04.10.2013
Bundesfinanzhof: Urteil vom 15.05.2013 – VI R 43/12
Gründe
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I. Streitig ist im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung von Fahrtkosten und Mehraufwendungen für die Verpflegung, ob eine Tätigkeit an der regelmäßigen Arbeitsstätte bzw. am Tätigkeitsmittelpunkt ausgeübt wird.
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Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), im Streitjahr (2009) wohnhaft in A-Stadt, schloss am 12. Januar des Streitjahres mit der Firma X (Schweiz) AG (AG) in Y (Schweiz, Anmerkung des Dokumentars) auf der Grundlage eines Rahmenarbeitsvertrags einen sog. Einsatzvertrag ab. Die AG stellte darin den Kläger als sog. temporären Angestellten in der Funktion als "Assistant to Logistic Manager" ein. Im Vertrag heißt es u.a. weiter:
"Der Auftrag wird in folgendem Unternehmen ausgeführt:
Z AG
...
.... Y."
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Der Einsatz bei der Firma Z AG sollte am 13. Januar des Streitjahres beginnen und mit "Ablauf der erwarteten Einsatzdauer" enden. Diese war mit "unbestimmt" angegeben.
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Der Kläger beendete seine Tätigkeit bei der Z AG zum 30. Juni des Streitjahres. Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte er neben Mehraufwendungen für die Verpflegung (62 Tage x 14 € = 868 €) die Aufwendungen für die Wege von A-Stadt zur Z AG als Reisekosten mit 3.900 € geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ließ lediglich die Kosten für die Wege von A-Stadt zur Z AG nach den Grundsätzen der Pendlerpauschale eingeschränkt zum Abzug als Werbungskosten zu (2.129 €).
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Das Finanzgericht (FG) hat der Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1826 veröffentlichten Gründen stattgegeben.
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Das FA rügt mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts.
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Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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II. Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht angenommen, dass der Kläger auswärts tätig war. Die streitgegenständlichen Kosten für die Wege zur Z AG sind in tatsächlicher Höhe abziehbar. Ebenso kommt im beantragten Umfang (für die ersten drei Monate seiner Tätigkeit) ein Abzug von Mehraufwendungen für die Verpflegung in Betracht.
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1. Beruflich veranlasste Fahrtkosten sind Erwerbsaufwendungen und gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe des dafür tatsächlich entstandenen Aufwands als Werbungskosten zu berücksichtigen. Erwerbsaufwendungen sind grundsätzlich auch die Aufwendungen des Arbeitnehmers für Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte. Allerdings sind die Aufwendungen dafür nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG nur begrenzt nach Maßgabe der insoweit gewährten Entfernungspauschale als Werbungskosten zu berücksichtigen.
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Regelmäßige Arbeitsstätte im Sinne dieser die beruflichen Mobilitätskosten nur eingeschränkt berücksichtigenden Regelung ist nach der neueren Rechtsprechung des erkennenden Senats nur der ortsgebundene Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers und damit der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine aufgrund des Dienstverhältnisses geschuldete Leistung zu erbringen hat. Dies ist im Regelfall der Betrieb, Zweigbetrieb oder eine Betriebsstätte des Arbeitgebers, denen der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, also fortdauernd und immer wieder aufsucht (s. etwa Senatsurteil vom 17. Juni 2010 VI R 35/08, BFHE 230, 147, BStBl II 2010, 852). Grundfall der regelmäßigen Arbeitsstätte ist die auf Dauer und Nachhaltigkeit angelegte Arbeitsstätte, auf deren immer gleiche Wege sich der Arbeitnehmer in unterschiedlicher Weise einstellen und auf eine Minderung der Wegekosten hinwirken kann. Dies kann etwa durch Bildung von Fahrgemeinschaften und Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und auch durch entsprechende Wohnsitznahme geschehen. Für diesen Grundfall erweist sich nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG als sachgerechte und folgerichtige Ausnahme vom objektiven Nettoprinzip.
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Liegt keine auf Dauer und Nachhaltigkeit angelegte regelmäßige Arbeitsstätte vor, auf die sich der Arbeitnehmer typischerweise in der aufgezeigten Weise einstellen kann, ist eine Durchbrechung der Abziehbarkeit beruflich veranlasster Mobilitätskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sachlich nicht gerechtfertigt. Dies ist insbesondere bei Auswärtstätigkeiten der Fall. Denn ist ein Arbeitnehmer auswärts, nämlich außerhalb eines dem Arbeitgeber zuzuordnenden Betriebs, Zweigbetriebs oder einer Betriebsstätte tätig, hat er typischerweise nicht die vorgenannten Möglichkeiten, seine Wegekosten gering zu halten. Das ist etwa bei Leiharbeitnehmern der Fall und auch bei einem Arbeitnehmer, der vorübergehend ausschließlich am Betriebssitz eines Kunden des Arbeitgebers tätig ist. Denn auch hier kann sich, vergleichbar mit anderen Auswärtstätigkeiten, der Arbeitnehmer bei typisierender ex ante Betrachtung auf den Ort, die Dauer und die weitere konkrete Ausgestaltung der dort zu verrichtenden Tätigkeit nicht einstellen; die vertragliche Beziehung zwischen Arbeitgeber und Kunde (Dritter) ist dem Einflussbereich des Arbeitnehmers entzogen (Senatsurteile vom 10. Juli 2008 VI R 21/07, BFHE 222, 391, BStBl II 2009, 818; vom 9. Juli 2009 VI R 21/08, BFHE 225, 449, BStBl II 2009, 822; vom 9. Februar 2012 VI R 22/10, BFHE 236, 426, BStBl II 2012, 827, m.w.N.).
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2. Nach § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Sätze 1 und 2 EStG kann ein Arbeitnehmer Mehraufwendungen für seine Verpflegung dann als Werbungskosten abziehen, wenn er vorübergehend von seiner Wohnung und dem Tätigkeitsmittelpunkt entfernt beruflich tätig ist. Dabei entspricht der Begriff des Tätigkeitsmittelpunktes dem der (regelmäßigen) Arbeitsstätte gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG (Senatsurteil in BFHE 230, 147, BStBl II 2010, 852, m.w.N.). Bei einer längerfristigen vorübergehenden Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte beschränkt sich der pauschale Abzug auf die ersten drei Monate (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG).
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3. Nach diesen Rechtsgrundsätzen hat das FG im Ergebnis zu Recht die Tätigkeit des Klägers bei der Z AG als Auswärtstätigkeit beurteilt. Wie dargestellt, ist ein Arbeitnehmer grundsätzlich dann nicht an einer regelmäßigen Arbeitsstätte, sondern auswärts tätig, wenn er außerhalb einer dem Arbeitgeber zuzuordnenden Tätigkeitsstätte tätig wird, wie dies insbesondere bei Leiharbeitnehmern, aber auch bei allen anderen Arbeitnehmern der Fall ist, die vorübergehend ausschließlich am Betriebssitz eines Kunden des Arbeitgebers tätig werden.
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Der Kläger kam im fraglichen Zeitraum weder an einer regelmäßigen Arbeitsstätte noch an einem Tätigkeitsmittelpunkt im vorgenannten Sinn zum Einsatz. Er ging nämlich seiner beruflichen Tätigkeit nicht in einer betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers, der AG, sondern in einer solchen eines Kunden (Z AG) nach. Im Streitfall war, wie das FG ausführt, die Tätigkeit zudem auftragsgebunden. Spätestens nach Erledigung des Auftrags durch die Z AG sollte die Tätigkeit des Klägers dort enden. Dies war nach weniger als sechs Monaten der Fall. Von einer auf Dauer und Nachhaltigkeit angelegten Arbeitsstätte kann hier keine Rede sein. Von daher kommt entgegen der Auffassung des FA dem Umstand, dass der Einsatzvertrag an die Tätigkeit des Klägers nur bei der Z AG gekoppelt war und eine Beschäftigung bei mehreren Kunden des Arbeitgebers ausschied, keine Bedeutung zu.