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  • 01.03.2005 | Bundesverfassungsgericht

    Nichtgewährung von Erziehungsgeld an Ausländer teilweise verfassungswidrig

    von Ulrich Buschermöhle, Düsseldorf

    Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass § 1 Abs. 1 a Satz 1 des Bundeserziehungsgeldgesetzes 1993 mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist. Es verstößt gegen den Gleichheitssatz, Ausländer mit Aufenthaltsbefugnis generell von der Gewährung von Erziehungsgeld auszuschließen. Im Rahmen einer Neuregelung kann der Gesetzgeber jedoch die Gewährung des Erziehungsgeldes an den Nachweis der Berechtigung zur Aufnahme oder Fortführung einer Erwerbstätigkeit knüpfen. Ersetzt der Gesetzgeber die verfassungswidrige Regelung nicht bis zum 1.1.06, ist auf noch nicht abgeschlossene Verfahren das bis zum 26.6.93 geltende Recht anzuwenden. Im Hinblick auf die vorliegende Entscheidung hat der Gesetzgeber auch die Nachfolgeregelungen von § 1 Abs. 1a BErzGG 1993 auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu überprüfen. 

    Rechtlicher Hintergrund

    Das Erziehungsgeld wurde durch das Bundeserziehungsgeldgesetz vom 6.12.85 eingeführt. Durch die Gewährung von Erziehungsgeld soll Eltern die Möglichkeit gegeben werden, ganz oder teilweise auf eine Erwerbstätigkeit zu verzichten und sich der Erziehung ihrer Kinder in der ersten Lebensphase verstärkt zu widmen. In dem hier maßgeblichen Zeitraum (1993 bis 1995) betrug das Erziehungsgeld 600 DM pro Monat. Das Erziehungsgeld wurde unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Antragstellers gewährt. Voraussetzung war, dass der Anspruchsteller seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte. In den Jahren 1989 und 1990 wurde das BErzGG dahingehend geändert, dass ein Ausländer nur dann einen Anspruch auf Erziehungsgeld hatte, wenn er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung, Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsbefugnis war. Mit dem Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom 23.6.93 wurde in § 1 BErzGG der Absatz 1a eingefügt. Danach hatte ein Ausländer nur dann einen Anspruch auf Erziehungsgeld, wenn er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis war. Inhaber von Aufenthaltsbefugnissen schloss der Gesetzgeber vom Erziehungsgeldbezug aus. Mit dieser Regelung, die ab dem 27.6.93 galt, sollte der Anspruch auf Ausländer begrenzt werden, von denen zu erwarten war, dass sie auf Dauer in Deutschland bleiben werden. § 1 Abs. 1 a BErzGG 1993 galt bis zum 31.12.00. Danach hat der Gesetzgeber den Kreis der Berechtigten wieder weiter gefasst. 

     

    Sachverhalt

    Die Beschwerdeführerin reiste als türkische Staatsbürgerin mit ihrem Ehemann nach Deutschland ein und erhielt eine befristete Aufenthaltserlaubnis, die nach einer Änderung des Ausländerrechts als Aufenthaltsbefugnis fortgalt.  

     

    Bei Ausländern mit einem solchen Aufenthaltstitel war von der Durchsetzung der Ausreisepflicht auf Dauer abzusehen. Am 5.7.93 wurde der Sohn der Beschwerdeführerin geboren. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung von Erziehungsgeld wurde im Folgenden abgelehnt. Ihre Klage vor den Sozialgerichten blieb ohne Erfolg. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Lebensrechts ihres Kindes (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG). 

     

    Wesentliche zur Entscheidung führende Gründe

    Nach § 1 Abs. 1a BErzGG 1993 erhielten Ausländer mit Aufenthaltsbefugnis kein Erziehungsgeld, unabhängig davon, wie verfestigt ihr Aufenthalt in Deutschland im Einzelfall war. Damit wurden sie schlechter gestellt als Deutsche und Ausländer mit Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis. Nach Auffassung des Gerichtes war diese Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt.