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  • · Fachbeitrag · Der praktische Fall

    Berechnung von Steuerquoten: Nicht nur für die neue Mindestbesteuerung interessant

    | Herzstück des neuen Mindeststeuergesetzes (MinStG, BGBl I 23, Nr. 397) ist die jährliche Berechnung einer Steuerquote bzw. des effektiven Steuersatzes nach § 53 Abs. 1 S. 1 MinStG. Der praktische Fall stellt die generelle Berechnungsweise vor und zeigt, dass derartige Steuerquoten auch für solche Unternehmen interessante Erkenntnisse bringen, die gar nicht von der Mindestbesteuerung betroffen sind. |

    1. Sachverhalt

    Max Meise ist Gesellschafter-Geschäftsführer der mittelständischen Meise-GmbH. Er hat von dem neuen MinStG gehört und fragt nun seinen Steuerberater, was das neue Gesetz für seine GmbH bedeutet.

    2. Lösung

    Der Steuerberater erläutert zunächst die Grundzüge des neuen MinStG und die Auswirkungen auf die Meise-GmbH. Danach beschreibt er die Ermittlung der Current-Tax-Rate und vergleicht diese mit dem nominalen (gemischten) Steuersatz der GmbH. Abschließend erläutert er die Vorteile der Effective Tax Rate und gibt Hinweise für deren Interpretation.

     

    2.1 Grundzüge des MinStG

    Mit dem MinStG hat der deutsche Gesetzgeber die EU-Mindestbesteuerungsrichtlinie bzw. die auf Ebene der OECD vereinbarten „Anti-Base Erosion Model Rules Pillar Two“ in nationales Recht übernommen. Ziel der international unter „Pillar II“ (Säule II) bekannten Regelungen ist es, ein weltweit einheitliches Mindestbesteuerungsniveau von 15 % sicherzustellen. Das neue MinStG gilt unabhängig von der Rechtsform des Unternehmens und tritt neben die bekannten Ertragsteuergesetze (EStG, KStG, GewStG) bzw. ergänzt diese.

     

    Nach dem MinStG müssen nationale und internationale Unternehmensgruppen einen effektiven Steuersatz je Steuerhoheitsgebiet ermitteln. Dabei findet ein „jurisdictional blending“ statt, d. h., sowohl der Steueraufwand als auch die Ergebnisse aller Geschäftseinheiten eines Landes werden zusammengerechnet.

     

    Die Berechnungen basieren auf den konzerneinheitlichen HB II-Bilanzen (HB = Handelsbilanz), die regelmäßig auf Basis der International Financial Reporting Standards (IFRS) aufgestellt werden. Sowohl der IFRS-Steueraufwand als auch das IFRS-Ergebnis vor Steuern unterliegen aber noch zahlreichen Modifikationen, um Sondereffekte zu neutralisieren bzw. die steuerliche Bemessungsgrundlage zu objektivieren.

     

    Nach den (komplexen) Anpassungen wird der „angepasste Steueraufwand“ in Relation zum „angepassten Ergebnis“ gesetzt. Im Terminus des MinStG wird der effektive Steuersatz letztendlich wie folgt ermittelt:

     

     

    Liegt der ermittelte effektive Steuersatz in einem Steuerhoheitsgebiet unterhalb von 15 %, wird eine Ergänzungssteuer erhoben. Diese wird vereinfacht durch Multiplikation des Ergänzungssteuersatzes mit dem Mindeststeuergewinn bestimmt. Der Ergänzungssteuersatz ergibt sich durch Subtraktion des ermittelten effektiven Steuersatzes vom angestrebten Steuersatz von 15 %:

     

    Ergänzungssteuer =

    Ergänzungssteuersatz (15 % ‒ ermittelter effektiver Steuersatz)

    ×

    Mindeststeuergewinn

     

     

    Beachten Sie | Bei der Erhebung der Ergänzungssteuer sind drei Regelungen zu unterscheiden:

     

    • Regelungen zur Primärergänzungssteuer (§§ 8 bis 10 MinStG)
    • Regelungen zur Sekundärergänzungssteuer (§§ 11 bis 14 MinStG)
    • Nationale Ergänzungssteuer (§§ 90 bis 93 MinStG)

     

    Bei der Primärergänzungssteuer wird die Ergänzungssteuer für ein Niedrigsteuergebiet grundsätzlich auf Ebene der Muttergesellschaft nacherhoben („Top-up-Tax“). Durch die Regelung zur Sekundärergänzungssteuer wird eine Nachbesteuerung sichergestellt, wenn im Ansässigkeitsstaat des Mutterunternehmens die Regelung zur Primärergänzungssteuer nicht greift, z. B. weil der Ansässigkeitsstaat der Muttergesellschaft die Pillar II-Regelungen nicht anwendet. In den meisten Fällen wird aber die dritte Regelung ‒ die nationale Ergänzungssteuer ‒ angewendet. Wenn beispielsweise der deutsche Teil einer Unternehmensgruppe einen effektiven Steuersatz von weniger als 15 % aufweist, dann erhebt Deutschland eine nationale Ergänzungssteuer.

     

    Beachten Sie | Ungeachtet der hohen deutschen Ertragsteuersätze kann der effektive Steuersatz aufgrund der zahlreichen Modifikationen auch in Deutschland unterhalb von 15 % liegen. In diesen Fällen würden dann die deutschen Regelungen zur Ergänzungssteuer greifen.

     

    MERKE | Von der Mindestbesteuerung sind aber nur nationale und internationale Unternehmensgruppen mit einem Jahresumsatz von mindestens 750 Mio. EUR betroffen (vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 MinStG). Da die mittelständische Meise-GmbH kein Bestandteil eines internationalen Konzernverbunds ist, ist sie von den komplexen Pillar II-Regelungen bzw. vom neuen MinStG nicht betroffen.

     

    Beachten Sie | Mitunter werden kleinere „Satellitengesellschaften“ von internationalen Unternehmensgruppen mangels technischer Integration und/oder geringer Bedeutung für den Gesamtkonzern von lokalen Steuerberatungsgesellschaften betreut. Da die neuen Mindestbesteuerungsregelungen auch für kleine Tochtergesellschaften gelten, sollten Steuerberater ihre Mandantenliste überprüfen und ggf. Rücksprache mit den jeweiligen Konzernsteuerabteilungen halten.

     

    2.2 Nominaler Steuersatz und Current Tax Rate

    Ungeachtet dessen, dass die Meise-GmbH nicht von der Mindestbesteuerung betroffen ist, lohnt sich ein Blick auf die Steuerquoten der Gesellschaft. Die einfachste Steuerquote ist der nominale, gemischte Steuersatz. Dieser ist abhängig vom Gewerbesteuer-Hebesatz der Gemeinde und setzt sich wie folgt zusammen:

     

    • Nominaler Steuersatz

    Körperschaftsteuer

    15 %

    Solidaritätszuschlag

    0,825 %

    (5,5 x 15)/100

    Gewerbesteuer

    15,225 %

    (3,5 × 4,35); bei einem unterstellten Hebesatz der Gemeinde von 435 %

    Nominaler Steuersatz

    31,05 %

     

    Allein auf Basis des nominalen Steuersatzes sind Aussagen zur Steuersituation einer GmbH begrenzt, da die steuerliche Bemessungsgrundlage nicht berücksichtigt wird. Deutlich mehr Erkenntnisse lassen sich gewinnen, wenn man die nominale Steuerquote mit der unternehmensindividuellen Steuerquote (Current Tax Rate) vergleicht.

     

    Bei der Current Tax Rate werden die tatsächlich gezahlten Ertragsteuern ins Verhältnis zum HGB-Ergebnis vor Ertragsteuern gesetzt:

     

    • Liegt die Current Tax Rate dann oberhalb des nominalen Steuersatzes, resultiert dies oft aus steuerlich nicht abziehbaren Betriebsausgaben oder gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen.
    • Ist die Current Tax Rate geringer als der nominale Steuersatz, beruht dies z. B. auf steuerlichen Sonderabschreibungen.

     

    Die Current Tax Rate hat zudem Vorteile, wenn die Steuerquoten einzelner Länder verglichen werden sollen. Denn somit wird ersichtlich, ob die oft geringen ausländischen Steuersätze durch vergleichsweise hohe nicht abziehbare Betriebsausgaben (z. B. Zinsabzugsbeschränkungen) aufgezehrt werden.

     

    Beachten Sie | Zudem kann die Entwicklung der Current Tax Rate auch bei einem Mehrjahresvergleich (intern oder mit anderen Gesellschaften) interessante Erkenntnisse bringen.

     

    MERKE | In Verlustsituationen ist die Current Tax Rate indes nicht sehr aufschlussreich. Insbesondere in diesen Fällen ist die Berechnung und Analyse der Effective Tax Rate sinnvoller. Denn im Gegensatz zur Berechnung der Current Tax Rate werden hier auch latente Steuern berücksichtigt, was die Aussagekraft der Steuerquoten deutlich erhöht.

     

    2.3 Effective Tax Rate und Interpretationsansätze

    In internationalen Konzernen ist die Effective Tax Rate ein bewährtes Mittel zur Beurteilung der Steuersituation einzelner Länder/Standorte bzw. zur Bewertung der Qualität der steuerlichen Gestaltungen. Ferner wird der Einfluss der nationalen Steuerquoten auf die Konzernsteuerquote bzw. die Nutzung des internationalen Steuergefälles analysiert. Aber auch für Stand-Alone-Gesellschaften, wie die Meise-GmbH, kann die Effective Tax Rate interessante Erkenntnisse bringen.

     

    • Effective Tax Rate und die vier Grundfälle
    Vorzeichen
    Steuerquote
    Ziel
    Zähler
    Nenner

    +

    +

    +

    Minimierung der Steuerquote

    +

    Maximierung der Steuerquote

    +

    Detaillierte Analyse erforderlich

    +

    Detaillierte Analyse erforderlich

     

    Der Standardfall ist, dass sowohl der Zähler (Steueraufwand) als auch der Nenner (Ergebnis vor Steuern) ein positives Vorzeichen aufweisen und sich eine positive Steuerquote ergibt. Bei dieser Konstellation sollte das Unternehmen eine möglichst geringe Steuerquote anstreben.

     

    Im Verlustfall hat der Zähler oft ein negatives Vorzeichen. Ursächlich hierfür ist, dass auf den steuerlichen Verlust aktive latente Steuern bzw. ein „fiktiver“ Steuerertrag gebucht werden. Da im Verlustfall auch der Nenner negativ ist, ergibt sich eine positive Steuerquote. Hier gilt es also, eine Erhöhung der Steuerquote anzustreben.

     

    Beachten Sie | Ist nur ein Bestandteil der Formel negativ, ergibt sich immer eine negative Steuerquote. So können z. B. steuerlich nicht abziehbare Betriebsausgaben auch in Verlustsituationen zu Steueraufwand führen. In solchen Fällen ist die Steuerquote vorsichtig zu interpretieren und das Zustandekommen kritisch zu hinterfragen.

     

    • Mindeststeuer: Effective Tax Rate in Verlustfällen

    Im Rahmen des MinStG dürfen aktive latente Steuern nur mit dem Mindeststeuersatz von 15 % gebildet werden, also nicht mit dem nominalen Steuersatz. Nicht zuletzt wegen dieser Regelung rücken auch deutsche Mindeststeuergruppen in Verlustfällen in die Nähe einer Effective Tax Rate von 15 %. In Kombination mit anderen MinStG-Anpassungen kann somit auch in Deutschland eine Ergänzungssteuer anfallen.

     

    FAZIT | Sieht man von den komplexen Vorgaben des MinStG ab, ist die Berechnung von Steuerquoten vergleichsweise einfach. Demzufolge kann der Einsatz von Steuerquoten auch für kleinere Gesellschaften interessant sein.

     
    Quelle: Ausgabe 11 / 2024 | Seite 190 | ID 50133316