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  • · Fachbeitrag · Der praktische Fall

    Steuerfalle: Der vermeintlich günstige ausländische Handwerker repariert das VuV-Objekt

    von Dipl.-Finw. Marvin Gummels, Hage

    | Den Fachkräftemangel bekommen auch Vermieter zu spüren ‒ und zwar dann, wenn ein Handwerker für Reparaturen an einem Vermietungsobjekt gesucht wird. Einerseits sind Handwerker schwer zu finden, andererseits sind die Angebote oft sehr teuer. Aus diesem Grund werden oftmals ausländische Handwerker verpflichtet. Doch Vorsicht: Hier lauern zwei Steuerfallen, die nachfolgend vorgestellt werden. |

    1. Sachverhalt

    Adam Meise ist Arbeitnehmer, ledig und sein zu versteuerndes Einkommen beträgt jährlich 50.000 EUR. Vor einigen Jahren hat er zur Kapitalanlage ein Vierfamilienhaus erworben, das er seither umsatzsteuerfrei vermietet. Leider ist das Dach sanierungsbedürftig. Eigentlich wollte er für die Dachsanierung einen regionalen Handwerker verpflichten. Doch eine Absage folgt auf die andere, da die örtlichen Handwerker keine Kapazitäten frei haben. Nur ein Angebot liegt vor, das mit 33.000 EUR alles andere als günstig ist.

     

    Da das Vierfamilienhaus in der Nähe zur polnischen Grenze liegt, hat sich Adam Meise auch auf dem polnischen Handwerkermarkt umgesehen ‒ und ist schnell fündig geworden. Ein polnischer Handwerker kann die Sanierung zeitnah vornehmen. Da der Preis laut Angebot „nur“ 30.000 EUR beträgt, hat Meise das Angebot angenommen. Nach erfolgter Sanierung erhält Adam Meise eine Rechnung über 30.000 EUR, die er umgehend bezahlt.

     

    Frage: Wie ist der Vorgang ertragsteuerlich zu werten?

    2. Lösung

    Da Adam Meise die Dachsanierung an einem vermieteten Vierfamilienhaus vornehmen lässt, sind die Aufwendungen als Werbungskosten abzugsfähig (§ 9 Abs. 1 S. 1 EStG). Für den Abzug hat Adam Meise ein Wahlrecht:

     

    • Er macht die vollen 30.000 EUR im Jahr der Zahlung geltend (§ 11 Abs. 2 S. 1 EStG) oder
    • er beantragt, die Aufwendungen nach § 82b Abs. 1 EStDV gleichmäßig auf einen Zeitraum von zwei bis fünf Jahren zu verteilen.

     

    Beachten Sie | Bei einer Verteilung erhält Adam Meise die Steuerentlastung erst über den von ihm gewählten Zeitraum. Das führt zwar zu einem zwischenzeitlichen Liquiditätsverlust, kann aber zur Steuerersparnis beitragen. Denn durch die Verteilung der Aufwendungen lassen sich durch den progressiven Steuersatz spürbare Steuervorteile erzielen.

     

    • Überblick über die Steuerersparnis (Basis: Tarif 2024)
    Abzug der Aufwendungen
    Steuerersparnis

    Abzug der 30.000 EUR im Zahlungsjahr

    9.147 EUR

    Verteilung der 30.000 EUR auf zwei Jahre

    9.962 EUR

    Verteilung der 30.000 EUR auf drei Jahre

    10.233 EUR

    Verteilung der 30.000 EUR auf vier Jahre

    10.368 EUR

    Verteilung der 30.000 EUR auf fünf Jahre

    10.450 EUR

     

    3. Fortsetzung des Sachverhalts

    Adam Meise entscheidet sich für die Verteilung der Erhaltungsaufwendungen und nimmt die entsprechende Eintragung in der Anlage V vor. Da der Finanzbeamte die Rechnung anfordert, reicht Adam Meise diese nach. Eine parallel angeforderte Freistellungsbescheinigung des Handwerkers nach § 48b EStG kann Adam Meise allerdings nicht vorlegen.

     

    Der Finanzbeamte akzeptiert zwar die Rechnung, setzt gegen Adam Meise jedoch 5.700 EUR Umsatzsteuer und 5.355 EUR Bauabzugsteuer fest. Adam Meise fragt sich nun: „Warum“?

     

    3.1 Umsatzsteuer-Falle „Umkehr der Steuerschuldnerschaft“

    Bei den Sanierungsleistungen handelt es sich aus umsatzsteuerlicher Sicht um in Deutschland steuerbare Leistungen. Denn der Leistungsort liegt gemäß § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG an dem Ort, wo sich das Vierfamilienhaus befindet und damit im Inland. Da für die Sanierung eines Gebäudes keine der in § 4 UStG verankerten Steuerbefreiungen Anwendung findet, ist die von dem polnischen Handwerker erbrachte Sanierungsleistung auch steuerpflichtig. Der Steuersatz beträgt gemäß § 12 Abs. 1 UStG 19 %.

     

    Weil es sich um eine sonstige Leistung eines im Ausland ansässigen Unternehmers handelt, die nicht unter § 13b Abs. 1 UStG fällt, entsteht die Umsatzsteuer mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des der Ausführung der Leistung folgenden Kalendermonats.

     

    MERKE | Diese Umsatzsteuer schuldet gemäß § 13b Abs. 5 S. 1, 1. HS UStG der Leistungsempfänger, wenn er ein Unternehmer ist ‒ und nicht, wie sonst üblich, der leistende Unternehmer.

     

    Da Adam Meise ein Vierfamilienhaus vermietet, ist er Unternehmer i. S. des § 2 UStG. Damit findet die Vorschrift zur Umkehr der Steuerschuldnerschaft (Reverse Charge Verfahren) Anwendung und wird zur Steuerfalle für Adam Meise. Denn er ‒ und eben nicht der polnische Handwerker ‒ schuldet gegenüber dem FA die Umsatzsteuer von 5.700 EUR (19 % von 30.000 EUR).

     

    Beachten Sie | Dabei spielt es keine Rolle, ob Adam Meise selbst Kleinunternehmer i. S. des § 19 UStG ist oder mit der Vermietung des Vierfamilienhauses nur steuerfreie Umsätze ausführt.

     

    Unternehmer können die von ihnen gezahlte Umsatzsteuer grundsätzlich gemäß § 15 UStG als Vorsteuer vom FA zurückfordern. Das gilt grundsätzlich auch für die nach § 13b UStG geschuldete Umsatzsteuer (§ 15 Abs. 1 Nr. 4 UStG). Allerdings ist der Vorsteuerabzug für Adam Meise nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausgeschlossen, weil die von ihm mit der Vermietung des Hauses getätigten Ausgangsumsätze steuerfrei sind und der Ausschluss vom Vorsteuerabzug auch nicht durch § 15 Abs. 3 UStG geheilt wird. Die 5.700 EUR Umsatzsteuer führen also zu einer effektiven Belastung.

     

    MERKE | Damit kostet der polnische Handwerker mindestens 35.700 EUR (30.000 EUR direkte Zahlung an den Handwerker und 5.700 EUR Umsatzsteuerzahlung an das FA). Somit wäre es für Adam Meise günstiger gewesen, den regionalen Handwerker mit einem Angebot über 33.000 EUR zu verpflichten.

     

    Diese hier vorgestellte Steuerfalle ist häufig bei Vermietern anzutreffen, die in grenznahen Gebieten Mietshäuser besitzen und für diese Handwerker z. B. aus Polen, Belgien, Frankreich oder den Niederlanden beauftragen. Da die Vermieter mit der Umsatzsteuer typischerweise nichts zu tun haben, werden die steuerlichen Konsequenzen bei Verpflichtung eines ausländischen Handwerkers oft nicht bedacht und die spätere Umsatzsteuerfestsetzung durch das FA führt zu einer teuren Überraschung. Zumindest kann die nach § 13b UStG geschuldete und an das FA gezahlte Umsatzsteuer bei den Vermietungseinkünften als Werbungskosten abgesetzt werden ‒ aber erst im Jahr der Zahlung (§ 11 Abs. 2 S. 1 EStG).

     

    3.2 Steuerfalle „Bauabzugsteuer“

    Um das Ertragsteuersubstrat zu sichern, wurde mit § 48 EStG die Bauabzugsteuer eingeführt. Sie ist eine besondere Erhebungsform der Einkommensteuer. Wenn ein in- oder ausländischer Unternehmer (Leistender) im Inland eine Bauleistung an einen Unternehmer i. S. des § 2 UStG (Leistungsempfänger) erbringt, ist der Leistungsempfänger verpflichtet, von der Gegenleistung einen Steuerabzug i. H. von 15 % für Rechnung des Leistenden vorzunehmen. Das gilt unabhängig davon, ob die Einkünfte des Leistenden in Deutschland überhaupt steuerpflichtig sind (BFH 7.11.19, I R 46/17). Die für die Bauabzugsteuer maßgebende Gegenleistung umfasst dabei das Entgelt zuzüglich der Umsatzsteuer (§ 48 Abs. 3 EStG). Bauleistungen sind alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.

     

    Beachten Sie | Nach § 48c EStG wird die vom Leistungsempfänger einbehaltene Bauabzugsteuer auf die vom leistenden Unternehmer (dem Handwerker) zu entrichtende Einkommensteuer angerechnet oder sie kann diesem erstattet werden. Die Bauabzugsteuer stellt damit ‒ ähnlich wie die Lohnsteuer ‒ eine Vorauszahlung zur Einkommensteuer für den Handwerker dar.

     

    Adam Meise muss also als Leistungsempfänger der im Inland erbrachten Bauleistung 15 % der Gegenleistung einbehalten und an das FA für Rechnung des polnischen Handwerkers abführen. Macht er das nicht, haftet er für den nicht oder zu niedrig abgeführten Abzugsbetrag (§ 48a Abs. 3 S. 1 EStG).

     

    Aufgrund des Rechnungsbetrags von 30.000 EUR zzgl. der Umsatzsteuer von 5.700 EUR hätte Adam Meise eine Bauabzugsteuer i. H. von 5.355 EUR (15 % von 35.700 EUR) einbehalten und abführen müssen. Da er dies nicht getan hat, haftet er nun gegenüber dem FA für diesen Betrag.

     

    Der Steuerabzug muss allerdings nicht vorgenommen werden, wenn die Bauleistung den nichtunternehmerischen Bereich betrifft (z. B. die private Wohnung von Adam Meise) oder der leistende Unternehmer dem Leistungsempfänger eine im Zeitpunkt der Gegenleistung gültige Freistellungsbescheinigung nach § 48b Abs. 1 S. 1 EStG vorlegt (§ 48 Abs. 2 EStG). Zudem gilt die Bauabzugsteuer nach § 48 Abs. 1 S. 2 EStG nicht, wenn nur eine oder zwei Wohnungen vermietet werden („Zweiwohnungsregelung“).

     

    Weiterhin wäre von Adam Meise auch dann keine Bauabzugsteuer einzubehalten und abzuführen, wenn die von ihm erbrachte Gegenleistung im laufenden Kalenderjahr 5.000 EUR nicht übersteigt (Bagatellgrenze). Für die Ermittlung des Betrags von 5.000 EUR sind die für denselben Leistungsempfänger erbrachten und voraussichtlich zu erbringenden Bauleistungen zusammenzurechnen. Zudem erhöht sich die Bagatellgrenze auf 15.000 EUR, wenn ‒ wie hier ‒ Adam Meise als Unternehmer ausschließlich steuerfreie Umsätze i. S. des § 4 Nr. 12 S. 1 UStG ausführt.

     

    Da die Bauleistung den unternehmerischen Bereich betrifft, Adam Meise keine Freistellungsbescheinigung vorliegt, er ein Vierfamilienhaus vermietet und die Gegenleistung mit 35.700 EUR die auf 15.000 EUR erhöhte Bagatellgrenze überschreitet, finden die Ausnahmen von dem Einbehalt der Bauabzugsteuer keine Anwendung. Die Inanspruchnahme durch das FA mittels Haftungsbescheid über 5.355 EUR war deshalb rechtmäßig.

     

    FAZIT BAUABZUGSTEUER | Auch das Nichteinbehalten der Bauabzugsteuer kann für Vermieter zu einer Steuerfalle werden. Vor allem kann sich dieser im Haftungsverfahren nicht darauf berufen, dass die Gegenleistung beim Leistenden im Inland nicht besteuert werden kann (BFH 7.11.19, I R 46/17).

     

    Sollte es zu einer Haftung kommen, bleibt für den Leistungsempfänger nur die Möglichkeit, die vom FA geforderte Bauabzugsteuer direkt vom leistenden Unternehmer zu fordern (BGH 26.9.13, VII ZR 2/13). Das ist jedoch oft nicht einfach.

     

    Für die Praxis empfiehlt es sich daher, von dem leistenden Unternehmer vor Bezahlung der Rechnung eine Freistellungsbescheinigung i. S. des § 48b EStG zu fordern. Falls diese nicht vorgelegt wird, muss unbedingt der Steuerabzug von 15 % vorgenommen werden.

     
    Quelle: Ausgabe 01 / 2025 | Seite 11 | ID 50235424