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  • · Fachbeitrag · Der praktische Fall

    Kleinunternehmer: Mit Entnahme der PV-Anlage künftige Steuerfalle vermeiden!

    von Dipl.-Finw. Marvin Gummels, Hage

    | Die Entnahme von Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) aus dem Unternehmensvermögen zu 0 % USt ermöglicht es, die Besteuerung von unentgeltlichen Wertabgaben für den erzeugten und privat verbrauchten Strom zu umgehen. Doch nicht nur Betreiber, die der Regelbesteuerung unterliegen, sollten die Entnahme der PV-Anlage prüfen, sondern auch Kleinunternehmer. Denn ohne eine Anlagenentnahme besteht das Risiko, dass Kleinunternehmer in künftigen Jahren in eine Steuerfalle tappen! |

    1. Sachverhalt

    Adam Meise hat 2022 auf seinem Einfamilienhaus (EFH) eine PV-Anlage in Betrieb genommen. Um den Vorsteuerabzug zu erhalten, hat er zur Regelbesteuerung optiert. Jährlich werden von dem erzeugten Strom ca. 2.000 kWh für private Zwecke verwendet. Zur Deckung seines weiteren privaten Strombedarfs bezieht er Strom von einem Energieversorger für 0,25 EUR pro kWh (Nettopreis je kWh inkl. Grundgebühr).

     

    Frage: Welche umsatzsteuerlichen Problemfelder resultieren aus diesem Sachverhalt?

    2. Lösung

    Durch die Option zur Regelbesteuerung muss Adam Meise den durch die PV-Anlage erzeugten und privat verwendeten Strom als unentgeltliche Wertabgabe versteuern (§ 3 Abs. 1b Nr. 1 i. V. mit S. 2 UStG). Das gilt nicht nur für die Zeit bis zum 31.12.22, sondern auch ab dem 1.1.23. Denn durch die Einführung des Nullsteuersatzes (§ 12 Abs. 3 UStG) ändert sich für „alte“ PV-Anlagen insoweit nichts.

     

    Die Bemessungsgrundlage für die unentgeltliche Wertabgabe richtet sich nach § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG. Maßgebend ist der fiktive Einkaufspreis im Zeitpunkt des Umsatzes (vgl. BFH 12.12.12, XI R 3/10). Da Adam Meise von einem Energieversorger zusätzlich Strom bezieht, liegt ein dem selbstproduzierten Strom gleichartiger Gegenstand vor, dessen Einkaufspreis als (fiktiver) Einkaufspreis anzusetzen ist (vgl. A 2.5 Abs. 15 UStAE). Damit beträgt die jährliche umsatzsteuerpflichtige Bemessungsgrundlage 500 EUR (2.000 kWh × 0,25 EUR). Meise muss für den privaten Stromverbrauch jährlich 95 EUR USt an das FA zahlen (500 EUR x 19 %). Diese Steuerbelastung möchte Adam Meise künftig vermeiden ‒ doch wie?

     

    Wird die zu 100 % dem Unternehmensvermögen zugeordnete PV-Anlage ab dem 1.1.23 entnommen, findet ab dem Zeitpunkt der Entnahme keine Besteuerung des privaten Stromverbrauchs mehr statt. Denn der Strom wird infolge der entnommenen PV-Anlage nicht mehr innerhalb des Unternehmens erzeugt und dann für private Zwecke entnommen, sondern er wird ab dem Entnahmetag direkt außerhalb des Unternehmens erzeugt, sodass sich eine Entnahme erübrigt. Der Vorteil: Adam Meise spart ab dem Zeitpunkt der Entnahme jährlich 95 EUR USt.

     

    Beachten Sie | Nicht jede PV-Anlage kann aus dem Unternehmensvermögen entnommen werden. Zu den konkreten Voraussetzungen vgl. Abschnitt 2.3 dieses Beitrags. Sie gelten unabhängig davon, ob für den Anlagenbetreiber die Regelbesteuerung oder die Kleinunternehmerregelung gilt.

     

    Zwar unterliegt die Entnahme der Anlage nach § 3 Abs. 1b Nr. 1 i. V. mit S. 2 UStG der Umsatzsteuer. Allerdings findet unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 UStG, die bei PV-Anlagen mit nicht mehr als 30 kWp pauschal als erfüllt gelten, der neue Nullsteuersatz Anwendung. Damit löst die Entnahme der PV-Anlage eine Umsatzsteuer von 0 EUR aus (BMF 27.2.23, III C 2 - S 7220/22/10002 :010, Rz. 7).

     

    MERKE | Der vorangegangene Vorsteuerabzug bleibt Adam Meise erhalten, da sich die maßgebenden Verhältnisse für den Vorsteuerabzug nicht geändert haben. Es erfolgt auch keine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG. Der Grund: Die PV-Anlage wird nicht steuerfrei entnommen, sondern steuerpflichtig ‒ aber zu einem Steuersatz von 0 % (BMF 30.11.23, III C 2 - S 7220/22/10002 :013, Rz. 8).

     

    2.1 Fallabwandlung

    Sachverhalt wie im Ausgangsbeispiel, allerdings hat Adam Meise die PV-Anlage bereits 2015 auf seinem privaten EFH installiert und zur Regelbesteuerung optiert. Seit 2021 wendet er wieder die Kleinunternehmerregelung an.

     

    Da Adam Meise den von der PV-Anlage produzierten Strom weiterhin teilweise für private Zwecke verwendet, liegt wie im Ausgangsbeispiel eine der Umsatzsteuer unterliegende unentgeltliche Wertabgabe vor (§ 3 Abs. 1b Nr. 1 i. V. mit S. 2 UStG). Die jährliche Umsatzsteuer beträgt wie bisher 95 EUR. Allerdings besteht für Kleinunternehmer eine Besonderheit: Die Umsatzsteuer wird nach § 19 Abs. 1 S. 1 UStG nicht erhoben. Damit trifft Adam Meise ab Anwendung der Kleinunternehmerregelung doch keine Steuerbelastung und er kann den erzeugten Strom ohne steuerliche Konsequenzen uneingeschränkt privat nutzen.

     

    MERKE | Die Entnahme der PV-Anlage aus dem Unternehmensvermögen bietet in diesem Fall objektiv keinen Vorteil, da Adam Meise ohnehin keine Steuern auf den privaten Stromverbrauch zahlt. Das kann sich in künftigen Jahren jedoch als Trugschluss und Steuerfalle entpuppen (vgl. unter 2.2). Deshalb sollten auch Kleinunternehmer zwingend prüfen, ob sie die PV-Anlage aus dem Unternehmensvermögen zum Nullsteuersatz entnehmen können. Denn die Entnahme selbst kostet keine Steuer (0 % USt nach § 12 Abs. 3 UStG).

     

    2.2 Fallergänzung

    Im Jahr 2025 nimmt Adam Meise eine weitere unternehmerische Tätigkeit auf (z. B. Einzelhandel, Vermietung von Ferienwohnungen). Da er 2025 die Umsatzgrenze für Kleinunternehmer überschreitet, gilt für ihn ab 2026 die Regelbesteuerung. Eine Entnahme der PV-Anlage aus dem Unternehmensvermögen hat Adam Meise nicht vorgenommen, da seinerzeit die Kleinunternehmerregelung galt.

     

    Durch den Übergang zur Regelbesteuerung fordert das FA ab dem 1.1.26 die entstandene Umsatzsteuer. Dazu gehört auch die Umsatzsteuer, die auf den von der PV-Anlage erzeugten und privat verbrauchten Strom entfällt. Denn die PV-Anlage zählt wie bisher auch zum Unternehmensvermögen.

     

    Da diese Steuerfalle in der Regel erst dann auffällt, wenn das FA im Rahmen der Umsatzsteuerjahresfestsetzung die Umsatzsteuer für 2026 festsetzt, kann die Steuerbelastung nicht mehr verhindert werden. Selbst wenn die PV-Anlage sofort zu dem Zeitpunkt aus dem Unternehmensvermögen entnommen wird, zu dem das FA für 2026 die Umsatzsteuer für den privaten Stromverbrauch festsetzt, muss für die Zeit vom 1.1.26 bis zum Entnahmetag die Umsatzsteuer auf den privaten Stromverbrauch abgeführt werden. Diese Steuerbelastung wäre vermieden worden, wenn Adam Meise die PV-Anlage bereits vor 2026 aus dem Unternehmensvermögen entnommen hätte.

     

    PRAXISTIPP | Daher lautet die Devise für Kleinunternehmer: Auch wenn aktuell keine Steuerbelastung droht, sollte die Anlagenentnahme geprüft und vorgenommen werden, um eine künftige Steuerbelastung zu vermeiden.

     

    2.3 Voraussetzungen für die Anlagenentnahme

    Eine Entnahme der PV-Anlage aus dem Unternehmensvermögen ist nur möglich, wenn zukünftig beabsichtigt wird, voraussichtlich mehr als 90 % des erzeugten Stroms für nichtunternehmerische Zwecke zu verwenden (in die Zukunft gerichtete Prognose, A 3.2 Abs. 3 Nr. 1 UStAE). Damit dürfen nur weniger als 10 % des erzeugten Stroms für unternehmerische Zwecke verwendet und z. B. an den Netzbetreiber geliefert werden.

     

    Beachten Sie | Eine anteilige Entnahme der PV-Anlage (z. B. von nur 80 %) ist nicht zulässig (vgl. BMF 27.2.23, a. a. O., Rz. 7 und A 3.2 Abs. 3 Nr. 1 S. 4 UStAE).

     

    PRAXISTIPP | Das BMF unterstellt in seinen Schreiben vom 27.2.23 (Rz. 5) und vom 30.11.23 (Rz. 3) jedoch pauschalierend und vereinfachend, dass von einem Erreichen der 90 % immer dann auszugehen ist, wenn ein Teil des mit der PV-Anlage erzeugten Stroms

    • in einer Batterie gespeichert oder
    • für die nicht nur gelegentliche Ladung in einem nicht dem Unternehmen zugeordneten E-Fahrzeug bzw.
    • den Betrieb einer nicht dem Unternehmen zugehörigen Wärmepumpe verwendet wird.
     

    Sollte eine dieser drei Varianten zutreffen, lässt sich die PV-Anlage auch dann aus dem Unternehmensvermögen entnehmen, wenn der Strom tatsächlich zu weniger als 90 % für nichtunternehmerische Zwecke verwendet wird.

     

    Beachten Sie | Wurde die PV-Anlage bereits vor dem 1.4.12 in Betrieb genommen, kann hingegen keine Entnahme aus dem Unternehmensvermögen erfolgen. Das gilt auch dann, wenn ein Batteriespeicher vorhanden ist. Der Grund ist die in A 2.5 Abs. 5 bis 8 UStAE unterstellte Lieferfiktion. Bei diesen Altanlagen wird umsatzsteuerrechtlich fingiert, dass der gesamte erzeugte Strom an den Netzbetreiber geliefert wird. Soweit der Anlagenbetreiber den erzeugten Strom dezentral (privat) verbraucht, liegt umsatzsteuerrechtlich eine (Rück-)Lieferung des Netzbetreibers an den Anlagenbetreiber vor. Damit wird die PV-Anlage zu 100 % unternehmerisch verwendet, was eine Entnahme ausschließt.

     

    2.4 Zeitpunkt der Entnahme

    Die Entnahme aus dem Unternehmensvermögen erfordert eine aktive Handlung des Unternehmers, sodass die Entnahme nur ab dem aktuellen Zeitpunkt (nicht rückwirkend) erfolgen kann. In dem Schreiben vom 30.11.23 führt das BMF in der Rz. 4 jedoch aus, dass eine bis zum 11.1.24 gegenüber dem FA erklärte Entnahme bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG ausnahmsweise auch rückwirkend zum 1.1.23 erfolgen konnte.

     

    PRAXISTIPP | Die Entnahme kann in der USt-Voranmeldung in der Zeile 14 oder in der Jahreserklärung in der Zeile 29 erklärt werden. Da die Erklärung keiner besonderen Form oder eines besonderen Musters bedarf, kann die Entnahme aber auch durch ein Schreiben, eine Mail oder eine Nachricht über ELSTER deklariert werden.

     

    2.5 Umsatzbesteuerung nach Anlagenentnahme

    Nach der Entnahme unterliegt der privat verbrauchte Strom nicht mehr der Besteuerung. Anders sieht das bei den Einspeisevergütungen des Netzbetreibers aus. Für diese sind ‒ soweit nicht die Kleinunternehmerregelung angewandt wird ‒ weiterhin 19 % USt abzuführen. Da die entnommene PV-Anlage insoweit unternehmerisch genutzt wird, kann auch künftig ein Vorsteuerabzug für Eingangsumsätze geltend gemacht werden. Dieser ist jedoch nur im Umfang der unternehmerischen Nutzung der PV-Anlage möglich. Wird der von der entnommenen PV-Anlage erzeugte Strom tatsächlich zu 80 % privat genutzt und zu 20 % an den Netzbetreiber geliefert, dann ist ein Vorsteuerabzug im Umfang von 20 % möglich (A 15.2c Abs. 3 UStAE).

     

    2.6 Exkurs Ertragsteuer

    Ertragsteuerlich fällt die PV-Anlage unter die in § 3 Nr. 72 EStG geregelte Steuerbefreiung. Daran ändert sich wegen der Entnahme aus dem Unternehmensvermögen nichts. Insbesondere liegt keine parallele Entnahme aus dem (steuerfreien) Betriebsvermögen vor, da Unternehmens- und Betriebsvermögen getrennt voneinander zu prüfen sind.

     

    Beachten Sie | Ertragsteuerlich stellt die PV-Anlage weiterhin notwendiges Betriebsvermögen dar. Denn die PV-Anlage wird ausschließlich betrieblich genutzt. R 4.3 Abs. 4 S. 2 EStR besagt, dass der private Verbrauch des von der PV-Anlage erzeugten Stroms ertragsteuerlich keine private Verwendung der Anlage, sondern eine Sachentnahme des produzierten Stroms darstellt.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2024 | Seite 46 | ID 49862162