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  • · Fachbeitrag · Der praktische Fall

    Verlagerung der Buchführung ins Ausland: An die Zustimmung des Finanzamts denken!

    | Personalmangel und Kostenvorteile sind die Hauptgründe, warum zunehmend auch kleinere Unternehmen Teile ihrer Buchführung ins Ausland verlagern. Vor der Verlagerung muss jedoch die Genehmigung des zuständigen FA eingeholt werden. Der praktische Fall stellt die wichtigsten Rechtsgrundlagen und die Inhalte eines Verlagerungsantrags vor. |

    1. Sachverhalt

    A. Schmidt ist langjähriger Leiter des Rechnungswesens der mittelständischen Maschinenbau-GmbH (M-GmbH) mit Sitz in München. Da mehrere Kreditorenbuchhalter kurzfristig gekündigt haben und adäquater Ersatz nur schwer zu bekommen ist, hat der Gesellschafter/Geschäftsführer der M-GmbH vorgeschlagen, die gesamte Kreditorenbuchhaltung in das Schwesterwerk nach Polen zu verlagern. A. Schmidt fragt nun den Steuerberater der Gesellschaft, ob eine solche Verlagerung steuerlich überhaupt möglich ist ‒ und falls ja, was es hier zu beachten gilt.

    2. Lösung

    Der Steuerberater der M-GmbH stellt zunächst die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine Buchführungsverlagerung vor und gibt anschließend Hinweise zur Erstellung eines Verlagerungsantrags.

     

    2.1 Rechtliche Grundlagen

    Grundsätzlich hat jedes deutsche Unternehmen die Verpflichtung, seine Bücher im Inland zu führen und aufzubewahren (§ 146 Abs. 2 S. 1 AO). Der Gesetzgeber hat jedoch in § 146 Abs. 2a AO die Möglichkeit geschaffen, von diesem Grundsatz abzuweichen. So kann die Finanzbehörde auf Basis eines schriftlichen Antrags zulassen, dass elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon im Ausland geführt und aufbewahrt werden.

     

    PRAXISTIPP | Papierunterlagen sind weiter im Inland aufzubewahren. Somit dürfen lediglich Kopien ins Ausland verbracht werden. Jedoch berührt § 146 Abs. 2a AO nicht die allgemeinen Archivierungsregeln, wonach die Originalbelege bei Aufbewahrung auf Bild- und Datenträgern nach Maßgabe des § 147 Abs. 2 AO vernichtet werden können, sofern dem nicht spezielle Vorschriften entgegenstehen. Darf also nach § 147 Abs. 2 AO auf das Original verzichtet werden, kann § 146 Abs. 2a AO einer Verbringung ins Ausland nicht entgegenstehen. Ferner können Erleichterungen nach Maßgabe des § 148 AO bewilligt werden (vgl. hierzu Drüen in Tipke/Kruse, § 146 AO, Rz. 41 mit weiteren Hinweisen).

     

    Damit eine Bewilligung erfolgen kann, müssen 4 Voraussetzungen erfüllt sein. Nach § 146 Abs. 2a S. 2 AO muss der Steuerpflichtige

    • den zukünftigen Standort seines Datenverarbeitungssystems und bei Beauftragung eines Dritten dessen Namen und Anschrift mitteilen,
    • seinen sich aus den §§ 90, 93, 97, 140 bis 147 und 200 Abs. 1 und Abs. 2 AO ergebenden steuerlichen Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen sein,
    • den Datenzugriff nach § 147 Abs. 6 AO weiterhin vollumfänglich ermöglichen und
    • sicherstellen, dass die Besteuerung durch die Verlagerung nicht beeinträchtigt wird.

     

    Werden der Finanzbehörde nachträglich Umstände bekannt, die zu einer Beeinträchtigung der Besteuerung führen, kann sie die Bewilligung widerrufen und die unverzügliche Rückverlagerung verlangen (§ 146 Abs. 2a S. 3 AO). Die Bewilligung wird insbesondere dann widerrufen werden, wenn der Steuerpflichtige seinen in § 146 Abs. 2a AO bezeichneten Mitwirkungspflichten nicht oder nicht fristgerecht nachkommt und dadurch die Besteuerung beeinträchtigt wird (vgl. BayLfSt 20.1.17, S 0316.1.1-3/5 St42, Abruf-Nr. 192003).

     

    Beachten Sie | Kommt der Steuerpflichtige einer Aufforderung zur Rückverlagerung nicht innerhalb einer angemessenen Frist nach oder wurde die Buchführung sogar ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde ins Ausland verlagert, kann ein Verzögerungsgeld von 2.500 bis 250.000 EUR festgesetzt werden (§ 146 Abs. 2b AO).

     

    Über den Verlagerungsantrag und einen eventuellen Widerruf der Bewilligung hat die zuständige Finanzbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 5 AO) und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit mittels Verwaltungsakt (§ 118 AO) zu entscheiden. Dabei kann die Bewilligung nach § 120 Abs. 2 AO auch unter Auflagen erteilt werden (FinMin Schleswig-Holstein 1.3.12, VI 328 - S 0316 - 032).

     

    Beachten Sie | Die Einrichtung eines inländischen Spiegelservers kann das FA jedoch nicht verlangen, da dies dem Gesetzeszweck entgegenstünde (BayLfSt 20.1.17, a. a. O.).

     

    MERKE | Die Genehmigung des FA gilt nur für den steuerlichen Bereich. Weist die Geschäftstätigkeit Berührungspunkte mit dem Zollrecht auf, benötigt das Unternehmen vor einer Buchführungsverlagerung ins Ausland auch eine Billigung der Zollbehörden.

     

    2.2 Mindestinhalte des Verlagerungsantrags

    Die Zuständigkeit für die Entscheidung über den Antrag richtet sich nach den allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften der §§ 16 ff. AO. Vor einer abschließenden Entscheidung ist bei Konzernen i. S. der §§ 13 und 18 S. 1 Nr. 1 BpO 2000 das FA zu beteiligen, das für die Besteuerung des herrschenden oder einheitlich leitenden Unternehmens zuständig ist. Über die jeweilige Bewilligung entscheidet das örtlich zuständige FA (vgl. BayLfSt 20.1.17, a. a. O.).

     

    PRAXISTIPP | Konzerngesellschaften werden in der Regel einheitlich von einer Konzernbetriebsprüfungsstelle geprüft. Es ist mitunter sinnvoll, den Antrag zunächst mit den jeweiligen Konzernbetriebsprüfern abzustimmen. Häufig sind die Konzernbetriebsprüfer sogar bereit, die weitere Koordination mit den anderen, örtlich zuständigen Finanzämtern zu übernehmen.

     

    Der schriftliche Antrag muss eine detaillierte Beschreibung der für die Verlagerung vorgesehenen elektronischen Bücher und sonstigen erforderlichen elektronischen Aufzeichnungen enthalten. Dazu gehört auch die Beschreibung des geplanten Verfahrens (BayLfSt 20.1.17, a. a. O.).

     

    In der Projektbeschreibung sollte die M-GmbH auf jeden Fall herausstellen, dass nur die Kreditorenbuchhaltung verlagert werden soll und der langjährige Leiter des Rechnungswesens (A. Schmidt) als Ansprechpartner für die Finanzbehörde weiterhin zur Verfügung stehen wird.

     

    Da „die Verlagerung ... wegen des Erfordernisses einer effizienten Steuerkontrolle nur bei solchen Steuerpflichtigen bewilligt werden (darf), die in der Vergangenheit ihren steuerlichen Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen sind“ (so das FinMin Schleswig-Holstein 1.3.12, a. a. O.), gilt es im Antrag, die steuerliche Zuverlässigkeit der M-GmbH darzulegen.

     

    Ferner sollte im Antrag der konkrete Zeitplan für die Verlagerung bzw. der Umstellungszeitpunkt mitgeteilt werden. So kann auch klargestellt werden, dass die Verlagerung nicht bereits (widerrechtlich) vor der Genehmigung durch die Finanzbehörde erfolgte.

     

    Eine Grundvoraussetzung für die Genehmigung des Antrags ist, dass die M-GmbH den Standort des Datenverarbeitungssystems (Serverstandort) und den beauftragten Dritten (Name und Anschrift des polnischen Schwesterunternehmens) eindeutig benennt. Sollte sich der Standort des Datenverarbeitungssystems oder der beauftragte Dritte nachträglich ändern, dann ist die Finanzbehörde darüber unverzüglich zu informieren (§ 146 Abs. 2a S. 4 AO).

     

    FAZIT | Eine Buchführungsverlagerung ist für die betroffenen Mitarbeiter mit erheblichen Veränderungen bis hin zum Arbeitsplatzverlust verbunden. Auch die Auswirkungen auf angrenzende Abteilungen (z. B. Einkauf oder Verkauf) sollten gut bedacht werden. Im Vergleich zu diesen organisatorischen Hindernissen sind die steuerlichen Hürden vergleichsweise gering. Ob eine Verlagerung der Buchführung bzw. eine Teilverlagerung letztlich sinnvoll ist, hängt selbstverständlich vom Einzelfall ab.

     
    Quelle: Ausgabe 08 / 2018 | Seite 137 | ID 45346409