10.05.2011 · IWW-Abrufnummer 110626
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt: Urteil vom 19.08.2010 – L 1 R 175/07
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
L 1 R 175/07
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 22. Februar 2007 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben sich auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin als Gruppenleiterin nach dem Prager-Eltern-Kind-Programm (PEKiP) als selbständig tätige Lehrerin gesetzlich rentenversicherungspflichtig ist.
Die 1963 geborene Klägerin studierte an der Medizinischen Akademie in der Fachrichtung Kinderkrankenpflege und erreichte den Fachschulabschluss. Mit Urkunde des Rates des Kreises vom 31. August 1983 erhielt sie die staatliche Erlaubnis zur Ausübung des Berufes als Kinderkrankenschwester. Seit dem 1. Oktober 1999 ist sie als selbständige PEKiP-Gruppenleiterin tätig. Dies teilte sie der Beklagten am 17. Juli 2003 telefonisch mit. Die Beklagte übersandte ihr daraufhin einen Fragebogen zur Feststellung der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbständige, den die Klägerin unter dem 19. August 2003 ausgefüllt zurücksandte. Die Klägerin wies darauf hin, dass sie im August 1999 die Beratungsstelle der Beklagten in Magdeburg aufgesucht habe. Nach Prüfung des von ihr vorgelegten Gründungskonzepts mit der Beschreibung des Tätigkeitsgebietes hätten die Mitarbeiter der Beklagten eine freiwillige Rentenversicherung angeboten; sie habe sich jedoch für die private Rentenversicherung entschieden. In dem Fragebogen gab die Klägerin an, als Kursleiterin Eltern-Kind-Gruppen durchzuführen. Sie biete PEKiP-Kurse und Indisch-Schwedische-Babymassage an. Sie habe wechselnde Auftraggeber, größtenteils Privatpersonen. Sie legte auch ein Gründungskonzept vom 13. August 1999 bei, in dem ihre Tätigkeit unter anderem wie folgt beschrieben wird:
"Das PEKiP ist eine spezielle Form der Elternbildung. Es handelt sich um eine Gruppenarbeit mit Kindern im ersten Lebensjahr und ihren Bezugspersonen. Auf der Basis von gemeinsamem Spiel, Bewegungsanregungen für die Babys und Gesprächen zwischen den Eltern werden Anregungen zum förderlichen Umgang miteinander vermittelt. Aufgabe und Sinn dieser Arbeit ist es, junge Familien beim Hineinwachsen in die Elternrolle zu unterstützen; sie zu ermutigen, die eigenen Kompetenzen zu sehen und zu erweitern; ihre Handlungsfähigkeit zu stärken; ihnen Hilfen zu geben, wie sie Alltagssituationen mit dem Kind gestalten können und ihnen zu ermöglichen, mit anderen Familien, die in ähnlicher Situation sind, Kontakt und Austausch zu pflegen.
Auch die Babymassage vermittelt jungen Eltern Sicherheit im Umgang mit ihrem Baby, stärkt ihr Selbstvertrauen und unterstützt beim Hineinwachsen in die Elternrolle ( ) Bei der täglichen Massage bietet sich den Eltern die Möglichkeit, mit der Körpersprache des Kindes vertraut zu werden, kennen zu lernen, wie das Baby sich anfühlt, wie es sich bewegt ( )
Die Gruppen treffen sich regelmäßig einmal wöchentlich. Die Babymassage umfasst 5 Kursstunden; PEKiP umfasst in der Regel 3 Blöcke mit je 10 Kursstunden. Es wird eine Betreuung über den gesamten Zeitraum des ersten Lebensjahres des Kindes angestrebt und von den Eltern auch größtenteils vollständig in Anspruch genommen. Das Unternehmen finanziert sich über Kursgebühren, die je nach Standort zwischen 7,50 DM bis 15,00 DM je Kursstunde betragen."
Mit Bescheid vom 23. September 2003 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin fest, dass diese ab dem 1. Oktober 1999 nach § 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) versicherungspflichtig sei. Versicherungspflichtige Selbständige würden grundsätzlich den Regelbeitrag zahlen, der einem Arbeitseinkommen in Höhe der Bezugsgröße entspreche. Bis zum Ablauf von drei Jahren nach dem Jahr der Aufnahme der Selbständigkeit sei sie berechtigt, den halben Regelbeitrag zu zahlen. In der Anlage zu dem Bescheid wies die Beklagte die von der Klägerin ab dem 1. Oktober 1999 zu zahlenden Beträge in Höhe von 11.233,86 EUR aus.
Hiergegen legte die Klägerin am 6. Oktober 2003 Widerspruch ein. Sie bat um eine Feststellung, dass ihre freiberufliche Tätigkeit keiner Versicherungspflicht unterliege, wie ihr das bereits im Jahr 1999 anlässlich des Beratungsgespräches mündlich mitgeteilt worden sei. Der Gesetzestext sei auf ihre freiberufliche Tätigkeit nicht anzuwenden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 8. Januar 2004 zurück. Die Klägerin hat die Kopie eines Briefumschlags der Beklagten vorgelegt, mit dem ihr der Widerspruchsbescheid übersandt worden sei. Diese Kopie trägt einen Poststempel vom 12. Januar 2004. Die Klägerin sei – so die Beklagte im Widerspruchsbescheid – dem Personenkreis der selbständigen, nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI versicherungspflichtigen Lehrer zuzuordnen. Der Lehrerbegriff sei weit auszulegen und beinhalte jegliche Übermittlung von Wissen, Können und Fertigkeiten. Eine bestimmte pädagogische Qualifikation werde nicht vorausgesetzt. Wie dem Konzept der Klägerin zu entnehmen sei, handele es sich bei den angebotenen Kursen des PEKiP um eine spezielle Form der Elternbildung. Auch bei der schwedisch-indischen Babymassage übermittele sie spezielles Wissen und gewisse Fähigkeiten.
Die Klägerin hat hiergegen am 12. Februar 2004 Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben. Ihr sei bei der Beratung im Jahr 1999 mitgeteilt worden, dass keine Versicherungspflicht bestehe. Allein deshalb habe sie sich dazu entschlossen, die Tätigkeit aufzunehmen und sich entsprechend privat zu versichern. Bei der PEKiP-Gruppenleitung handele es sich um eine reine Unterweisung in eine Tätigkeit ohne weitere Überwachung oder therapeutische Betätigung. PEKiP diene nicht der Vermittlung von Wissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten, sondern dem Austausch von Eltern untereinander mit ihren Kindern, bei denen die Gruppenleiterin nur anwesend sei. Die schwedisch-indische Babymassage erfolge durch eine einmalige Unterweisung bzw. Mitteilung. Der typische Ablauf der Stunden sei so, dass vorwiegend die Kinder im Mittelpunkt ständen und sie, die Klägerin, allenfalls Hinweise und Anregungen gebe. Die PEKiP-Stunde diene in erster Linie dem Zusammensein der Kinder und Eltern untereinander, bei dem sie allenfalls die Räumlichkeiten und Spielgeräte zur Verfügung stelle.
Im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Beklagte mit Bescheid vom 13. Dezember 2005 festgestellt, dass in der Zeit vom 1. Juli 2004 bis zum 31. Dezember 2004 sowie vom 1. Januar 2005 bis zum 30. September 2005 keine Versicherungspflicht bestanden habe, da die Klägerin in dieser Zeit einen oder mehrere versicherungspflichtige Arbeitnehmer beschäftigt habe. Das mit dem Bescheid umgesetzte Teilanerkenntnis, das die Beklagte mit Schreiben vom 9. November 2005 erklärt hatte, hat die Klägerin mit Schreiben vom 21. November 2005 angenommen.
Das SG hat mit Urteil vom 22. Februar 2007 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Klägerin für die noch streitigen Zeiträume vom 1. Oktober 1999 bis zum 30. Juli 2004 sowie ab dem 1. Oktober 2005 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliege. Nach den vorliegenden Unterlagen und der persönlichen Anhörung der Klägerin sei das Gericht überzeugt, dass die Klägerin sowohl als PEKiP-Gruppenleiterin als auch bei der schwedisch-indischen Babymassage Kenntnisse zu Bewegungsabläufen und zum Umgang mit Babys vermittle. Das PEKiP sei ein Angebot der Elternbildung im Sinne einer Entwicklungsbegleitung. Die Klägerin zeige Anregungen, die dem fortschreitenden Entwicklungsstand der Kinder entsprächen. Ihre Aufgabe beschränke sich nicht auf das Zeigen bestimmter Bewegungsabläufe. Sie vermittle vielmehr den Teilnehmern den richtigen Umgang mit den Kindern und versetze sie gleichzeitig in die Lage, diese zu bestimmten Bewegungen zu motivieren. Das Lehrziel bestehe in der Vermittlung dieser Fähigkeiten und Fertigkeiten, die auch außerhalb des Kurses genutzt werden könnten und sollten. Würde die Klägerin nicht zumindest erklären und anweisen, möglicherweise auch eingreifen, hätte der Kurs keinen Sinn. Sie müsse sich vor dem Kurs zumindest Grundgedanken darüber machen, wie sich der Kurs gestalten solle, welche Gegenstände den Babys zum Spielen angeboten und welche Bewegungsanregungen gegeben würden. Dafür, dass die Eltern in den einzelnen Kursen nicht nur Begleitung, sondern auch Anweisung suchen würden, sprächen auch die Kosten eines PEKiP-Kurses von ca. 80,- EUR für ca. 10 Veranstaltungen jeweils 90 Minuten. Ein weiteres Indiz für eine Wissensvermittlung sei die Dauer der Ausbildung zur PEKiP-Gruppenleiterin. Die Zusatzausbildung zu einer PEKiP-Gruppenleiterin dauere in der Regel bis zu zwei Jahre und setze einen sozialpädagogischen Grundberuf voraus. Die Versicherungspflicht entfalle auch nicht im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Denn durch dieses Rechtsinstitut könne nur hergestellt werden, was auch rechtlich zulässig sei. Die Beklagte habe sich auch nicht selbst dadurch gebunden, dass sie bei einer Kollegin festgestellt habe, dass keine Versicherungspflicht bestehe.
Gegen das ihr am 27. März 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26. April 2007 Berufung bei dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Das SG habe das Berufsbild der Leiterin einer PEKiP-Gruppe nicht ordnungsgemäß erkannt. Diese vermittle eben nicht Wissen und Fertigkeiten, sondern gebe lediglich Anleitungen, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit hätten und nicht von den Gruppenteilnehmern umgesetzt werden müssten. Die Tätigkeit sei auch deshalb nicht mit dem Lehrerberuf zu vergleichen, da keine dem Lehrerberufsbild inneliegende Wertung oder Überprüfung stattfinde. Die Teilnehmer würden nicht den Rat der Gruppenleiterin suchen, sondern durch das Zusammensein mit den anderen Eltern und Kindern sei ihnen die Möglichkeit gegeben, sich zu der Entwicklung des Kindes auszutauschen. Das sei eine völlig normale Sache und geschehe überall dort, wo Eltern und Kinder zusammen seien. Die Gruppenleiterin gebe nicht wie ein Lehrer ihre Erfahrungen preis und verweise auf diese oder deren Richtigkeit, sondern beteilige sich in einer Form, wie sie sich eben auch außerhalb der Gruppe bei einem Gespräch z.B. auf dem Spielplatz beteiligen würde. Sie sei Teil der Gruppe. Diese Gruppe erinnere eher an eine Gruppe, die sich zu psychotherapeutischen Gesprächen treffe. Dass die einzelnen Mitglieder Geld für die Kurse zahlen würden, sei kein Indiz für einen Lehrerberuf. Es gebe genügend Beispiele dafür, dass Teilnehmer Zahlungen leisten würden, ohne dass eine tatsächliche Gegenleistung in Form von Wissensvermittlung vorliege. Ihre Tätigkeit beschränke sich allein auf das Zeigen bestimmter Bewegungsabläufe. Der Vorstand des offiziellen PEKiP - e. V. habe das Thema durch eine Steuerberaterin prüfen lassen und den Mitgliedern in seiner Mitgliederzeitung mitgeteilt, dass eine Rentenversicherungspflicht nicht bestehe. Sie habe sich zudem bei der Beklagten informiert und sei falsch beraten worden. Sie habe darauf vertrauen dürfen, dass die Zusicherungen der Beklagten richtig gewesen seien. Zu dem Beratungsgespräch am 13. August 1999 hat die Klägerin ein Gedächtnisprotokoll angefertigt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 22. Februar 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 23. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Januar 2004 aufzuheben und festzustellen, dass sie in ihrer selbständigen Tätigkeit als PEKiP-Gruppenleiterin auch vom 1. Oktober 1999 bis zum 30. Juni 2004 und seit dem 1. Oktober 2005 nicht der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterliegt; hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 22. Februar 2007 zurückzuweisen.
Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.
Die Klägerin hat auf Anforderung des Senats Kopien ihrer Einkommenssteuerbescheide ab dem Jahr 1999 übersandt. Die Beklagte hat daraufhin die Beitragsforderung unter Berücksichtigung dieser Einkommenssteuerbescheide neu berechnet. Diese Berechnung führt zu einem Betrag von insgesamt 32.282,47 EUR (bis zum 31. Mai 2010).
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet, weil der Bescheid der Beklagten vom 23. September 2003 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2004 und ihres Änderungsbescheides vom 13. Dezember 2005 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Das SG hat die hiergegen gerichtete Klage deshalb zu Recht abgewiesen.
1. Die Berufung ist nicht bereits deshalb als unbegründet zurückzuweisen, weil die Klagefrist versäumt wurde. Gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG ist eine Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben. Hat – wie hier – ein Vorverfahren stattgefunden, beginnt die Frist nach § 87 Abs. 2 SGG mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides. Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt bei der Übermittlung durch die Post im Inland am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Diese Zugangsfiktion gilt dann nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen (§ 37 Abs. 2 Satz 3 SGB X). Im vorliegenden Fall kann nicht festgestellt werden, wann der Widerspruchsbescheid vom 8. Januar 2004 zur Post gegeben worden ist. Denn der Entwurf des Widerspruchsbescheides in der Akte der Beklagten trägt zwar den Stempel "abgesandt". Es ist aber nicht ersichtlich und auch nicht bescheinigt, ob er auch am 8. Januar 2004 zur Post aufgegeben worden ist. Damit ist die Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X nicht eingetreten. Die Klägerin hat durch Vorlage des Briefumschlags der Beklagten in Kopie aber hinreichend belegt, dass der Widerspruchsbescheid ihr jedenfalls nicht vor dem 12. Januar 2004 zugegangen sein kann. Denn der kopierte Briefumschlag trägt einen Poststempel vom 12. Januar 2004. Danach endet die Monatsfrist frühestens am 12. Februar 2004, dem Tag der Klageerhebung (einem Donnerstag).
2. Das SG hat daher zu Recht die Verwaltungsentscheidung der Beklagten in der Sache geprüft. Für die noch streitigen Zeiträume vom 1. Oktober 1999 bis zum 30. Juni 2004 sowie ab 1. Oktober 2005 hat es zutreffend festgestellt, dass die Klägerin der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt. Gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sind selbständig tätige Lehrer und Erzieher versicherungspflichtig, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen. Die Klägerin war in den genannten Zeiträumen als Lehrerin im Sinne dieser Regelung tätig und ist – soweit ersichtlich – auch heute noch in dieser Form selbständig tätig. Sie hat im streitgegenständlichen Zeitraum auch die Grenzen einer geringfügigen Tätigkeit (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) überschritten. Darüber hinaus bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sie in diesem Zeitraum einen oder mehrere versicherungspflichtige Arbeitnehmer beschäftigt (hat).
Die Begriffe des Lehrers und Erziehers sind entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch und in weitem Sinne zu verstehen. Die Tätigkeit des Lehrers umfasst jede Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, gleich auf welchem Gebiet. Besondere Anforderungen sind weder an die Vorkenntnisse des Lehrers, seine pädagogischen Fähigkeiten oder die Art der Vermittlung noch an die vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten zu stellen. Vermittelt werden können sowohl Kenntnisse auf dem Gebiet der Wissenschaft und Theorie als auch Fähigkeiten auf praktischem Gebiet im beruflichen wie im privaten Bereich (Sport und Freizeitgestaltung jeder Art, Vermittlung von Qualifikationen). Dabei darf die Vermittlung nicht nur ein rein untergeordneter Teil der selbständigen Tätigkeit sein, wie dies bei vorwiegend gemeinsamer Freizeitgestaltung der Fall ist (z. B. geführte Exkursionen, Leitung von gemeinschaftlichem Sport) oder gemeinsamer Religionsausübung (Meditationen), bei reiner Einweisung in eine Tätigkeit ohne weitere Überwachung und Unterweisung (z.B. Anleitung zur Benutzung eines Fitnessstudios) oder bei therapeutischen Betätigungen, die nicht unter Nr. 2 oder Nr. 3 von § 2 Satz 1 SGB VI fallen. Die Tätigkeit des Erziehers muss von der des Lehrers nicht klar abgegrenzt werden; sie ist weniger auf die Vermittlung von Bildung, Wissen und Können als vielmehr auf die Entwicklung der Persönlichkeit, des Charakters und der Sozialisation des zu Erziehenden gerichtet (Gürtner in: Kassler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 65. Ergänzungslieferung, § 2 SGB VI, Rdnr. 8). Das Gesetz bezieht diese Lehrer und Erzieher in die Versicherung ein, da bei typisierender Betrachtung gerade bei ihnen eine dem Kreis der versicherungspflichtigen Arbeitnehmer vergleichbare Schutzbedürftigkeit besteht (Bundessozialgericht, Urteil vom 22. Juni 2005 – B 12 RA 6/04 R – juris). Die wegen der vermuteten Schutzbedürftigkeit der Betroffenen angeordnete Versicherungspflicht ist weder davon abhängig, ob eine besondere pädagogische Ausbildung durchlaufen wurde, noch ob es ein etwa durch Ausbildungsordnungen geregeltes Berufsbild des (selbständigen) Lehrers gibt, noch kommt es darauf an, ob die Erwerbstätigkeit innerhalb eines eigenen Betriebs ausgeübt wird. Das Bundessozialgericht hat unter Darstellung der Tradition der bisherigen Rechtsentwicklung ausgeführt, dass bereits das Reichsversicherungsamt den Unterricht "in körperlichen oder mechanischen Fähigkeiten" ohne Weiteres der Tätigkeit des Lehrers im Sinne des Sozialversicherungsrechts zugeordnet hat. Den Anforderungen des in langer Tradition entwickelten sozialversicherungsrechtlichen Begriffs des Lehrers genügt es beispielsweise, wenn Kenntnisse zu Bewegungsabläufen und zum Training von Muskelgruppen vermittelt und das auf die durchschnittlichen Fähigkeiten der jeweiligen Kursteilnehmer abgestellte Kursangebot in einem Trainingsplan mit entsprechender Musikbegleitung vor dem jeweiligen Kursbeginn schriftlich festgehalten wird. Es ist hinreichend, wenn es sich um eine Vermittlung einer – wenn auch flüchtigen – speziellen Fähigkeit durch praktischen Unterricht in organisierter Form eines Kurses im institutionellen Rahmen eines Studios handelt. Anderes kann gelten, wenn andere Leistungen, wie etwa die Überlassung von Sportgeräten und die Einweisung in deren Gebrauch im Rahmen eines Mietvertrags den Inhalt der Tätigkeit prägen (BSG, a.a.O. zur Tätigkeit einer Aerobic-Trainerin).
Der Senat ist davon überzeugt, dass die Klägerin eine Tätigkeit im Sinne dieser Auslegung des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ausübt bzw. ausgeübt hat. Sie vermittelt als PEKiP-Gruppenleiterin und auch bei der schwedisch-indischen Babymassage den Eltern Kenntnisse zu Bewegungsabläufen ihrer Babys und zum Umgang mit ihnen. Sie geht dabei nach einem bestimmten Plan vor, der auf dem handlungs- und situationsorientierten Konzept des PEKiP beruht. Die Kurse finden in organisierter Form und im institutionellen Rahmen ihres PEKiP-Raumes statt. Zwar bietet sie den Kindern auch Spielsachen an. Dies prägt jedoch nicht den Inhalt ihrer Tätigkeit. Der Senat ist vielmehr davon überzeugt, dass ihre Anleitungen nach dem Konzept des PEKiP die Tätigkeit prägen und nicht die Überlassung der Spielsachen. Die Klägerin hat auch selbst im Berufungsverfahren vorgetragen, dass sie Anleitungen gibt. Dass diese Anleitungen keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben und von den Teilnehmern auch nicht umgesetzt werden müssen, ist nicht entscheidend. Der Begriff des Lehrers und Erziehers im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI setzt nicht voraus, dass Anleitungen vollständig sein müssen. Nicht erforderlich ist, dass die Teilnehmer diese Anleitungen dann auch tatsächlich umsetzen; allein das Angebot ist hinreichend. Es ist auch kein besonderer Qualitätsanspruch zu erfüllen. Zudem ist nicht erforderlich, dass die vermittelte Leistung im Anschluss daran überprüft und bewertet wird. Hinreichend ist vielmehr, dass Wissen und Anleitungen angeboten werden und von den Teilnehmern des Kurses aufgenommen und umgesetzt werden können. Diese Kenntnisse haben die Teilnehmer nach der Überzeugung des Senats nicht bereits zuvor. Es ist deshalb nicht dem Vortrag zu folgen, dass es sich bei den PEKiP-Gruppenstunden um eine bloße Zusammenkunft handelt, weil die PEKiP-Gruppenleiterin als Gruppenmitglied nur eine von vielen ist. Die Klägerin trägt selbst vor, dass ihre Tätigkeit das Zeigen bestimmter Bewegungsabläufe beinhaltet. Auch dies ist jedoch eine vermittelnde Tätigkeit, die Kenntnisse voraussetzt, die an die Teilnehmer des Kurses weitergegeben werden sollen. So zeigt sie den Eltern bestimmte Bewegungsabläufe, die ihr Baby ausführen kann. Diese Abläufe beruhen auf den Ideen des PEKiP und werden von ihr vermittelt bzw. angeregt. Die Gruppenleiterin gibt insbesondere Anregungen, die dem fortschreitenden Entwicklungsstand der Kinder entsprechen. Auch dieser Entwicklungsstand ist den Eltern nicht unbedingt bekannt und wird von der Gruppenleiterin vermittelt. Bei diesem Spielangebot werden sowohl die Babys aktiv als auch ihre Eltern. Die Gruppenleiterin greift Stimmungen in der Gruppe auf und spricht sie an. Die Erwachsenen sollen dadurch lernen, verschiedene Gefühle zu akzeptieren und damit umzugehen. Die Kinder sollen Interesse für andere Babys entwickeln und erkennen, dass Freude am Kontakt miteinander und in gegenseitiger Bewegung entsteht. Die Kinder werden auch angeregt, zu den anderen Erwachsenen in der Gruppe selbständig Kontakt aufzunehmen. Die Erwachsenen sollen sich nach dem Konzept des PEKiP auch in entspannter Atmosphäre austauschen. Die Klägerin hat selbst vorgetragen, dass es gerade Sinn einer solchen Gruppe sei, den Teilnehmern die Möglichkeit zu geben, sich untereinander auszutauschen, aus den Erfahrungen und Berichten der anderen neue Anregungen aufzunehmen und selbst auf eigene Erlebnisse hinzuweisen. Auch insoweit ist der Senat der Auffassung, dass die Klägerin auf diesen Austausch hinwirkt und auf die Vorteile des gemeinsamen Gesprächs hinweist. Der Begriff der Anleitung oder Vermittlung von Wissen im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI erfasst auch die Vermittlung von bestimmten Verhaltensweisen. Es kann offen bleiben, ob die Formulierung des SG zutreffend ist, dass die Eltern bei der Klägerin "Rat" suchen. Denn unabhängig von der Bezeichnung wollen sie jedenfalls von der Klägerin bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit ihren Babys erlernen, um diese dann im Alltag weiter einsetzen zu können. Deshalb buchen sie diese, teilweise auch von der Krankenkasse geförderten Kurse und besuchen sie über einen längeren Zeitraum regelmäßig. Daraus geht – wie das SG zu Recht hervorhebt – auch hervor, dass diese Fähigkeiten eben nicht bei einem lockeren Zusammensein auf dem Spielplatz oder an einem anderen Ort erworben werden können, sondern nur unter Anleitung einer fachkundigen Person. Wenn die Klägerin ausführt, dass zu ihrer Tätigkeit gehört, die Entwicklung des Kindes mit den Eltern zu besprechen, so ist auch hiermit eine Vermittlung von Wissen über die Entwicklung und Gesundheit des Kindes verbunden. Hier kommt hinzu, dass die Klägerin ausgebildete Kinderkrankenschwester ist und insoweit auch weitere Hinweise und Anleitungen geben kann. Das Lehrziel besteht in der Vermittlung dieser Fähigkeiten und Fertigkeiten, die außerhalb des Kurses genutzt werden können und sollen. Die Klägerin muss sich vor dem Kurs zumindest Grundgedanken darüber machen, wie sich ihr Kurs gestalten soll und welche Gegenstände den Babys in den einzelnen Kursstunden zum Spielen angeboten und welche Bewegungsanregungen gegeben werden. Für diese Einschätzung spricht auch, dass eine Ausbildung zur PEKiP-Gruppenleiterin erforderlich ist, und sich die Kenntnisse und Fähigkeiten, die diese dann weitergeben soll, nicht automatisch ergeben. Nach alledem übt die Klägerin – wie das SG zu Recht festgestellt hat – in einem weiten Sinne eine lehrende Funktion aus und ist damit gesetzlich rentenversicherungspflichtig.
3. Die von der Klägerin begehrte Rechtsfolge, nicht der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zu unterliegen, ergibt sich auch nicht aus der Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Es kann offen bleiben, ob die Klägerin wie sie in ihrem Gedächtnisprotokoll zum Beratungsgespräch am 13. August 1999 (Schreiben vom 25. April 2008) mitteilt, von einer Mitarbeiterin der Beklagten unzutreffend beraten worden ist. Die Klägerin hat insoweit vorgetragen, eine Mitarbeiterin habe ihr erklärt, dass ihre Tätigkeit nicht versicherungspflichtig sei. Denn der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf ein rechtmäßiges Verwaltungshandeln gerichtet. Im Wege des Herstellungsanspruchs kann die Vornahme einer gesetzeswidrigen Amtshandlung nicht begehrt werden (BSG, Urteil vom 10. Dezember 1980 – 7 RAr 14/78; BSG, Urteil vom 25. Januar 1994 – 7 RAr 50/93; LSG Thüringen, Urteil vom 30. Juni 2005 – L 3 AL 663/02 – jeweils juris). Das Begehren der Klägerin wäre hier auf eine gesetzeswidrige Amtshandlung gerichtet, denn sie möchte – entgegen der Gesetzeslage – nicht rentenversicherungspflichtig sein. Die Klägerin könnte ihr Begehren allenfalls durch einen Schadensersatzanspruch in Geld erreichen, wobei bereits das Vorliegen eines Schadens zweifelhaft ist. Hierbei handelt es sich aber nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, die gemäß § 51 SGG zum Zuständigkeitsbereich der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit gehört, sondern um einen Amtshaftungsanspruch, über den gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben.
4. Auch der Vortrag der Klägerin, eine Kollegin sei erst vor Kurzem von der Beklagten dahingehend beraten worden, dass die Tätigkeit als PEKiP-Gruppenleiterin nicht der Versicherungspflicht unterliege, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Dies gilt selbst dann, wenn eine dementsprechende Verwaltungsentscheidung zu Gunsten dieser Kollegin ergangen sein sollte. Darauf kann sich die Klägerin auch bei gleicher Sachlage nicht berufen. Denn auf eine rechtswidrige Verwaltungsentscheidung kann ein Dritter wegen der vorrangigen Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz (Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz) kein schutzwürdiges Vertrauen in dem Sinne gründen, dass bei gleicher Sachlage wiederum in gleicher (rechtswidriger) Weise entschieden werden müsste. Einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht kennt die deutsche Rechtsordnung nicht (BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 1979 – 1 BvL 25/77 – BVerfGE 50, 142, 166).
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.