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  • 12.04.2010 | Der praktische Fall

    Bilanzielle Behandlung von Abbruchkosten

    Wird ein Gebäude ganz oder teilweise abgerissen und durch ein neues Gebäude ersetzt, stellt sich die Frage, ob es sich bei den Abbruchkosten und dem Restbuchwert des alten Gebäudes um sofort abziehbare oder um aktivierungspflichtige Aufwendungen handelt. Die Lösung präsentiert der nachfolgende Praxisfall.  

    1. Sachverhalt

    Die Meise-Maschinenbau GmbH erwarb am 1.1.09 eine Produktionshalle mit Anschaffungskosten von 500.000 EUR (Produktionshalle: 300.000 EUR, Grund und Boden: 200.000 EUR). Bereits beim Kauf beabsichtigte der Gesellschafter-Geschäftsführer Max Meise die Produktionshalle abzureißen und durch eine neue, modernere Halle zu ersetzen. Die entsprechende Abrissgenehmigung wurde bereits im Rahmen des Kaufs eingeholt.  

     

    Aufgrund der überraschend guten Geschäftsentwicklung Anfang 2009 hatte Meise jedoch kurzfristig auf den Abriss verzichtet und das Gebäude als Lagerhalle verwendet. Die neuen Planungen sehen vor, das alte Gebäude am 30.6.10 abzureißen und eine neue Produktionshalle für 600.000 EUR zu errichten. Meise rechnet mit Abrisskosten von 50.000 EUR und einer Fertigstellung bzw. Inbetriebnahme am 1.1.11. Er möchte nun gerne wissen, was er aus steuerlicher Sicht zu beachten hat.  

    2. Lösung

    Bei der steuerlichen Behandlung von Abbruchkosten unterscheidet die Finanzverwaltung in H 6.4 EStH „Abbruchkosten“ mehrere Fälle. Bei welcher Konstellation sofort abzugsfähige Betriebsausgaben bzw. aktivierungspflichtige Kosten vorliegen, wird nachfolgend aufgezeigt.  

     

    2.1 Unterschiedliche Fallgestaltungen

    Die Abbruchkosten sind i.d.R. sofort als Betriebsausgaben abziehbar, wenn ein Steuerpflichtiger auf einem ihm bereits seit Jahren gehörenden Grundstück ein neues Gebäude errichtet und das alte, zuvor betrieblich genutzte Gebäude vorher abreißt. In diesen Fällen wird angenommen, dass das Gebäude für den Betrieb keinen Wert mehr hat, d.h. technisch oder wirtschaftlich verbraucht ist. Der Restbuchwert des Gebäudes kann mittels § 7 Abs. 1 S. 7 EStG (Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung) gewinnmindernd ausgebucht werden.  

     

    Sofern der Steuerpflichtige das Gebäude ohne Abbruchabsicht erworben hat und sich herausstellt, dass eine Nutzung nicht möglich ist, stellen die Abbruchkosten und der Restbuchwert des Gebäudes ebenfalls sofort abzugsfähige Betriebsausgaben dar. Ob ein Erwerb in Abbruchabsicht vorliegt, ergibt sich aus den tatsächlichen Gegebenheiten (Anträge des Erwerbes bei der Baubehörde, Kaufverträge etc.). Von Bedeutung ist, ob der Erwerber den baulichen Zustand des gekauften Gebäudes kannte. Die Finanzverwaltung vermutet eine Abbruchabsicht, wenn mit dem Abbruch des Gebäudes innerhalb von drei Jahren nach dem Erwerb begonnen wurde. Dabei beginnt die Drei-Jahres-Frist grundsätzlich mit dem Abschluss des obligatorischen Rechtsgeschäfts (BFH 6.2.79, VIII R 105/75). Will der Steuerpflichtige die Vermutung widerlegen, muss er glaubhaft darlegen, dass er den Abriss beim Erwerb des Gebäudes noch nicht beabsichtigte.  

     

    Erfolgt der Erwerb in Abbruchabsicht ist wie folgt zu unterscheiden:  

     

    1. Die Abbruchkosten und der Restbuchwert des alten Gebäudes stellen Herstellungskosten des neuen Gebäudes dar, wenn das alte Gebäude im Zeitpunkt des Erwerbs wirtschaftlich noch nicht verbraucht war und der Abbruch mit der Herstellung des neuen Gebäudes in einem engen zeitlichem Zusammenhang steht. Scheidet ein enger zeitlicher Zusammenhang aus, gehören die Abbruchkosten und der Restbuchwert zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens. Dies ist steuerlich die schlechteste Variante, da sich die Kosten erst bei einer Veräußerung des Grund und Bodens auswirken.

     

    2. Sofern das Gebäude im Erwerbszeitpunkt wirtschaftlich verbraucht bzw. objektiv wertlos war, sind die vollen Anschaffungskosten dem Grund und Boden zuzurechnen. Steht die Herstellung des neuen Gebäudes in einem zeitlich engen Zusammenhang zum Abbruch, gehören die Abbruchkosten zu den Herstellungskosten des neuen Gebäudes. Ist ein enger zeitlicher Zusammenhang nicht gegeben, handelt es sich bei den Abbruchkosten um Anschaffungskosten des Grund und Bodens.

     

    2.2 Konsequenzen für die Meise-GmbH

    Da die Meise-GmbH die Produktionshalle zum 1.1.09 erworben hat und der Abbruch am 30.6.10 geplant ist, ist die Drei-Jahres-Frist noch nicht abgelaufen. Die Regelvermutung kann auch nicht widerlegt werden, da die Abrissgenehmigung bereits im Rahmen des Kaufs beantragt wurde. Da das Gebäude zum Zeitpunkt des Erwerbs wirtschaftlich noch nicht verbraucht war und die Herstellung der neuen Lagerhalle in einem engen zeitlichen Zusammenhang zum Abbruch erfolgen soll, werden sowohl die Abbruchkosten als auch der Restbuchwert des Gebäudes Herstellungskosten des neuen Gebäudes darstellen. Die Herstellungskosten des neuen Gebäudes werden wie folgt ermittelt:  

     

    Berechnung der Herstellungskosten

    Anschaffungskosten des alten Gebäudes zum 1.1.09  

    300.000 EUR  

     

    Abschreibung 2009 (3 % gem. § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG)  

    ./. 9.000 EUR  

     

    Abschreibung 2010 (anteilig für 6 Monate)  

    ./. 4.500 EUR  

     

    Restbuchwert zum 30.6.10  

    286.500 EUR  

     

    Restbuchwert des alten Gebäudes  

     

    286.500 EUR  

    Abrisskosten  

     

    + 50.000 EUR  

    Baukosten der neuen Produktionshalle  

     

    + 600.000 EUR  

    Herstellungskosten für das neue Gebäude zum 1.1.11  

     

    936.500 EUR  

     

     

    Quelle: Ausgabe 04 / 2010 | Seite 65 | ID 134924