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  • 02.03.2012 · IWW-Abrufnummer 120066

    Landessozialgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 27.06.2011 – L 13 EG 7/11

    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 27.01.2011 wird zurückgewiesen. Kosten haben sich die Beteiligten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.


    Tatbestand
    Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Insolvenzgeld bei der Berechnung von Elterngeld.

    Der 1975 geborene Kläger ist der Vater des am 00.00.2009 geborenen Kindes N. In den zwölf Monaten vor dem Geburtsmonat seines Sohnes ging der Kläger in den Monaten März bis Juli 2008 einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach.

    In den Monaten Juni und Juli 2008 bezog er Insolvenzgeld in Höhe von insgesamt 3.753,28 EUR. Vom 02.08.2008 bis zum 14.09.2008 bezog er Arbeitslosengeld. Am 15.09.2008 nahm der Kläger erneut eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auf.

    Mit Bescheid vom 05.06.2009 gewährte der Beklagte dem Kläger antragsgemäß Elterngeld für den ersten und zehnten Lebensmonat des Kindes N in Höhe von je 822,59 EUR. Zur Berechnung des durchschnittlichen Nettoeinkommens berücksichtigte der Beklagte weder das im Juni und Juli 2008 gezahlte Insolvenzgeld noch das danach vom Kläger empfangene Arbeitslosengeld.

    Mit Schreiben vom 30.06.2009 legte die Bevollmächtigte des Klägers gegen diesen Bescheid Widerspruch ein und führte u.A. aus, das an den Kläger gezahlte Insolvenzgeld sei zu berücksichtigen. Anders als beim Arbeitslosengeld liege eine Arbeitsleistung des Klägers zu Grunde, so dass das Insolvenzgeld mit Erwerbseinkommen gleich zu behandeln sei.

    Mit Widerspruchsbescheid vom 28.12.2009 wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch mit der Begründung zurück, beim Insolvenzgeld handele es sich um eine steuerfreie Lohnersatzleistung, die deshalb bei der Bemessung des Elterngelds nicht zu berücksichtigen sei.

    Am 15.01.2010 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung die Berücksichtigung des Insolvenzgeldes als Erwerbseinkommen begehrt. Insolvenzgeld stelle ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit dar. Bei der Gesetzesformulierung sei versäumt worden zu unterscheiden, ob seitens des Elterngeldberechtigten Arbeitsleistungen erbracht worden seien oder nicht.

    Mit dem angefochtenen vom Urteil 27.01.2011 hat das Sozialgericht (SG) Dortmund die auf Zahlung höheren Elterngeldes durch Berücksichtigung des Insolvenzgeldes gerichtete Klage abgewiesen. Steuerfreie Einkünfte seien nicht elterngeldsteigernd zu berücksichtigen, wie sich aus der Systematik des BEEG und den Gesetzesmaterialien ergebe. Nicht zuletzt habe der Gesetzgeber das Insolvenzgeld zwischenzeitlich nicht in eine Ausnahmeregelung aufgenommen, obwohl die Problematik ihm durch die Diskussion in der Rechtsprechung bekannt geworden sei.

    Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat gegen das diesem am 11.02.2011 zugestellten Urteil am 09.03.2011 Berufung eingelegt. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts habe der Gesetzgeber die Berücksichtigung von Insolvenzgeld nur versehentlich unterlassen. Anders als bei den vom Bundessozialgericht (BSG) in seinen Urteilen vom Frühjahr dieses Jahres entschiedenen Lohnersatzleistungen liege beim Insolvenzgeld eine Arbeitsleistung des betroffenen Elternteils vor. Deshalb sei das Insolvenzgeld als Einkommen aus Erwerbstätigkeit zu berücksichtigen.

    Die Bevollmächtigte des Klägers beantragt,

    das Urteil des Beklagten vom 27.01.2011 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 05.06.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.12.2009 zu verurteilen, dem Kläger über den bereits bewilligten Betrag hinaus unter Berücksichtigung des für die Monate Juni und Juli 2008 gezahlten Insolvenzgelds Elterngeld zu bewilligen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Er beruft sich auf die Gründe des angefochtenen Urteils, das er für zutreffend hält.

    Wegen der weiteren Einzelheiten verweist der Senat auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

    Entscheidungsgründe
    Die Berufung ist zulässig. Der Kläger hat gegen das am 11.02.2011 zugestellte Urteil am 09.03.2011 rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist des § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die vom Sozialgericht zugelassene Berufung eingelegt.

    Die zulässige Berufung ist aber unbegründet.

    Der Kläger ist dem Grunde nach zum Bezug von Elterngeld berechtigt, weil er die Voraussetzungen des § 1 Nrn. 1 bis 4 BEEG erfüllt. Der Kläger hat seinen Sohn im 1. und zehnten Lebensmonat im eigenen Haushalt erzogen und betreut und währenddessen keine Erwerbstätigkeit ausgeübt. Diese Feststellungen stützt der Senat auf die Angaben des Klägers im Verwaltungsverfahren und die ergänzenden Ausführungen seiner Prozessbevollmächtigten in der Berufungsverhandlung vor dem Senat.

    Der Kläger hat aber keinen Anspruch auf höheres Elterngeld, weil der Beklagte das ihm zustehende Elterngeld richtig berechnet hat.

    Den Bemessungszeitraum für das Elterngeld des Klägers bilden nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BEEG die zwölf Monate vor dem Monat der Geburt seines Sohnes, also die Monate März 2008 bis Februar 2009.

    Der Beklagte hat den Anspruch des Klägers auch der Höhe nach zutreffend berechnet, indem er das von ihm in den Monaten Juni und Juli 2008 im Bemessungszeitraum bezogene Insolvenzgeld nicht als Einkommen aus Erwerbstätigkeit i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 u. 2 BEEG in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung angesehen hat, die auf den Elterngeldanspruch des Klägers anzuwenden ist.

    Das Insolvenzgeld fällt schon deshalb nicht unter den Begriff des Einkommens aus Erwerbstätigkeit, weil es steuerfrei gewährt wird (so bereits Senat, Urteil vom 19.03.2010 - L 13 EG 44/09 - juris Rdnr. 26). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind steuerfreie Einkünfte nach Systematik, Wortlaut und Gesetzgebungsgeschichte des BEEG nicht als Einkommen aus Erwerbstätigkeit zu berücksichtigen. § 2 Abs. 1 S. 2 BEEG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 4 Einkommenssteuergesetz (EStG) meint mit dem Begriff Einkommen aus Erwerbstätigkeit nur das steuerpflichtige Bruttoeinkommen. Wie Systematik und Gesetzgebungsgeschichte zeigen, bildet die Steuerpflichtigkeit einen notwendigen Bestandteil des Einkommensbegriffs im BEEG (vgl. im Einzelnen Urteil des Senats vom 25.09.2008 - L 13 EG 27/08 - juris Rdnr. 23 ff. m.w.N. ebenso BSG, Urteil vom 17.02.2011 - B 10 EG 21/09 R - juris Rdnr. 21).

    Zudem handelt es sich bei dem an den Kläger gezahlten Insolvenzgeld auch deshalb nicht um Einkommen aus Erwerbstätigkeit i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 2 BEEG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 EStG, weil es sich nicht um Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG handelt. Solche Einkünfte sind insbesondere Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst. Sie umfassen alle Leistungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer, die durch die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers veranlasst sind. Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG müssen im weitesten Sinne Gegenleistungscharakter aufweisen, also für eine Beschäftigung gewährt werden bzw. als Frucht der Arbeitsleistung für den Arbeitgeber zu betrachten sein (BSG, a.a.O., Rdnr. 24 m.w.Nw.). Ebenso wie in den vom BSG bereits entschiedenen Fällen des Krankengeldes und Arbeitslosengeldes fehlt bei dem an den Kläger gezahlten Insolvenzgeld dieser Gegenleistungscharakter. Denn Leistungen aus einem Versicherungsverhältnis, die nicht lediglich dem Arbeitgeber zustehen, sondern auf einem eigenen Anspruch des Arbeitnehmers beruhen, sind kein Arbeitslohn, auch dann nicht, wenn der Versicherungsschutz im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis gewährt wird (BSG, a.a.O., Rdnr. 25). Wie das Arbeitslosengeld ist das Insolvenzgeld eine Leistung der Sozialversicherung und keine Leistung aus dem Beschäftigungsverhältnis. Dass der Arbeitnehmer während der Insolvenz seines Arbeitgebers eine Arbeitsleistung erbringt, spielt insoweit entgegen der Ansicht des Klägers keine Rolle. Denn das Insolvenzgeld stellt nicht die Gegenleistung des Arbeitgebers für diese Arbeitsleistung dar, sondern ersetzt auf der Grundlage des Versicherungsverhältnisses gerade die durch die Insolvenz ausgefallene Gegenleistung. Beim Insolvenzgeld handelt sich um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch aus einer - unter inhaltlichen Gesichtspunkten betrachtet - eigenständigen Sozialversicherung. Nach privatversicherungsrechtlicher Terminologie ist die Insolvenzgeld - Versicherung eine Schadensversicherung, die den Vermögensschaden des konkret ausgefallenen Arbeitsentgelts abdeckt (Estelmann in: Eicher/Schlegel, SGB III, vor § 183 Rn. 36). Durch den Schadensfall der Insolvenz verwirklicht sich ein wirtschaftliches Risiko, das zu tragen das BEEG den Eltern im Rahmen der Elterngeldberechnung aber zumutet, ebenso wie etwa das Risiko von Arbeitslosigkeit oder Krankheit und im Gegensatz etwa zu dem Risiko einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung.

    § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 BEEG verstoßen nicht gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), indem sie Insolvenzgeld von der Bemessungsgrundlage für das Elterngeld ausschließen. Der Senat schließt sich insoweit der überzeugenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu vergleichbaren Lohnersatzleistungen an, die er in vollem Umfang für auf das Insolvenzgeld übertragbar hält (vgl. im Einzelnen BSG. Urt. v. 17.02.2011 - B 10 EG 21/09 R zum Arbeitslosengeld sowie Urt. v. 17.02.2011 - B 10 EG 20/09 R zum Krankengeld): Der Gesetzgeber war danach im Rahmen seiner zulässigen Zielsetzung, einen Ausgleich für den durch Kinderbetreuung verursachten Ausfall von Erwerbseinkommen zu schaffen, von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, bei der Bemessung des Elterngeldes den Bezug von Lohnersatzleistungen wie Insolvenzgeld der Erzielung von Arbeitsentgelt gleichzustellen (vgl. BSG Urt. v. 17.02.2011 - B 10 EG 21/09 R, Juris Rdnr. 62 f. m.w.N.). Das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG hinderte ihn ebenso wenig daran, bei der Bemessung des Elterngeldes an das zuvor erzielte steuerpflichtige Erwerbseinkommen anzuknüpfen (vergleiche im Einzelnen BSG, a.a.O., Rdnr. 36 f.). Mangels vorgegebener Referenzgröße aufgrund eines versicherungstypischen Gegenseitigkeitsverhältnisses von Beiträgen und Leistungen stand es dem Gesetzgeber auch grundsätzlich frei, bei der gesetzlichen Ausgestaltung steuerfinanzierter Sozialleistungen, die nicht auf eigenen Beiträgen des Anspruchsberechtigten beruhen, eigenständige Regelungen zu treffen (BSG, a.a.O., Rdnr. 48) und zur Verwirklichung der Gesetzesziele den als Referenzgröße maßgeblichen Begriff frei zu wählen. Diese Anknüpfung der Elterngeldberechnung an das steuerpflichtige Erwerbseinkommen schließt, wie gezeigt, das Insolvenzgeld aus der Bemessungsgrundlage für die Elterngeldberechnung aus. Dasselbe gilt für das vom Kläger im Bemessungszeitraum bezogene Arbeitslosengeld.

    Da weitere Bedenken gegen die Elterngeldberechnung im Übrigen zuletzt weder erhoben noch ersichtlich sind, muss der Berufung der Erfolg verwehrt bleiben.

    Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.

    Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, weil er der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zumisst. Die zugrundeliegende Rechtsfrage, die Einbeziehung von Lohnersatzleistungen in die Bemessungsgrundlage des Elterngeldes, hat die zitierte Rechtsprechung des BSG abschließend und überzeugend geklärt.

    Vorschriften§ 2 Abs. 1 S. 1 BEEG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG

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