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  • · Fachbeitrag · Der Praktische Fall

    Zur Rückstellungsbildung für die Nachbetreuung von Versicherungsverträgen

    | Versicherungsvertreter müssen für die Nachbetreuung von Versicherungsverträgen unter gewissen Voraussetzungen eine Rückstellung bilden. Was zunächst recht unkompliziert anmutet, bereitet in der Praxis oftmals Schwierigkeiten. Denn zunächst ist zu klären, ob tatsächlich ein Erfüllungsrückstand vorliegt. Besteht eine Verpflichtung dem Grunde nach, muss eine mitunter zeitaufwendige Dokumentation und Rückstellungsberechnung erfolgen. Der praktische Fall zeigt, worauf zu achten ist. |

    1. Sachverhalt

    Für die in 2005 gegründete M-Versicherungs-GmbH, die einen Mitarbeiter beschäftigt und sich auf den Abschluss von Lebensversicherungen spezialisiert hat, soll der Jahresabschluss 2012 erstellt werden. Hierbei stellt sich nun u.a. die Frage, ob und wenn ja, in welcher Höhe Rückstellungen für die Nachbetreuung von Versicherungsverträgen zu bilden sind. Nachfolgend werden zunächst die rechtlichen Grundlagen vorgestellt. Anschließend erfolgt die Rückstellungsberechnung für den Jahresabschluss 2012.

    2. Lösung

    Nach der Rechtsprechung des BFH (19.7.11, X R 26/10) sind Rückstellungen wegen Erfüllungsrückstandes zu bilden, wenn ein Versicherungsvertreter die Abschlussprovision nicht nur für die Vermittlung der Versicherung, sondern auch für die weitere Betreuung des Versicherungsvertrags erhält. Unter Berücksichtigung der Urteilsgrundsätze hat die Finanzverwaltung (BMF 20.11.12, IV C 6 - S 2137/09/10002) in ihrem Schreiben wichtige Ansatz- und Bewertungsgrundsätze aufgeführt.

     

    2.1 Ansatzvoraussetzungen

    Eine Rückstellung ist nur für abgeschlossene Verträge möglich, für die nach dem Bilanzstichtag noch Betreuungsleistungen zu erbringen sind, aber kein zusätzliches Entgelt abgerechnet werden kann. Werbeleistungen mit dem Ziel neuer Vertragsabschlüsse dürfen nicht angesetzt werden.

     

    Beachten Sie | Eine Rückstellungsbildung setzt voraus, dass der Steuerpflichtige rechtlich zur Nachbetreuung der Versicherungsverträge verpflichtet ist. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Nachbetreuung besteht nicht. Demzufolge muss sich die rechtliche Verpflichtung aus vertraglichen Vereinbarungen (Individualvereinbarungen oder allgemeine Vertragsbedingungen) ergeben. Zu der Frage der genauen Ausformulierung, bzw. inwieweit ein zivilrechtlich zu beachtender übereinstimmender Wille der Vertragsparteien, der jedoch im schriftlichen Vertrag keinen Niederschlag gefunden hat, rückstellungsmindernd zu beachten ist, sind derzeit einige Verfahren vor dem BFH anhängig (u.a. BFH X R 27/13).

     

    Erhält der Versicherungsvertreter nicht nur eine Abschlussprovision, sondern auch eine Bestandspflegeprovision, sind die allgemeinen Grundsätze zum Erfüllungsrückstand zu beachten (BFH 8.11.11, X B 221/10). Hierbei muss insbesondere feststellbar sein, dass die Abschlussprovision auch wegen der noch zu erbringenden Bestandspflege geleistet wird, sich also als Vorleistung darstellt. Allein die Begründung, die vertraglich vereinbarten Bestandspflegeprovisionen seien nicht kostendeckend, reicht nicht aus.

     

    MERKE | Handelt es sich um ein Einzelunternehmen ohne Angestellte, kann für die eigene Arbeitsleistung des Betriebsinhabers keine Rückstellung gebildet werden. Hier bleibt nur die Möglichkeit, Sachkosten zurückzustellen (Happe, BBK 12, 23).

     

     

    2.2 Bewertung

    Die Rückstellung für die Nachbetreuung ist eine Sachleistungsverpflichtung, die nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. b EStG mit den Einzelkosten und angemessenen Teilen der notwendigen Gemeinkosten zu bewerten ist. Maßgebend für die Rückstellungshöhe ist der Zeitaufwand für die Betreuung je Vertrag und Jahr, wobei zu berücksichtigen ist, dass ein Teil der Verträge vorzeitig aufgelöst wird. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die einzelne Rückstellung bis zum Beginn der erstmaligen Nachbetreuungstätigkeit abzuzinsen ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e S. 2 EStG).

     

    2.3 Dokumentation

    Nach dem Schreiben des BMF (a.a.O.) ist eine ausführliche Dokumentation erforderlich, d.h. die Aufzeichnungen müssen vertragsbezogen und hinreichend konkret und spezifiziert sein, sodass eine angemessene Schätzung der Höhe der zu erwartenden Betreuungsaufwendungen möglich ist. Für die vorzunehmende Dokumentation bedeutet dies u.a. Folgendes:

     

    • Die einzelnen Betreuungstätigkeiten sind mit dem jeweiligen Zeitaufwand genau zu beschreiben.
    • Es ist anzugeben, wie oft die einzelnen Tätigkeiten über die Gesamtlaufzeit des jeweiligen Vertrags zu erbringen sind und wie hoch die Personalkosten je Stunde Betreuungszeit sind.
    • Die Restlaufzeiten sind anzugeben.

     

    Wichtig | Pauschalierte Ansätze sind unzulässig.

     

    2.4 Rückstellungsberechnung bei der M-Versicherungs-GmbH

    Aufgrund der detailliert dokumentierten Betreuungsleistungen hat die M-Versicherungs-GmbH ermittelt, dass die durchschnittliche Nachbetreuungsdauer je Vertrag 41 Minuten beträgt. Zu den Nachbetreuungsleistungen zählen z.B. Namens- und Adressänderungen, Änderung der Bankverbindung und der Zahlungsweise, Änderung der Bezugsberechtigten.

     

    In einem zweiten Schritt sind die Kosten je Mitarbeiterstunde zu berechnen. Neben dem Grundgehalt und den Arbeitgeberanteilen zur Sozialversicherung ist auch ein Gemeinkostenzuschlag zu berücksichtigen.

     

    • Ermittlung des Stundensatzes

    Bruttogehalt pro Monat (inkl. 21 % AG-Anteil SV)

    3.872 EUR

    Durchschnittliche Arbeitsstunden pro Monat

    173 Std.

    = Personalkosten pro Stunde

    22,38 EUR

    + Gemeinkostenaufschlag (10 %)

    2,24 EUR

    = Kosten je Mitarbeiterstunde

    24,62 EUR

     

     

    Abschließend ist die konkrete Rückstellungshöhe zu ermitteln. In Anlehnung an die Entscheidung des FG Münster (13.6.13, 13 K 4827/08 F) werden Verträge mit gleicher Restlaufzeit (RLZ) zusammengefasst. Des Weiteren werden als Abzinsungsfaktor die Werte aus der Anlage 26 zum BewG zugrunde gelegt. Für das Risiko der vorzeitigen Vertragskündigung wird ein Abschlag i.H. von 10 % unterstellt.

     

    Beachten Sie | Da sich die in 2005 gegründete M-Versicherungs-GmbH auf den Abschluss von Lebensversicherungen spezialisiert hat, liegen vergleichsweise lange Restlaufzeiten vor. Aus Vereinfachungsgründen (nachfolgend soll insbesondere die Systematik verdeutlicht werden) werden die wenigen Verträge mit kurzer Restlaufzeit aus der Betrachtung ausgeblendet.

     

    • Ermittlung der Rückstellungshöhe
    Vertragsdauer
    (RLZ in Jahren)
    Verträge (Anzahl)
    Minuten (je Vertrag)
    Minuten (gesamt)
    Stunden (gesamt)
    Faktor (Abzinsung)
    Ergebnis (Stunden)

    20

    18

    41

    14.760

    246

    0,3427

    84,30

    21

    20

    41

    17.220

    287

    0,3249

    93,25

    22

    23

    41

    20.746

    346

    0,3079

    106,53

    23

    25

    41

    23.575

    393

    0,2919

    114,72

    24

    26

    41

    25.584

    426

    0,2767

    117,87

    25

    28

    41

    28.700

    478

    0,2622

    125,33

    Summe

    642,00

    Stunden (642) x Stundensatz (24,62 EUR)

    15.806 EUR

    Abschlag für vorzeitige Vertragskündigung 10 %

    1.581 EUR

    Rückstellung

    14.225 EUR

     

     

    FAZIT | Die obigen Ausführungen zeigen, dass die Rückstellungsberechnung mit erheblichem Aufwand verbunden ist. Wegen der Komplexität sind Diskussionen im Rahmen einer Betriebsprüfung nicht auszuschließen.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2013 | Seite 209 | ID 42386382