· Fachbeitrag · Der praktische Fall
Steuererklärung: Berichtigungspflicht und Korrekturmöglichkeiten bei Übertragungsfehlern
| Bei der Erstellung der Steuererklärung können sich Fehler einschleichen. Wenn das ein Steuerpflichtiger nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist erkennt, ist er nach § 153 AO grundsätzlich verpflichtet, dies dem FA anzuzeigen und eine Richtigstellung vorzunehmen. Dabei stellt sich jedoch oft die Frage, wie weit die Berichtigungspflicht reicht und welche Korrekturmöglichkeiten das FA hat. Der praktische Fall gibt Antworten. |
1. Sachverhalt
A ist Eigentümer einer in 2010 unter Aufnahme eines Darlehens erworbenen und seitdem vermieteten Eigentumswohnung. In seiner Steuererklärung für 2010, die er elektronisch per ELSTER abgegeben hat, hat A Geldbeschaffungskosten in Form von Notar- und Grundbuchgebühren i. H. von 1.000 EUR als Werbungskosten erklärt. Das FA hat erklärungsgemäß veranlagt.
In den Steuererklärungen der Folgejahre wurde dieser Betrag als Geldbeschaffungskosten irrtümlich übernommen. Den ausdrücklich als „Notar- und Grundbuchgebühren“ kenntlich gemachten Betrag hat das FA in allen Veranlagungen als Werbungskosten berücksichtigt. Die zudem geltend gemachten Schuldzinsen haben sich in den Folgejahren sukzessive verringert.
Nach Überprüfung der Einkommensteuererklärung 2017, in der der Betrag von 1.000 EUR erneut erklärt ist, fordert das FA den A im Mai 2018 auf, die Kosten nachzuweisen. Hierbei fällt dem A sein Übertragungsfehler auf.
Hier stellen sich gleich mehrere Fragen:
- 1. Muss der Steuerpflichtige, der seine Erklärungen jeweils fristgerecht eingereicht hat, das FA auf den Übertragungsfehler aufmerksam machen?
- 2. Welche Konsequenzen können sich ergeben, wenn A seine Antwort nur auf die Steuererklärung 2017 beschränkt?
- 3. Wie wird das FA reagieren, wenn es von dem Übertragungsfehler in den Steuererklärungen 2011 bis 2016 erfährt?
2. Lösung zur 1. Frage
Durch die Rückfrage des FA erkennt A, dass er einen Betrag mehrfach steuermindernd geltend gemacht hat, obwohl der Aufwand nur in 2010 bei Anschaffung der Eigentumswohnung angefallen ist. Hier greift die sich aus § 153 AO ergebende Verpflichtung zur Anzeige der insoweit unrichtigen Steuererklärungen, die in den Jahren 2011 bis 2016 zu einer Steuerverkürzung geführt haben.
Allerdings ist die Berichtigungspflicht auf die Jahre beschränkt, für die die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Da A seine Steuererklärungen jeweils im auf den Veranlagungszeitraum folgenden Jahr abgibt, sind die Steueransprüche für die Veranlagungszeiträume 2011 (Beginn 31.12.12 ‒ Ende 31.12.16) und 2012 (Beginn 31.12.13 ‒ Ende 31.12.17) bereits verjährt. Somit ist A nur zur Berichtigung seiner Steuererklärungen 2013 bis 2016 verpflichtet.
3. Lösung zur 2. Frage
Beschränkt sich A nur auf die Beantwortung des Erörterungsschreibens für den Veranlagungszeitraum 2017, obwohl er erkannt hat, dass sich der Fehler auch in den vorangegangenen Steuererklärungen ergeben hat, macht er sich ggf. einer Steuerhinterziehung im Wege einer Unterlassungstat (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) schuldig (vgl. AEAO zu § 153 AO, Nr. 2.5).
Beachten Sie | Aus der Berichtigungsanzeige des Steuerpflichtigen als solche ergeben sich hier keine steuerstrafrechtlichen Konsequenzen. Denn die wiederkehrende Übernahme der Geldbeschaffungskosten in die Steuererklärungen der Folgejahre beruht offensichtlich auf einem Versehen.
4. Lösung zur 3. Frage
Kommt A seiner Berichtigungspflicht nach, stellt sich für das FA die Frage, ob die endgültig ergangenen Steuerbescheide 2013 bis 2016 noch geändert werden können. Hier ist zunächst die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 9 AO zu beachten, die dem FA nach Eingang der Anzeige des Steuerpflichtigen ein Jahr Zeit gibt, um die Anzeige auszuwerten. Konkret betrifft dies die Steuerfestsetzung 2013, die eigentlich am 31.12.18 verjähren würde. Ist die Anzeige des Steuerpflichtigen z. B. am 29.5.18 beim FA eingegangen, wird der Ablauf der Festsetzungsfrist bis zum 29.5.19 gehemmt.
Fraglich ist jedoch, ob das FA wegen der Berichtigungsanzeige des Steuerpflichtigen überhaupt zur Änderung der Steuerbescheide berechtigt ist. Denn hierzu bedarf es einer verfahrensrechtlichen Änderungsnorm.
4.1 Berichtigung bei Zustimmung (§ 172 Abs. 1 Nr. 2a AO)
Ein Steuerbescheid kann nach § 172 Abs. 1 Nr. 2a AO zulasten des Steuerpflichtigen nur geändert werden, wenn er der Änderung ausdrücklich zustimmt. Mit der Berichtigungsanzeige nach § 153 AO kommt A jedoch nur seiner dortigen Verpflichtung zur Richtigstellung seiner Steuererklärungen nach, ohne dass dies gleichzeitig auch die Zustimmung zu einer Bescheidänderung beinhaltet. Sofern er dies dem FA nicht ausdrücklich gestattet, kommt diese Änderungsvorschrift nicht zum Tragen.
4.2 Berichtigung wegen neuer Tatsachen (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO)
Die Änderung der Steuerbescheide kann auch nicht auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO (neue Tatsachen) gestützt werden. Denn das FA hätte den zutreffenden Sachverhalt (einmaliger Abzug von Geldbeschaffungskosten nur in 2010) bereits bei der Veranlagung 2011 kennen müssen. Insoweit ist hier eine Bescheidänderung wegen neuer Tatsachen nach dem Grundsatz von Treu und Glauben ausgeschlossen (BFH 13.11.85, II R 208/82). Da ein versehentlich unterlaufener Übertragungsfehler vorliegt, liegt auch kein ins Gewicht fallender Fehler der Mitwirkungspflicht vor, der dem Schutz von Treu und Glauben entgegensteht.
4.3 Berichtigung bei offenbarer Unrichtigkeit (§ 129 AO)
Gleichwohl ist das FA zur Berichtigung der Steuerbescheide 2013 bis 2015 nach § 129 AO berechtigt. Denn Geldbeschaffungskosten wegen Notar- und Grundbucheintragungsgebühren fallen einmalig bei Darlehensaufnahme an und nicht wiederkehrend in jedem Veranlagungszeitraum. Die wiederholte Geltendmachung von Notar- und Grundbuchgebühren ist eine dem Steuerpflichtigen unterlaufene offenbare Unrichtigkeit. Diese ist aus den Steuererklärungen 2013 bis 2015 als solche erkennbar und wurde vom FA übernommen.
Beachten Sie | Im Besprechungsfall ist ausgeschlossen, dass der Veranlagungsbeamte eventuelle rechtliche Überlegungen hinsichtlich der Abziehbarkeit der Kosten hätte anstellen können, da die jährlich geltend gemachten Schuldzinsen geringer wurden und daher keine Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass ggf. eine erneute Darlehensaufnahme erfolgt war. Insofern hat sich das FA eine dem Steuerpflichtigen unterlaufene offenbare Unrichtigkeit zu eigen gemacht, die zu einer Korrektur nach § 129 AO berechtigt (BFH 4.6.08, X R 47/07).
MERKE | Die Anwendung von § 129 AO wäre jedoch z. B. dann ausgeschlossen, wenn es sich um in 2010 einmalig angefallene „sonstige Werbungskosten i. H. von 1.000 EUR“ handeln würde, die der Steuerpflichtige irrtümlich in den folgenden Steuererklärungen fortgeschrieben hat. Denn dies würde nicht zu einem auf den ersten Blick erkennbaren Übertragungsfehler in den Steuererklärungen des Steuerpflichtigen führen, den das FA sich hätte zu eigen machen können. In diesem Fall wäre ohne die Zustimmung des Steuerpflichtigen eine Änderung der Steuerbescheide 2013 bis 2015 nicht mehr möglich! |
4.4 Schreib-/Rechenfehler bei Erstellung der Steuererklärung (§ 173a AO)
Hinsichtlich des Steuerbescheids für 2016 ist das FA zur Berichtigung nach § 173a AO „Schreib- oder Rechenfehler bei Erstellung einer Steuererklärung“ berechtigt und verpflichtet. Die neue Korrekturnorm ist anwendbar bei Bescheiden, die nach dem 31.12.16 erlassen worden sind (Art. 97 § 9 Abs. 4 EGAO).
Hinsichtlich der Begriffe „Schreibfehler“ und „Rechenfehler“ handelt es sich (wie bei § 129 AO) um ungewollte mechanische Fehler, die keine Denkfehler sind. Schreibfehler sind z. B. Rechtschreibfehler, Wortverwechslungen oder Wortauslassungen oder fehlerhafte Übertragungen.
Beachten Sie | Die Frage, ob auch fehlerhafte Übertragungen als „Schreibfehler“ i. S. von § 173a AO angesehen werden können (so die derzeitige Verwaltungssicht), ist nicht unumstritten. In der Kommentierung wird hierzu die Auffassung vertreten, dass Schreibfehler Rechtschreib-, Wortstellungs-, Wortverwechslungs- und Auslassungsfehler sind, der Begriff des Schreibfehlers jedoch keine Übertragungsfehler erfasst (Tipke/Kruse, § 173a AO, Rz. 5 ff.).
Auf ein Verschulden kommt es nicht an. Ein Schreib- oder Rechenfehler muss durchschaubar, eindeutig oder augenfällig sein. Dies ist der Fall, wenn der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als Schreib- oder Rechenfehler erkennbar ist und kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass eine unrichtige Tatsachenwürdigung, ein Rechtsirrtum oder ein Rechtsanwendungsfehler vorliegt (AEAO zu § 173a AO, Nr. 1).