14.06.2013 · IWW-Abrufnummer 131909
Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 21.02.2013 – 4 K 1810/11
1. Für die Entscheidung,
ob eine Umwegstrecke offensichtlich verkehrsgünstiger i.S.d. § 9
Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG ist, muss auf die konkreten Verhältnisse im
Streitjahr abgestellt werden. Die Nachweislast für diese
Verhältnisse obliegt dem Steuerpflichtigen.
2. Eine längere Fahrstrecke ist nicht
offensichtlich
verkehrsgünstiger
i.S.d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG, wenn sie bei ständig
wechselnden Verkehrsverhältnissen nur bei bestimmten Verkehrslagen
Vorteile gegenüber der kürzesten nutzbaren Straßenverbindung
bieten kann und eine Entscheidung, welche Strecke genutzt wird,
vor jeder Fahrt neu an Hand der dann aktuellen Verkehrslage getroffen
werden müsste.
Tatbestand
Streitig ist die steuerliche Berücksichtigung von Fahrten
zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sowie zu einer Lerngemeinschaft.
Die Klägerin ist seit 2010 mit Herrn W. K. verheiratet.
Ursprünglich war sie mit Hauptwohnsitz in G., Z-Straße
Hausnummer gemeldet. Am 13. August 2008 meldete sie ihren Hauptwohnsitz
in die Wohnung ihres späteren Ehemanns nach Ludwigshafen,
S-Straße Hausnummer um. In der Umzugsmeldung gab sie an,
dass die bisherige Wohnung als Nebenwohnung beibehalten werde (Bl.
38 Rechtsbehelfsakte). Im Streitjahr war die Klägerin als „Operational
Manager” bei der Firma W mit Sitz in Heidelberg, M-Straße
Hausnummer nichtselbständig beschäftigt. In ihrer
Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte die
Klägerin Aufwendungen für Fahrten mit dem eigenen
Pkw zwischen Wohnung und Arbeitsstätte geltend. Dabei gab
sie an, dass sie an 90 Tagen von der Wohnung in Ludwigshafen aus
zur Arbeitsstätte gefahren sei und dass die einfache Entfernung
hierbei 38 km betragen habe; an 135 Tagen sei sie von G aus zur
Arbeitsstätte gefahren bei einer einfachen Entfernung von
59 km (Bl. 4 Rechtsbehelfsakte). Zudem machte sie Aufwendungen in
Höhe von 1.380,-- € für 50 Fahrten zu
je 92 km zu einer Lerngemeinschaft geltend, die sie mit „Kommunikationsrunde
in M” (M = Ortsteil von R) bezeichnete (Bl. 5,
6 Rechtsbehelfsakte). Der Beklagte forderte die Klägerin
mit Schriftsatz vom 26. August 2010 auf, die geltend gemachten Fahrten
zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu erläutern,
da nach Angabe des Einwohnermeldeamts nur in der S-Straße
eine Wohnung unterhalten werde. Er wies darauf hin, dass die einfache
Entfernung zwischen dieser Wohnung und der Arbeitsstätte
nur 21 km betrage und dass Fortbildungskosten ohne Nachweis oder
Glaubhaftmachung nicht berücksichtigt werden könnten
(Bl. 19 Rechtsbehelfsakte). Die Klägerin erwiderte, dass
in G eine Zweitwohnung angemeldet sei. Da sie sich wegen der Wochenenden
länger in Ludwigshafen aufhalte, müsse sie sich
lt. Gesetz ihrer Kenntnis nach in Ludwigshafen anmelden. Das heiße
aber nicht, dass sie sich nicht in ihrer Eigentumswohnung in G aufgehalten
habe. Zwar möge eine Distanz von 21 km stimmen, hiermit
sei aber wohl die geringste Entfernung gemeint. Der Weg durch die
Innenstadt von Mannheim sei aber morgens auf Grund der Verkehrslage
nicht zumutbar und extrem zeitaufwendig. Daher sei sie über
die Autobahn gefahren, was zwar kilometermäßig
länger, aber zeitmäßig kürzer
sei. Bezüglich der Fortbildungskosten verwies sie auf ein
Schreiben einer in R, K-Straße Hausnummer wohnhaften Frau
W. vom 20. September 2010, in der diese bestätigte, dass
sie mit der Klägerin eine Lerngemeinschaft bezüglich
der Sprache Englisch pflege. Zu diesem Zweck träfen sie
sich 2 mal pro Woche, abwechselnd in R und in Ludwigshafen, um die
für den Beruf notwendigen Englischkenntnisse zu verbessern
und zu erhalten (Bl. 21 Rechtsbehelfsakte).
Der Beklagte berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid
2009 vom 11. Oktober 2010 lediglich Aufwendungen für Fahrten
zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von
2.565,-- €; hierbei ging er von 225 Fahrten zu je 38 km
einfacher Entfernung aus. Aufwendungen im Zusammenhang mit der Lerngemeinschaft
erkannte er nicht an. Im Erläuterungsteil des Bescheids
führte er aus, dass nach dem Auszug des Einwohnermeldeamts
nur eine Hauptwohnung in Ludwigshafen angemeldet sei und dass weitere
Nebenwohnungen nicht vermerkt seien. Die Berücksichtigung
von Aufwendungen für Lerngemeinschaften erforderten genauere
Angaben wie z.B. das Datum und das konkrete Lernfach. Auch ein enger
beruflicher Zusammenhang müsse zweifelsfrei erkennbar sein. Ein
bloßes Schreiben des Lernpartners sei hierfür
nicht ausreichend.
Mit ihrem Einspruch verwies die Klägerin darauf, dass
ein Zweitwohnsitz angemeldet sei. Sie fragte an, ob der Beklagte
in Bezug auf die Lerngemeinschaft erwarte, dass sie die Daten aufschreibe,
an denen sie in R gewesen sei. Ihr Beruf als Operational Manager
bedinge, dass sie ihre Englischkenntnisse ständig verbessern
müsse. Ihre Firma sei international tätig und
habe mehrere Tochtergesellschaften im europäischen Ausland.
Die Korrespondenz erfolge üblicherweise auf Englisch. In
seiner Stellungnahme vom 28. Oktober 2010 forderte der Beklagte
die Klägerin u.a. auf, darzulegen, von welchem Ort aus sie
zu den Lerngemeinschaften gefahren sei (Wohnort oder Arbeitsstätte). Zudem
solle die Klägerin Angaben zu Dauer und Lerninhalten der
einzelnen Treffen machen und erläutern, ob Frau W. sprachlich
und beruflich für eine private Lerngemeinschaft qualifiziert
sei. Der Beklagte forderte die Klägerin auf, eine Bescheinigung
ihres Arbeitgebers beizubringen, aus der hervorgehen sollte, dass
ihr beruflicher Einsatz im englischsprachigen Bereich liege und dass
von Seiten ihres Arbeitgebers keine Sprachschulung angeboten oder
gefördert werde. Zudem wies er darauf hin, dass die von
der Klägerin angegebenen Fahrtstrecken nicht als verkehrsgünstiger
als die kürzeste Straßenverbindung angesehen werden
könnten und dass daher für die Fahrt von Ludwigshafen nach
Heidelberg von einer Strecke von 21 km (an Stelle der beantragten
38 km) und für die Fahrt von G nach Heidelberg von einer
Strecke von 46 km (an Stelle der beantragten 59 km) ausgegangen
werden müsse. Zudem betrage die angegebene Strecke von
G nach Heidelberg lt. Routenplaner nur 53 km.
Die Klägerin führte in ihrem Antwortschreiben
vom 24. November 2010 aus, dass es nicht der allgemeinen Lebenserfahrung
widerspreche, dass sie nicht von Heidelberg aus nach M gefahren
sei, da sie ihre Arbeitsstätte wesentlich früher als
die Treffen in M verlassen habe. Eine Rückfahrt nach G
sei aber manchmal gegeben gewesen. Frau W. habe mit ihr studiert
und den gleichen Ausbildungsstand (Dipl.-Betriebswirt). Es sei nicht
der Fall, dass sie die gleichen fachspezifischen Englischkenntnisse
benötigten. Es gehe um den Erhalt bzw. die Verbesserung
der Sprach- und betriebswirtschaftlichen Kenntnisse. Der konkrete
Bezug zur beruflichen Tätigkeit sei gegeben. Um auch in
Zukunft für den Arbeitsmarkt attraktiv zu sein, müsse
man neue Erkenntnisse erwerben und alte festigen. Durch den Bezug
der Themen zu den Berufsfeldern würden beide Teilnehmer
der Lerngemeinschaft dazulernen. Aus dem in der Anlage beigefügten
Arbeitszeugnis ergebe sich, dass ihr damaliger Vorgesetzter verstorben sei
und dass sie daher keine Bescheinigung ihres Arbeitgebers vorlegen
könne. In der Firma W. seien weniger als 5 Arbeitnehmer
beschäftigt, darunter Hausmeister und Putzfrau. Sie habe
im Jahr 2009 die Personaldinge bearbeitet. Den aktuellen Geschäftsführer
kenne sie nicht, da sie derzeit in Elternzeit sei. Für die
Lerngemeinschaft sei keine Literatur angeschafft worden. Sie hätten
meist aktuelle Themen besprochen, entweder aus dem Berufsleben oder
aus dem Internet oder aus Büchern (z.B. Grammatik). Bezüglich
der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte führte
die Klägerin aus, dass eine Fahrt durch den Stadtverkehr
von Ludwigshafen und Mannheim in der morgendlichen und abendlichen
Stoßzeit ca. 1 Stunde dauere, eine Fahrt über
die Autobahn hingegen ca. 35 Minuten. Sie habe bei den Fahrten von
Ludwigshafen nach Heidelberg teilweise längere Wege als
die angegebenen 38 km gehabt, da sie teilweise über das
Viernheimer Kreuz - Weinheimer Kreuz - Heidelberger Kreuz (Anm.: lt.
Routenplaner Google-Maps ca. 49 km) gefahren sei. Für die
Fahrten von G aus gelte, dass sie großenteils über
die A 5, manchmal auch über die A 6 gefahren sei, je nach
Verkehrssituation und Stau. Die im Routenplaner mit 46 km angegebene
Strecke führe durch Dörfer. Daher würde
sie die Behauptung aufstellen, dass die von ihr angegeben Strecke
mit einer Zeitersparnis von mindestens 20 Minuten verbunden gewesen
sei. In der Anlage legte die Klägerin eine nach Daten geordnete
Aufstellung von 50 Treffen zur Lerngemeinschaft in M vor, in der
als Teilnehmer jeweils neben der Klägerin Frau W. benannt
war. Die Zeitdauer wurde jeweils mit 1 Stunde oder mit 1 Stunden
angegeben; als Inhalte wurden wechselnde allgemeine Themen (z.B. „Silvester”, „Geschenkannahme”, „Altersteilzeit”, „Versicherungen”
oder „Schwangerenrechte”)
oder „Grammatik” angegeben (Bl. 35 Rechtsbehelfsakte).
In dem Zwischenzeugnis vom 4. Mai 2010 wird angegeben, dass ihr
Arbeitgeber eine Gesellschaft mit dem Schwerpunkt der Verwaltung
ihrer Beteiligungsgesellschaften und Immobilien sei. Die Klägerin
habe als Allrounder fungiert und die Ressorts Rechnungswesen, Verwaltung,
Personal und EDV betreut. Auslandsbeziehungen des Arbeitsgebers
und spezifische Sprachkenntnisse der Klägerin oder deren
Erforderlichkeit werden nicht erwähnt. Auf den Inhalt des
Zwischenzeugnisses (Bl. 36 - 37 Rechtsbehelfsakte) im Übrigen
wird verwiesen.
Der Beklagte wies mit Schreiben vom 14. Januar 2011 darauf hin,
dass im Rahmen des Einspruchsverfahrens auch eine Änderung
der Steuerfestsetzung zum Nachteil des Steuerpflichtigen erfolgen
könne. Die Vielzahl der Treffen für die Lerngemeinschaften
(2-mal wöchentlich ohne urlaubs- oder krankheitsbedingte Unterbrechungen)
und die Tatsache, dass die andere Teilnehmerin eine Studienkollegin
sei, spreche für eine private Mitveranlassung der Treffen.
Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte könnten
grundsätzlich nur von der Wohnung aus berücksichtigt
werden, welche der Arbeitsstätte am nächsten liege,
es sei denn, dass die weiter entfernt liegende Wohnung den Mittelpunkt
der Lebensinteressen bilde. Die Klägerin habe nicht dargelegt,
dass sich seit dem 13. August 2008 der Mittelpunkt der Lebensinteressen
weiterhin in G befunden habe. Die Klägerin wurde aufgefordert,
zum Nachweis der tatsächlichen Durchführung der
Fahrten die Laufleistung ihres Fahrzeugs im Jahr 2009 nachzuweisen.
Die Klägerin erwiderte, dass es eine Vielzahl von Treffen
gegeben habe, aber nicht ohne urlaubsbedingte Unterbrechung im August
und in der Weihnachtszeit. Es sei unerheblich, ob Frau W. eine Studienkollegin
sei. Auf Grund ihrer beruflichen Tätigkeit liege auch eine
Mutmaßung nahe, dass sie im Beruf ihre Sprachkenntnisse
täglich benötigte und trainiere. Außerdem
hätten sie sich auch über betriebswirtschaftliche
Themen ausgetauscht. Sie sei gezwungen gewesen, ihren Wohnsitz da
anzumelden, wo sie sich häufiger befinde; dies sei in Ludwigshafen
gewesen. Nichtsdestotrotz habe sie sich mehrmals in der Woche in ihrer
Eigentumswohnung in G aufgehalten, nicht zuletzt, um die Katze zu
füttern, die Pflanzen zu gießen und den Briefkasten
zu leeren. Wenn der Lebensmittelpunkt da sei, wo man eine feste
Partnerschaft pflege, sei dies wohl in Ludwigshafen gewesen. Dies
bedeute aber nicht, dass sie jeden Abend mit ihrem Partner in Ludwigshafen
verbringen müsse und es bedeute auch nicht, dass sie nicht
regelmäßig ihren Briefkasten in G geleert hätte.
Ein Nachweis der tatsächlichen Durchführung der
Fahrten müsse entfallen, da sie die Fahrten nicht zwingend
mit ihrem eigenen Fahrzeug durchführen müsse und
zudem ein Fahrzeugwechsel stattgefunden habe. Sie habe zeitweise
das Auto ihres späteren Mannes genutzt und zeitweise ihr
eigenes.
In der Einspruchsentscheidung vom 16. Juni 2011 setzte der Beklagte
die Einkommensteuer 2009 höher auf 18.923,-- € fest
und wies den Einspruch im Übrigen zurück. Bezüglich
der Lerngemeinschaft führte der Beklagte aus, dass die
Klägerin die tatsächliche Durchführung
der erklärten Treffen nicht nachgewiesen oder glaubhaft
gemacht habe. Die Treffen hätten nicht stattgefunden, um
eine Fortbildungsmaßnahme an einer allgemeinen Bildungsanstalt
zu begleiten. Es sei nicht geklärt, in welchem Umfang die
Klägerin tatsächlich bei ihrer Berufsausübung
Englischkenntnisse benötige. In jedem Fall sei davon auszugehen,
dass die Klägerin auf Grund ihrer langjährigen
Berufstätigkeit die englische Sprache ständig
anwende. Es erscheine unwahrscheinlich, dass bei 50 (von insgesamt
100) Treffen allein an 14 Tagen die englische Grammatik behandelt
worden sei. Soweit die Klägerin angebe, bei den Treffen
seien auch betriebswirtschaftliche Themen behandelt worden - was
in der Bestätigung von Frau W. nicht erwähnt worden
sei -, erschienen in Anbetracht der beruflichen Qualifikation der
Klägerin die behandelten Themen für eine betriebswirtschaftliche
Fortbildung nicht geeignet. Die Themen bezögen sich nicht
auf die aktuelle berufliche Tätigkeit, sondern seien aus
dem Internet bzw. Büchern aus der Schulzeit aufgegriffen.
Gegen die tatsächliche Durchführung der Treffen
bzw. für deren private Mitveranlassung spräche
auch die Häufigkeit der Treffen und der große
zeitliche und finanzielle Aufwand für die Fahrten zu den
Lerngemeinschaften bei 94 zurückgelegten Fahrtkilometern
und einer reinen Lerndauer von 60 - 90 Minuten. Hinsichtlich der
Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte führte
der Beklagte aus, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen der
Ort sei, zu dem die engeren persönlichen Bindungen bestünden.
Die Darstellung der Klägerin, dass sie in G die Katze versorgt,
Blumen gegossen und den Briefkasten geleert habe, sei für
die Annahme, dass sich dort ihr Lebensmittelpunkt befunden habe,
nicht ausreichend, besonders wenn man berücksichtige, dass
sie in Ludwigshafen mindestens seit 13. August 2008 mit ihrem späteren
Ehemann in einem gemeinsamen Haushalt lebe. Aufwendungen für Fahrten
zwischen G und Heidelberg seien daher nicht als Fahrten zwischen Wohnung
und Arbeitsstätte abzugsfähig. Für die
Bestimmung der Entfernung zwischen Wohnung (in Ludwigshafen) und
Arbeitsstätte sei die kürzeste benutzbare Straßenverbindung
maßgebend. Dabei könnten auch längere,
zeitlich jedoch günstigere Verkehrsverbindungen Berücksichtigung
finden. Die kürzeste nutzbare Straßenverbindung
von der S-Straße Hausnummer in Ludwigshafen nach Heidelberg,
M-Straße Hausnummer sei lt. Routenplaner „falk.de” 19,45
km lang. Die schnellste Route werde vom selben Routenplaner mit
22,09 km berechnet. Sie führe über die Kurt-Schuhmacher-Brücke
- B36 - Parkring - B38a - A656 - L597 - L637, die Fahrtzeit sei
mit 30 Minuten angegeben. Lt. Routenplaner Google-Maps sei die schnellste
Straßenverbindung 21,7 km bei ebenfalls 30 Minuten Fahrtdauer.
Das Benutzen dieser Strecke sei für die Klägerin
nicht unzumutbar, insbesondere wenn man berücksichtige,
dass die von der Klägerin favorisierte Strecke 38 km lang
sei (lt. Google-Maps 39,7 km bei einer Fahrzeit von 36 Minuten)
und somit zu einem Umweg von ca. 16 km, d.h. etwa 72% der
kürzesten Strecke, führe. Dieser Umweg führe
auch zu einem höheren Spritverbrauch. Tatsache sei, dass
die angegebene Strecke durch die Mannheimer Innenstadt gerade in
der morgendlichen Hauptverkehrszeit länger sein dürfte.
Dies treffe aber auch auf die Strecke über die A 6 und
das Viernheimer Kreuz zu. Auch hier komme es auf Grund des Berufsverkehrs
und in Folge von Verkehrsbehinderungen durch Baustellen zu Verzögerungen. Abweichend
von dem angegriffenen Einkommensteuerbescheid würden für
die Berechnung der Entfernungspauschale 22 Entfernungskilometer
zu Grunde gelegt. Die Klägerin sei auf diese Verböserungsmöglichkeit
hingewiesen worden. Hinsichtlich des Inhalts der Einspruchsentscheidung
im Übrigen wird auf die Aktenausfertigung (Bl. 53 - 61
Rechtsbehelfsakte) verwiesen.
Zur Begründung der Klage verweist der Klägervertreter
auf den Schriftverkehr im außergerichtlichen Verfahren
und führt ergänzend aus, dass Fahrtkosten zwischen
der Wohnung und der Arbeitsstätte steuerlich abgesetzt
werden könnten. Unerheblich sei, ob die Wohnung Erst- oder
Zweitwohnsitz sei. Auch bei mehreren Wohnungen könnten
sämtliche Fahrtaufwendungen als Werbungskosten geltend
gemacht werden. Die eigene Wohnung in G sei der örtliche
Lebensmittelpunkt der Klägerin gewesen. Sie habe überwiegend
dort gelebt. Auf das Motiv für die Wohnsitznahme am weiter
entfernten Ort komme es nicht an; die Entfernung zwischen Wohnort
und Arbeitsstätte sei unerheblich. Auch die Fahrten zwischen
der Zweitwohnung in Ludwigshafen und der Arbeitsstätte seien
in voller Höhe anzuerkennen. Nach der Rechtsprechung müsse
der Arbeitnehmer nicht die kürzeste Strecke wählen,
er könne auch die verkehrsgünstigste (sicherste
und erheblich störungsfreiere) nehmen. Die Fahrt zu den üblichen
Berufsverkehrszeiten von Ludwigshafen über Mannheim / Innenstadt sei
sehr störungsanfällig und stauträchtig,
so dass die Klägerin einen Umweg nehme und die Staupunkte
umfahre. Dies könne durch ein Sachverständigengutachten
belegt werden. Die vom Beklagten herangezogenen Routenplaner seien
nicht aussagekräftig, denn es seien die tatsächlichen
Verhältnisse heranzuziehen. Hinsichtlich der Lerngemeinschaft
führe der Beklagte zu Unrecht die Beweislastregel auf.
Die Klägerin habe dargelegt, dass die Fahrten für
eine Lerngemeinschaft erfolgt seien. Sie habe substantiiert dargelegt,
dass die Lerngruppen beruflich veranlasst gewesen seien. Die Lerninhalte
seien dargelegt worden. Der Beklagte ergehe sich in Spekulationen
und Sachverhaltsinterpretationen. Bei substantiierter Darlegung
obliege ihm der Beweis des Gegenteils. Die berufliche Veranlassung
und die Inhalte der Lerngruppe könnten von Frau W. und
deren Ehemann bestätigt werden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Einkommensteuerbescheid
2009 vom 11. Oktober 2010 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 16. Juni 2011 teilweise aufzuheben und die Einkommensteuer 2009
auf den Betrag festzusetzen, der sich ergibt, wenn weitere Werbungskosten
in Höhe von 3.311,-- € von den Einkünften
der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit abgesetzt
werden
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung
und trägt ergänzend vor, dass die Klägerin
im Rahmen der Veranlagung mit Schreiben vom 21. September 2010 erklärt
habe, dass die Meldung mit Hauptwohnsitz in Ludwigshafen zwingend
gewesen sei, da sie sich wegen der Wochenenden länger in Ludwigshafen
als in G aufgehalten habe. Soweit die Klägerin erkläre,
sie habe durch die Benennung der Lerninhalte die berufliche Veranlassung
der Treffen substantiiert dargelegt, sei darauf hinzuweisen, dass
die Klägerin die bei den Treffen behandelten Themen jeweils
nur mit einem Stichwort benannt habe. Ein Zusammenhang der behandelten
Themen mit der Berufstätigkeit der Klägerin sei
nicht zu erkennen.
Mit Schreiben vom 17. November 2011 teilte der Beklagte mit,
dass nach telephonischer Auskunft des Einwohnermeldeamts der Gemeinde
G in G, Z-Straße Hausnummer, 3 Personen mit Nachnamen R.
und 2 Personen mit Nachnamen P. gemeldet seien. Das Finanzamt B
teilte auf telephonische Anfrage des Berichterstatters mit, dass
Frau W. für das Jahr 2009 keine Fahrten zu einer Lerngemeinschaft
als Werbungskosten geltend gemacht habe. Der Klägervertreter wurde
mit Verfügung vom 24. November 2011 hierüber in
Kenntnis gesetzt. Mit Schriftsatz vom 12. Januar 2012 erklärte
er hierzu, dass die Ausführungen des Beklagten falsch seien.
Das Haus in G sei im Jahr 2006 an die Klägerin und einen
Herrn E. verkauft worden, im Jahr 2011 seien beide Wohnungen an
Familie Reimer verkauft worden. Es sei unerheblich, ob Frau W. selbst
Werbungskosten für Fahrten zu einer Lerngemeinschaft geltend
gemacht habe.
Am 14. April 2012 wies der Berichterstatter den Klägervertreter
telephonisch auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16. November
2011 VI R 19/11 (BStBl II 2012,
520) hin sowie auf Unstimmigkeiten in den Angaben der Klägerin
zu den Fahrtstrecken (Bl. 48 Prozessakte). Mit Schreiben vom 19.
Juni 2012 machte der Klägervertreter konkrete Angaben zu
den von der Klägerin genutzten Fahrtstrecken (Bl. 56 Prozessakte).
Der Berichterstatter setzte dem Klägervertreter mit Verfügung
vom 20. Juni 2012 eine bis zum 24. Juli 2012 bemessene Frist gem. § 79b
Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Darstellung aller Fakten,
die im Streitjahr 2009 dazu geführt hätten, dass
die von der Klägerin gewählte Fahrtstrecke zu
den Zeiten des täglichen Wegs zur bzw. von der Arbeitsstelle
offensichtlich verkehrsgünstiger als die vom Beklagten
zu Grunde gelegte Strecke gewesen sei (Bl. 49, 59 Prozessakte).
Innerhalb der antragsgemäß verlängerten
Frist erklärte der Klägervertreter mit Schriftsatz vom
24. August 2012 (Bl. 67 Prozessakte), dass die Klägerin
morgens gegen 7:30 Uhr von Ludwigshafen nach Heidelberg und abends
gegen 17:00 Uhr von Heidelberg nach Ludwigshafen gefahren sei; beide
Fahrten hätten daher zur Hauptverkehrszeit stattgefunden.
Die Klägerin habe die Strecke durch die Innenstadt nicht
gewählt, da man von Ludwigshafen aus an der BASF vorbeifahre,
was zu Hauptverkehrszeiten mit erheblicher Verkehrsdichte und längerer Fahrzeit
verbunden sei. Der Verkehrsfluss über die Konrad-Adenauer-Brücke sei
meist zäh. Bevor man nach Mannheim komme, stehe man an
der ersten Ampel im Stau. Danach gebe es Stau vor einer Schule,
darüber hinaus überquerten Kinder die Straße.
Es würden mehrere Ampeln folgen, bevor man am Kaiser-Friedrich-Ring
an der Hauptampel stehe. Der Verkehrsfluss zum Wasserturm und danach
auf der Augustaanlage sei zähfließend gewesen.
Darüber hinaus würden Müllabfuhr und
Anlieferverkehr die Durchfahrt durch Mannheim behindern. Die von
der Klägerin gewählte längere Strecke
sei erheblich schneller und berge auch weniger Staus und Risiken.
Zwar sei der Verkehr bei der Auffahrt von der B9 auf die A6 manches
Mal etwas schwerfälliger, jedoch sei die Reststrecke nach
Heidelberg überwiegend gut zu fahren gewesen. Der Beklagte
erwiderte, dass der Ermittlungsbeamte des Finanzamts eine durch
die Städte Ludwigshafen und Mannheim führende
Straßenverbindung zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte
der Klägerin abgefahren sei und zu dem Ergebnis gekommen
sei, dass die von der Klägerin favorisierte Strecke nicht
verkehrsgünstiger sei. In seinem Bericht vom 18. Oktober
2012 (Bl. 71 Prozessakte) stellte der Ermittlungsbeamte dar, dass
er am 17. Oktober 2012 (einem Mittwoch) ab 7:30 eine vom Falk-Routenplaner
(s. Bl. 72 f Prozessakte) vorgeschlagene Route durch die Städte
Ludwigshafen und Mannheim gefahren sei. Für die Strecke
habe er 36 Minuten gebraucht (lt. Routenplaner: 31 Minuten), obwohl
eine Röhre des Fahrlachtunnels gesperrt gewesen sei. Bis
auf einen kleinen Rückstau an der Kurt-Schumacher-Brücke
habe es keine nennenswerten Verzögerungen gegeben. Die
von der Klägerin angegebene Fahrstrecke über die
A6 erscheine in Anbetracht des Fernverkehrs und der bekannten Dauerbaustelle
keinesfalls verkehrsgünstiger. Berücksichtigen
solle man auch, dass die von der Klägerin angegebene Strecke
zu den üblichen Verkehrszeiten viel länger durch
Ludwigshafen und insbesondere an der BASF vorbei führe
als die von ihm, dem Ermittlungsbeamten, gewählte. Weiterhin solle
auch das Verhältnis der unterschiedlichen Teilstrecken
bei beiden Varianten berücksichtigt werden: 13 Kilometer
bei der von ihm gefahrenen Strecke gegenüber 31 Kilometer
bei der Strecke der Klägerin. Die letzten 9 Kilometer vom
Autobahnkreuz Mannheim bis zur Arbeitsstelle der Klägerin
seien gleich.
Das Gericht forderte den Klägervertreter mit Verfügung
vom 31. Oktober 2012 zur Stellungnahme auf und wies darauf hin,
dass die verkehrstechnischen Vorzüge der von der Klägerin
geltend gemachten Strecke bislang nur pauschal und keinesfalls nach
den Verhältnissen des Jahres 2009 substantiiert dargestellt seien;
die zeitlichen Vorteile seien weder dargestellt noch nachgewiesen
(Bl. 76 Prozessakte). Mit Schreiben vom 3. Dezember 2012 führte
der Klägervertreter aus, dass die vom Ermittlungsbeamten
am 17. Oktober 2012 durchgeführte Fahrt nichts über
die Situation im Jahr 2009 aussage und auch nicht repräsentativ
für die tägliche Fahrzeit und die verkehrsgünstigere
Fahrtstrecke sei. Die Klägerin habe im Jahr 2009 die Fahrtstrecke über
die Autobahn genommen, weil fast täglich Staus und Verkehrsstockungen
durch die Innenstadt in Mannheim gewesen seien, wie durch eine Auskunft
der Verkehrsbehörden und der Verkehrsüberwachung
und ein Gutachten zu belegen sei. Ferner sei der längere Weg
auf Grund der geringeren Anzahl von Staus, der besseren Streckenführung (weniger
Kurven, gerade Straßenführung, weniger Unfallgefahren
und besserer Verkehrsfluss) ökonomischer und ökologischer.
Die Klägerin habe weniger Stress beim Autofahren und komme
entspannter zur Arbeit (Beweis: medizinisches Gutachten). Die Klägerin
spare Kraftstoff und Zeit. Auch seien auf der Strecke der Klägerin
weniger Ampelschaltungen. Die Klägerin habe in 2009 keine
täglichen Aufzeichnungen über die täglichen
Verkehrsverhältnisse gemacht. Der Senat überspanne
insoweit die Darlegungslast der Klägerin. Die längere
Wegstrecke sei verkehrsgünstiger. Eine Mindestzeitersparnis
von 20 Minuten sei nicht erforderlich. Die Klägerin habe
sich als verständiger und unvoreingenommener Verkehrsteilnehmer
auf Grund ihrer täglichen Erfahrungen für die
aus ihrer Sicht verkehrsgünstigere Strecke entschieden
und diese täglich genutzt.
Nachdem auf Grund telephonischer Recherchen festgestellt worden
war, dass bei den Verkehrsredaktionen des regionalen Rundfunksenders
SWR keine Daten über Verkehrsmeldungen des Jahres 2009
mehr gespeichert waren (s. Bl. 80 Prozessakte), forderte das Gericht
mit Verfügungen vom 12. und 13. Dezember 2012 das Ministerium
des Inneren, für Sport und Verkehr - Landesmeldestelle
- Rheinland-Pfalz (s. Bl. 81 - 83 Prozessakte), die Stadtverwaltung Ludwigshafen
(s. Bl. 85 - 90 Prozessakte), das Innenministerium - Landesmeldestelle
- Baden-Württemberg (s. Bl. 91 - 97 Prozessakte) und die
Stadtverwaltung Mannheim (s. Bl. 98 - 100, 112 - 114 Prozessakte)
auf, Angaben über Verkehrsbeeinträchtigungen auf
der von der Klägerin bezeichneten Strecke über
die A6 - A656 einerseits und auf 2 Streckenführungen durch
die Innenstädte von Ludwigshafen und Mannheim andererseits,
jeweils im Jahr 2009 und zu den von der Klägerin angegebenen
Tageszeiten der Fahrten zur bzw. von der Arbeit zu machen. Auf den
konkreten Inhalt der Anfragen wird verwiesen. Die Stadtverwaltung
Ludwigshafen teilte mit, dass die Fragen nicht beantwortet werden
könnten, da sich die Baulast eines Teils der Straßen
nicht in der Zuständigkeit der Stadt Ludwigshafen befinde.
Es könne auch nicht nachvollzogen werden, ob bzw. welche
Maßnahmen in 2009 in den genannten Strecken durchgeführt
worden seien, da für diese Zeit keine Aufzeichnungen der
Koordinierungsstelle vorhanden seien (Bl. 105 Prozessakte). Auf
telephonische Nachfrage des Berichterstatters vom 14. Dezember 2012
erklärte Herr N., Tiefbauamt Ludwigshafen, dass nicht generell
gesagt werden könne, welche Straßenverbindung
stets besser zu befahren sei. Selbst kleine Verkehrsstörungen
auf der L523 - B9 oder auf den Strecken Richtung Rheinbrücken
hätten weite Auswirkungen. Es hänge stets davon
ab, wo gerade eine Störung sei (Bl. 106 Prozessakte). Die
Meldestelle des Innenministeriums Baden-Württemberg übersandte
am 18. Dezember 2012 eine Excel-Tabelle „Auswertung_Finanzgericht_RP.xls” (auf
CD in Klarsichthülle Bl. 107a Prozessakte) und erklärte
hierzu, dass in dieser Tabelle alle Meldungen für die zum Bereich
dieser Meldestelle gehörenden Abschnitte der A6 - A656
sowie für die Bundesstraßen im Stadtgebiet Mannheim
enthalten seien. Der Polizei würden nicht alle Behinderungen
und Staus bekannt werden. Meldungen, die von Staumeldern oder Automobilclubs
direkt an verschiedene Rundfunksender mitgeteilt worden seien, wären
nicht enthalten (Bl. 107 Prozessakte). Die Stadtverwaltung Mannheim
teilte mit E-Mail vom 28. Dezember 2012 mit, dass im Jahr 2009 im
Zeitraum 15. August - 16. Oktober auf der B36 von Ludwigshafen in
Richtung Luisenring Brückensanierungsarbeiten durchgeführt
worden seien, während dieser Arbeiten sei es zu Rückstaus
auf der Kurt-Schuhmacher-Brücke gekommen. Vom 1. - 13.
Juni und vom 26. Oktober - 4. November hätten Wartungsarbeiten
im Fahrlachtunnel stattgefunden, es sei jeweils eine Fahrspur je
Richtung gesperrt worden. Vom 17. August - 25. September seien Sanierungsarbeiten
in der Ludwigshafener Straße gemacht worden, eine Fahrspur
je Richtung sei gesperrt worden. Des weiteren habe es auf den angegebenen
Strecken mehrere Arbeiten von kurzer Dauer gegeben, bei denen eine Fahrspur
zu der verkehrsarmen Zeit zwischen 9:00 Uhr und 15:00 Uhr gesperrt worden
sei (Bl. 115 Prozessakte). Die Landesmeldestelle Rheinland-Pfalz
teilte mit, dass durch ein Software-Update keine Daten für
2009 mehr vorhanden seien (Bl. 119 Prozessakte).
Den Beteiligten wurden die Anfragen des Gerichts, die Antworten
der angeschriebenen Stellen, die von der Landesmeldestelle Baden-Württemberg übermittelte
Excel-Tabelle und der Vermerk über das Telephonat mit Herrn
N. zur Kenntnis- und eventuellen Stellungnahme übersandt.
Das Gericht wies zugleich darauf hin, dass nicht beabsichtigt sei,
weitere Sachverhaltsermittlungen durchzuführen (Bl. 120,
121 Prozessakte).
Mit Faxschreiben vom 4. Februar 2013 erklärte der Klägervertreter,
dass die Klägerin auf Grund eigener Erkundigungen und Aufzeichnungen
für das Jahr 2009 folgende Verkehrsstörungen auf
der kürzesten Strecke durch Mannheim ermittelt habe:
21. Januar, abends, 3 km Stau; 27. Januar, abends, 2 km Stau,
16. Februar, abends, 5 km Stau, 19. Februar, abends, 3 km Stau,
5. März, abends, 4 km Stau, 25. März, morgens,
4 km Stau, 30. März, abends, 2 km Stau, 31. März,
morgens, 3 km Stau, 30. Juli, abends, 5 km Stau, 10. August, morgens,
3 km Stau. Außerdem seien noch am 9. Februar, 3. März,
20. Mai, 13., 16. und 20. Juli und am 19. November Verkehrsstörungen
gewesen, die wegen Urlaub und beruflicher Abwesenheit auf sie keine
Auswirkungen gehabt hätten. Somit gebe es für die
Klägerin begründete Voraussetzungen, nicht direkt
durch die Stadt zu fahren, sondern einen weiteren und weniger stauanfälligen
Weg zu nehmen. Der Beklagte führte aus, dass auch nach
den nunmehr vorliegenden Unterlagen die von der Klägerin
favorisierte Strecke nicht verkehrsgünstiger sei. Die Strecke durch
Mannheim sei 22,33 km lang, die Fahrdauer betrage lt. Routenplaner
31 Minuten. Die Strecke über die A6 sei dagegen 39 km lang
bei einer Fahrtdauer lt. Routenplaner von 37 Minuten. In den Hauptverkehrszeiten
würden sich die Fahrzeiten wohl für beide Routen ändern.
Nach der Aussage des Herrn N. könne nicht festgestellt
werden, welche der beiden Strecken günstiger sei, da beide
Strecken im Berufsverkehr sehr staugefährdet seien. Außerdem
räume die Klägerin selbst ein, dass der Übergang
von der B9 auf die A6 manches Mal „schwerfälliger” sei.
Durch die Stadtverwaltung Mannheim seien für 2009 vier Baumaßnahmen
auf den vom Finanzamt zu Grunde gelegten Routen mitgeteilt worden.
Zweimal sei eine Spur im Fahrlachtunnel gesperrt gewesen; dies sei aber
auch der Fall gewesen, als der Ermittlungsbeamte diese Strecke abgefahren
sei. Zwei weitere Maßnahmen hätten nur begrenzte
Zeiträume betroffen, die erwähnten kleineren Baumaßnahmen
hätten nicht zu Zeiten des Berufsverkehrs stattgefunden.
Laut der vorliegenden Excel-Tabelle des Verkehrswarndienstes Baden-Württemberg
seien auf der A6 im Jahr 2009 zu den Fahrzeiten der Klägerin
Staus zwar selten gewesen (13 Mal im ersten Halbjahr), dennoch erscheine
es insbesondere unter Berücksichtigung, dass die Umwegstrecke gemessen
an der kürzesten Strecke ca. 75% betrage, nicht
wahrscheinlich, dass die Strecke der Klägerin zu einer
wesentlichen Fahrzeitersparnis geführt habe.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung
einer mündlichen Verhandlung verzichtet (Bl. 36, 47 Prozessakte).
Gründe
Die Klage ist unbegründet. Eine berufliche Veranlassung
der Fahrten zu der angegebenen Lerngemeinschaft ist nicht nachgewiesen.
Für den Werbungskostenansatz für Fahrten zwischen
der Wohnung und der Arbeitsstätte ist auch für die
Tage, an denen die Fahrten zwischen der Wohnung in G und der Arbeitsstätte
durchgeführt worden sein sollen, lediglich von der Entfernung
der Wohnung in Ludwigshafen zur Arbeitsstätte in Heidelberg
auszugehen. Hierbei ist eine einfache Wegstrecke von 22 km zu Grunde
zu legen; die Voraussetzungen für den Ansatz einer längeren
Wegstrecke liegen nicht vor.
1. Zu den nach § 9 Abs.
1 EStG abzugsfähigen Werbungskosten gehören auch Aufwendungen
für Fahrten, die einem Steuerpflichtigen im Rahmen von Fortbildungsmaßnahmen
entstehen. Derartige Aufwendungen sind allerdings abzugrenzen von
den gem. § 12 S. 1 Nr. 1 EStG nicht abzugsfähigen Kosten
der Lebensführung, die die wirtschaftliche und soziale
Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt. Grundsätzlich
sind auch Aufwendungen für private Lerngemeinschaften als
Fortbildungskosten abzugsfähig, wenn die Teilnahme an dieser
Lerngemeinschaft nach deren Gestaltung und Ablauf nahezu ausschließlich
berufsbezogen ist und eine private (Mit-)Veranlassung allenfalls
eine absolut untergeordnete Rolle spielt (Finanzgericht Köln,
Urteil vom 21. Januar 2008 12 K 5376/04, n.v., juris). Finden
die Treffen zur Lerngemeinschaft im privaten Bereich der Teilnehmer
statt, spricht die Lebenserfahrung dafür, dass in diesem
außerberuflichen Rahmen regelmäßig auch
private Interessen der Teilnehmer von nicht nur untergeordneter
Bedeutung verfolgt werden (Finanzgericht Münster, Urteil
vom 16. Juni 2002 5
K 5798/98 E, n.v., juris, mit Verweis auf Urteil des
Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. März 1993 VI R 82/91, BFH/NV
1993, 533).
Im vorliegenden Fall konnte die Klägerin das Gericht
nicht davon überzeugen, dass ausschließlich beruflich
veranlasste Treffen zur Durchführung einer Lerngemeinschaft
stattgefunden hatten. Es bestehen bereits erhebliche Zweifel an
den Angaben der Klägerin hinsichtlich der Durchführung
dieser Treffen. In ihrer Einkommensteuererklärung hatte
sie lediglich pauschal angegeben, dass 50 Fahrten zu je 92 km durchgeführt
worden seien (Bl. 5 Rechtsbehelfsakte). In der auf die Aufforderung
des Beklagten, die Fortbildungskosten glaubhaft zu machen, vorgelegten
Bestätigung der Frau W. vom 20. September 2010 (Bl. 21
Rechtsbehelfsakte) wird erklärt, dass die Treffen zweimal
wöchentlich, abwechselnd in R und in Ludwigshafen, durchgeführt worden
seien; als Inhalt dieser Treffen wurde lediglich die Verbesserung
der beruflich notwendigen Englischkenntnisse angegeben. Erst im
Einspruchsverfahren und auf ausdrückliche Anforderung des
Beklagten wurde eine Tabelle vorgelegt, in der 50 Termine in M aufgelistet
sind. Nach dieser Aufstellung sollten die Treffen an so gut wie
jedem Dienstag des Jahres stattgefunden haben (allerdings ist das
Datum 20. Januar 2009 zweimal belegt), nach dem Vortrag der Klägerin
in ihrem Schreiben vom 24. Oktober 2010 sollen die Fahrten jeweils
erst begonnen worden sein, nachdem sie von der Arbeitsstätte
an den Wohnort zurückgekehrt sei. Bei einem großen
Teil der Treffen soll der Inhalt „Grammatik” gewesen
sein, bei den übrigen ist der Inhalt nur mit kurzen Stichworten
beschrieben. Auffällig ist, dass die Dauer der Gespräche
lediglich jeweils 1 - 1 Stunden betragen haben soll und dass sie
dennoch ungeachtet der Jahreszeit, der Witterung und der Verkehrslage fast
jeden Dienstag durchgeführt worden sein sollen. Dies steht
in einem deutlichen Missverhältnis zu dem angeblich unternommenen
Aufwand, zu diesen Treffen zu gelangen, da allein die für
eine Strecke von 92 km erforderliche Fahrtzeit der angegebenen Dauer
der Treffen entspricht oder diese sogar übertrifft. Hinzu
kommt, dass nach den Angaben der Klägerin und der Frau
W. dieser zeitliche und finanzielle Aufwand für eine vergleichsweise geringe
Dauer der angeblichen „Kommunikationsrunde” zweimal
pro Woche unternommen worden sein soll, da Frau W. in gleichem Umfang
zu Treffen in der Wohnung der Klägerin - für die
jeglicher Nachweis über Daten und Inhalt fehlt - gefahren
sein soll. Dabei wäre es naheliegend, wenn schon ein Treffen
durchgeführt würde, dieses um die Zeit zu verlängern,
die an einem anderen Tag derselben Woche für die erneute
Anfahrt der anderen Teilnehmerin benötigt würde.
Das Gericht schließt hieraus, dass die Angaben der Klägerin
zur Durchführung der Lerngemeinschaften schon dem Grunde
nach unglaubwürdig sind.
Zudem ist auch nach den ergänzten Angaben der Klägerin
und den von ihr vorgelegten Unterlagen nicht zu erkennen, dass eine
berufliche Veranlassung für die angegebenen Treffen bestanden
hätte. Hier ist zunächst zu sehen, dass die Klägerin
nicht in einer Prüfungssituation stand, in der ein gemeinsames
Lernen eventuell die Erfolgsaussichten erhöhen könnte.
Vielmehr stand sie im Streitjahr in einer beruflichen Position,
die sie mit den vorher erlangten Kenntnissen erreicht hatte. Dass
von ihr eine Verbesserung der Englischkenntnisse seitens des Arbeitgebers
verlangt oder erwartet worden wäre, hat sie weder substantiiert
vorgetragen noch nachgewiesen. Eine entsprechende Bescheinigung
des Arbeitgebers hat sie nicht vorgelegt. Ihre Erklärung,
dass sie den aktuellen Geschäftsführer wegen ihrer
Elternzeit nicht kenne, ist nicht geeignet, die Nichtvorlage einer
Bestätigung des Arbeitgebers über den Umfang der
Englischkenntnisse der Klägerin zu erklären, zumal
das vorgelegte Zwischenzeugnis (Bl. 36 - 37 Rechtsbehelfsakte) nach
dem Ableben des früheren Vorgesetzten der Klägerin
und damit von dessen Nachfolger erstellt worden war. In diesem Zeugnis
sind allerdings Fremdsprachenkenntnisse der Klägerin oder
die Notwendigkeit entsprechender Kenntnisse am Arbeitsplatz der
Klägerin mit keinem Wort erwähnt. Konkrete Angaben dazu,
welche Grundkenntnisse bereits vor dem Streitjahr vorhanden waren, hat
die Klägerin nicht gemacht. Konkrete Nachweise über
den Lerninhalt der Treffen wurden nicht erbracht. Nach den Angaben
der Klägerin wurden keine Lernmittel hierfür angeschafft.
Die Zusammenstellung von Stichworten in der tabellarischen Aufstellung
(Bl. 35 Rechtsbehelfsakte) lässt nicht erkennen, was konkret,
in welcher Form und auf welcher Grundlage an den fraglichen Terminen
gelernt worden sein soll. Die bloß stichpunktartige Auflistung
der Themen, die häufige Verwendung des alleinigen Inhalts „Grammatik”,
die doppelte Belegung des Datums 20. Januar 2009 und die Frage der
Klägerin in der E-Mail vom 14. Oktober 2010 (Einspruchsschreiben),
ob sie die Daten aufschreiben solle, an denen sie in R gewesen sei,
zeigt nach Auffassung des Gerichts, dass diese Tabelle erst lange
nach Ablauf des Streitjahrs nachgeschrieben worden ist, ohne dass
vorgetragen oder erkennbar wäre, auf welcher Basis die
Klägerin diese Angaben nachträglich erstellt haben
will. Der pauschale Vortrag, auch zukünftig für
den Arbeitsmarkt attraktiv sein zu wollen und daher die Sprachkenntnisse
und betriebswirtschaftlichen Kenntnisse festigen und erweitern zu
müssen, genügt nicht, einen konkreten Bezug von
ohne erkennbarer Struktur durchgeführten Treffen zur Führung
von Gesprächen nachzuweisen, zumal die Beteiligten der angeblichen
Lerngemeinschaft nicht deckungsgleiche Lernziele angaben (Klägerin:
Englisch und Betriebswirtschaft; Frau W.: Englisch) und die Klägerin
selbst ausführte, dass sie und Frau W. nicht die gleichen
fachspezifischen Englischkenntnisse benötigten (s. Bl.
33 Rechtsbehelfsakte). Hier muss auch gesehen werden, dass der von
der Klägerin angegebene Lerneffekt hinsichtlich der Übung
in der englischen Sprache außerhalb einer Prüfungssituation
auch problemlos und ohne den finanziellen und zeitlichen Aufwand
regelmäßiger Fahrten zu einer „Kommunikationsrunde” erreicht werden
kann z.B. durch die Lektüre englischsprachiger Zeitungen
oder (Fach-)Bücher oder das Hören bzw. Sehen englischsprachiger
Radio- bzw. Fernsehsendungen zu Nachrichten- und Wirtschaftsthemen.
Nach Gesamtwürdigung des Vortrags der Klägerin
und der von ihr vorgelegten Unterlagen ist nach Auffassung des Senats
nicht zu erkennen, dass die behaupteten Treffen - wenn sie denn überhaupt
stattgefunden hatten - ausschließlich oder überwiegend
der beruflichen Fortbildung der Klägerin gedient hätten.
Wenn es tatsächlich zu diesen Treffen oder einem Teil davon gekommen
sein sollte, ist hierfür nach Auffassung des Senats eine
weitaus überwiegende private Veranlassung anzunehmen, sich
mit einer früheren Studienkollegin zu treffen. Ob die Gespräche
dabei in Deutsch oder in Englisch gehalten wurden, ist letztlich
ohne Bedeutung.
2. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG ist
zur Abgeltung der Aufwendungen für die Wege zwischen der
Wohnung und der regelmäßigen Arbeitsstätte
eine Entfernungspauschale von 0,30 € für jeden
vollen Kilometer der Entfernung zwischen der Wohnung und der regelmäßigen
Arbeitsstätte anzusetzen. Für die Bestimmung der
zu berücksichtigenden Entfernung ist die kürzeste
Straßenverbindung maßgebend, eine andere kann
nur dann zu Grunde gelegt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger
ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig genutzt wird.
Hat ein Arbeitnehmer mehrere Wohnungen, sind die Wege von der Wohnung,
die der Arbeitsstätte nicht am nächsten liegt,
nur dann zu berücksichtigen, wenn diese Wohnung den Mittelpunkt der
Lebensinteressen des Arbeitnehmers bildet und von ihm nicht nur
gelegentlich aufgesucht wird.
a) Ausgehend von dieser Rechtslage ist für die Bestimmung
der Entfernung zwischen der Wohnung und der regelmäßigen
Arbeitsstätte vom Wohnsitz der Klägerin in Ludwigshafen
auszugehen. Dort war sie seit 2008 mit erstem Wohnsitz, zusammen
mit ihrem späteren Ehemann, gemeldet. Nach ihren eigenen
Angaben wurde diese Anmeldung erforderlich, da sie sich wegen der
Aufenthalte an Wochenenden länger in Ludwigshafen aufgehalten
habe; bereits dies zeigt, dass auch der zeitliche Schwerpunkt der
Lebensführung in Ludwigshafen war. Besondere, über
das Gießen von Pflanzen bzw. das Füttern einer
Katze hinausgehende Bindungen der Klägerin zu der Wohnung
in G wurden nicht vorgetragen. Es bedarf daher keiner weiteren Erörterung, dass
der Lebensmittelpunkt der Klägerin da zu lokalisieren ist,
wo sie mit ihrem damaligen Lebensgefährten und späteren
Ehemann einen gemeinsamen Haushalt führte, und nicht da,
wo Topfpflanzen zu gießen und eine Katze zu füttern
waren. Inwieweit trotz der Anmeldung der Klägerin in Ludwigshafen
- und der Möglichkeit, einen Nachsendeauftrag zu erteilen
- noch Post in die Wohnung in G geschickt wurde, ist nicht konkret
dargestellt; der Senat vermag dem aber auch angesichts des eindeutigen
Bezugspunktes in Ludwigshafen, begründet durch den gemeinsamen
Haushalt mit dem Lebenspartner, keine Bedeutung beizumessen.
b) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist für
die Bemessung der Entfernung für die Fahrtstrecke von der
Wohnung in Ludwigshafen, S-Straße Hausnummer, zur regelmäßigen
Arbeitsstätte in Heidelberg, M-Straße Hausnummer
von der kürzesten Straßenverbindung auszugehen.
Den ihr obliegenden Nachweis, dass die von ihr angegebene längere
Strecke im Streitjahr
offensichtlich
verkehrsgünstiger
war, hat die Klägerin nicht geführt.
Nach der Rechtsprechung des BFH ist eine Straßenverbindung
dann verkehrsgünstiger als die kürzeste Strecke
zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, wenn der Arbeitnehmer
eine andere, längere Straßenverbindung tatsächlich
nutzt und auf diese Weise die Arbeitsstätte trotz gelegentlicher Verkehrsstörungen
in der Regel schneller und pünktlicher erreicht (BFH-Beschluss
vom 10. April 2007 VI
B 134/06, BFH/NV 2007, 1309 mit Verweis auf
BFH-Urteil vom 10. Oktober 1975 VI R 33/74, BStBl II 1975,
852). „Offensichtlich” verkehrsgünstiger
ist eine Straßenverbindung dann, wenn ihre Vorteilhaftigkeit
so auf der Hand liegt, dass sich auch ein unvoreingenommener, verständiger
Verkehrsteilnehmer unter den gegebenen Umständen für die
Benutzung dieser Strecke entschieden hätte (s. BFH-Urteil
vom 16. November 2011 VI
R 19/11, BStBl II 2012, 520). In der Rechtsprechung
der Finanzgerichte war für den Vergleich der Alternativstrecken
als Kriterium für die Annahme, dass eine längere
Strecke verkehrsgünstiger sei, eine Zeitersparnis von mindestens
20 Minuten angenommen worden (vergl. Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf
vom 18. Juli 2005 10
K 514/05, EFG 2005, 1852; Urteil des Finanzgerichts
Rheinland-Pfalz vom 15. November 2010 5 K 1482/08, EFG 2011, 1966).
In seiner dem letztgenannten Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz
nachfolgenden Revisionsentscheidung vom 16. November 2011 VI R 19/11 (a.a.O.)
hat der BFH klargestellt, dass nicht in jedem Fall eine Zeitersparnis
von mindestens 20 Minuten verlangt werden könne, was sich
schon daraus ergebe, dass nicht jeder Weg zur Arbeit regelmäßig
mindestens 20 Minuten dauere. Daher müssten die zeitlichen
Erfordernisse ins Verhältnis zur Gesamtdauer der Fahrten
gesetzt werden. Die Frage, ob eine Straßenverbindung als „offensichtlich
verkehrsgünstiger” als die kürzeste Strecke
angesehen werden könne, müsse nach den Umständen
des Einzelfalls bestimmt werden. Sei allenfalls eine geringfügige
Verkürzung der Fahrzeit von weniger als 10% zu
erwarten, spreche viel dafür, dass die minimale Zeitersparnis
allein für einen verständigen Verkehrsteilnehmer
keinen ausschlaggebenden Anreiz darstellen dürfte, eine von
der kürzesten Verbindung abweichende Route zu wählen.
Eine Straßenverbindung könne auch dann „offensichtlich
verkehrsgünstiger” als die kürzeste Verbindung
sein, wenn sich dies aus anderen Umständen wie Streckenführung,
Ampelschaltung etc. ergebe, selbst wenn nur eine relativ geringe
oder gar keine Zeitersparnis zu erwarten sei.
Das Gericht hat den Klägervertreter unter ausdrücklichem
Hinweis auf dieses Urteil des BFH und unter Fristsetzung gem. § 79b
Abs. 2 FGO aufgefordert, alle Fakten darzustellen, die dazu geführt
hätten, dass die von der Klägerin gewählte
Straßenverbindung offensichtlich verkehrsgünstiger
als die kürzeste Straßenverbindung gewesen sei.
Hierzu sollten u.a. vergleichende Angaben zu den Fahrzeiten auf
der kürzesten und auf der von der Klägerin gewählten
Strecke sowie zu den sonstigen Faktoren, z.B. Streckenführung,
Vorfahrtsregelungen, Ampelschaltungen, Baustellen etc. gemacht werden.
Diese Verhältnisse können sich allerdings ändern,
z.B. weil eine Dauerbaustelle regelmäßige Staus
verursacht oder Umwegstrecken erfordert oder neu fertig gestellte
(Umgehungs-)Straßen einen anderen Verkehrsfluss ermöglichen.
Aus dem Prinzip der Abschnittsbesteuerung folgt hieraus nach Auffassung
des Senats, dass nur die konkreten Verhältnisse des Jahres
2009 berücksichtigt werden k önnen, auch wenn möglicherweise
diese veranlagungszeitraumbezogene Betrachtungsweise dazu führt,
dass entgegen einer wünschenswerten Vereinfachung für
jedes Jahr die Voraussetzungen der Berücksichtigung der
kürzesten oder einer längeren Wegstrecke neu beurteilt werden
müssen. Demgemäß hat das Gericht den
Klägervertreter aufgefordert, die Angaben nach den Verhältnissen
des Streitjahrs 2009 zu machen.
Der Klägervertreter beschrieb daraufhin im Schriftsatz
vom 24. August 2012 lediglich pauschal Erschwernisse auf einer Strecke
durch die Innenstädte von Ludwigshafen und Mannheim, wie
einen meist zähen Verkehrsfluss auf der Konrad-Adenauer-Brücke,
einen Stau vor der ersten Ampel in Mannheim und vor einer Schule
(Anm.: es ist weder angegeben noch erkennbar, welche Schule gemeint
sein soll), Fahrbahnüberquerungen durch Kinder, Behinderungen
durch Müllabfuhr und Anliegerverkehr, mehrere Ampeln und
Fußgängerampeln (s. Bl. 67 Prozessakte). Wo genau
diese Behinderungen des Verkehrsflusses sein sollten, ob sie täglich
oder nur zu gewissen Zeiten vorkommen sollten und wie sie sich konkret
auf den Weg der Klägerin zur und von der Arbeit auswirkten,
gab er nicht an. Auf die konkreten Verhältnisse des Jahres
2009 ging er nicht ein. Erst mit Faxschreiben vom 4. Februar 2013
stellte der Klägervertreter angebliche Verkehrsstörungen
auf der Strecke durch Mannheim im Jahr 2009 dar, welche die Klägerin
auf Grund eigener Erkundigungen und Aufzeichnungen ermittelt habe
(s. Bl. 126 Prozessakte). Diese Aufstellung ist allerdings nicht
geeignet, einen konkreten Sachverhalt darzustellen. Die Quelle dieser
erst spät im Verlauf des Verfahrens - trotz mehrfach vorangegangener
Aufforderungen zur Konkretisierung des Vortrags - dargestellten
Erkenntnisse der Klägerin erschließt sich nicht.
Angaben zu der Stelle, wo die Erkundigungen eingeholt worden sein sollen,
machte der Klägervertreter nicht. Die Behauptung, dass
die Angaben auf eigenen Aufzeichnungen der Klägerin beruhten,
ist unglaubwürdig angesichts des Vortrags im Schreiben
vom 3. Dezember 2012, dass die Klägerin im Jahr 2009 keine
täglichen Aufzeichnungen gemacht habe (s. Bl. 101 Prozessakte).
Warum sie dennoch gerade die dargestellten Staus aufgezeichnet haben
soll, ist nicht nachvollziehbar. Zudem lassen die undetaillierten
Angaben keinen Schluss darauf zu, dass die behaupteten Behinderungen
die Fahrten der Klägerin zur bzw. von der Arbeit beeinträchtigt
haben könnten. Die Ortsangabe „auf der kürzesten
Strecke durch Mannheim” lässt nicht erkennen,
wo und auf welcher der mehreren möglichen Strecken (s.
unten) und in welcher Fahrtrichtung ein Stau gewesen sein soll.
Die allgemeinen Zeitangaben „abends” oder „morgens” sind
nicht geeignet, die behaupteten Störungen zeitlich den
von der Klägerin angegebenen Zeiten der beruflichen Fahrten
zuzuordnen.
Noch pauschaler stellte der Klägervertreter die Vorteile
der von der Klägerin geltend gemachten Strecke dar. In
seinem Schreiben vom 24. August 2012 erklärte er lediglich,
dass die von der Klägerin befahrene Strecke erheblich schneller
zu befahren sei und weniger Verkehrsstaus und -risiken berge. Auf den
Vorhalt des Gerichts, dass die verkehrstechnischen Vorzüge
der von der Klägerin geltend gemachten Strecke nur pauschal
dargestellt worden seien (Bl. 76 Prozessakte), trug er ergänzend
vor, dass der längere Weg auf Grund weniger Staus, besserer
Streckenführung (weniger Kurven, gerade Streckenführung,
weniger Unfallgefahren), deutlich weniger Ampelschaltungen und besserem
Verkehrsfluss ökonomischer, ökologischer und für
die Klägerin stressfreier sei und Kraftstoff und Zeit spare.
Nach der Aufforderung des Gerichts, diesen erneuten pauschalen Vortrag
zu konkretisieren, ergänzte der Klägervertreter
lediglich, dass die längere Wegstrecke verkehrsgünstiger
sei und dass die Klägerin als verständige und
unvoreingenommene Verkehrsteilnehmerin auf Grund ihrer täglichen
Erfahrungen diese Strecke gewählt und täglich
genutzt habe.
Eine konkrete Gegenüberstellung von Fahrzeiten auf den
Alternativstrecken hat die Klägerin trotz Aufforderung
durch das Gericht nicht vorgelegt. Lediglich im außergerichtlichen
Verfahren hatte sie vorgetragen, dass die Fahrt durch den Stadtverkehr
ca. 1 Stunde dauere, die Fahrt über die Autobahn ca. 35
Minuten. Worauf diese Angaben beruhten, ist wiederum nicht nachzuvollziehen.
Wann, auf welcher Strecke und unter welchen Umständen die
Angabe zur Fahrtzeit durch die Stadtgebiete ermittelt worden sein
soll, wurde nicht angegeben; die „glatte” Dauer
von 1 Stunde lässt darauf schließen, dass es sich
lediglich um eine Behauptung ohne tatsächlichen, nachvollziehbaren
Hintergrund handelt. Die Zeitangabe zur Fahrtstrecke über
die Autobahn entspricht in etwa dem Zeitrahmen, der von Routenplanern,
z.B. Google-Maps, dargestellt wird. Dass diese angegebene Fahrtdauer
nicht allgemeingültig mit den tatsächlich während
der üblichen Fahrten zur und von der Arbeit benötigten
Zeiten übereinstimmt, ergibt sich allerdings schon aus den
eigenen Angaben der Klägerin, die selbst erklärte,
dass der Übergang von der B9 auf die A6 „manches
Mal etwas schwerfälliger” gewesen sei und dass
die Reststrecke nach Heidelberg „überwiegend” (d.h.:
nicht immer) gut zu fahren gewesen sei (Schreiben des Klägervertreters
vom 24. August 2012, Bl. 67 Prozessakte). Dass auch die Behauptung,
die Reststrecke sei „überwiegend gut” zu
befahren gewesen, die Verkehrsverhältnisse deutlich besser
darstellt als sie tatsächlich waren, ergibt sich allerdings
anschaulich aus dem Vortrag der Klägerin im außergerichtlichen
Verfahren. Hier hatte die Klägerin angegeben, dass sie
manchmal einen längeren Arbeitsweg habe, da sie teilweise über
das Viernheimer Kreuz und Weinheimer Kreuz zum Heidelberger Kreuz
gefahren sei. Als Grund für Wahl dieser, lt. Google-Maps
nochmals 10 km längeren (49,2 km) und naturgemäß nochmals
eine längere Fahrzeit (lt. Google-Maps 39 Minuten im Vergleich
zu 34 Minuten bei der „normalen” Strecke über
die A6 zur A656 beim Autobahnkreuz Mannheim) benötigende
Umwegstrecke drängt sich auf, dass Behinderungen auf der
A6 umfahren werden sollten.
Nach Auffassung des Gerichts beschränkt sich der Vortrag
der Klägerin insgesamt allein auf die Darstellung einer
allgemeinen Behauptung, dass Fahrten über eine Autobahn,
auch wenn diese deutlich länger sind als über Alternativrouten,
generell weniger stau- und unfallträchtig seien, dass weniger
Treibstoff benötigt werde und dass die Gestaltung der Fahrt „entspannter” sei.
Demgegenüber wird durch den Vortrag der Klägerin
auch unterstellt, dass Fahrten, die nicht über Autobahnen
führen, generell langsamer und stressiger und öfter
von Staus und Behinderungen beeinträchtigt seien. Der Senat,
dessen berufsrichterliche Mitglieder über langjährige Erfahrungen
als Kfz-Fernpendler verfügen, vermag jedoch nicht zu erkennen,
dass ein entsprechender allgemeiner Grundsatz bestünde.
Zwar ist es zutreffend, dass Autobahnen normalerweise weniger Kurven
und generell keine Ampeln aufweisen, so dass die Strecke, wenn der
Verkehr läuft, in der Regel zügig zurückgelegt
werden kann. Der Vorteil einer separaten Schnellstraße
kehrt sich allerdings in dem Moment um, wenn durch einen Unfall, eine
Baustelle, einen Schwertransport oder eine andere Ursache der Verkehr zähflüssig
wird oder zum Stillstand kommt. Das geschlossene Straßensystem
einer Autobahn lässt es in diesen Fällen nicht
zu, kurzfristig auf eine Alternativroute auszuweichen; im Extremfall
muss man in Sichtweite der nächsten Ausfahrt stillstehend über
längere Zeit warten, bis z.B. eine Unfallstelle geräumt
ist. Behinderungen auf Strecken außerhalb von Autobahnen können
demgegenüber meist einfacher umfahren werden. So bieten
sich, auch nach eigener Ortskenntnis mehrerer Mitglieder des Senats,
z.B. für den zu beurteilenden Weg durch die Stadtgebiete
Ludwigshafen und Mannheim verschiedene parallel verlaufende Strecken
an, die entfernungsmäßig fast identisch sind und
die an mehreren Stellen Übergänge zueinander ermöglichen.
So kann der Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte der Klägerin sowohl über
die B37 - Konrad-Adenauer-Brücke (lt. Google-Maps: 21,2 km)
als auch über die B44 - Kurt-Schuhmacher-Brücke
(lt. Google-Maps: 21,6 km) geführt werden. Im weiteren
Verlauf kommen sowohl Streckenführungen über die
B36 als auch über die B37 oder über die von der
Klägerin angegebene Augustaallee (lt. Google-Maps: 21,4
km bei Fahrt über die Kurt-Schumacher-Brücke,
21,0 km bei Fahrt über die Konrad-Adenauer-Brücke)
in Betracht. Möglich wäre auch, über
die B44 - Luisenring - Friedrichsring - Augustaanlage - B37 zu fahren
(lt. Google-Maps: 21,7 km) oder eine Streckenführung über
die L637 zu wählen, bei der je nachdem, welche Rheinbrücke
genommen wird und ob der Innenstadtbereich Mannheims mit oder gegen
den Uhrzeigersinn umfahren wird, die Gesamtstrecke auch knapp unter
21 km betragen könnte. Selbst für eine Streckenführung über
die L637 gibt der Routenplaner Google-Maps, dessen Zeitangaben nach
eigener Anschauung mehrerer Mitglieder des Senats in der Regel realitätsnah
sind, Fahrzeiten von ca. 35 - 36 Minuten an, während für
die übrigen genannten Streckenführungen durch
den Bereich der Städte Ludwigshafen und Mannheim Fahrzeiten
zwischen 29 - 30 Minuten in Aussicht gestellt werden. Bei einer
Störung auf einem Teilabschnitt dieser Strecken ist damit
einfacher als auf einer Autobahn die Möglichkeit gegeben,
in Richtung auf das Fahrziel in Bewegung zu bleiben und dieses Ziel
in der geplanten Zeit zu erreichen. Dass Ampelanlagen zu Verzögerungen
der Fahrt führen, kann nach Auffassung des Senats ebenfalls
nicht generell angenommen werden. Maßgebend ist vielmehr,
wie die Schaltung der jeweiligen Ampelanlage auf die Verkehrsverhältnisse
abgestimmt ist. Auch mehrere Ampelanlagen in Folge bewirken nicht
automatisch eine Verzögerung der Fahrt, wenn sie z.B. in Form
einer „grünen Welle” geschaltet sind.
Für eine allgemeingültige Annahme, dass Umwegstrecken über
eine Autobahn immer verkehrsgünstiger sind, besteht damit
nach Auffassung des Senats keine Grundlage. Erforderlich w äre
ein einzelfallbezogener Nachweis an Hand der tatsächlichen Verhältnisse.
Einen solchen hat die Klägerin nicht geführt;
ihre pauschalen Angaben sind nicht einmal ausreichend, ihren eigenen
Vortrag glaubhaft zu machen.
Den Mangel an eigener Sachverhaltsdarstellung - nebst Nachweisführung
- suchte der Klägervertreter u.a. durch den Hinweis auf
angeblich überzogene Anforderungen des Gerichts zu kaschieren.
Er verkennt dabei allerdings, dass die Klägerin nach allgemeinen
Grundsätzen die Nachweispflicht für die Tatsachen
trägt, die sie geltend macht, um einen steuerlichen Vorteil,
hier in Form der Anerkennung höherer Werbungskosten, zu
erhalten. Da die Klägerin sich darauf beruft, dass in ihrem
Fall abweichend von der generellen Regelung, dass nur die Entfernung
der kürzesten nutzbaren Straßenverbindung zu berücksichtigen
ist, eine längere Entfernung angesetzt werden soll, muss
sie den Nachweis führen, dass die von ihr favorisierte
Strecke „offensichtlich verkehrsgünstiger” ist.
Obwohl die Klägerin der ihr obliegenden Mitwirkungspflicht
nicht in der gebotenen Weise nachgekommen ist, hat das Gericht versucht,
durch die Auskunftsersuchen an die Meldestellen der Innenministerien
der Länder Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg
sowie an die Stadtverwaltungen Ludwigshafen und Mannheim den Sachverhalt
weiter aufzuklären. Soweit für das Stadtgebiet
Ludwigshafen und den von der Meldestelle Rheinland-Pfalz betreuten
Bereich der B9 - A6 keine Daten vorhanden waren, sind hieraus für
die Klägerin keine negativen Schlüsse zu ziehen.
Allerdings kann auch nicht unterstellt werden, dass diese Bereiche
gänzlich von Verkehrsstörungen verschont blieben.
Mitgliedern des Senats, die im Verlauf der täglichen Fahrten
zum und vom Gericht Verkehrsnachrichten hören, sind die
auf der von der Klägerin favorisierten Strecke belegenen
Anschlussstellen Ludwigshafen-Nord und Mannheim-Sandhofen als Orte
von Störungsmeldungen vertraut. Dies zeigt auch die eigene
Aussage der Klägerin, dass der Übergang von der
B9 auf die A6 „manches Mal etwas schwerfälliger” gewesen
sei (Schreiben des Klägervertreters vom 24. August 2012,
Bl. 67 Prozessakte). Für den von der Meldestelle des Innenministeriums
Baden-Württemberg betreuten Bereich der A6 zeigen die übermittelten
Daten (auf den Inhalt der Excel-Tabelle „Auswertung_Finanzgericht_RLP.xls,
auf CD in Klarsichthülle Bl 107a Prozessakte wird verwiesen),
dass regelmäßig auf Grund von Unfällen
und Baustellen Behinderungen und Staus auftraten. Allein für
den Bereich der A6 zwischen dem Viernheimer Kreuz und dem Kreuz
Mannheim waren für das Jahr 2009 insgesamt 63 Meldungen über Staus
oder stockenden Verkehr wegen Unfällen oder Baustellen
gespeichert, auch wenn hierin mehrfach Wiederholungen bereits zuvor
bekannt gegebener Meldungen enthalten waren. Dass es in diesem Bereich
immer wieder zu Störungen kommt, zeigt sich wiederum in
den eigenen Angaben der Klägerin, dass sie teilweise über
das Weinheimer Kreuz gefahren sei. Die weiteren Meldungen für
die A656 zwischen dem Autobahnkreuz Mannheim und der Anschlussstelle
zur L597 sind für die Beurteilung des vorliegenden Falles ohne
Belang, da diese Strecke - ebenso wie der weitere Verlauf zur und
von der Arbeitsstätte der Klägerin - bei allen
Streckenvarianten - mit Ausnahme der zusätzlichen Umwegstrecke über
das Weinheimer Kreuz, s.o. - identisch ist. Für die Streckenführungen
durch die Stadtgebiete von Ludwigshafen und Mannheim ist hingegen
nur eine relevante Verkehrsmeldung gespeichert (am 10. Februar 2009).
Aus den Angaben der Stadtverwaltung Mannheim ist zu entnehmen, dass
es im Zeitraum 15. August - 16. Oktober 2009 durch Sanierungsarbeiten
auf der B36 auch zu Rückstaus auf der B37 - Kurt-Schumacher-Brücke
gekommen sei. Dass hiervon auch die B44 - Konrad-Adenauer-Brücke
betroffen gewesen wäre, ist nicht beschrieben. Die beiden
jeweils 14-tägigen Wartungsarbeiten im Fahrlach-Tunnel
seien jeweils mit der Sperrung einer Fahrspur verbunden gewesen.
Bei den Sanierungsarbeiten auf der Ludwigshafener Straße
im Zeitraum 17. August - 25. September 2009 sei jeweils eine Fahrspur
gesperrt gewesen. Kleinere Tagesbaustellen seien jeweils zeitlich
außerhalb der auch von der Klägerin genutzten
Hauptverkehrszeiten gelegt worden. Diese Zusammenstellung zeigt,
dass zwar auch auf den Straßen im Stadtgebiet Mannheims
Behinderungen stattfanden, dass diese aber zeitlich und von den
Auswirkungen her begrenzt waren. Zudem ist nicht zu erkennen, dass
die Behinderungen durch Baustellen das gesamte Stadtgebiet betroffen
hätten; es ist daher davon auszugehen, dass Autofahrer den
entsprechenden Baustellen ausweichen konnten, ohne dafür
zeitlich und räumlich längere Fahrtstrecken in
Kauf nehmen zu müssen (s.o.).
Der Beklagte hat versucht, die konkreten Verhältnisse
einer Fahrt durch die Stadtbereiche Ludwigshafen und Mannheim nachvollziehbar
darzustellen. Die vom Ermittlungsbeamten für seine Fahrt
am 17. Oktober 2012 (einem Mittwoch) gewählte Route über
die B44 - Kurt-Schumacher-Brücke und weiter über
die B36 durch den Fahrlachtunnel entspricht in den wesentlichen Teilen
einer der oben dargestellten Varianten. Der Klägervertreter
hat zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass diese Fahrt 3 Jahre nach
dem Streitzeitraum durchgeführt wurde. Im Gegensatz zu
seinen eigenen Angaben und denen der Klägerin enthält
die - im Übrigen unwidersprochene - Darstellung des Ermittlungsbeamten
allerdings konkrete Anhaltspunkte für eine Beurteilung
der Tauglichkeit einer Streckenführung durch die Stadtbereiche
für die tägliche Fahrt zur Arbeitsstätte.
So hat der Ermittlungsbeamte dargestellt, dass er an einem normalen
Arbeitstag zu der von der Klägerin angegebenen Zeit gestartet
sei. Er hat weiter angegeben, dass die tatsächliche Fahrzeit
36 Minuten betragen habe und damit 5 Minuten länger als
vom Routenplaner vorgesehen. Sein Bericht enthält allerdings
auch Anhaltspunkte für die Gründe dieser Fahrzeitverlängerung.
So erklärte er, dass es auf der Rheinbrücke einen
kleinen Rückstau gegeben habe und dass es wegen einer einspurigen
Verkehrsführung im Fahrlachtunnel zu zähfließendem
Verkehr gekommen sei. Diese vom Ermittlungsbeamten vorgefundenen
Behinderungen auf der Strecke entsprechen zwei der in der Erklärung
der Stadtverwaltung Mannheim dargestellten Behinderungen im Jahr
2009. Wenn der Ermittlungsbeamte trotz dieser Beeinträchtigungen
nur mit einer geringfügigen Verzögerung von der
durch den Routenplaner angegebenen Durchschnittszeit am Ziel angekommen
ist, kann auch für das Jahr 2009 davon ausgegangen werden,
dass eine entsprechende Fahrt in dieser Zeit oder schneller hätte
durchgeführt werden können.
Weitere Ermittlungen zur Aufklärung des von der Klägerin,
trotz der ihr obliegenden Mitwirkungs- und Nachweispflicht, nur
pauschal und nicht näher substantiiert dargestellten Sachverhalts
waren nach Auffassung des Gerichts nicht geboten. Es ist nicht zu
erkennen, an welcher Stelle weitere Erkenntnisse über den
im Jahr 2009 vorliegenden Sachverhalt gewonnen werden könnten.
Der Einholung von Gutachten über die Verkehrslage ist nicht
erforderlich; die Mitglieder des Senats sind auf Grund eigener Erfahrungen
in der Lage, den festgestellten Sachverhalt zu würdigen.
Dies gilt auch für die Beurteilung der physischen und psychischen
Belastung bei Fahrten über die Autobahn, über
Bundesstraßen oder durch Stadtgebiete einschließlich
jeweils möglicher Staus und Behinderungen. Das Gericht
hat dementsprechend die Beteiligten mit Verfügung vom 23.
Januar 2013 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass keine
weiteren Sachverhaltsermittlungen beabsichtigt seien. Einwendungen
hiergegen wurden nicht erhoben.
Nach Gesamtwürdigung des Vortrags der Beteiligten und
Auswertung der vom Gericht selbst eingeholten Auskünfte
steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die von der
Klägerin angegebene Streckenführung nicht verkehrsgünstiger,
zumindest nicht offensichtlich verkehrsgünstiger als die
kürzeste nutzbare Straßenverbindung ist. Eine
konkrete Fahrzeitersparnis ist nicht feststellbar. Entsprechende
nachvollziehbare Angaben der Klägerin fehlen; dass sie
die von den einschlägigen Routenplanern angegebenen Zeiten
(lt. Google-Maps: 34 Minuten) - auf legalem Weg - unterschreiten
könnte, erscheint nicht glaubhaft. Selbst wenn man diese
Zeit als durchschnittliche tägliche Fahrzeit zu Grunde
legen würde, ergäbe sich eine um mehrere Minuten
längere Fahrzeit als nach den (dann ebenfalls zu berücksichtigenden)
Angaben des selben Routenplaners für eine Strecke durch
die Stadtbereiche; selbst im Vergleich zu den durch die Fahrt des
Ermittlungsbeamten des Beklagten verifizierten Zeit ergäbe
sich nur eine minimale Ersparnis. Nach den eigenen Angaben der Klägerin
zu Behinderungen im Übergang von der B9 zur A6 sowie zu
den Umwegstrecken über das Weinheimer Kreuz und bei Berücksichtigung
allein der nachweislich gemeldeten Verkehrsbehinderungen auf der
A6 ist allerdings davon auszugehen, dass die Optimalzeit des Routenplaners
für die Strecke der Klägerin regelmäßig
nicht hätte eingehalten werden können. Es kann
damit, auch mangels einer substantiierten Darlegung durch die Klägerin
selbst, nicht nachvollzogen werden, dass überhaupt eine
Fahrzeitersparnis eingetreten sein könnte. Auch eine Gegenüberstellung
der übrigen Faktoren für und gegen die jeweiligen Alternativstrecken
lässt nicht erkennen, dass die von der Klägerin
favorisierten Strecke insgesamt derart günstiger wäre,
dass sich ihre Nutzung einem verständigen und unvoreingenommenen
Kraftfahrer aufdrängen würde. Hiergegen spricht
schon die Länge der Umwegstrecke von ca. 18 km (2 x täglich)
mit entsprechendem Kraftstoffverbrauch. Zudem spricht maßgeblich
gegen diese Strecke, dass es auch hier regelmäßig
Behinderungen und Staus gibt und dass ein Fahrer auf dieser Strecke
nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten hat, diesen
Behinderungen auszuweichen. Demgegenüber kann die Route
durch die Stadtbereiche mit ihrer kürzeren Streckenlänge
und den vielfältigen Ausweichmöglichkeiten im
Falle von Behinderungen aufwarten. Objektive und allgemeingültige
Vorteile für die Route der Klägerin vermag der
Senat daher nicht zu erkennen. Selbst wenn ein Fahrer aus persönlichen
Neigungen heraus lieber über die Autobahn fährt,
würde er sich vor Antritt der Fahrt an Hand des Verkehrsfunks
vergewissern, ob die Strecke - zu diesem Zeitpunkt - frei erscheint
oder ob von vornherein damit zu rechnen wäre, dass er in
einen Stau fährt. Auch ein derartiger Fahrer würde seine
Entscheidung für jede Fahrt neu nach der jeweils aktuellen
Lage treffen. Allein schon dies schließt aus, dass die
Streckenführung über die Autobahn in jedem Fall
derart offensichtlich günstiger wäre, dass sich
die Frage nach einer anderen Fahrtroute nicht stellen würde.
Im Ergebnis ist nach der Grundregel des § 9 Abs. 1 Nr.
4 S. 4 EStG der Bemessung der Werbungskosten für die Fahrten
zur Arbeitsstätte die kürzeste Straßenverbindung
zu Grunde zu legen, abgerundet auf volle Kilometer. Der Beklagte
ist hier von einer Streckenlänge von 22 km ausgegangen. Zwar
sind auch bei Auswahl aller Abkürzungsmöglichkeiten,
z.B. durch den kompletten Innenstadtbereich Mannheims oder über
die L637, Routenführungen möglich, deren Streckenlänge
(nach Routenplaner) eine Strecke von 21 km geringfügig
um wenige 100 Meter unterschreiten würden. Angesichts der
Möglichkeit, stattdessen die jeweils nur wenige 100 Meter
längeren Strecken über die Bundesstraßen
36 oder 37 zu nutzen, die die Innenstadtbereiche nur am Rande berühren,
ist nach Auffassung des Gerichts von diesen Strecken auszugehen.
Die Streckenlänge hierfür liegt jeweils im Rahmen zwischen
21 und 22 km, so dass nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG eine
einfache Entfernung von 21 km anzusetzen ist. Da mehrere mögliche
Strecken parallel laufen und fast identische Entfernungen haben,
ist es nach Ansicht des Senats nicht erforderlich, eine konkrete
Strecke als Referenz zu bestimmen. Soweit der Beklagte statt dessen
- zu Gunsten der Klägerin - von einer Streckenlänge
von 22 km ausging, ist das Gericht auf Grund des Verböserungsverbots
an einer Korrektur gehindert.
Die Klage ist danach insgesamt abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135
Abs. 1 FGO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe der in § 115
Abs. 2 FGO genannten Art nicht vorliegen.
Der Senat hat im Einverständnis der Beteiligten ohne
mündliche Verhandlung entschieden (§ 90 Abs. 2
FGO).