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  • · Fachbeitrag · Der praktische Fall

    Unerfreuliche Überraschung für die Erben: Sterbegeldzahlung aus einer bAV

    | War ein Verstorbener im Besitz einer betrieblichen Altersversorgung, stellt sich für die Erben zwangsläufig die Frage, wie hoch ihre Ansprüche sind und wie sie die Versicherungsleistung versteuern müssen. Der praktische Fall zeigt, dass auf die Erben hier gleich mehrere unerfreuliche Überraschungen warten. |

    1. Sachverhalt

    Die verwitwete Elisabeth Meise ist überraschend im Alter von nur 62 Jahren verstorben. Frau Meise besaß nur ein kleines Barvermögen, hat aber jahrelang mittels Entgeltumwandlung hohe Beträge in eine betriebliche Altersversorgung (Pensionskasse) eingezahlt. Alleinerbin ist ihre 28 Jahre alte Tochter Christina Meise.

     

    Christina Meise hat von der Versicherung ein Schreiben erhalten, wonach durch den Tod ihrer Mutter eine „versicherte Leistung“ von 8.000 EUR fällig geworden ist. Sie fragt ihren Steuerberater, ob sie die im Vergleich zu den jahrelangen Einzahlungen sehr bescheidene Zahlung nun auch noch versteuern muss.

    2. Lösung

    Zunächst erläutert der Steuerberater Frau Meise die Funktionsweise und die generellen Auszahlungsmodalitäten bei betrieblichen Altersvorsorgeverträgen. Anschließend geht er auf die steuerlichen Auswirkungen von Sterbegeldzahlungen ein.

     

    2.1 Generelle Auszahlungsmodalitäten

    Ein wesentliches Ziel bei der Ausgestaltung von betrieblichen Altersvorsorgevereinbarungen ist es, dass die Beitragszahlungen des Arbeitgebers steuerfrei sind (§ 3 Nr. 63 EStG). Häufig verzichtet der Arbeitnehmer auf steuerpflichtigen Lohn und der Arbeitgeber zahlt stattdessen in einen betrieblichen Altersvorsorgevertrag steuerfrei ein (Entgeltumwandlung). Erst im Versorgungsfall ist der Zufluss der Versicherungsleistung vom Arbeitnehmer zu versteuern (§ 22 Nr. 5 EStG). Da das Modell nur funktioniert, wenn die Beitragszahlungen als steuerfrei anerkannt werden, orientieren sich nahezu alle Policen an den im Rahmen von § 3 Nr. 63 EStG vorgegebenen Auszahlungsmodalitäten.

     

    Der Gesetzgeber möchte nur die Absicherung von nahen Angehörigen fördern und grenzt daher die Wahl des Bezugsberechtigten im Todesfall ein. In vielen betrieblichen Altersvorsorgeverträgen wird die Versicherungsleistung daher in folgender Reihenfolge ausgezahlt:

     

    • 1. Stufe: Zunächst erfolgt die Auszahlung der Versicherungsleistung an den überlebenden Ehegatten, mit dem die versicherte Person zum Zeitpunkt ihres Todes verheiratet war (alternativ an den eingetragenen Lebenspartner nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz).

     

    • 2. Stufe: Ist ‒ wie im Fall von Elisabeth Meise ‒ kein Ehegatte vorhanden, erfolgt die Auszahlung an die Kinder der versicherten Person.

     

    • Beachten Sie | Anspruchsberechtigt sind aber nur Kinder i. S. des § 32 Abs. 3, 4 S. 1 Nr. 1 bis 3 und Abs. 5 EStG. Dies sind überwiegend Kinder unter 18 Jahren oder Kinder, die sich noch in der Berufsausbildung befinden.

     

    • 3. Stufe: In der 3. Stufe sind die Lebensgefährten anspruchsberechtigt, die mit der versicherten Person zum Zeitpunkt ihres Todes in einer auf Dauer angelegten häuslichen Gemeinschaft lebten.

     

    • Beachten Sie | Voraussetzung ist, dass der Lebensgefährte dem Versorgungsträger vor Eintritt des Versicherungsfalls als Begünstigter schriftlich benannt wurde!

     

    • 4. Stufe: Sind ‒ wie im Sachverhalt ‒ keine Hinterbliebenen nach den Stufen 1 bis 3 vorhanden, wird an die Erben statt der eigentlichen Versicherungsleistung (Rente oder Kapital) lediglich ein Sterbegeld gezahlt. Das Sterbegeld bzw. die vertraglich festgelegte Todesfallleistung an die Erben soll die Bestattungskosten abdecken und darf maximal 8 TEUR betragen.

     

    ZWISCHENFAZIT | Dass Christina Meise statt der vollen Versicherungsleistung nur ein kleines Sterbegeld erhält, ist zwar bedauerlich, entspricht aber den üblichen Auszahlungsmodalitäten.

     

    Beachten Sie | Der oben beschriebene „enge“ Hinterbliebenenbegriff gilt grundsätzlich in allen Durchführungswegen der betrieblichen Altersvorsorge. Hätte Elisabeth Meise jedoch eine pauschalversteuerte Direktversicherung (§ 40b EStG a. F.) abgeschlossen, hätte sie Christina Meise ‒ ungeachtet ihres Alters ‒ das volle Bezugsrecht zuweisen können.

     

    2.2 Versteuerung der Ansprüche

    Zunächst sollte sich Christina Meise bewusst sein, dass die Sterbegeldzahlung in ihrem Fall grundsätzlich der Erbschaftsteuer unterliegt. Wegen des vergleichsweise hohen Erbschaftsteuerfreibetrags für Kinder i. H. von 400 TEUR fällt jedoch keine Erbschaftsteuer an (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG).

     

    Beachten Sie | Ungeachtet des hohen persönlichen Freibetrags muss jedoch (immer) geprüft werden, ob eventuell hinzuzurechnende Vorerwerbe vorliegen (§ 14 ErbStG) und sich hierdurch ggf. eine Erbschaftsteuerpflicht ergibt.

     

    Deutlich komplexer als die erbschaftsteuerliche Würdigung ist die ertragsteuerliche Behandlung von Sterbegeldzahlungen. Die folgende Übersicht zeigt die generelle Klassifizierung von Auszahlungen aus einer Sterbegeldversicherung:

     

    Übersicht / 

    Sterbegeldzahlung aus einer
    steuerfrei
    strittig
    steuerpflichtig
    • privaten Sterbegeldversicherung

    • gesetzlichen Unfallversicherung

    • Beamtenversorgung

    • betrieblichen Altersvorsorge

     

    2.2.1 Private Sterbegeldversicherung und gesetzliche Unfallversicherung

    Zahlungen aus einer privaten Sterbegeldversicherung sind generell steuerfrei. Auch wenn ein Arbeitnehmer z. B. bei einem Arbeitsunfall verstirbt und die gesetzliche Unfallversicherung ein Sterbegeld an die Hinterbliebenen zahlt, ist dieses steuerfrei.

     

    2.2.2 Beamtenversorgung

    Zur Besteuerung des an den überlebenden Ehegatten oder den Abkömmling eines verstorbenen Beamten gezahlte Sterbegeld, das aufgrund der beamtenrechtlichen Vorschriften zur Hinterbliebenenversorgung gewährt wird, ist auf zwei aktuelle FG-Entscheidungen hinzuweisen:

     

    • Nach einer Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg (16.1.19, 11 K 11160/18) handelt es sich jedenfalls beim Sterbegeld nach den Regelungen des nordrhein-westfälischen Beamtenversorgungsgesetzes um Bezüge aus öffentlichen Mitteln wegen Hilfsbedürftigkeit, die nach § 3 Nr. 11 EStG (Notstandsbeihilfe) steuerfrei sind. Da gegen diese Entscheidung die Revision (VI R 8/19) anhängig ist, muss nun der BFH entscheiden.

     

    • Das FG Düsseldorf (15.6.20, 11 K 2024/18 E) hat diese Sichtweise jedoch abgelehnt: Das an Hinterbliebene ausgezahlte Sterbegeld für Beschäftigte im öffentlichen Dienst ist kein steuerfreier Bezug i. S. des § 3 Nr. 11 S. 1 EStG (auch hiergegen ist die Revision (VI R 33/20) beim BFH anhängig).

     

    2.2.3 Betriebliche Altersvorsorge

    Ob Sterbegeldzahlungen aus einer betrieblichen Altersvorsorge steuerpflichtig sind, war ebenfalls lange umstritten. Der BFH (5.11.19, X R 38/18) hat hierzu aber jüngst entschieden, dass ein einmaliges Sterbegeld aus einer betrieblichen Altersversorgung (Pensionskasse) auch dann nach § 22 Nr. 5 S. 1 EStG einkommensteuerpflichtig ist, wenn es mangels lebender Bezugsberechtigter nicht an die Bezugsberechtigten i. S. des BetrAVG, sondern ersatzweise an die Erben gezahlt wird.

     

    FAZIT | Christina Meise erhält nur ein Sterbegeld i. H. von 8 TEUR, das sie auch noch nach § 22 Nr. 5 S. 1 EStG versteuern muss. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass sie den Werbungskostenpauschbetrag von 102 EUR (§ 9a S. 1 Nr. 3 EStG) geltend machen kann und wegen des Freibetrags keine Erbschaftsteuer anfällt.

     
    Quelle: Ausgabe 05 / 2021 | Seite 83 | ID 47169857