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  • · Fachbeitrag · Der praktische Fall

    Gas- und Wärmepreisbremse: So kompliziert sind die Entlastungen zu versteuern!

    | Durch das JStG 2022 (BGBl I 22, 2294) wurden die §§ 123 ff. in das EStG aufgenommen. Der Grund: Die Besteuerung der Gas-/Wärmepreisbremse nach dem Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetz (EWSG). Der praktische Fall zeigt, was es damit auf sich hat und dass sich der Gesetzgeber für ein kompliziertes Besteuerungsmodell entschieden hat. |

    1. Sachverhalt

    Maria Meise ist Single und erzielt als Angestellte Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 19 EStG). Infolge des EWSG wurde ihr der Gasabschlag für Dezember 2022 in Höhe von 200 EUR erlassen. Ihr zu versteuerndes Einkommen (zvE) beträgt regulär 50.000 EUR.

     

    Abwandlung 1: Das zvE beträgt 150.000 EUR.

    Abwandlung 2: Das zvE beträgt 80.000 EUR.

     

    Frage: Wie ist die Minderung des Gasabschlags einkommensteuerlich zu behandeln?

    2. Lösung

    Nach einigen erläuternden Vorbemerkungen wird der Sachverhalt (inkl. Abwandlungen) unter Berücksichtigung der Vorgaben der §§ 123 ff. EStG ertragsteuerlich betrachtet.

     

    2.1 Vorbemerkungen

    Können die durch das EWSG gewährten Entlastungen einer Einkunftsart zugeordnet werden, sind sie dort zum individuellen Steuersatz zu versteuern ‒ und zwar ab dem ersten EUR. Bei den Gewinneinkünften erfolgt das automatisch, da insofern die Betriebsausgaben entfallen („kein Aufwand“).

     

    Es gibt aber auch viele ‒ durch das EWSG gewährte ‒ Entlastungen, die keiner der sieben Einkunftsarten zugeordnet werden können. Dabei ist insbesondere an den fehlenden Einzug des Gasabschlags im Dezember 2022 für Privathaushalte zu denken (oder die entsprechende Erstattung durch den Energielieferanten). Damit auch diese Entlastungen der Besteuerung unterworfen werden können, regelt § 123 Abs. 1 EStG eine Zuordnung zu den sonstigen Einkünften (§ 22 Nr. 3 S. 1 EStG) kraft gesetzlicher Fiktion. Das gilt pauschal immer dann, wenn keine andere Einkunftsart einschlägig ist (Auffangvorschrift).

     

    MERKE | Zudem sieht § 123 Abs. 1 S. 3 EStG vor, dass die Freigrenze des § 22 Nr. 3 S. 2 EStG (bis einschließlich 255,99 EUR) nicht anzuwenden ist. Damit unterliegen Entlastungen auch bei Privathaushalten grundsätzlich ab dem ersten EUR der vollen Besteuerung zum individuellen Steuersatz (wie bei der Energiepreispauschale).

     

    Der Gesetzgeber wollte aber, dass Steuerpflichtige mit einem geringen Einkommen, das jedoch deutlich oberhalb des Grundfreibetrags liegt, dennoch die volle Entlastung behalten. Die (anteilige) Versteuerung der sonstigen Einkünfte erfolgt deshalb erst ab gewissen Grenzen, wobei hier auf das jeweilige zvE abgestellt wird.

     

    Deshalb bestimmt § 123 Abs. 2 EStG, dass die sonstigen Einkünfte i. S. des § 22 Nr. 3 EStG in Höhe der gewährten Entlastungen nicht Gegenstand der Berechnung des zvE nach § 2 Abs. 1 bis 5 EStG sind. Die Einkünfte bleiben also zunächst unberücksichtigt und haben damit z. B. auch keine Auswirkungen auf die zumutbare Belastung des § 33 Abs. 3 EStG. Um dann aber doch zur Besteuerung zu gelangen, wird das zvE um die sonstigen Einkünfte nach Maßgabe des § 124 Abs. 1 EStG erhöht.

     

    Beachten Sie | § 124 Abs. 1 EStG sieht vor, dass in Abhängigkeit von der regulären Höhe des zvE (ohne Berücksichtigung von Progressionseinkünften etc.) drei Fallgestaltungen zu unterscheiden sind:

     

    2.2 Ausgangsfall: Das zvE liegt unterhalb der Milderungszone

    Erreicht das zvE die in § 124 Abs. 2 EStG verankerte Milderungszone nicht, unterbleibt eine Besteuerung der sonstigen Einkünfte in voller Höhe. Die Milderungszone beginnt bei einem zvE von 66.915 EUR (bei zusammen veranlagten Ehegatten bei 133.830 EUR). Darunter findet keine Besteuerung statt.

     

    • Lösung des Ausgangsfalls

    Die Entlastungen nach dem EWSG können keiner konkreten Einkunftsart zugerechnet werden. Daher handelt es sich gemäß § 123 Abs. 1 S. 1 EStG um sonstige Einkünfte i. S. des § 22 Nr. 3 EStG (ohne Anwendung der Freigrenze). Diese sonstigen Einkünfte von 200 EUR bleiben bei der Ermittlung des zvE zunächst unberücksichtigt. Nachdem das zvE ermittelt wurde (hier 50.000 EUR), wird dieses mit der Milderungszone verglichen. Da die Milderungszone nicht erreicht wurde, unterbleibt eine Besteuerung. Maria hat folglich weiterhin ein zvE von 50.000 EUR.

     

    2.3 Abwandlung 1: Das zvE liegt oberhalb der Milderungszone

    Auch die Fallgestaltung „oberhalb der Milderungszone“ lässt sich noch einfach lösen. Liegt das zvE nämlich oberhalb der in § 124 Abs. 2 EStG verankerten Milderungszone, werden die sonstigen Einkünfte in voller Höhe der Besteuerung unterworfen. Die Milderungszone endet bei 104.009 EUR bzw. bei zusammen veranlagten Ehegatten bei 208.018 EUR.

     

    • Lösung der Abwandlung 1

    Die sonstigen Einkünfte bleiben bei der Ermittlung des zvE zunächst unberücksichtigt. Nachdem das zvE ermittelt wurde (hier 150.000 EUR), wird es mit der Milderungszone verglichen. Da diese überschritten wurde, erfolgt eine Besteuerung in voller Höhe, d. h., das zvE von Maria wird um 200 EUR auf 150.200 EUR erhöht. Auf die 200 EUR Entlastung werden rund 84 EUR Steuern fällig (Steuersatz: 42 %).

     

    2.4 Abwandlung 2: Das zvE liegt innerhalb der Milderungszone

    Die nun vorgestellte Fallgruppe ist berechnungstechnisch am kompliziertesten. § 124 Abs. 2 S. 3 EStG lautet: Im Bereich der Milderungszone ist als Zurechnungsbetrag nur der Bruchteil der Entlastungen einzubeziehen, der sich als Differenz aus dem individuellen zvE und der Untergrenze der Milderungszone dividiert durch die Breite der Milderungszone errechnet.

     

    • Lösung der Abwandlung 2

    Nachdem das zvE ermittelt wurde (80.000 EUR), wird es mit der Milderungszone verglichen. Da das zvE innerhalb der Milderungszone liegt, erfolgt nur eine anteilige Besteuerung. Das zvE von 80.000 EUR überschreitet den Beginn der Milderungszone von 66.915 EUR um genau 13.085 EUR. Die Milderungszone umfasst von 66.915 EUR bis zu 104.009 EUR eine Spanne in Höhe von 37.094 EUR. Da der die Milderungszone übersteigende Bruchteil damit 35,27 % beträgt (13.085 EUR/37.094 EUR), muss Maria von den sonstigen Einkünften 35,27 % und damit 70 EUR versteuern. Das endgültige zvE erhöht sich demzufolge von 80.000 EUR auf 80.070 EUR.

     

    2.5 Zufluss und Besteuerungszeitpunkt

    Für den Zeitpunkt der Besteuerung stellt sich die Frage, welcher Zeitpunkt entscheidend ist. Der tatsächliche Zufluss der Entlastung beim Steuerpflichtigen oder die Endrechnung des Energieversorgers mit den konkret endabgerechneten Entlastungen? Hierzu regelt § 125 EStG Folgendes:

    • Die in den Rechnungen nach § 2 Abs. 3, § 3 Abs. 1 S. 4 und nach § 4 Abs. 2 des EWSG als Kostenentlastung gesondert ausgewiesenen Beträge gelten im Veranlagungszeitraum (VZ) der Erteilung dieser Rechnung als nach § 11 Abs. 1 S. 1 EStG zugeflossen.
    • Entsprechendes gilt für die Abrechnungen der Vermieter und Verpächter nach § 5 Abs. 1 und 5 des EWSG sowie der WEG nach § 5 Abs. 3 EWSG.

     

    Somit führt der pauschal im Dezember ausgebliebene Einzug des Gasabschlags im Privathaushalt bzw. die Erstattung des Gasabschlags durch den Energieversorger noch nicht automatisch zu einer Besteuerung im Jahr 2022. Denn hierbei handelt es sich „nur“ um eine vorläufige Zahlung. Die konkreten Entlastungen werden erst mit der Endabrechnung für den Belieferungszeitraum durch den Energielieferanten festgestellt. Sie müssen damit erst in dem VZ versteuert werden, in dem die Endabrechnung zugegangen ist.

     

    2.6 Die Angaben in der Steuererklärung

    Ähnlich wie bei der Energiepreispauschale gelten die Straf- und Bußgeldvorschriften der AO gemäß § 126 EStG entsprechend. Falschangaben können straf- und bußgeldrechtlich verfolgt werden. Es ist daher davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung in den Steuererklärungsformularen künftig ein entsprechendes Pflichtfeld einführen wird. Dieses Pflichtfeld ist dann bei tatsächlich erhaltenen Entlastungen mit dem konkreten Betrag (Entlastung laut Energieversorger/Vermieter/WEG) zu füllen.

    Quelle: Ausgabe 05 / 2023 | Seite 84 | ID 49269630