· Fachbeitrag · Der praktische Fall
Geschäftsveräußerung gegen Leibrente: Vergleich zwischen Sofort- und Zuflussbesteuerung
| In den nächsten Jahren findet bei vielen Unternehmen ein Generationswechsel statt. Ist ein Nachfolger gefunden, stellt sich die Frage, wie der Kaufpreis beglichen werden soll. Statt einer sofortigen Kaufpreiszahlung ist auch eine Geschäftsveräußerung gegen Renten- oder Ratenzahlungen denkbar. Der praktische Fall stellt die steuerlichen Konsequenzen bei einer Betriebsveräußerung gegen Leibrente aus Verkäufer- und Erwerbersicht vor. |
1. Sachverhalt
Peter Müller (M) möchte seinen Malerbetrieb, den er als Einzelunternehmen führt, an seinen langjährigen Angestellten Günter Weber (W) veräußern. Da W den anvisierten Kaufpreis von 140.000 EUR nach Möglichkeit nicht in einer Summe zahlen möchte, schlägt M eine Betriebsveräußerung gegen Zahlung einer lebenslangen Rente vor. Der Verkauf soll zum 31.12.12 erfolgen. Zu diesem Zeitpunkt ist M 65 Jahre alt. Ab dem 1.1.13 soll W eine monatliche Leibrente i.H. von 1.000 EUR zahlen. An Veräußerungskosten fallen ca. 1.000 EUR an, die von M getragen werden. Der Buchwert des steuerlichen Kapitalkontos beträgt zum Veräußerungszeitpunkt 100.000 EUR, der Verkehrswert der Aktiva 120.000 EUR. Der versicherungsmathematische Barwert der Rente liegt zum 31.12.12 bei 138.000 EUR und im Folgejahr bei 133.000 EUR.
2. Lösung
Bei einer Betriebsübertragung gegen Zahlung einer Leibrente hat der Verkäufer ein steuerliches Wahlrecht zwischen der Sofortbesteuerung und der Zuflussbesteuerung (R 16 Abs. 11 EStR):
- Wählt der Veräußerer die Sofortbesteuerung, muss er den Veräußerungsgewinn - unabhängig vom Zufluss der Rentenzahlungen - bereits im Jahr der Veräußerung versteuern. In diesem Fall kann er eventuell von einem begünstigten Veräußerungsgewinn profitieren (§ 16 Abs. 4 EStG, § 34 Abs. 1 und Abs. 3 EStG).
- Bei der Zuflussbesteuerung entsteht erst dann ein Gewinn, wenn der Kapitalanteil der Rentenzahlungen das steuerliche Kapitalkonto des Veräußerers zuzüglich etwaiger Veräußerungskosten übersteigt. Der Vorteil der späteren Versteuerung muss jedoch mit dem Verlust der Steuerbegünstigungen „erkauft“ werden.
Der Käufer muss die Rentenverpflichtung mit dem versicherungsmathematischen Barwert passivieren. Auf der Aktivseite werden die einzelnen Wirtschaftsgüter mit ihren Verkehrswerten erfasst. Übersteigt der Rentenbarwert die Verkehrswerte, ist der Restbetrag als Firmenwert auszuweisen. Der in den Rentenzahlungen enthaltende Zinsanteil stellt Betriebsausgaben dar.
2.1 Sofortbesteuerung
Bei der Sofortbesteuerung muss M - neben einem etwaigen Veräußerungsgewinn - auch die in den Rentenzahlungen enthaltenen Zins- bzw. Ertragsanteile im Zuflusszeitpunkt als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 1 EStG versteuern.
Der Kapitalwert der Rentenzahlungen (Veräußerungserlös) ist nach Maßgabe des § 14 BewG zu ermitteln. Hierbei wird der Jahresbetrag der Rentenzahlung mit einem Vervielfältiger multipliziert. Der Vervielfältiger ist abhängig vom Lebensalter sowie vom Geschlecht und beträgt für M 11,295 (Vervielfältiger für Bewertungsstichtage ab 1.1.12: vgl. BMF 26.9.11, IV D 4 - S 3104/09/10001).
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Jahresbetrag der Rente (1.000 EUR x 12 Monate) | 12.000 EUR |
x Vervielfältiger | 11,295 |
= Veräußerungserlös | 135.540 EUR |
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Veräußerungserlös | 135.540 EUR |
- Wert des Betriebsvermögens (Buchwert des Kapitalkontos) | 100.000 EUR |
- Veräußerungskosten | 1.000 EUR |
= Veräußerungsgewinn (vor Freibetrag) | 34.540 EUR |
- Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG (max. 45.000 EUR) | 34.540 EUR |
= Veräußerungsgewinn | 0 EUR |
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Rentenzahlung pro Jahr | 12.000 EUR |
davon Ertragsanteil gemäß § 22 Nr. 1 EStG (18 %) | 2.160 EUR |
- Werbungskostenpauschbetrag gem. § 9a Nr. 3 EStG: | 102 EUR |
= Sonstige Einkünfte | 2.058 EUR |
2.2 Zuflussbesteuerung
Entscheidet sich M für die Zuflussbesteuerung, so ist zu berücksichtigen, dass der in den Rentenzahlungen enthaltene Zinsanteil bereits im Zeitpunkt des Zuflusses als nachträgliche Betriebseinnahmen zu versteuern ist (§ 15 i.V. mit § 24 Nr. 2 EStG). Demgegenüber ist der Veräußerungsgewinn erst als nachträgliche Betriebseinnahmen zu versteuern, wenn der Kapitalanteil der Rentenzahlungen das steuerliche Kapitalkonto zuzüglich der Veräußerungskosten übersteigt.
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Rentenbarwert zum 31.12.12 (12.000 EUR x 11.295) | 135.540 EUR |
- Rentenbarwert zum 31.12.13 (12.000 EUR x 10,997) | 131.964 EUR |
= Tilgungsanteil 2013 | 3.576 EUR |
Summe der Rentenzahlungen 2013 | 12.000 EUR |
- Tilgungsanteil 2013 | 3.576 EUR |
= Zinsanteil 2013 (= nachträgliche Betriebseinnahmen) | 8.424 EUR |
Wie der folgende Barwertvergleich verdeutlicht, ist die gesamte Rentenzahlung (Zins- und Kapitalanteil) erst ab dem Jahr 2042 steuerpflichtig, da die Summe der Kapitalanteile hier das Verrechnungsvolumen übersteigen:
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Barwert zum 31.12.12, 65 Jahre (12.000 EUR x 11,295) | 135.540 EUR |
- Barwert zum 31.12.42, 95 Jahre (12.000 EUR x 2,72) | 32.640 EUR |
= Barwertdifferenz (erhaltene Kapitalanteile) | 102.900 EUR |
- Kapitalkonto | 100.000 EUR |
- Veräußerungskosten | 1.000 EUR |
= Übersteigender Betrag (§ 15 i.V. mit § 24 Nr. 2 EStG) | 1.900 EUR |
2.3 Auswirkungen für den Erwerber
Die Eröffnungsbilanz des W stellt sich wie folgt dar:
Aktiva | Eröffnungsbilanz zum 1.1.13 | Passiva | |
Firmenwert | 18.000 EUR | Kapital | 0 EUR |
Sonstige Aktiva | 120.000 EUR | Rentenverpflichtung | 138.000 EUR |
Summe Aktiva | 138.000 EUR | Summe Passiva | 138.000 EUR |
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Versicherungsmathematischer Barwert zum 31.12.12 | 138.000 EUR |
- Versicherungsmathematischer Barwert zum 31.12.13 | 133.000 EUR |
= Barwertdifferenz (Tilgungsanteil) | 5.000 EUR |
Rentenzahlungen im Wirtschaftsjahr 2013 | 12.000 EUR |
- Barwertdifferenz (Tilgungsanteil) | 5.000 EUR |
= Zinsanteil 2013 (Betriebsausgabe) | 7.000 EUR |
2.4 Wirtschaftliche Betrachtungsweise
Unabhängig von den steuerlichen Auswirkungen ist wirtschaftlich entscheidend, wie alt M tatsächlich wird. Nach dem Schreiben des BMF (a.a.O.) beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung für einen 65-jährigen Mann ca. 17 Jahre. Dies entspricht auch in etwa der Abzahlungsdauer für ein Darlehen von 140.000 EUR, das mit 5 % p.a. verzinst und mit einer Annuität von 12.000 EUR p.a. bedient wird. Wird M also älter als 82 Jahre, wäre für M ein Bankdarlehen günstiger.