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  • 17.01.2013 · IWW-Abrufnummer 130206

    Finanzgericht Nürnberg: Urteil vom 25.07.2012 – 5 K 1354/2009

    1. Ein weiter entfernt liegender Heimatwohnort bleibt der Mittelpunkt der Lebensinteressen, wenn der Steuerpflichtige zu diesem Ort besondere persönliche Beziehungen unterhält und er ihn nicht nur gelegentlich aufsucht.
    Der unbestimmte Rechtsbegriff der Gelegentlichkeit ist unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls auszulegen.
    Ein Rechtssatz, dass 12 Fahrten über übliche private Besuchsfahrten nicht hinausgehen, findet sich weder in den gesetzlichen Grundlagen noch in den Grundsätzen der Rechtsprechung noch in den die Verwaltung bindenden Verwaltungsanweisungen (vgl. R 9.10 Abs. 1 S. 8 LohnStR 2011).
    2. Die Einschränkung des Klageantrages wirkt kostenrechtlich wie ein teilweises Unterliegen.


    Tatbestand
    Streitig ist, ob die Klägerin Werbungskosten für Fahrten zwischen dem Ort ihrer Arbeitsstätte und ihrem Heimatwohnort geltend machen kann.
    Die Klägerin, die am xx.xx..1979 geboren wurde, war im Streitjahr ledig und arbeitete als Bürokauffrau in B. Dort hatte sie auch in dieser Zeit eine Wohnung. Ihr Elternhaus befand sich in X, wo ihr Vater ein Transportunternehmen und einen Baustoffhandel betrieb. In X hatte die Klägerin noch einen Freundeskreis, beteiligte sich dort gelegentlich am Vereinsleben, hatte dort noch ihren Zahnarzt und verfügte dort über ein Konto bei der Bank.
    Ende des Jahres 2006 wandte sie sich an den Lohnsteuerhilfeverein mit der Bitte eine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr zu erstellen. Die Erklärung unterschrieb sie am 22.12.2006. In der Erklärung gab sie einen Bruttoarbeitslohn von 23.665 € an und erklärte 45 Fahrten von B nach X mit einer Entfernung von 280 km als Werbungskosten. Weitere Werbungskosten machte sie für Kontoführungsgebühren i.H.v. 16 €, 50 % Unfallversicherung i.H.v. 31 € und Steuerberatungskosten i.H.v. 137 € geltend.
    Die Erklärung war an das Finanzamt B unter der Steuernummer xxx/xxx/xxxxx adressiert. Der Mantelbogen der Erklärung trägt den Eingangsstempel des Finanzamt F von 04.01.2007 und vom Finanzamt M vom 12.01.2007. Das Finanzamt M übersandte die Erklärung mit Schreiben vom 17.01.2007 (Steuernummer xxx/xxx/xxxxx) an das beklagte Finanzamt wegen der Änderung der örtlichen Zuständigkeit. Es teilte mit, dass die Klägerin nach B verzogen sei und sich damit die örtliche Zuständigkeit für die Einkommensteuerveranlagung geändert habe. Es bat um Übernahme ab dem Veranlagungszeitraum 2004. Es beabsichtige, den bisher unter der o.g. Steuernummer geführten Fall ab dem 01.01.2004 zu löschen.
    Das beklagte Finanzamt lehnte mit dem Schreiben vom 19.03.2007 die Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 2004 ab, weil der Antrag nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 S. 2 EStG (in der für das Streitjahr gültigen Fassung) nicht innerhalb der dort vorgeschriebenen 2-Jahresfrist eingereicht worden sei. Eine Wiedereinsetzung in die Antragsfrist nach § 110 Abs. 1 AO sei nicht möglich. Gegen die Ablehnung der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr erhob die Klägerin am 27.03.2007 Einspruch. Zur Begründung trug sie vor, sie habe die Steuererklärung am 22.12.2006 zur Post gegeben. Hinsichtlich der Werbungskosten wegen der Fahrten von X nach B habe sie sich darauf verlassen können, dass die Anerkennung der Entfernungspauschale bis 4.500 € ohne Nachweis durch Belege erfolge. Ihr Lebensmittelpunkt habe sich in dieser Zeit in X befunden und sie sei jede Woche dorthin nach Hause gefahren. Dort haben ihre Eltern und ihr Freund gewohnt und sie sei in Vereinen aktiv gewesen.
    In der Entscheidung vom 06.08.2009 setzte das beklagte Finanzamt die Einkommensteuer für 2004 i.H.v. 3.101 € fest und wies im Übrigen den Einspruch als unbegründet zurück. Den Solidaritätszuschlag setzte es i.H.v. 170,55 € fest. Die Steuerfestsetzung ergab sich aus dem Einkommensteuerbescheid vom gleichen Datum, der der Einspruchsentscheidung als Anlage beilag. Danach hatte das Finanzamt als Werbungskosten nur den Arbeitnehmer-Pauschbetrag i.H.v. 920 € berücksichtigt. In der Entscheidung führte das Finanzamt aus, die Einkommensteuererklärung sei zwar erst nach dem Ablauf der Antragsfrist nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG eingegangen. Wegen einer verwaltungsintern bestimmten Übergangsfrist sei gleichwohl die Veranlagung durchzuführen gewesen. Als Werbungskosten könne es jedoch die geltend gemachten Fahrten zwischen B und X nicht anerkennen, weil die Klägerin nicht nachgewiesen habe, dass sich dort ihr Lebensmittelpunkt befunden habe.
    Die Klägerin hat fristgerecht Klage erhoben und beantragt zuletzt sinngemäß, die Einkommensteuerfestsetzung in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahin zu ändern, dass als Werbungskosten 28 Fahrten von B nach X anerkannt werden.
    Weiter beantragt die Klägerin, die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
    Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen folgendes vor:
    Im Streitjahr habe sie 2 Wohnungen inne gehabt. Ihre Arbeitsstätte in B habe sie sowohl von der in B begründeten Wohnung als auch von der weiter entfernt liegenden Wohnung in X aufgesucht. Ihr Lebensmittelpunkt habe sich in dieser Zeit nach wie vor in X befunden. Zum Nachweis an der Teilnahme am öffentlichen Leben lege sie eine Bestätigung der Gemeindeverwaltung X vor und eine nach ihrem Haushaltsbuch rekonstruierte Aufstellung der Daten über die einzelnen Fahrten von B nach X. Sie könne ihre Kontoauszüge, Unterlagen über Arztbesuche, den Arbeitsvertrag über eine Nebentätigkeit in der Firma ihres Vaters und verschiedene weitere Unterlagen vorlegen. Als Zeugen dafür, dass ihr Lebensmittelpunkt damals in X gewesen sei, benenne sie ihre Eltern und ihren Freund. Weitere Nachweise und Aufzeichnungen könne sie nicht beibringen, weil sie davon ausgegangen sei, dass es im Hinblick auf die Regelung der Entfernungspauschale auf die tatsächlichen Aufwendungen nicht ankomme. Einen höheren Betrag als 4500 € beanspruche sie nicht, weil sie die Fahrten nicht mit einem eigenen oder zur Nutzung überlassenen Kraftwagen durchgeführt habe. Zum Teil habe sie die Fahrten mit den Fahrzeugen ihrer Eltern gemacht. Einzelnachweise könne sie nicht beibringen, da Fahrtenbücher nicht geführt worden seien.
    Wegen der Begründung ihrer Klage und der hierzu vorgelegten Unterlagen wird auf die im Klageverfahren eingereichten Schriftsätze und Stellungnahmen verwiesen.
    Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.
    Es trägt zur Begründung folgende Gesichtspunkte vor:
    Auf Grund der nachgereichten Unterlagen ergäbe sich keine andere rechtliche Beurteilung der Fahrten nach X als in der Einspruchsentscheidung. Die Bestätigung der Gemeinde über die Unterstützung von Dorffesten und –feiern und über Besuche in Jugendeinrichtungen zu Treffen mit dem Freundeskreis beweise nicht, dass sich der Lebensmittelpunkt der Klägerin in X befunden oder wie oft sie sich dort aufgehalten habe.
    Über die Fahrten zwischen B und X habe die Klägerin zwar inzwischen eine Aufstellung über 31 Fahrten nachgereicht, entgegen der ursprünglich beantragten 45 Heimfahrten. Die Aufstellung genüge jedoch zum Nachweis der Fahrten nicht, denn es fehlten Unterlagen zur tatsächlichen Durchführung der Fahrten und zu den benutzten Verkehrsmitteln. Auch durch die Befragung von Angehörigen und Freunden sei ein objektiver Nachweis über den Lebensmittelpunkt nicht möglich. Da die Klägerin ausdrücklich angegeben habe, dass sie kein eigenes oder zur Nutzung überlassenes Kraftfahrzeug benutzt habe, könne auf den Nachweis der Fahrleistung der genutzten Fahrzeuge nicht verzichtet werden. Sie hätte entsprechende Beweisvorsorge treffen müssen.
    Die von der Klägerin bisher nachgewiesenen 12 Fahrten nach X gingen über übliche Besuchsfahrten nicht hinaus und gehörten somit zu den nichtabziehbaren Aufwendungen für die private Lebensführung. Bei ledigen Arbeitnehmern befinde sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen erst dann in der vom Arbeitsort weiter entfernten Wohnung, wenn diese mindestens 2 mal monatlich aufgesucht werde.
    Wegen der Begründungen im Einzelnen wird auf die im Klageverfahren eingereichten Schriftsätze verwiesen.
    Hinsichtlich des Ergebnisses der im Klageverfahren am 21.02.2011 durchgeführten Erörterung der Streitsache wird auf die Niederschrift verwiesen.
    Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§§ 79 a Abs. 3, 90 Abs. 2 FGO).
    Gründe
    Die Klage hat nur Erfolg, soweit die Klägerin wie zuletzt beantragt noch 28 Familienheimfahrten geltend macht.
    Im Zusammenhang mit den von der Klägerin erzielten Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) sind nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG 2002 (in der Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 2004) auch Aufwendungen zu berücksichtigen, die dem Arbeitnehmer für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erwachsen sind. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von 0,30 € anzusetzen, höchstens jedoch 4.500 € im Kalenderjahr; ein höherer Betrag als 4.500 € ist anzusetzen, soweit der Arbeitnehmer einen eigenen oder ihm zur Nutzung überlassenen Kraftwagen benutzt. Hat ein Arbeitnehmer mehrere Wohnungen, so sind die Wege von einer Wohnung, die nicht der Arbeitsstätte am nächsten liegt, nur zu berücksichtigen, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Arbeitnehmers bildet und nicht nur gelegentlich aufgesucht wird (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 Sätze 2 u. 6 EStG).
    Mit der Einführung der Entfernungspauschale i.H.v. 4.500 € hat der Gesetzgeber eine verkehrsmittelunabhängige Pauschalierung anzuerkennender Werbungskosten getroffen. Es ist also grundsätzlich unerheblich, welches Verkehrsmittel benutzt wurde und ob tatsächlich Aufwendungen entstanden sind (vgl. von Beckerath in Kirchhof, EStG-Kommentar, 11. Auflage 2012, § 9 Rz. 55). Die Pauschale wird einheitlich i.H.v. 0,30 € festgesetzt und gilt für jeden vollen Entfernungskilometer. Dabei ist grundsätzlich die Entfernung zu einer Wohnung, die der Arbeitsstätte am nächsten liegt, zu berücksichtigen. Verfügt ein Arbeitnehmer über mehrere Wohnungen, so sind Fahrten zu der weiter entfernt liegenden Wohnung nur zu berücksichtigen, wenn diese den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Arbeitnehmers bildet. Bei einem verheirateten Arbeitnehmer befindet sich der Lebensmittelpunkt regelmäßig am Wohnort seiner Familie, bei ledigen Arbeitnehmern ist der Lebensmittelpunkt der Wohnort, von dem er überwiegend zur Arbeitsstätte fährt. Ausnahmsweise ist der Wohnort, von dem aus der Arbeitnehmer weniger oft fährt, nur dann der Mittelpunkt der Lebensinteressen, wenn er zu diesem Ort besondere persönliche Beziehungen unterhält. Diese persönlichen Beziehungen kommen zum Ausdruck in der Bindung an vertraute Personen wie Eltern oder Freundeskreis und auch in Aktivitäten im öffentlichen Leben (vgl. von Beckerath in Kirchhof, a.a.O., § 9 Rz. 64 m.w.N. der Rechtsprechung). Die weiter entfernt liegende Wohnung darf jedoch nicht nur gelegentlich aufgesucht werden. Der unbestimmte Rechtsbegriff der Gelegentlichkeit ist unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles auszulegen (vgl. von Beckerath in Kirchhof, a.a.O. § 9 Rz. 64 mit Nachweisen der Rechtsprechung).
    Die Finanzverwaltung nimmt bei ledigen Arbeitnehmern jedenfalls dann den Mittelpunkt der Lebensinteressen an einem weiter entfernten Wohnort an, wenn dieser im Durchschnitt mindestens 2 x monatlich aufgesucht worden ist (vgl. R 42 Abs. 1 S. 8 LohnStR 2005 bzw. R 10 Abs. 1 S. 8 LohnStR 2011).
    Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Regelungen und der von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätze steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin im Streitjahr noch ihren Lebensmittelpunkt in ihrer Heimatgemeinde X beibehalten hatte und ausreichend nachgewiesen hat, dass sie von dort zumindest 28 mal zu ihrer Arbeitsstätte in B gefahren ist.
    Der Klägerin stehen Werbungskosten für Fahrten von der weiter entfernten Wohnung zu ihrer Arbeitsstätte in B gem. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 6 EStG zu, weil sie belegt hat, dass sie in der Wohnung in X den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen auch noch im Streitjahr inne hatte. Diesen Nachweis hat die Klägerin dadurch erbracht, dass sie im Klageverfahren eine Vielzahl von Unterlagen beigebracht hat, wie etwa den Nachweis für ein Nebentätigkeitsverhältnis im Unternehmen ihres Vaters, Bankverbindungen, die Beibehaltung eines Zahnarztes ihres Vertrauens, eine steuerliche Beratung in dieser Nähe und Bestätigungen der Gemeinde und von Vereinen über ihre Teilnahme am dortigen öffentlichen Leben. Diese Unterlagen genügen im Streitfall dem Gericht zum Beweis dafür, dass sich der Lebensmittelpunkt nicht nach B verlagert hat. Die Vernehmung der als Zeugen angebotenen Eltern und den Freund der Klägerin, die durchaus als Beweismittel für die objektiven Gegebenheiten in Betracht gekommen wären, konnte unter diesen Umständen unterbleiben. Bei Berücksichtigung aller Umstände im Streitfall steht fest, dass der Lebensmittelpunkt der Klägerin auch im Streitjahr 2004 an ihrem Heimatort war und sich nicht an ihren Arbeitsort in B verlagert hat.
    Die Klägerin hat auch zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, dass sie im Streitjahr zumindest 28 mal von ihrer Heimatgemeinde X nach B zu ihrer Arbeitsstätte gefahren ist. Dies ergibt sich aus den von der Klägerin im Klageverfahren vorgelegten Aufstellungen, anhand der sie die einzelnen Fahrten aus ihrer Erinnerung und aus ihrem Haushaltsbuch nachvollzogen hat. Die einzelnen Fahrten lassen sich den Aufstellungen, die mit der Klagebegründung vom 14.10.2009, den Unterlagen aus dem Schriftsatz von 31.03.2011 und den mit dem Schriftsatz vom 31.07.2011 vorgelegten Belegen entnehmen.
    Unabhängig von der Anzahl der zuletzt geltend gemachten und nachgewiesenen einzelnen Fahrten steht unter Berücksichtigung aller Umstände des Streitfalls fest, dass die Klägerin ihre Heimatgemeinde im Streitjahr nicht nur gelegentlich aufgesucht hat. Aus der Bestätigung der Freiwilligen Feuerwehr X folgt, dass die Klägerin im Januar, Februar, März und im April 2004 an Vereinsversammlungen teilgenommen hat. Nachgewiesen ist auch ein Arztbesuch am 03.07.2004. Schließlich arbeitete sie ab September 2004 im Unternehmen ihres Vaters mit. Dies alles lässt eindeutig den Schluss zu, dass die Klägerin, trotz Aufnahme einer Beschäftigung in B und der Einrichtung einer Wohnung dort, ihren Lebensmittelpunkt weiterhin in ihrer Heimatgemeinde aufrecht erhalten hat.
    Einen Rechtssatz, dass 12 Fahrten über übliche Besuchsfahrten nicht hinausgehen und diese damit zu den nichtabziehbaren Aufwendungen für die private Lebensführung gehören, wie ihn das beklagte Finanzamt mit Schriftsatz vom 05.03.2012 aufgestellt hat, findet sich weder in den gesetzlichen Grundlagen noch in den von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen. Auch aus den die Verwaltung bindenden Lohnsteuerrichtlinien, insbesondere R 9.10 Abs. 1 S. 8 Lohnsteuerrichtlinien 2011, lässt sich eine solche Verwaltungsbindung nicht ableiten. Denn dort wird ausgeführt, dass jedenfalls davon auszugehen ist, dass sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen an der weiter entfernten Wohnung befindet, wenn diese im Durchschnitt mindestens 2 mal monatlich aufgesucht worden ist. Ein Umkehrschluss, dass nämlich bei weniger Fahrten ausschließlich eine private Veranlassung gegeben sei, lässt sich daraus nicht entnehmen. Das Finanzamt hätte daher ohne Bindung an eine Verwaltungsanweisung dem Klagebegehren abhelfen können bzw. sogar müssen.
    Weil die Entfernungspauschale von Gesetzes wegen unabhängig von der Verwendung eines bestimmten Verkehrsmittels gewährt wird, brauchte die Klägerin entgegen den Anforderungen des beklagten Finanzamts nicht im Einzelnen nachweisen, mit welchen Verkehrsmitteln oder Fahrzeugen sie die einzelnen Fahrten tatsächlich vorgenommen hat. Die Klägerin hat nämlich glaubhaft vorgetragen, dass sie die Fahrten mit Fahrzeugen ihrer Eltern, teilweise mit der Bahn oder auf Grund von Mitfahrgelegenheiten durchgeführt hat. Das genügt. Der Klage war daher unter Berücksichtigung von zuletzt 28 geltend gemachten Fahrten und der mit der Einkommensteuererklärung vom 22.12.2006 geltend gemachten weiteren Werbungskosten stattzugeben. Die Festsetzung des Solidaritätszuschlages ist vom Finanzamt entsprechend zu ändern (§ 1 Abs. 5 Satz 2 SolZG).
    Die Kosten des Verfahrens waren gem. § 136 Abs. 1 S. 1 2. Alternative FGO verhältnismäßig zu teilen. Denn die Klägerin hatte zunächst die Berücksichtigung von 45 Fahrten von X nach B entsprechend ihrer Einkommensteuererklärung beantragt. Sie hat zuletzt jedoch in ihrem Schriftsatz vom 20.04.2012 die Klage dahin eingeschränkt, nur noch 28 Fahrten geltend zu machen. Die Einschränkung des Klageantrags wirkt kostenrechtlich wie ein teilweises Unterliegen (vgl. Brandis in Tipke/Kruse AO-/FGO-Kommentar, § 136 FGO Rz. 12).
    Eine anderweitige Auferlegung der Kosten i.S. v. § 137 S. 1 FGO kommt im Streitfall nicht in Betracht. Zwar hat die Klägerin erst im Klageverfahren die entscheidenden Unterlagen beigebracht und Beweismittel benannt, die letztlich zum Erfolg ihrer Klage geführt haben. Das Finanzamt hatte jedoch zunächst zu Unrecht die beantragte Einkommensteuerveranlagung abgelehnt und über den hiergegen eingelegten Einspruch einheitlich mit der Steuerfestsetzung mit dem Bescheid vom 06.08.2009 entschieden. Die Klageerhebung war daher zur Rechtswahrung jedenfalls geboten.
    Auf Grund der rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten im Streitfall war die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären (§ 139 Abs. 3 S. 3 FGO).

    VorschriftenFGO § 136, EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 6

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