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  • · Fachbeitrag · Der praktische Fall

    Wichtige Grundsätze zur Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen

    | Insbesondere rund um den Jahreswechsel stellt sich die Frage, welche Geschäftsunterlagen vernichtet werden können und welche weiterhin aufzubewahren sind. Grund genug, sich mit dem (leidigen) Thema der Archivierung näher zu beschäftigen. |

    1. Sachverhalt

    Der Geschäftsführer der EBBE-GmbH möchte das Chaos in seinem Firmenarchiv reduzieren und zum Jahreswechsel erstmalig Ordnung schaffen. Er fragt daher seinen Steuerberater, welche Unterlagen er zum Jahreswechsel 2023/2024 vernichten darf. Darüber hinaus möchte er wissen, ob er die verbleibenden Unterlagen an einem bestimmten Ort und nach einem bestimmten System sortieren bzw. aufbewahren muss.

    2. Lösung

    Der Steuerberater der EBBE-GmbH stellt zunächst die gesetzlichen Grundlagen und die generellen Aufbewahrungspflichten vor. Anschließend erläutert er die Besonderheiten bei der Fristberechnung konkret am Beispiel der EBBE-GmbH. Abschließend gibt er Hinweise zur Organisation der Aufbewahrung und weist auf die drohenden Konsequenzen bei Verstößen hin.

     

    2.1 Gesetzliche Grundlagen und generelle Aufbewahrungsfristen

    Die Aufbewahrungspflichten sind Bestandteil der handelsrechtlichen und steuerlichen Aufzeichnungs- und Buchführungspflichten. Folglich ist derjenige, der nach Steuer- oder Handelsrecht zum Führen von Büchern verpflichtet ist, auch aufbewahrungspflichtig. Die handelsrechtliche Grundlage bildet § 257 HGB i. V. mit § 238 HGB. Die entsprechende steuerliche Grundlage stellt insbesondere § 147 AO dar.

     

    Beachten Sie | Für Privatbelege besteht grundsätzlich keine Aufbewahrungspflicht. Sie werden aber bei der Einkommensteuerveranlagung im Rahmen der Mitwirkungspflicht benötigt. Darüber hinaus sind im Privatbereich zwei Besonderheiten zu beachten:

     

    • Zweijährige Aufbewahrungsfrist für Rechnungen im Zusammenhang mit einem Grundstück (§ 14b Abs. 1 S. 5 UStG) sowie
    • besondere Aufbewahrungspflichten für Steuerpflichtige, bei denen die Summe der positiven Einkünfte nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 EStG (Überschusseinkünfte) mehr als 500.000 EUR im Kalenderjahr beträgt (§ 147a AO).

     

    Erfreulich ist, dass sich die handels- und die steuerrechtlichen Aufbewahrungspflichten weitestgehend entsprechen. Die folgende Aufzählung zeigt die Aufbewahrungsfristen für wichtige Geschäftsunterlagen:

     

    • Zehn Jahre lang müssen z. B. Inventare, Jahresabschlüsse, Lageberichte, Eröffnungsbilanzen und Buchungsbelege aufbewahrt werden. Gleiches gilt für alle Arbeitsanweisungen und Organisationsunterlagen, die diese Belege verständlich machen und erläutern.

     

    • Sechs Jahre lang müssen z. B. Handels- und Geschäftsbriefe sowie Unterlagen, die für die Besteuerung wichtig sind (z. B. Ein- und Ausfuhrlieferunterlagen, Stundenlohnzettel), aufgehoben werden.

     

    MERKE | Nach den Plänen der Bundesregierung sollen die handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege von zehn auf acht Jahre verkürzt werden (vgl. Eckpunkte der Bundesregierung für ein weiteres Bürokratieentlastungsgesetz, PM des BMJ vom 30.8.23).

     

    Beachten Sie | Steuerberater müssen zwischen den eigenen Aufbewahrungspflichten und den Pflichten für ihre Mandanten unterscheiden. Die besonderen Pflichten für Steuerberater und deren Handakten regelt § 66 StBerG.

     

    2.2 Fristbeginn und mögliche Fristverlängerungen

    Die Aufbewahrungsfrist für ein Geschäftsjahr beginnt erst mit dem Schluss des Kalenderjahrs, in dem die letzten Unterlagen entstanden sind oder die letzten Aufzeichnungen (insbesondere Buchungen) vorgenommen wurden (§ 257 Abs. 5 HGB bzw. § 147 Abs. 4 AO).

     

    • Beispiel

    Die EBBE-GmbH hat den Jahresabschluss für 2012 im Mai 2013 aufgestellt und dem zuständigen FA übermittelt.

     

    Die Aufbewahrungsfrist läuft ab dem 31.12.13. Beträgt die Aufbewahrungsdauer zehn Jahre, endet die Aufbewahrungsfrist somit am 31.12.23. Ab Januar 2024 können die entsprechenden Unterlagen also grundsätzlich vernichtet werden.

     

    Aber nicht nur bei der Bestimmung des Fristbeginns ist Sorgfalt geboten, sondern auch am Fristende müssen mögliche Verlängerungen im Auge behalten werden. So können insbesondere folgende Sachverhalte zu einer Verlängerung der Aufbewahrungsfrist bzw. zur Verschiebung der Aktenvernichtung führen:

     

    • noch nicht abgeschlossene Außenprüfungen
    • noch nicht abgelaufene Festsetzungsfristen
    • anhängige steuerstraf- oder bußgeldrechtliche Verfahren
    • Vorläufigkeit von Steuerfestsetzungen gemäß § 165 AO
    • laufende Anträge an das FA

     

    Beachten Sie | Im Ergebnis muss die EBBE-GmbH vor der Vernichtung der Akten prüfen, ob derartige Sachverhalte für das Geschäftsjahr 2012 bzw. für frühere Geschäftsjahre vorliegen. Erst wenn diese Prüfung abgeschlossen ist, können die entsprechenden Unterlagen vernichtet werden.

     

    MERKE | Die Komplexität der Fristberechnung und der mit der Vernichtung bzw. Sortierung verbundene Aufwand veranlassen viele Unternehmen dazu, die Vernichtung auf unbestimmte Zeit zu vertagen. Aber: Nicht zuletzt wegen der Datenschutz-Grundverordnung ist eine unbefristete Ablage von personenbezogenen Daten nicht erlaubt.

     

    Zudem ist zu beachten, dass für die zu erwartenden Aufwendungen für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen sowohl handels- als auch steuerrechtlich eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden ist, da hierfür eine öffentlich-rechtliche Aufbewahrungspflicht (§ 257 HGB, § 147 AO sowie Einzelsteuergesetze) besteht. Die Grundsätze zur Ermittlung der Rückstellung hat die OFD Niedersachsen (5.10.15, S 2137 - 106 - St 221/St 222) umfangreich dargelegt.

     

    2.3 Konsequenzen bei Verletzung der Aufzeichnungspflichten und Organisation der Archivierung

    Wie bei der Verletzung von Aufzeichnungspflichten ist das FA auch bei der Verletzung der Aufbewahrungsfristen grundsätzlich zur Schätzung nach § 162 AO berechtigt. Ausnahmen gelten nur für höhere Gewalt wie Feuer, Hochwasser etc.

     

    Das Handelsrecht schreibt keinen bestimmten Ort für die Aufbewahrung der Geschäftsunterlagen vor. Bei der Führung der Handelsbücher und der sonst erforderlichen Aufzeichnungen auf Datenträgern muss jedoch insbesondere sichergestellt sein, dass die Daten während der Dauer der Aufbewahrungsfrist verfügbar sind und jederzeit innerhalb angemessener Frist lesbar gemacht werden können (§ 239 Abs. 4 HGB).

     

    Beachten Sie | Das Steuerrecht verlangt die Aufbewahrung der Unterlagen in Deutschland (§ 146 Abs. 2 AO). Die möglichen Ausnahmen für eine Aufbewahrung im Ausland sind in § 146 Abs. 2a und Abs. 2b AO geregelt.

     

    MERKE | Sollen Unterlagen elektronisch aufbewahrt werden, sind die Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) zu beachten (BMF 28.11.19, IV A 4 - S 0316/19/10003 :001).

     

    Beachten Sie | Rechnungen/Kassenzettel auf Thermopapier haben den Nachteil, dass die Schrift schnell verblasst und dann häufig nicht mehr lesbar ist. Die EBBE-GmbH sollte daher Thermobelege zeitnah kopieren und systematisch abheften.

     

    FAZIT | Eine unsystematische Archivierung kostet Platz und demzufolge auch Geld. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Datenschutz-Grundverordnung ist zu empfehlen, ein entsprechendes Konzept zu erstellen und in Form einer Richtlinie bzw. Verfahrensanweisung zu fixieren.

     
    Quelle: Ausgabe 12 / 2023 | Seite 208 | ID 49718130