08.07.2008 | Landessozialgericht Baden-Württemberg
Sozialversicherungspflicht bei Ausübung mehrerer geringfügiger Beschäftigungen
Wird die Geringfügigkeitsgrenze in Höhe von 400 EUR durch Zusammenrechnung mehrerer geringfügiger Beschäftigungen überschritten und tritt infolge dessen Versicherungspflicht ein, beginnt diese gem. § 8 Abs. 2 S. 3 SGB IV erst mit dem Tag der Bekanntgabe des die Versicherungspflicht feststellenden Bescheids durch die Einzugsstelle oder einen Träger der Rentenversicherung. Eine von dem Wortlaut des Gesetzes abweichende Auslegung der Vorschrift in dem Sinne, dass bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Arbeitgebers rückwirkend Versicherungspflicht mit Beginn des Beschäftigungsverhältnisses festzustellen ist, kommt nach Auffassung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (9.4.08, L 5 R 2125/07, Abruf-Nr. 081707) nicht in Betracht. Das Gericht wendet sich damit gegen eine Regelung in den sog. Geringfügigkeits-Richtlinien.
1. Hintergrund
Nach § 2 SGB IV führt im Grundsatz jede abhängige, entgeltliche Beschäftigung zur Versicherungs- und regelmäßig auch zur Beitragspflicht. Die Gesetze ordnen jedoch für geringfügig Beschäftigte Versicherungsfreiheit an. § 8 SGB IV definiert dabei den Begriff der geringfügigen Beschäftigung für alle Zweige der Sozialversicherung und der Arbeitsförderung. Demnach liegt eine geringfügige Beschäftigung vor, wenn 1. das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 400 EUR nicht übersteigt, oder 2. die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 400 EUR im Monat übersteigt.
2. Mehrere geringfügige Beschäftigungen
Ergänzende Bestimmungen insbesondere für den Fall, dass mehrere geringfügige Beschäftigungen ausgeübt werden, trifft § 8 Abs. 2 S. 1 SGB IV. Danach werden bei der Anwendung der 400 EUR Grenze mehrere geringfügige Beschäftigungen (vorbehaltlich von Sondervorschriften) zusammengerechnet mit der Folge, dass bei Überschreiten der Entgeltgrenze von einer Geringfügigkeit der zusammengerechneten Beschäftigungen nicht mehr auszugehen ist und es deshalb nach Maßgabe der einschlägigen Vorschriften beim Regelfall der Versicherungspflicht bei den unterschiedlichen Zweigen der Sozialversicherung bleibt.
3. Rückwirkender Eintritt der Versicherungspflicht?
Für den Fall, dass die Zusammenrechnung zum Fehlen der Voraussetzungen für die Versicherungsfreiheit führt, enthält das Gesetz in § 8 Abs. 2 S. 3 SGB IV eine ausdrückliche Regelung über den Beginn der Versicherungspflicht. Demnach tritt die Versicherungspflicht erst mit dem Tag der Bekanntgabe der Feststellung durch die Einzugsstelle oder einen Träger der Rentenversicherung ein.
Beispiel
Eine Raumpflegerin arbeitet beim Arbeitgeber A gegen ein monatliches Arbeitsentgelt von 250 EUR und wird als geringfügig entlohnte Beschäftigte bei der Minijob-Zentrale gemeldet. Am 1.8. nimmt sie zusätzlich eine Beschäftigung als Raumpflegerin gegen ein monatliches Arbeitsentgelt von 300 EUR beim Arbeitgeber B auf. Die Raumpflegerin hat die Frage des Arbeitgebers B nach dem Vorliegen einer weiteren Beschäftigung verneint. Arbeitgeber B meldet die Arbeitnehmerin somit ebenfalls im Rahmen einer geringfügig entlohnten Beschäftigung bei der Minijob-Zentrale an.
Die Minijob-Zentrale stellt im Oktober desselben Jahres fest, dass die Raumpflegerin in beiden Beschäftigungen versicherungspflichtig ist, weil das Arbeitsentgelt aus beiden Beschäftigungen 400 EUR übersteigt. Mit Bescheid vom 15.10. informiert die Minijob-Zentrale die Arbeitgeber A und B darüber, dass die Arbeitnehmerin zum 17.10. als geringfügig Beschäftigte bei der Minijob-Zentrale ab- und zum 18.10. als versicherungspflichtig Beschäftigte bei der zuständigen Krankenkasse anzumelden ist. |
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