen von je 9.050,– Sfr. erhalte. In diesen Beträgen seien 13.600,– Sfr. jährlich bzw. 1.133,35 Sfr. monatlich an Sonn-, Feiertags- und Nachtdienstzuschlägen pauschal enthalten, ebenso der Ortszuschlag. Dieser sei in der monatlichen Pauschale von 1.333,35 Sfr. enthalten und betrage wohl monatlich 200,– Sfr. Auf der Grundlage der vom Kl gefertigten Aufstellungen könne zwar ermittelt werden, in welcher Höhe ihm der Arbeitgeber nach der Vorschrift des § 3b EStG steuerfreie Zuschläge auszahlen dürfe. Ein Nachweis darüber, dass ihm der Arbeitgeber derartige Einzelzuschläge mit der Schichtpauschale von monatlich 1.133,35 Sfr. auch tatsächlich ausbezahlt hat, sei indes nicht erbracht worden. Die Voraussetzung für eine Steuerfreiheit, wonach eine Schichtpauschale u.a. nur dann steuerfrei bleiben könne, wenn sie sich auch erkennbar aus Einzelzuschlägen zusammensetzt, sei damit nicht erfüllt. Soweit der Bekl für die Vorjahre eine andere bzw. falsche Rechtsauffassung vertreten habe, sei er hieran wegen des Grundsatzes der Abschnittsbesteuerung nicht gebunden.
Der Bekl schilderte noch die Vorgehensweise der Betriebe der Basler Chemischen Industrie in Bezug auf die pauschalen Zuschläge ihrer Mitarbeiter, die Grundlage für die Ausführungen im Grenzgängerhandbuch gewesen seien. Recherchen des Bekl im Internet hätten ergeben, dass im hier betroffenen Bereich der Schweizer Eisenbahnen für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit Zuschläge gezahlt würden, die deutlich unter den Beträgen liegen würden, die sich nach den Vomhundertsätzen des § 3b EStG ergäben. Informationen habe er von der E, der D AG, und der G AG (dort sei der Kl vom 1. Januar 2003 bis 30. April 2004 beschäftigt gewesen) bekommen. Nach den Berechnungen des Kl ergäben sich im Streitfall Zulagen, die weit über den tatsächlich ausbezahlten Zulagen lägen und infolge der rechnerischen Ermittlung jährlich schwankten. § 3b EStG stelle auf den einzelnen Zuschlag für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit ab und nicht auf die Summe der Zuschläge für Arbeit zu diesen Zeiten. Nur eine konkrete Zuordnung der Pauschale zu den einzelnen begünstigten Zuschlagsarten ermögliche – wegen der unterschiedlichen Vomhundertsätze für die einzelnen Zuschläge – die Überprüfung der Begrenzung der Steuerfreiheit auf die einzelnen Höchstsätze. Hinsichtlich der vom Kl gefertigten Aufstellungen sei noch darauf hinzuweisen, dass der Grundstundenlohn nicht nach der tatsächlich geleisteten, sondern der im Anstellungsvertrag vereinbarten Sollarbeitszeit (laut Ziffer 8 des Vertrags wöchentlich 40 Stunden) zu ermitteln sei. Wegen der Einzelheiten wird auf diesen Schriftsatz nebst Anlagen Bezug genommen (Klage-Akte, S. 93-132).
Daraufhin bat die Berichterstatterin den Kl um Stellungnahme und Vorlage des Gesamtarbeitsvertrags und/oder des Spesenreglements seines Arbeitgebers.
Der Kl antwortete, dass ein Ortszuschlag nicht bezahlt werde. Ein Ortszuschlag würde die Zuschläge erhöhen. Dies ergebe sich aus der Bescheinigung des Arbeitgebers vom 19. September 2011. In dieser wird ausgeführt:
1.„Die Mitarbeiter der C Schweiz GmbH sind keinem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) unterstellt. Die Zulagen sind gemäß Arbeitsvertrag bzw. in der Planungs- und Einsatzrichtlinie der C Schweiz GmbH geregelt. Zudem werden die gesetzlichen Vorgaben gemäß Arbeitszeitgesetz (AZG) eingehalten und umgesetzt.
2.Es ist richtig, dass die C Schweiz GmbH derzeit keine Lokführer angestellt hat, welche einen anderen Dienstort als X/Schweiz haben. Somit wird hier in X/Schweiz kein Ortszuschlag vergütet.
3.Die Einsätze an Sonn- und Feiertagen ergaben sich zum einen aus der Schichtrotation, aber auch aus der aktuellen betrieblichen Lage im Tagesgeschäft. Eine tatsächliche Berechnung der Nebenbezüge (Zulagen) im Vorfeld ist somit nicht möglich, sondern kann allenfalls geschätzt werden.
4.Das Arbeitsgesetz ist für alle konzessionierten Eisenbahnunternehmen in der Schweiz grundlegend und findet bei der C Schweiz GmbH vollumfänglich Anwendung. Das Bundesamt für Verkehr hat als hoheitliche Behörde stets das Recht, Kontrollen bezüglich der Einhaltung durchzuführen.”
Die Planungs- und Einsatzrichtlinien seines Arbeitgebers, gültig ab 1. Januar 2010, fügte der Kl bei. Darin ist u.a. vermerkt:
„7. Leistungsnachweis
Grundsätzlich wird die erbrachte Arbeitszeit von MEV übernommen. In der Abrechnungsstelle werden nur noch die Zeitgutschriften (Nachtzuschlag) nachgetragen.
8. Pausen / Nachtzuschläge
8.1 AZG
Die Abrechnung respektive die Zuschläge für die Pausen wie auch die Zuschläge für Nachtarbeit werden gemäss AZG [Arbeitszeitgesetz] / AZGV [Verordnung zum Arbeitszeitgesetz] kalkuliert und auf Ihrer persönlichen Abrechnung ausgewiesen.
8.2 Verpflegungspauschale
Die Höhe der Pauschale richtet sich nach der Abwesenheit vom Dienstort und bezieht sich jeweils auf die Dienstschichten. Die Abrechnung erfolgt über die Schichtprotokolle und Stundenabrechnungen. …
10. Ausfüllen des Leistungsformulars
10.1 Spalte Datum / Tag
Jeder Tag muss vermerkt werden; Ruhetage oder UEZ [Überstundenzuschlag] – Bezug sind immer einzeln als solche in der Spalte Arbeit zu vermerken. Bei Ferien können die reinen Ferientage MO – FR als Block zusammengefasst werden.
10.6 Spalten Arbeitszeit, Zuschläge
In Basisarbeitszeit ist das Total der AZ des ganzen Dienstes, also innerhalb DA [Dienstantritt] – DE [Dienstende] zu notieren. Die übrigen Zuschläge errechnen sich nach den Vorgaben des AZG/AZGV. (Die letzte Spalte Auswärts-Zuschlag ist nicht AZG-relevant).”
Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 30. September 2011 nebst Anlagen Bezug genommen (Klage-Akte, S. 135-145).
Mit Bescheid vom 19. Januar 2012 änderte der Bekl die ESt-Festsetzung 2006 auf 9.234 EUR. Er erkannte nunmehr bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung weitere Werbungskosten in Höhe von 504 EUR für eine Fahrt zum vermieteten Objekt an.
Mit Schreiben vom 22. Mai 2012 wies die Berichterstatterin den Vertreter des Kl sowie den Bekl auf das nach dem Erörterungstermin ergangene Urteil des BFH vom 8. Dezember 2011 VI R 18/11 ( BStBl 2012 II S. 291) nebst zwei Aufsätzen hierzu hin.
Der Bekl erwiderte mit Schreiben vom 4. Juni 2012, dass der BFH bestätige, dass pauschal gezahlte Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit nur in Ausnahmefällen steuerfrei belassen werden dürften. Der Kl habe zwar unstreitig die Anzahl der geleisteten Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitsstunden nachgewiesen. Die Zahlung der monatlichen Pauschale sei indes nicht an eine bestimmte im Vorhinein zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbarte Stundenzahl geknüpft worden (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 28. November 1990 VI R 56/90, BStBl. II 1991, 298). Im Übrigen seien in den Urteilsfällen VI R 56/90 und VI R 18/11 –im Gegensatz zum Streitfall– die vom Arbeitgeber bezahlten Einzelzuschläge auch der Höhe nach (im Voraus) vertraglich festgelegt gewesen. Im Streitfall habe der Kl rein rechnerisch ermittelt, in welcher Höhe sein Arbeitgeber steuerfreie Zuschläge hätte auszahlen dürfen. Er könne aber keinen Aufschluss darüber geben, welche Stundenzahl und welche Zuschläge der Arbeitgeber bei den Ermittlungen der monatlichen Pauschale tatsächlich zugrunde gelegt hat. Infolgedessen sei in Bezug auf die Pauschale weder eine Zurechnung der Sache nach (tatsächlich geleistete Arbeit während begünstigter Zeiten) noch der Höhe nach (Steuerfreistellung nur nach Prozentsätzen des Grundlohns) möglich. Ferner werde im Streitfall die Pauschale nicht neben dem Grundlohn gewährt, sondern sei Teil der einheitlichen Entlohnung. Dies ergebe sich aus dem Arbeitsvertrag Ziffer 9, wonach der Kl ein jährliches Bruttosalär einschließlich der pauschalen Zuschläge erhalte.
Die Kl antworteten mit Fax vom 20. Juni 2012, eingegangen bei Gericht am gleichen Tag, dass das Verfahren VI R 18/11 einen Steuerpflichtigen mit einem inländischen Arbeitgeber betreffe. Im Streitfall gebe es die Besonderheit, dass der Schweizer Arbeitgeber des Kl nicht nach § 41b EStG verpflichtet werden könne, eine jährliche Abrechnung zu erstellen. Ferner sei im Verfahren VI R 27/10 keine Einzelauflistung / Einzelabrechnung vorgelegt, sondern eine prozentuale Ermittlung vorgenommen worden. Ein Pauschalzuschlag sei steuerfrei, als er insoweit den im Einzelnen ermittelten Zuschlägen für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit entspreche. Da der Kl einen Schweizer Arbeitgeber habe, sei die erforderliche „Abrechnung” durch den Steuerpflichtigen im Rahmen der Veranlagung zulässig. Seine, des Kl, Schichtzulage sei steuerfrei, da sie durch seine Einzelauflistung der tatsächlich geleisteten Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit zugeordnet worden sei.
Die Beteiligten erklärten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden, so der Bekl mit Schreiben vom 5. August 2011 und die Kl mit Schreiben vom 30. September 2011.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Von den vom Schweizer Arbeitgeber an den Kl pauschal gezahlten Zuschlägen in Höhe von insgesamt 16.000 SFr. ist nicht ein Betrag von 9.108,25 SFr. als steuerfreier Arbeitslohn zu behandeln.
Nach § 3b Abs. 1 EStG sind neben dem Grundlohn gewährte Zuschläge steuerfrei, wenn sie für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gezahlt werden und bestimmte Prozentsätze des Grundlohns nicht übersteigen. Nach § 3b Abs. 2 S. 1 EStG ist Grundlohn der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht. Er ist in einen Stundenlohn umzurechnen. Unter Berücksichtigung des Wortlauts „neben” kommt eine Steuerbefreiung nach § 3b Abs. 1 EStG nicht in Betracht, wenn die Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit allgemein pauschaliert abgegolten wird und deshalb weder eine Zurechnung der Sache nach (tatsächlich geleistete Arbeit während begünstigter Zeiten) noch der Höhe nach (Steuerfreistellung nur nach %-Sätzen des Grundlohns) möglich ist (BFH-Urteil vom 8. Dezember 2011 VI R 18/11, BStBl. II BStBl 2011 II S. 2012, BStBl 2011 II S. 291).
Der Kl hat indes eine pauschale Vergütung der Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit erhalten, die nicht neben seinem Grundlohn, sondern als fester monatlicher Bestandteil seines Arbeitslohns ausbezahlt wurde. Sie war Teil einer einheitlichen Entlohnung für die gesamte, auch nachts, bzw. an Sonntagen und Feiertagen geleistete Tätigkeit des Kl. Dies belegt § 9 des Arbeitsvertrags, nach dem der Kl einen monatlichen Fixbetrag ausbezahlt bekommt, unabhängig davon, an welchen Tagen und zu welcher Uhrzeit er seine Arbeit verrichtet. Der Kl hat die pauschalen Zuschläge endgültig erhalten. Sie haben nach der arbeitsvertraglichen Vereinbarung den Charakter einer allgemeinen Lohnerhöhung, da sie unabhängig von der tatsächlich geleisteten Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit ausbezahlt werden und zwar jeden Monat i.H.v. 1.333,35 SFr. Sie gehören infolgedessen zum laufenden –steuerpflichtigen– Arbeitslohn. Denn laufender Arbeitslohn ist das dem Arbeitnehmer regelmäßig zufließende Arbeitsentgelt (Monatsgehalt, laufende Zulagen oder Zuschläge, etc.; BFH-Urteil vom 17. Juni 2010 VI R 50/09, BStBl. II 2011, 43). Vereinbaren der Kl und sein Arbeitgeber einen monatlichen Betrag, nach dem die Zuschläge aus Praktikabilitätsgründen ohne Rücksicht auf tatsächlich geleistete Arbeitsstunden berechnet werden, dient die Pauschale nicht lediglich als rechnerische Größe zur Ermittlung des Lohnzusatzes. Denn der Arbeitgeber des Kl hat die pauschalen Zuwendungen nicht als Abschlagszahlung oder Vorschuss auf eine spätere Einzelabrechnung geleistet (vgl. BFH-Urteil vom 8. Dezember 2011 VI R 18/11, Juris).
Diese Auslegung ist mit dem Sinn und Zweck der Norm vereinbar. Denn § 3b Abs. 1 EStG soll gewährleisten, dass nur Zuschläge steuerfrei bleiben, bei denen betragsmäßig genau feststeht, dass sie nur für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gezahlt werden und keine allgemeine Gegenleistung für die Arbeitsleistung – so wie im Streitfalldarstellen (BFH-Urteil vom 22. Oktober 2009 VI R 16/08, BFH/NV 2010, 201).
Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht unter Berücksichtigung der vom Kl anhand der Dienstpläne gefertigten und von seinem Arbeitgeber unterschriebenen Einzelaufstellungen der unstreitig tatsächlich geleisteten Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit und des hieraus verhältnismäßig ermittelten steuerfreien Arbeitslohns. Zu Recht geht zwar der Kl davon aus, dass eine Steuerfreiheit zu bejahen ist, wenn eine sachlich zutreffende, d.h. nicht nur rechnerische, Aufteilung der ihm pauschal gezahlten Zuschläge in steuerpflichtige und steuerfreie Zahlungen möglich ist (BFH-Beschluss vom 9. August 2004 VI B 160/02, BFH/NV 2004, 1649). Die Aufstellungen und Berechnungen des Kl ermöglichen jedoch allenfalls eine Zurechnung der Sache nach (tatsächlich geleistete Arbeit während begünstigter Zeiten). Eine Zurechnung der Höhe nach (Steuerfreistellung nach %-Sätzen des Grundlohns) ergibt sich aus ihnen nicht. Die vom Arbeitgeber des Kl bezahlten Einzelzuschläge sind der Höhe nach nicht vertraglich festgelegt gewesen. Vereinbart war eine Pauschale, deren Ermittlung weder dem Arbeitsvertrag noch dem Schreiben des Arbeitgebers vom 19. September 2011 noch den Planungs- und Einsatzrichtlinien des Arbeitgebers zu entnehmen ist. Der Arbeitgeber des Kl verweist insoweit auf seine Kalkulation gemäß AZG und AZGV. Außerdem schwanken infolge der rechnerischen Ermittlung durch den Kl die Zuschläge jährlich.
Ist eine Zurechnung der Höhe nach nicht möglich, schließt dies aus, lediglich die Differenz zwischen der Pauschale und dem sich bei der Einzelberechnung ergebenden Betrag als steuerpflichtigen Arbeitslohn zu behandeln (siehe zur „Differenzbesteuerung” BFH-Urteil vom 22. Oktober 2009 VI R 16/08, BFH/NV 2010, 201). Denn die Steuerbefreiung setzt voraus, dass in dem Arbeitsvertrag zwischen der Grundvergütung und den Erschwerniszuschlägen unterschieden und ein Bezug zwischen der zu leistenden Nacht- und Sonntagsarbeit und dem Lohn hergestellt wird (BFH-Urteil vom 16. Dezember 2010 VI R 27/10, BFH/NV 2011, 683).
Dies gilt auch bei einem ausländischen Arbeitgeber. Die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung sind nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gleichmäßig anzuwenden. Eine Differenzierung nach dem Sitz des Arbeitgebers wäre insoweit nicht sachgerecht.
Dem steht nicht das Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft (EG) und ihren Mitgliedern vom 21. Juni 1999 (sog. Freizügigkeitsabkommen – FZA –, Bundesgesetzblatt – BGBl. – II 2001, 811), das am 1. Juni 2002 in Kraft getreten ist (offen gelassen vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Nichtannahmebeschluss vom 3. November 2003 2 BvR 168/02, Internationales Steuerrecht (IStR) 2004, 125) entgegen, auch wenn das FZA, ein sektorspezifisches Abkommen, ein völkerrechtlicher Vertrag ist, der bestimmte, im Einzelnen geregelte Freiheiten garantiert und ein allgemeines Diskriminierungsverbot formuliert (vgl. Urteil des Finanzgerichts – FG – Baden-Württemberg vom 21. Juli 2010 14 K 1469/10, Entscheidungen der FG – EFG – 2010, 1997).
Die Arbeitnehmerfreizügigkeit umfasst nach Art. 39 Abs. 2 und 3 des Vertrags zur Gründung der EG vom 7. Februar 1992 in der Fassung des Vertrags von Nizza vom 26. Februar 2001 ( BGBl 2002 II S. 1666), geändert durch den Beitrittsvertrag ( BGBl 2003 II S. 1477), das Recht auf Ausreise aus dem Heimatstaat, das Recht auf Einreise und Aufenthalt im Aufnahmestaat sowie das Recht auf Gleichbehandlung beim Zugang und bei Ausübung einer Beschäftigung (Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 12. Dezember 2002 C-385/00, BFH/NV 2003, Beilage 2, 75). Der Sinn und Zweck der Arbeitnehmerfreizügigkeit besteht in der Möglichkeit der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit. Sie enthält neben einem Diskriminierungsverbot, einem Gebot der Inländergleichbehandlung im Aufnahmestaat, ein Recht auf nahezu unbegrenzt grenzüberschreitende Betätigung (Freiheitskomponente), das in ein Beschränkungsverbot mündet. Sie ist damit auch betroffen, wenn eine nationale Regelung geeignet ist, einen Arbeitnehmer an der Aufnahme einer Arbeit in einem anderen Staat zu behindern ( EuGHUrteil vom 12. Dezember 2002 C-385/00, BFH/NV 2003, Beilage 2, 75). Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Denn dem Kl wird die Steuerfreiheit des § 3b Abs. 1 EStG nicht deshalb verwehrt, weil sein Arbeitgeber ein Schweizer Arbeitgeber ist, sondern weil die Voraussetzungen des § 3b Abs. 1 EStG nicht erfüllt sind. Letztendlich begehrt der Kl die Möglichkeit eines einfacheren Nachweises der Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung eines Teils seines Arbeitslohns, da er einen ausländischen Arbeitgeber hat. Eine solche Beweiserleichterung lässt sich jedoch mit dem FZA nicht begründen. Nach Art. 31 Abs. 1 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge ist das FZA nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung im Lichte seines Ziels und Zwecks auszulegen ( EuGH-Urteil vom 15. Juli 2010 C-70/09, Tz. 36, 42, Juris). Für seine Auslegung sind die im Abkommen selbst festgeschriebenen Zielsetzungen sowie „das Niveau der sektoriellen Integration in den gemeinsamen Binnenmarkt entscheidend” (Imhof, Das Freizügigkeitsabkommen EG-Schweiz und seine Auslegungsmethode – Teil 1, Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht – ZESAR – 2007, 155 ff.). Zu berücksichtigen ist hierbei, dass Art. 21 FZA darauf schließen lässt, dass, nach dem Willen der Vertragsparteien, das FZA grundsätzlich keine Anwendung auf Steuernormen finden soll ( Urteil des FG Baden-Württemberg vom 21. Juli 2010 14 K 1469/10, EFG 2010, 1997). Hinzu kommt, dass das FZA als völkerrechtlicher Vertrag den Rang eines Bundesgesetzes hat (vgl. Art. 59 Abs. 2 GG) und damit einem Steuergesetz nicht vorgeht. § 2 Abgabenordnung (AO), nach dessen Wortlaut völkerrechtliche Verträge über die Besteuerung den Steuergesetzen vorgehen, kann als einfaches Recht keinen allgemeinen Vorrang völkerrechtlicher Verträge begründen, so dass eine Normenkollision im konkreten Einzelfall nach den allgemeinen Regeln aufzulösen ist (Drüen in Tipke/Kruse, AO, § 2 Rn. 1 f., 38). Entscheidend ist daher, welche Vorschrift als die speziellere anzusehen ist. Dies ist im Streitfall § 3b Abs. 1 EStG.
Entgegen der Ansicht der Kl war der Bekl ferner nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes nach Treu und Glauben am Erlass des angefochtenen ESt-Bescheids 2006 gehindert. Der Bekl ist bei einem Zuständigkeitswechsel infolge der Abschnittsbesteuerung nicht an die steuerliche Behandlung des bisher zuständigen Bearbeiters gebunden. Im Übrigen stellt das Schreiben des früheren Bearbeiters vom 28. Juni 2006 keine verbindliche Auskunft dar. Es fehlt insoweit an einer behördlichen Erklärung, die sich auf einen erst in Zukunft zu verwirklichenden Sachverhalt bezieht (vgl. BFH-Urteil vom 26. Mai 2004 I R 54/03, BStBl. II 2004, 767). Soweit die Kl geltend machen, die Entscheidung weiche von Fach B Teil 2 Nummer 10 des Grenzgängerhandbuchs ab, geht es ihnen um einen Vertrauensschutz aufgrund besonderer Verhältnisse des Einzelfalls. Sie begehren die Anwendung der Ausführungen im Grenzgängerhandbuch, einer Verwaltungsanweisung, zu ihren Gunsten. Diesbezüglicher Vertrauensschutz wird nach nationalem Recht nicht im Rahmen der Steuerfestsetzung, sondern im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme gewährt (vgl. BFH-Urteile vom 18. November 1998 X R 110/95, BStBl. II BStBl 1995 II S. 1999, BStBl 1995 II S. 225; vom 30. April 2009 V R 15/07, BStBl. II 2009, 744 und vom 8. Juli 2009 XI R 51/07, BFH/NV 2010, 256). Streitgegenstand ist jedoch die ESt-Festsetzung 2006.
Aus den genannten Gründen kann dahin gestellt bleiben, ob der Kl den Grundlohn entsprechend § 3b Abs. 2 S. 1 EStG berechnet hat. Danach orientiert sich dieser an der für den Kl maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit und nicht nach den tatsächlich geleisteten Stunden.
Nachdem das Einverständnis beider Beteiligter vorliegt, hält es der Senat für sachgerecht, gemäß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kl gemäß § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision wird zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Denn das Verhältnis des FZA zum nationalen Steuerrecht bei einem Arbeitnehmer und dessen Auswirkungen auf Nachweispflichten ist noch nicht geklärt.