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  • · Fachbeitrag · Der praktische Fall

    Keine Buchwertfortführung bei Übertragung eines Betriebs unter Vorbehaltsnießbrauch

    | Der Vorbehaltsnießbrauch ist bei der Übergabe von Wirtschaftsgütern als Gestaltungsinstrument sehr beliebt. Soll jedoch ein Betrieb zu Lebzeiten auf die nächste Generation übertragen werden, kann ein Vorbehaltsnießbrauch zur ungewünschten Aufdeckung von stillen Reserven führen. Der praktische Fall zeigt die Hintergründe. |

    1. Sachverhalt

    Der Friseurmeister H. Müller ist Eigentümer eines bebauten Grundstücks in der Münchener Innenstadt. Nach der erfolgreich absolvierten Meisterprüfung betrieb er in den Räumen seiner Immobilie einen Friseursalon. Bereits vor einigen Jahren hat H. Müller seine eigene gewerbliche Tätigkeit eingestellt. Seitdem verpachtet er den gesamten Friseurbetrieb an eine internationale Friseurkette. Das Grundstück (einzige wesentliche Betriebsgrundlage) behandelt er weiter als Betriebsvermögen und erklärt die aus der Verpachtung erzielten Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb.

     

    H. Müller möchte nun seinen Nachlass regeln und beabsichtigt, das Grundstück auf seinen Sohn (S. Müller) zu übertragen. Um seinen Lebensabend bestreiten zu können, will er sich den Nießbrauch vorbehalten. Der Friseurbetrieb soll weiter verpachtet werden. Ist diese Gestaltung zu empfehlen?

    2. Lösung

    Nach einem kurzen Überblick zur Betriebsverpachtung im Ganzen werden die negativen Konsequenzen bei der Einräumung eines Vorbehaltsnießbrauchs aufgezeigt. Abschließend wird eine sinnvollere Gestaltungsalternative vorgestellt.

     

    2.1 Betriebsverpachtung im Ganzen

    Gibt der Steuerpflichtige seine betriebliche Tätigkeit auf und verpachtet er in der Folge seinen ganzen Gewerbebetrieb, dann hat er ein Wahlrecht:

     

    • Der Steuerpflichtige kann eine Betriebsaufgabe erklären und die stillen Reserven aufdecken. Unter bestimmten Bedingungen wird ein Freibetrag (§ 16 Abs. 4 EStG) und ein ermäßigter Steuersatz (§ 34 Abs. 3 EStG) gewährt. Die Betriebsverpachtung führt dann zu Vermietungseinkünften (§ 21 EStG).

     

    • Hat der Verpächter bei Beendigung des Pachtverhältnisses die objektive Möglichkeit, den Betrieb wieder fortzuführen, kann von einer nur vorübergehenden Betriebsunterbrechung ausgegangen werden. Der Betrieb besteht einkommensteuerlich fort und die Pachterträge sind Einkünfte nach § 15 EStG. Die gewerblichen Einkünfte unterliegen aber, mangels „werbender“ Tätigkeit, nicht mehr der Gewerbesteuer. Für diese Möglichkeit hat sich H. Müller laut Sachverhalt entschieden.

     

    2.2 Betriebsübertragung mit Nießbrauchsbestellung

    Beim Vorbehaltsnießbrauch wird das Eigentum an der Immobilie übertragen; der Übertragende behält sich lediglich ein Nießbrauchsrecht vor. Das bedeutet: Die Eigentümerschaft ändert sich (von H. Müller zu S. Müller), aber die Pachteinnahmen verbleiben unverändert beim Übertragenden (H. Müller), der diese auch zu versteuern hat.

     

    Auf den ersten Blick scheint der Vorbehaltsnießbrauch für H. Müller ein sinnvolles Gestaltungsmittel zu sein, um seinen Nachlass bereits zu Lebzeiten zu regeln. Dem steht aber eine Entscheidung des BFH (25.1.17, X R 59/14, Abruf-Nr. 194480) entgegen, wonach ein Gewerbetreibender seinen Betrieb nicht steuerneutral an seinen Nachfolger übergeben kann, wenn er sich den Nießbrauch vorbehält und seine bisherige gewerbliche Tätigkeit fortführt.

     

    Eine steuerneutrale Übertragung zu Buchwerten nach § 6 Abs. 3 S. 1 EStG setzt nämlich voraus, dass der Übertragende seine bisherige gewerbliche Tätigkeit einstellt. Daran fehlt es, wenn die einzige wesentliche Betriebsgrundlage (das Grundstück) wegen des vorbehaltenen Nießbrauchs vom bisherigen Betriebsinhaber weiterhin gewerblich genutzt wird. Ob ein aktiv betriebener oder ein verpachteter Betrieb unter Vorbehaltsnießbrauch übertragen wird, ist für die Frage der Anwendbarkeit des § 6 Abs. 3 EStG unerheblich.

     

    MERKE | Die abweichende Rechtsprechung des BFH (u. a. 7.4.16, IV R 38/13), wonach eine steuerneutrale Übertragung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs unter Nießbrauchsvorbehalt möglich ist, kann nicht auf den unentgeltlichen Übergang eines Gewerbebetriebs übertragen werden. Für den BFH ist entscheidend, dass der Begriff „Gewerbebetrieb“ eine tätigkeitsbezogene Komponente aufweist. Daher ist Voraussetzung, dass der Gewerbetreibende nicht nur die Betriebsmittel überträgt, sondern auch seine durch den betrieblichen Organismus bestimmte gewerbliche Tätigkeit aufgibt.

     

    2.3 Übertragung gegen Versorgungsleistung

    Um eine Aufdeckung der stillen Reserven zu vermeiden, sollte H. Müller von einer Übertragung unter Vorbehaltsnießbrauch absehen. Um bei einer unentgeltlichen Übertragung eines Gewerbebetriebs eine eigene Versorgung sicherzustellen, sollte statt eines Nießbrauchs besser eine private Versorgungsrente i. S. des § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG oder Entgelt vom Übernehmer bis zur Höhe des steuerlichen Kapitalkontos vereinbart werden (sogenannte Einheitstheorie, auf die § 6 Abs. 3 EStG anzuwenden ist).

     

    Beachten Sie | Erfolgt die Übertragung gegen Versorgungsleistungen i. S. des § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG sind die Versorgungsleistungen von H. Müller nach § 22 EStG als sonstige Einkünfte zu versteuern, wenn S. Müller zum Sonderausgabenabzug berechtigt ist (Korrespondenzprinzip). Dabei ist es unerheblich, ob sich der Sonderausgabenabzug beim Verpflichteten tatsächlich steuermindernd auswirkt.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2017 | Seite 210 | ID 44938331