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  • 14.08.2012 · IWW-Abrufnummer 122493

    Arbeitsgericht Düsseldorf: Urteil vom 15.05.2012 – 2 Ca 2404/12

    Ein Arbeitgeber muss einem Bewerber alle Aufwendungen ersetzen, die der Bewerber den Umständen nach für erforderlich halten durfte (BAG, 29.06.1988 5 AZR 433/87). Es kann dahinstehen, ob ein Bewerber je nach Bedeutung der ausgeschriebenen Stelle Flugkosten für erforderlich halten darf. Jedenfalls ist es nicht üblich und es besteht auch kein Bedürfnis, unabhängig von der Bedeutung der ausgeschriebenen Stelle Flugkosten als erstattungsfähig anzusehen.


    Arbeitsgericht Düsseldorf

    2 Ca 2404/12

    Tenor:

    1. Die Klage wird abgewiesen.

    2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

    3. Der Streitwert beträgt 195,00 €.

    4. Die Berufung wird zugelassen.

    T A T B E S T A N D:

    Der Kläger begehrt die Zahlung weiterer Vorstellungskosten.

    Die Beklagte suchte im November 2011 mittels einer Stellenanzeige (Bl. 4 f der Akte) eine Teamleitung für die Abteilung IT- und Kommunikationstechnik. Aufgrund der Anzeige bewarb sich der Kläger bei der Beklagten. Mit E-Mail vom 08.12.2011 (Bl. 6 der Akte) lud die Beklagte den Kläger zu einem Gespräch am 14.12.2011 um 14:00 Uhr nach Düsseldorf ein. Der Kläger ist in Hamburg wohnhaft. Der Kläger reiste per Flugzeug von Hamburg nach Düsseldorf an. Er wurde nicht eingestellt. Mit Schreiben vom 11.02.2012 (Bl. 7 der Akte) hat der Kläger Vorstellungskosten in Höhe von insgesamt 429,62 € geltend gemacht, bestehend aus Kosten für das Flugticket in Höhe von 472,32 € sowie für eine Tageskarte in Höhe von 7,30 €. Die Beklagte hatte dem Kläger Kosten in Höhe von 234,-- € erstattet.

    Der Kläger meint, sein Erstattungsanspruch in Höhe der restlichen 195,-- € ergebe sich aus § 670 BGB. Die Beklagte habe die Kosten in voller Höhe zu übernehmen. Eine Einschränkung sei nicht gerechtfertigt.

    Der Kläger beantragt:

    Die Beklagte wird verurteilt, an ihn 195,-- € nebst Zinsen in Höhe von 4 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Sie ist der Meinung, es gebe keine entsprechende Anspruchsgrundlage. Sie habe die erforderlichen Aufwendungen erstattet. Ein Anspruch, Flugticketkosten erstattet zu erhalten, bestehe nicht.

    Die Parteien haben im Termin am 15.05.2012 übereinstimmend die Alleinentscheidung durch den Vorsitzenden beantragt.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Parteienschriftsätze sowie den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

    E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E:

    Die zulässige Klage ist unbegründet.

    I.

    Die Parteien haben ihre Klageanträge gestellt.

    1. Grundsätzlich sind Anträge aus den vorbereitenden Schriftsätzen gemäß § 297 Abs. 1 ZPO zu verlesen. Es kommt aber auch eine konkludente Bezugnahme in Betracht und zwar dann, wenn der Gegenstand des Rechtsstreits fest umrissen und klar ist, dass die Bezugnahme auf die Schriftsätze zum Zweck der Antragstellung nicht nur zur Erörterung der Sach- und Rechtslage erfolgt (BAG, 28.08.2008 - 2 AZR 63/07).

    2. Diese Voraussetzungen liegen vor. Das Gericht hat mit den Parteien im Rahmen des Gütetermins die Sach- und Rechtslage erörtert und insbesondere auf die Auffassung des Vorsitzenden hingewiesen. Anschließend haben die Parteien übereinstimmend um Alleinentscheidung durch den Vorsitzenden gebeten. Eine Alleinentscheidung durch den Vorsitzenden kommt gemäß § 55 Abs. 3 ArbGG nur in Betracht, wenn in der Verhandlung, die sich unmittelbar an die Güteverhandlung anschließt, ein das Verfahren beendende Entscheidung ergehen kann und die Parteien übereinstimmend eine Entscheidung durch den Vorsitzenden beantragen. Die übereinstimmende Bitte der Parteien um Alleinentscheidung kann damit allein den Zweck verfolgt haben, dass in der unmittelbar an den Gütetermin anschließende Verhandlung eine Entscheidung über die Klageanträge ergeht.

    II.

    Die Alleinentscheidungsbefugnis ergibt sich aus § 55 Abs. 3 ArbGG. Wie bereits dargestellt und auch ausdrücklich protokolliert, haben die Parteien übereinstimmend die Alleinentscheidung durch den Vorsitzenden beantragt.

    III.

    Die Klage ist aber unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung weiterer 195,-- €.

    1. Nach allgemeiner Ansicht muss ein Arbeitgeber einem Bewerber alle Aufwendungen ersetzen, die der Bewerber den Umständen nach für erforderlich halten durfte, § 670 BGB (vgl. etwa BAG, 29.06.1988 - 5 AZR 433/87; ArbG Köln, 20.05.2005 - 2 Ca 10220/04; ErfK/Müller-Glöge, 12. Auflage 2012, § 629 BGB, Rn. 13). Zu den erstattungspflichtigen Kosten gehören u.a. auch die Fahrtkosten, die der Bewerber aufwendet, sofern diese zum Zwecke des Aufsuchens des Arbeitgebers erforderlich sind.

    Ob Flugkosten in der Regel zu erstatten sind, ist umstritten. Dies wird z.T. nur dann befürwortet, wenn der Arbeitgeber die Übernahme zugesagt hat (vgl. ArbG Hamburg, 02.11.1994 - 13 Ca 24/94). Nach anderer Ansicht bestimmt sich die Höhe der ersatzfähigen Kosten wesentlich nach der Bedeutung der ausgeschriebenen Stelle; Indikator sei etwa die übliche Vergütung. Je höher diese sei, umso eher dürfe der Bewerber eine Anreise in der 1. Wagenklasse oder per Flugzeug für erforderlich halten (ErfK/Müller-Glöge, § 629 BGB, Rn. 14).

    2. Es bedarf vorliegend keiner Lösung des Meinungsstreits. Auch nach der etwas großzügigeren Auffassung in der Literatur bestünde vorliegend kein Anspruch auf Erstattung der Vorstellungskosten in Höhe der aufgewendeten Flugkosten. Es ist nicht zu erkennen, dass der Kläger die Erstattung der Flugkosten für erforderlich bzw. angemessen und üblich ansehen durfte. Der Kläger hat sich auf die Stelle einer Teamleitung der Abteilung IT- und Kommunikationstechnik mit bis zu fünf Mitarbeitern beworben. Die Vergütung sollte sich nach dem BAT KF richten. Demnach ist nicht zu erkennen, dass es sich um eine Stellung gehandelt hat, bei der die regelmäßige Benutzung von Flugzeugen üblich bzw. sozial adäquat ist.

    Entgegen der Auffassung des Klägers kann es auch nicht als inzwischen üblich angesehen werden, dass Bewerber per Flugzeug zu Vorstellungsgesprächen anreisen. Anhaltspunkte für eine derartige angebliche Üblichkeit sind nicht zu erkennen und auch nicht gerichtsbekannt. Es besteht auch kein praktisches Bedürfnis für eine solche Annahme. Ein Bewerber, der mittels Flugzeug anreisen will, kann sich schlicht an den potentiellen Arbeitgeber wenden und anfragen, ob dieser Reisekosten per Flugzeug übernimmt.

    Eine ausdrückliche Vereinbarung über die Erstattung von Flugkosten besteht ebenfalls nicht.

    Es sind auch keine sonstigen Gesichtspunkte ersichtlich, aufgrund derer der Kläger die Erstattung der Flugkosten für erforderlich halten durfte. Das Vorstellungsgespräch war gegen 14:00 Uhr. Eine Anreise von Hamburg nach Düsseldorf per Auto bzw. per Bahn (2. Klasse) ist möglich, ohne dass der Kläger die Reise zu einer ihm unzumutbaren Zeit hätte beginnen müssen. Es ist daher auch nicht zu erkennen, dass der Kläger durch die Nutzung des Flugzeuges ansonsten erforderliche Übernachtungskosten vermieden hätte.

    IV.

    Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, 46 Abs. 2 ArbGG.

    V.

    Die Streitwertfestsetzung erfolgt aus § 61 Abs. 1 ArbGG und entspricht der Klageforderung.

    VI.

    Die Berufungszulassung zu Gunsten des Klägers erfolgt gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG.

    RECHTSMITTELBELEHRUNG

    Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei Berufung eingelegt werden. Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
    Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim
    Landesarbeitsgericht Düsseldorf
    Ludwig-Erhard-Allee 21
    40227 Düsseldorf
    Fax: 0211-7770 2199
    eingegangen sein.
    Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
    Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
    1.Rechtsanwälte,
    2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
    3.juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
    Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
    * Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.

    RechtsgebietBGBVorschriften§ 670 BGB