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  • · Fachbeitrag · Entgeltfortzahlung

    So berechnen Sie bei einem Teilmonat die Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit

    | Arbeitgeber können bei krankheitsbedingten Ausfallzeiten zwischen verschiedenen Methoden wählen, wenn sie den Betrag für die Entgeltfortzahlung und den U1-Erstattungsbetrag durch die Krankenkassen berechnen. Lesen Sie nachfolgend, wie sich die verschiedenen Methoden auswirken insgesondere wenn mehrere Lohnzahlungszeiträume betroffen sind, welche Möglichkeiten das Wahlrecht Arbeitgebern eröffnet und welche Funktion eine mit der Lohnabrechnung betraute Steuerkanzlei hier einnehmen sollte. |

    Welche Berechnungsmethoden gibt es?

    In erster Linie wirkt sich die Wahl der Berechnungsmethode auf die Erstattung der Entgeltfortzahlung durch die Krankenkassen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) aus. Das betrifft im U1-Verfahren - das für Arbeitgeber mit nicht mehr als 30 Arbeitnehmern gilt - die Aufwendungen, die der Arbeitgeber bei einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit für die Dauer von sechs Wochen fortzahlen muss (§ 3 Abs. 1 EFZ). Welche Lohnbestandteile genau einzubeziehen sind, regelt § 4 Abs. 1 und Abs. 1a EFZG.

     

    Erfolgt die Entlohnung nach Stunden, ist die Entgeltfortzahlung aus den durch die Arbeitsunfähigkeit ausgefallenen Stunden und dem jeweiligen Stundenlohn zu berechnen.

     

    Wird ein Monatslohn gezahlt, muss das fortzuzahlende Entgelt anteilig berechnet werden. Innerhalb der Sechswochenfrist wirkt sich die anteilige Berechnung meist nicht auf die Lohnfortzahlung aus. Denn der Arbeitnehmer erhält seinen üblichen Monatslohn weiter. Aber Arbeitgeber können im „Antrag auf Erstattung der Arbeitgeberaufwendungen bei Arbeitsunfähigkeit“ unter mehreren Berechnungsmethoden wählen. In der Praxis sind zwei Methoden zur Berechnung des fortgezahlten Lohns üblich:

     

    • Der monatliche Bruttolohn wird durch 30 Kalendertage geteilt und mit der Zahl der wegen Arbeitsunfähigkeit entfallenden Kalendertage multipliziert. Das ist das Standardverfahren der gängigen Lohnabrechnungsprogramme.

     

    • Der Monatslohn kann auch durch die tatsächliche Anzahl der Arbeitstage des Ausfallmonats geteilt und mit der Zahl der krankheitsbedingt ausfallenden Arbeitstage multipliziert werden (BAG, Urteil von 15.2.1978, Az. 5 AZR 739/76). Gesetzliche Feiertage zählen jeweils zu den Arbeitstagen.

     

    Schon die unterschiedlichen Berechnungsmethoden führen zu unterschiedlichen Ergebnissen beim Erstattungsbetrag. Unterschiede ergeben sich zusätzlich bei verschiedenen Arbeitnehmergruppen, insbesondere wenn man Arbeitnehmer mit und ohne Fünftagewoche vergleicht. Die Unterschiede verdeutlicht das folgende Beispiel.

     

    • Beispiel

    Zwei Arbeitnehmer erhalten ein Monatsgehalt von brutto 3.000 Euro. Arbeitnehmer A arbeitet von Montag bis Freitag, Arbeitnehmer B von Montag bis Mittwoch. Beide sind vom 4.4.2016 bis 22.5.2016 arbeitsunfähig krank. Der Arbeitgeber nimmt am U1-Verfahren teil, der Erstattungssatz beträgt nach der gewählten Umlage 80 Prozent. Die Erstattung der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung ist von der entsprechenden Krankenkasse satzungsmäßig ausgeschlossen. Für den April ergeben sich folgende Berechnungsmöglichkeiten für den Erstattungsantrag:

     

    Berechnung für April 2016

    nach Kalendertagen (KT) für A und B

    nach Arbeitstagen (AT) für A

    nach Arbeitstagen (AT) für B

    3.000 Euro geteilt durch

    30 KT = 100 Euro/Tag

    21 AT = 143 Euro/Tag

    12 AT = 250 Euro/Tag

    Multipliziert mit ausgefallenen Tagen

    x 27 KT = 2.700 Euro

    x 20 AT = 2.860 Euro

    x 12 AT = 3.000 Euro

    Davon U1-Erstattung 80 %

    2.160 Euro

    2.288 Euro

    2.400 Euro

     

     

    Ergebnis: In beiden Fällen führt die Berechnung nach Arbeitstagen zum höheren Erstattungsbetrag für den Arbeitgeber.

     

    Die beiden Methoden führen auch beim Arbeitnehmer zu unterschiedlichen Ergebnissen, wenn dieser nicht für den ganzen Monat seinen Lohn erhält, weil er z. B. im Laufe eines Monats kündigt oder er länger als sechs Wochen krank ist und deshalb statt Lohnfortzahlung Krankengeld bekommt.

     

    • Fortsetzung des Beispiels

    Die Erkrankung bis zum 22.5.2016 führt zum Ende der Entgeltfortzahlung nach 42 Kalendertagen zum 15.5.2016. Vom 16.5.2016 bis zum 22.5.2016 erhalten die Arbeitnehmer Krankengeld von der Krankenkasse. Ab dem 23.5.2016 arbeiten sie wieder und erhalten ihren anteiligen Lohn. Für den Mai ergeben sich folgende Berechnungsmöglichkeiten für die Lohnfortzahlung, die sich auch auf den Erstattungsantrag auswirken, da nur das tatsächlich fortgezahlte Entgelt erstattungsberechtigt ist. (Anmerkung: gesetzliche Feiertage werden zu den Arbeitstagen gerechnet, wenn sie auf einen regulären Arbeitstag entfallen):

     

    Berechnung für Mai 2016

    nach Kalendertagen (KT) für A und B

    nach Arbeitstagen (AT) für A

    nach Arbeitstagen (AT) für B

    3.000 Euro geteilt durch

    30 KT = 100 Euro/Tag

    22 AT = 137 Euro/Tag

    14 AT = 215 Euro/Tag

    a. Bruttolohn 1.5.2016 bis 15.5.2016

    x 15 KT = 1.500 Euro

    x 10 AT = 1.370 Euro

    x 6 AT = 1.290 Euro

    b. Bruttolohn 23.5.2016 bis 31.5.2016

    x 9 KT = 900 Euro

    x 7 AT = 959 Euro

    x 5 AT = 1.075 Euro

    Summe Bruttolohn Mai 2016

    2.400 Euro

    2.329 Euro

    2.365 Euro

    80 % Erstattung aus a.

    1.200 Euro

    1.096 Euro

    1.032 Euro

     

     

    Ergebnis: In Teillohnzahlungszeiträumen führt in beiden Fällen die Berechnung nach den Kalendertagen zum höchsten Arbeitslohn und zur höchsten Erstattung, aber auch zur höchsten wirtschaftlichen Belastung beim Arbeitgeber.

     

    Wichtig | Das Krankengeld, das ein Arbeitnehmer nach den 42 Kalendertagen Lohnfortzahlung erhält, wird stets auf Basis von 30 Kalendertagen berechnet (§ 47 Abs. 1 SGB V).

    Wie kann und soll das Wahlrecht ausgeübt werden?

    Der Arbeitgeber kann grundsätzlich zwischen beiden Methoden wählen. Gesetzliche Vorschriften sind keine bekannt. Die Rechtsprechung lässt beide Methoden zu. Allerdings können in Arbeitsverträgen, Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen Regelungen existieren, in denen die Berechnungsmethode vorgeschrieben ist. Letztlich muss der Arbeitgeber die Wahl der Berechnungsmethode für die Entgeltfortzahlung mit den konkreten arbeitsrechtlichen Gegebenheiten abstimmen.

     

    PRAXISHINWEIS | Gibt es keine schriftlichen Vereinbarungen, kann der Arbeitgeber nach Ansicht von LGP grundsätzlich für jeden Arbeitnehmer eine unterschiedliche Methode wählen. Denn es gibt keine gesetzlichen Vorschriften, dass bei allen Beschäftigten die gleiche Methode angewendet werden muss. Ein Mitspracherecht des Arbeitnehmers sowie einschränkende Rechtsprechung sind LGP ebenfalls nicht bekannt. Inwiefern sich der Arbeitgeber die Mühe machen will, die optimale Methode jeweils einzeln zu bestimmen, bleibt ihm überlassen.

     

    Die Frage, inwieweit die Berechnungsmethode nachträglich geändert werden kann, lässt sich nicht rechtssicher beantworten. Hat es der Arbeitgeber ursprünglich versäumt, sich die geleistete Lohnfortzahlung von der Krankenkasse erstatten zu lassen, kann er die Erstattung jedenfalls vier Jahre rückwirkend beantragen (§ 6 Abs. 1 AAG).

     

    Wichtig | Da die Krankenkassen nur das tatsächlich fortgezahlte Entgelt erstatten dürfen (§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AAG), hat die Methode der Entgeltfortzahlung auch mittelbaren Einfluss auf die Methode des Erstattungsantrags an die Krankenkassen. Die Krankenkassen können den Antrag prüfen. Jede Krankenkasse kann die Höhe des zu erstattenden Arbeitsentgelts durch Satzung regeln. Häufig wird die Erstattung begrenzt auf die Höhe der Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung (§ 9 Abs. 2 AAG).

    Welche Rolle soll bzw. darf die Steuerkanzlei übernehmen?

    Steuerberater sind nur ganz begrenzt zur Beratung in sozialversicherungs- und arbeitsrechtlichen Fragestellungen befugt. Schwierigkeiten der Abgrenzung als zulässige Nebenleistung, die zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehört und zur Erfüllung der konkreten Leistungsbeziehung erforderlich ist, sind vorprogrammiert. Aus einem allgemeinen Steuerberatungsvertrag heraus ist ein Steuerberater jedenfalls weder verpflichtet noch befugt, den Arbeitgeber auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts zu beraten (BGH, Urteil vom 12.2.2004, Az. IX ZR 246/02, Abruf-Nr. 040695).

     

    PRAXISHINWEIS | Auch wenn Steuerberater, die mit der Lohnbuchhaltung beauftragt sind, die erste Anlaufstelle für Fragestellungen zum Sozialversicherungsrecht sind, sollten sie die Entscheidung über die Berechnungsformel dem Arbeitgeber überlassen. Nur so können sie Haftungsfälle vermeiden (BSG, Urteile vom 5.3.2014, Az. B 12 R 4/12 R und B 12 R 7/12 R, Abruf-Nr. 142994 und 142995).

     
    Quelle: Ausgabe 05 / 2016 | Seite 85 | ID 43913182