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  • 23.04.2012 · IWW-Abrufnummer 121244

    Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 14.02.2012 – 12 K 6/11

    Im Rahmen des Progressionsvorbehalts ist von dem Elterngeld stets der Arbeitnehmer-Pauschbetrag abzuziehen.


    Tatbestand
    Streitig ist die Höhe des dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Elterngelds.

    Die Kläger werden als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Beide Kläger hatten in dem Streitjahr Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit und Vermietung und Verpachtung. Der Kläger hatte daneben Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus einer Nebentätigkeit. Im Streitjahr bezogen beide Kläger Elterngeld.

    Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) legte der Besteuerung die Angaben in der Steuererklärung zugrunde. Dabei berücksichtigte er bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit beim Kläger Einnahmen von 35.970 EUR und die erklärten Werbungskosten von insgesamt 1.142 EUR und bei der Klägerin bei Einnahmen von 3.012 EUR statt der erklärten Werbungskosten von 329 EUR den Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 920 EUR. Der Kläger hatte Elterngeld in Höhe von 1.359 EUR, die Klägerin in Höhe von 761 EUR bezogen. Für die Ermittlung des besonderen Steuersatzes erfasste das FA gem. § 32b Abs. 2 Nr. 1 Einkommensteuergesetz in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) das dem Progressionsvorbehalt unterliegende Elterngeld beider Kläger in voller Höhe. Der Einkommensteuerbescheid datiert vom 26. August 2010.

    Im Einspruchsverfahren änderte das FA den Bescheid mit Änderungsbescheid vom 11. Oktober 2010 wegen im Klageverfahren nicht streitiger Besteuerungsgrundlagen. Mit dem Einspruch machten die Kläger geltend, das dem Progressionsvorbehalt unterliegende Elterngeld des Klägers sei um 920 EUR zu mindern, weil der Arbeitnehmer-Pauschbetrag noch nicht verbraucht sei. Deshalb unterlägen nur 439 EUR dem Progressionsvorbehalt.

    Das FA wies den Einspruch mit Bescheid vom 2. Dezember 2010 unter Verweisung auf den Gesetzeswortlaut zurück. Da bei der Ermittlung der Einkünfte des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit die den Arbeitnehmer-Pauschbetrag übersteigenden tatsächlichen Werbungskosten angesetzt worden seien, sei eine zusätzliche Berücksichtigung des Pauschbetrags beim Elterngeld ausgeschlossen. Das ergebe sich aus der Regelung in § 9a Satz 1 EStG.

    Mit der Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren unter Wiederholung ihrer Auffassung weiter. Sie verweisen zudem auf die Ungleichbehandlung mit Steuerpflichtigen, die andere Einkünfte als solche aus nichtselbstständiger Arbeit hätten und den Arbeitnehmer-Pauschbetrag im Rahmen des Progressionsvorbehalts in voller Höhe in Anspruch nehmen könnten.

    Die Kläger beantragen,

    den Bescheid über Einkommensteuer für 2009 vom 26. August 2010, geändert durch Bescheid vom 11. Oktober 2010, in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 2. Dezember 2010 zu ändern und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Leistungen an den Kläger (Elterngeld) von nur 439 EUR festzusetzen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Das FA wiederholt und vertieft die Begründung des Einspruchsbescheids.

    Entscheidungsgründe
    Die Klage ist zulässig und begründet. Der angegriffene Steuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Das FA hat zu Unrecht das vom Kläger bezogene Elterngeld in voller Höhe dem Progressionsvorbehalt unterworfen. Bei Berechnung des besonderen Steuersatzes nach § 32b EStG ist das Elterngeld um den Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 920 EUR zu vermindern.

    1. Gem. § 3 Nr. 67 EStG ist das vom Kläger nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz unstreitig bezogene Elterngeld in Höhe von 1.359 EUR steuerfrei zu belassen. Auf das nach § 32a Abs. 1 EStG zu versteuernde Einkommen, das unter Außerachtlassung der steuerfreien Beträge ermittelt wird, ist allerdings gem. § 32b Abs. 1 Satz 1 EStG bei Bezug von Elterngeld (§ 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. j EStG) ein besonderer Steuersatz anzuwenden. Nach § 32b Abs. 2 Nr. 1 EStG ist der besondere Steuersatz nach Abs. 1 der Steuersatz, der sich ergibt, wenn das zu versteuernde Einkommen vermehrt oder vermindert wird um im Fall des Abs. 1 Nr.1 die Summe der Leistungen nach Abzug des Arbeitnehmer-Pauschbetrags (§ 9a Satz 1 Nr. 1 EStG), soweit er nicht bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit abziehbar ist (Progressionsvorbehalt).


    2. Unzweifelhaft greift wegen des vom Kläger bezogenen Elterngelds der Progressionsvorbehalt ein. Allein streitig ist, ob und ggfs. in welcher Höhe von dem Leistungsbetrag der Arbeitnehmer-Pauschbetrag nach § 9a Satz 1 Nr. 1 EStG abzuziehen ist. Das ist im zu entscheidenden Fall insofern problematisch, als der Kläger Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit gem. § 19 EStG hat und die über dem Arbeitnehmer-Pauschbetrag liegenden tatsächlichen Werbungskosten bei Ermittlung der Einkünfte vom FA steuermindernd berücksichtigt worden sind.

    Das Gericht ist der Auffassung, dass im Streitfall aus Gründen der nach Art. 3 Grundgesetz (GG) gebotenen Gleichbehandlung aller Bezieher von Elterngeld die betreffenden Leistungen um den Arbeitnehmer-Pauschbetrag zu vermindern sind.

    3. Bei Auslegung der maßgebenden Vorschriften des einfachen Rechts könnte mit dem FA die Auffassung vertreten werden, bei Ermittlung der - steuerpflichtigen - Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit sei der Arbeitnehmer-Pauschbetrag prinzipiell "abziehbar"; er sei aber bei Anerkennung höherer Werbungskosten verbraucht und stehe für den Progressionsvorbehalt daher nicht mehr zur Verfügung.

    Die Frage, ob in Fällen, in denen höhere Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit anerkannt werden, im Rahmen des Progressionsvorbehalts die steuerfreien Leistungen um den Arbeitnehmer-Pauschbetrag zu vermindern sind, ist höchstrichterlich oder fachgerichtlich noch nicht eindeutig entschieden. In der Literatur werden unterschiedliche Meinungen vertreten.

    a) aa) In seinem Urteil vom 17. Dezember 2003 I R 32/03, BFH/NV 2004, 773 hatte der Bundesfinanzhof (BFH) darüber zu befinden, ob bei den für den Progressionsvorbehalt maßgebenden - steuerfreien - ausländischen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit die tatsächlichen Werbungskosten zu berücksichtigen sind, wenn bei den inländischen steuerpflichtigen Einkünften bereits der Arbeitnehmer-Pauschbetrag gewährt wurde (Problematik des § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG). Der BFH hat entschieden, dass zunächst die inländischen Einkünfte (aus nichtselbstständiger Arbeit) nach den Bestimmungen der § 2 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG bzw. bei Nachweis höherer Werbungskosten i.V.m. § 9 EStG zu ermitteln sind. In einem weiteren Schritt sind die ausländischen Einkünfte für Zwecke des Progressionsvorbehalts nach denselben Vorschriften zu ermitteln. Eine Aufteilung des Arbeitnehmer-Pauschbetrags für in- und ausländische Einkünfte komme aus gesetzessystematischen Gründen nicht in Betracht. So könnten bei den inländischen Einkünften der volle Pauschbetrag und bei den ausländischen Einkünften die nachgewiesenen höheren Werbungskosten angesetzt werden. Allerdings - so der BFH weiter - sei einzuräumen, dass der Steuerpflichtige mit in- und ausländischen Einkünften damit im Ergebnis besser gestellt sein könne als ein Steuerpflichtiger mit ausschließlich inländischen Einkünften. Letzterem würde der Pauschbetrag nicht gewährt, wenn die tatsächlichen Gesamt-Werbungskosten diesen überstiegen. Die unterschiedliche Behandlung widerspreche in gewisser Weise dem Leistungsfähigkeitsprinzip, das durch den Progressionsvorbehalt gerade gewährleistet werden solle. Der Gesetzgeber habe diesen Effekt aber ersichtlich in Kauf genommen, um eine vereinfachte Berechnung des besonderen Einkommensteuersatzes zu ermöglichen.

    Die vom BFH dargestellte Doppelbegünstigung ist durch die Einführung des Satzes 2 in § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG zum 1. Januar 2007 entfallen. Nunmehr sind bei den ausländischen Einkünften zum einen der Arbeitnehmer-Pauschbetrag und zum anderen nur die den Pauschbetrag übersteigenden Werbungskosten abzuziehen, wobei das nur gilt, wenn nicht schon bei den steuerpflichtigen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit der Pauschbetrag gewährt wurde. Der Gesetzgeber hat damit klargestellt, dass der Arbeitnehmer-Pauschbetrag nur entweder bei Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit oder im Rahmen des Progressionsvorbehalts gewährt werden soll.

    Der vom BFH entschiedene Fall ist nicht mit dem Streitfall vergleichbar, weil der dortige Kläger bei den inländischen steuerpflichtigen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit den Arbeitnehmer-Pauschbetrag in Anspruch genommen hatte und bei den ausländischen Einkünften die tatsächlichen Werbungskosten den Pauschbetrag überstiegen. Der Streitfall betrifft die gegenteilige Problematik. Das Urteil kann aber für die hier zu entscheidende Rechtsfrage insofern herangezogen werden als es die Gesetzessystematik beschreibt, wonach steuerpflichtige und steuerfreie Einkünfte getrennt, aber nach den für die jeweilige Einkunftsart geltenden Vorschriften ermittelt werden. Es weist ferner auf eine mögliche Besserstellung von Steuerpflichtigen hin, die entweder bei den steuerpflichtigen Einkünften keinen Arbeitnehmer-Pauschbetrag geltend machen können oder bei denen ein solcher berücksichtigt wird, den steuerfreien Einnahmen aber den Pauschbetrag übersteigende und daher in vollem Umfang zu berücksichtigende Aufwendungen gegenüberstehen. Umgekehrt wird ein Steuerpflichtiger mit allein inländischen steuerpflichtigen und steuerfreien Einkünften als benachteiligt angesehen, weil er im Rahmen des Progressionsvorbehalts den Arbeitnehmer-Pauschbetrag nicht geltend machen könne, wenn die Gesamtwerbungskosten bei den steuerpflichtigen Einkünften diesen überstiegen. Das Urteil musste sich nur mit steuerfreien ausländischen Einkünften befassen. Es hat nicht ausdrücklich problematisiert, ob das auch bei Bezug von Lohnersatzleistungen gilt. Allerdings können die erwähnten inländischen, dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Leistungen nur Lohnersatzleistungen sein. Das Gericht konnte sich selbstverständlich nicht mit der streitentscheidenden Frage auseinandersetzen, ob sich das erst zum 1. Januar 2007 eingeführte Elterngeld in die Systematik der Bestimmungen zum Progressionsvorbehalt einfügt und die aufgestellten Grundsätze auch für das Elterngeld gelten können.

    bb) Das Urteil des BFH vom 5. März 2009 VI R 78/06, BFH/NV 2009, 1110 befasst sich mit der hier zu treffenden Entscheidung nur am Rande und ist daher unergiebig. Dort ging es um die Frage, ob für den Progressionsvorbehalt von Lohnersatzleistungen im Sinne des § 32b Abs. 1 Nr. 1 EStG auch Vorsorgeaufwendungen abzuziehen sind. Der BFH führt aus, dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nach könne die Summe der Lohnersatzleistungen allein um den Arbeitnehmer-Pauschbetrag gekürzt werden, "sofern jener nicht - wie im Streitfall - bereits bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit Berücksichtigung gefunden hat"; in diesem Falle sei die Summe der Lohnersatzleistungen ungekürzt in Ansatz zu bringen. Weitere Minderungen der anzusetzenden Lohnersatzleistungen sehe das Gesetz nicht vor.

    Diese Entscheidung äußert sich nicht zu der Frage, ob bei den Lohnersatzleistungen der Arbeitnehmer-Pauschbetrag mindernd in Ansatz gebracht wird, wenn bei den steuerpflichtigen Einkünften höhere Werbungskosten gewährt worden sind.

    cc) Der BFH qualifiziert in seinem Beschluss vom 21. September 2009 VI B 31/09, BFHE 226, 329, BStBl. II 2011, 382 das Elterngeld - anders als das frühere Erziehungsgeld - ausdrücklich als Einkünfteersatz. Die Einbeziehung dieser als Einkünfteersatz charakterisierten Sozialleistung in den Progressionsvorbehalt, begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

    Aus dieser Entscheidung wird klar, dass das Elterngeld - wie die anderen unter § 32b Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Leistungen - Lohnersatzleistungen sind und zudem einen Einkünfteersatz darstellten. Das dürfte es rechtfertigen, das Elterngeld für den Progressionsvorbehalt wie Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit zu behandeln.

    b) Abgesehen von den fachgerichtlichen Entscheidungen, die den oben genannten Entscheidungen des BFH zugrunde liegen und für die Beantwortung der Streitfrage nichts Weitergehendes hergeben, befasst sich nur das Thüringer Finanzgericht (FG) in seinem Urteil vom 26. Juli 1995 I 70/95, EFG 1995, 1012 [FG Thüringen 26.07.1995 - I 70/95] mit der Frage des Abzugs des Arbeitnehmer-Pauschbetrags von den steuerfreien Lohnersatzleistungen. In der Literatur wird dieses Urteil zumeist zitiert. Die dortige Klägerin bezog Arbeitslosengeld. Bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit machte sie - ohne Einnahmen zu erzielen - vorweggenommene Werbungskosten in Höhe von 1.500 DM geltend. Das FA gewährte die Werbungskosten nicht und bezog das Arbeitslosengeld unter Abzug des Arbeitnehmer-Pauschbetrags von 2.000 DM in den Progressionsvorbehalt ein. Das FG erkannte die vorweggenommenen Werbungskosten in der nachgewiesenen Höhe an. Es führte aus, dass der Arbeitnehmer-Pauschbetrag nach § 9a EStG nicht abziehbar sei, weil die Klägerin keine steuerpflichtigen Einnahmen habe. Deshalb könnten in diesen Fällen nur die - den Pauschbetrag unterschreitenden - tatsächlichen Werbungskosten anerkannt werden. Aus dem Ansatz des Pauschbetrags dürfe sich kein Verlust ergeben, tatsächliche Werbungskosten könnten aber als Verlust anerkannt werden. Das Gericht kürzte das Arbeitslosengeld um die Differenz zwischen dem nichtabziehbaren Arbeitnehmer-Pauschbetrag und den tatsächlich geltend gemachten Werbungskosten, weil der Klageantrag in dieser Weise eingeschränkt worden war. Es hat aber weiter ausgeführt, der Wortlaut des § 32b Abs. 2 Nr. 1 EStG ließe zwar auch die Auslegung zu, den Arbeitnehmer-Pauschbetrag in vollem Umfang abzuziehen, wenn - wie hier - vorab entstandene Werbungskosten zu berücksichtigen seien und der Arbeitnehmer-Pauschbetrag bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit mangels im Streitjahr zugeflossener Einnahmen nicht abziehbar sei. Der Senat müsse indes nicht entscheiden, ob dieser Wortlaut gemessen am Pauschalierungszweck der Vorschrift zu weit ginge, weil man danach Aufwendungen in größerem Umfang steuerlich zu berücksichtigen hätte, als die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen tatsächlich gemindert worden sei. Er könne unerörtert lassen, ob er diese gesetzlich nicht beabsichtigte Kumulation von Pauschbetrag und tatsächlich angefallenen Werbungskosten durch eine teleologische Reduktion des § 32b Abs. 2 Nr. 1 EStG beseitigen könnte, etwa in der Art, dass nur die Differenz zwischen dem Arbeitnehmer-Pauschbetrag und den tatsächlich als vorab entstandene Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen im Rahmen des Progressionsvorbehalts abgezogen werden dürfte.

    Das FG klärt die hier relevante Streitfrage nicht. Im zu entscheidenden Fall hätte der Kläger als Steuerpflichtiger mit Einkünften nach § 19 EStG vom Grundsatz her den Pauschbetrag in Anspruch nehmen können. Das Urteil bietet allerdings Argumente für die Problemlösung.

    c) aa) Die herrschende Meinung in der Literatur ist im Wesentlichen unter Hinweis auf des Urteil des Thüringer FG vom 26. Juli 1995 a.a.O. der Auffassung, der Arbeitnehmer-Pauschbetrag sei nicht bei dem Progressionsvorbehalt abzuziehen, wenn bei den Einkünften nach § 19 EStG höhere Werbungskosten anerkannt werden.

    Heuermann geht in dem Aufsatz "Arbeitnehmer-Pauschbetrag und Progressionsvorbehalt", DStR 1995, 1662, der vom Thüringer FG in der oben genannten Entscheidung angesprochenen Frage des Ansatzes des Arbeitnehmer-Pauschbetrags bei dem Progressionsvorbehalt nach, wenn bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit vorweg entstandene Werbungskosten berücksichtigt werden. Er weist auf § 9a Satz 2 EStG hin, wonach zur Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte der Pauschbetrag vom Grundsatz her nur bis zur Höhe der Einnahmen abgezogen werden darf. Er - so Heuermann - werde nicht bei der Ermittlung der Höhe der steuerbaren, aber steuerfreien Lohnersatzleistungen abgezogen, weil § 9a EStG nur die Ermittlung der steuerpflichtigen Einnahmen betreffe. Daher könnten Werbungskosten, denen keine Einnahmen gegenüberstünden, in voller Höhe abgezogen werden und zu negativen Einkünften führen. Weil in diesen Fällen der Pauschbetrag bei der Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte noch nicht verbraucht sei, also "insoweit" bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit nicht "abziehbar" sei, spreche es bei einer grammatikalischen Auslegung des Wortlauts des § 32b Abs. 2 Nr. 1 EStG dafür, den Pauschbetrag für den Progressionsvorbehalt von den Lohnersatzleistungen in voller Höhe abzuziehen. Eine solche Auslegung würde indes den Sinn des Gesetzes verfehlen, denn es würden insgesamt Aufwendungen in größerem Umfang berücksichtigt, als die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen tatsächlich gemindert sei. Der Vereinfachungszweck des Pauschbetrags rechtfertige nicht die Aufgabe des Grundsatzes der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Mit dem Vereinfachungszweck sei nicht zu vereinbaren, den Pauschbetrag bei der Berechnung des Steuersatzes in vollem Umfang einzubeziehen, obwohl bei der Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit die (vorab) tatsächlich entstandenen Werbungskosten gem. § 9 Abs. 1 EStG zu berücksichtigen und bereits einzeln nachgewiesen und vom Finanzamt geprüft worden seien. Es sei teleologisch allenfalls geboten, den um diese nachgewiesenen Werbungskosten verminderten Arbeitnehmer-Pauschbetrag in die Berechnung des besonderen Steuersatzes einzubeziehen. Verfehlt wäre die Überlegung, dass die mit dem Abzug des Pauschbetrags pauschalierten Erwerbsaufwendungen lediglich mit den steuerbaren, aber steuerfreien Lohnersatzleistungen zusammenhingen. Der Pauschbetrag werde vielmehr dadurch verbraucht, dass bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit die den Pauschbetrag übersteigenden Werbungskosten nachgewiesen würden. Nichts anders könne gelten, wenn der Steuerpflichtige ohne Einnahmen vorab entstandene Werbungskosten nachweise. Damit Erwerbsaufwendungen nicht doppelt berücksichtigt würden, könne der Pauschbetrag bei dem Progressionsvorbehalt nur insoweit abgezogen werden, als er die tatsächlich nachgewiesenen Werbungskosten übersteige.

    Heuermann stellt in diesem Aufsatz den Grundsatz auf, dass der Arbeitnehmer-Pauschbetrag vorrangig bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit abzuziehen ist. Verbleibt ein Rest, etwa weil die Einnahmen niedriger als der Pauschbetrag sind, so ist dieser Rest von den Lohnersatzleistungen abzuziehen. Weist der Steuerpflichtige höhere Werbungskosten nach, wird der Pauschbetrag verbraucht. Diesen Grundsatz wendet er sodann auch auf die Problematik der vorweggenommenen Werbungskosten, denen keine Einnahmen gegenüber stehen, an und gewährt die Differenz zwischen Pauschbetrag und niedrigeren vorweggenommenen Werbungskosten. Heuermann will dadurch eine doppelte Berücksichtigung von Erwerbsaufwendungen verhindern. Die Argumentation ist in sich logisch und entspricht üblicher Gesetzessystematik, doppelte Begünstigung oder Belastung zu vermeiden. Wie noch unter d) aufgezeigt wird, findet in anderen Fallkonstellationen zum Progressionsvorbehalt aber tatsächlich eine doppelte Berücksichtigung der - ggfs. pauschalierten - Erwerbsaufwendungen statt.

    Herrmann/Heuer/Raupach EStG § 32b Rz. 124 schließt sich der Auffassung und der Argumentation von Heuermann an. Frotscher EStG § 32b Rz. 76 folgt ebenfalls Heuermann und erwähnt ausdrücklich die Nichtberücksichtigung des Pauschbetrags, wenn bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit höhere Werbungskosten aufgrund Einzelnachweises geltend gemacht worden sind. Blümich EStG § 32b Rz. 54 verweist ohne eingehendere Begründung auf Heuermann. Littmann/Bitz/Pust EStG § 32b Rz. 124a spricht sich ohne nähere Erläuterung für den ggfs. reduzierten Abzug des Pauschbetrag zur Vermeidung des doppelten Abzugs aus. Kirchhof EStG § 32b Rz. 21 beruft sich auf das BFH-Urteil vom 5. März 2009 a.a.O. und führt aus, der Pauschbetrag werde insoweit berücksichtigt, als er nicht bereits bei der Ermittlung der Einkünfte nach § 19 EStG diese gemindert hat; auf diese Weise werde der Pauschbetrag jedenfalls einmal berücksichtigt. Kirchhof/Söhn/Mellinghoff EStG § 32b Rz. D 128 ff. behandelt die hier fragliche Thematik der tatsächlich nachgewiesenen Werbungskosten nicht, sondern befasst sich insoweit nur mit der Konstellation der vorab entstandenen Werbungskosten ohne Einnahmen, schließt sich aber der Argumentation von Heuermann an und gewährt ggfs. den Differenzbetrag. Schmidt EStG § 32b Rz. 25 folgt der herrschenden Meinung.

    bb) Lademann EStG § 32b Rz. 60 vertritt eine andere Auffassung. Werden bei den Einkünften Werbungskosten berücksichtigt, die den Pauschbetrag übersteigen, ist der Arbeitnehmer-Pauschbetrag nicht abziehbar und kann in voller Höhe bei den Lohnersatzleistungen abgezogen werden.

    d) Die hier maßgebende Streitfrage kann anhand der Gesetzessystematik sowie des Sinns und Zwecks der Norm entsprechend der Auffassung des FA beantwortet werden. Dies führt aber jedenfalls bei dem Bezug von Elterngeld zu einer Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen je nach der Art ihrer steuerpflichtigen Einkünfte.

    aa) Dem Gesetz und der Rechtsprechung des BFH ist zu entnehmen, dass ein Arbeitnehmer-Pauschbetrag nur einmal zu berücksichtigen ist, und zwar vorrangig bei den steuerpflichtigen Einkünften.

    Grundgedanke des Progressionsvorbehalts ist, bestimmte Beträge wie Lohnersatzleistungen im Sinne des § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a - j EStG und näher bezeichnete ausländische Einkünfte im Sinne des § 32b Abs. 1 Nr. 2 - 5 EStG über die Anwendung des erhöhten Steuersatzes auf das zu versteuernde Einkommen steuererhöhend zu berücksichtigen. Dabei unterliegen nicht bestimmte Einnahmen, sondern Einkünfte der Einkommensteuer und damit auch dem Progressionsvorbehalt (BFH-Urteil vom 17. Dezember 2003 a.a.O.). Daher müssten eigentlich die dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Leistungen wie Einkünfte, dh. unter Berücksichtigung von Betriebsausgaben und Werbungskosten, ermittelt werden. Das setzte zunächst einmal voraus, die Einnahmen einer bestimmten Einkunftsart zuzuordnen. Aus Gründen der Vereinfachung werden die dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Beträge jedoch gem. § 32b Abs. 2 Satz 1 EStG nach den Bestimmungen für Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit ermittelt. So werden also sämtliche dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Beträge wie Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit behandelt. In der Gesetzesbegründung BT-Drs. 11/2157 S. 150 heißt es dem entsprechend, aus Gründen der Vereinfachung sollen die in den Progressionsvorbehalt einzubeziehenden Leistungen auch dann um den nicht ausgeschöpften Arbeitnehmer-Pauschbetrag gekürzt werden, wenn die Leistungen - wären sie steuerpflichtig - zu anderen Einkünften als denen aus nichtselbstständiger Arbeit gehören würden. Konsequent ist sodann in § 32b Abs. 2 EStG nur von Werbungskosten und dem Arbeitnehmer-Pauschbetrag die Rede, auch wenn es sich z.B. bei den ausländischen Einkünften eigentlich um solche aus Gewerbebetrieb handeln kann. Bei den Lohnersatzleistungen des § 32b Abs. 1 Nr. 1 EStG ist das insofern nachvollziehbar, als einige Leistungen typischerweise als Ersatz für Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit gewährt werden wie z.B. das Arbeitslosengeld und das Krankengeld. Das gilt insbesondere für das hier ein Rede stehende und auch an Arbeitnehmer gezahlte Elterngeld, das der BFH in seinem Beschluss vom 21. September 2009 a.a.O. ausdrücklich als Einkünfteersatz bezeichnet. Der Gesetzgeber wollte aus Vereinfachungsgründen eine steuerlich einheitliche Handhabung beim Progressionsvorbehalt erreichen. Daher ist die Behandlung der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Lohnersatzleistungen und ausländischen Einkünften wie solche aus nichtselbstständiger Arbeit nach Auffassung des Gerichts vom Grundsatz her nicht zu beanstanden. Insofern werden in Rechtsprechung und Literatur auch keine Bedenken erhoben.

    Da in allen Fällen bei den steuerpflichtigen Einkünften zumindest die tatsächlichen Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten oder der Arbeitnehmer-Pauschbetrag geltend gemacht werden können, gibt es auf der Ebene der Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte keine rechtlichen Besonderheiten. Wie der BFH in seinem Urteil vom 17. Dezember 2003 a.a.O. ausgeführt hat, ist der Arbeitnehmer-Pauschbetrag vorrangig bei den steuerpflichtigen Einkünften aus § 19 EStG zu gewähren.

    bb) Eine Ungleichbehandlung der Steuerpflichtigen und eine Durchbrechung des Grundsatzes der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit gibt es indes bei der Ermittlung der Beträge für den Progressionsvorbehalt in zweierlei Hinsicht.

    (1) Das Gesetz unterscheidet zwischen Lohnersatzleistungen und anderen, im Wesentlichen ausländischen Einkünften. Bei den Lohnersatzleistungen ist gem. § 32b Abs. 2 Nr. 1 EStG (höchstens) der Arbeitnehmer-Pauschbetrag abzuziehen, höhere oder niedrigere tatsächliche Werbungskosten bleiben außer Betracht. Bei den ausländischen Einkünften kann gem. Nr. 2 Buchst. a der Vorschrift vom Grundsatz her zumindest der Arbeitnehmer-Pauschbetrag in Ansatz gebracht werden. Bei Nachweis höherer Aufwendungen werden diese gem. Nr. 2 Buchst. b mit einer näher bezeichneten Maßgabe berücksichtigt. Der Abzug hängt nämlich davon ab, welche steuerpflichtigen Einkünfte der Steuerpflichtige hat. Hat er keine steuerpflichtigen Einkünfte aus § 19 EStG, kann er den Arbeitnehmer-Pauschbetrag - mit Ausnahme niedrigerer Einnahmen - für die Lohnersatzleistungen in voller Höhe und für ausländische Einkünfte zumindest in Anspruch nehmen. Das erscheint unproblematisch, weil üblicherweise bei Lohnersatzleistungen keine Werbungskosten anfallen.

    Vor der Gesetzesänderung zum 1. Januar 2007 wurden - wie der BFH in seinem Urteil vom 17. Dezember 2003 a.a.O. ausführt - die Lohnersatzleistungen und die ausländischen Einkünfte unterschiedlich behandelt. Während bei den Lohnersatzleistungen nur der Arbeitnehmer-Pauschbetrag zum Abzug kam, soweit er nicht bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit abziehbar war, gingen bei den ausländischen Leistungen nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 bis 5 EStG die Einkünfte in den Progressionsvorbehalt ein. Die dort berücksichtigten Betriebsausgaben oder Werbungskosten konnten höher sein als der Arbeitnehmer-Pauschbetrag. Diese Ungleichbehandlung der dem Progressionsvorbehalt unterfallenden Leistungen ist durch die Gesetzesänderung dadurch aufgehoben worden, dass der Arbeitnehmer-Pauschbetrag bei den ausländischen Einkünften nur noch abgezogen werden kann, soweit er nicht bei den steuerpflichtigen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit abziehbar ist, und (höhere) Werbungskosten nur insoweit abziehbar sind, als sie zusammen mit den bei der Ermittlung der Einkünfte aus § 19 EStG abziehbaren Werbungskosten den Arbeitnehmer-Pauschbetrag übersteigen. Die Einkünfte aus § 19 EStG und ausländischen Einkünfte werden daher - was die abziehbaren Pauschbeträge bzw. Werbungskosten betrifft - "zusammengezogen" und der Pauschbetrag nur insgesamt einmal gewährt, wobei die Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte vorrangig erfolgt. Damit wird verhindert, dass der Arbeitnehmer-Pauschbetrag oder (bei niedrigeren Einnahmen) ein Teil davon zunächst auf der Ebene der Einkünfteermittlung und danach noch einmal auf der Ebene des Progressionsvorbehalts berücksichtigt wird.

    Der Zweck der Gesetzesänderung kann für die Anwendung der im Klageverfahren zu beantwortenden Streitfrage, ob von dem Elterngeld des Klägers der Pauschbetrag abzuziehen ist, wenn er steuerpflichtige Einkünfte aus § 19 EStG hat, herangezogen werden. Es bietet sich aus Gründen der Gleichbehandlung an, auch insofern die Lohnersatzleistungen und die steuerpflichtigen Einkünfte aus § 19 EStG "zusammenzuziehen". Daraus folgt, dass der Pauschbetrag insgesamt nur einmal berücksichtigt werden kann. Andernfalls wäre nach der Gesetzesänderung eine Ungleichbehandlung zulasten der ausländischen Einkünfte gegeben. Für den Streitfall unbeantwortet bleiben kann die Frage, ob der Pauschbetrag auch nur insgesamt einmal gewährt werden kann, wenn Einkünfte aus § 19 EStG, Lohnersatzleistungen und ausländische Einkünfte zusammentreffen.

    (2) Eine bedeutsame Ungleichbehandlung der Steuerpflichtigen folgt aus der Art ihrer steuerpflichtigen Einkünfte. Wie sich aus dem Vorgenannten ergibt, kommt es für die Berücksichtigung des Arbeitnehmer-Pauschbetrags sowohl bei Bezug von Lohnersatzleistungen als auch bei ausländischen Einkünften auch darauf an, welche steuerpflichtigen Einkünfte der Steuerpflichtige hat. Ist er Arbeitnehmer mit Einkünften nach § 19 EStG, steht unabhängig von der Art der steuerfreien Beträge der Arbeitnehmer-Pauschbetrag nur zur Verfügung "soweit er nicht bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit abziehbar ist". Hat er nur andere Einkünfte als solche aus § 19 EStG, kann er bei den steuerpflichtigen Einkünften die tatsächlichen Betriebsausgaben (Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, aus selbstständiger Tätigkeit) bzw. Pauschbeträge oder höhere Werbungskosten (Einkünfte aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung, sonstige Einkünfte) geltend machen. Daraus ergibt sich, dass alle Nicht-Arbeitnehmer im Rahmen des Progressionsvorbehalts zumindest den Arbeitnehmer-Pauschbetrag abziehen können. Der Arbeitnehmer kann jedenfalls dann keinen Pauschbetrag abziehen, wenn ihm dieser bei der Ermittlung seiner Einkünfte nach § 19 EStG gewährt wurde. Das Gericht hat Zweifel, ob diese Regelung, die Steuerpflichtige mit Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit benachteiligt, mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG vereinbar ist. Einer abschließenden Beurteilung bedarf es aber nur, wenn im Streitfall die Ungleichbehandlung zu einer Verletzung der Rechte der Kläger führt.

    Nach der für das Streitjahr geltenden Gesetzessystematik kann der Kläger mit seinen steuerpflichtigen Einkünften gem. § 19 EStG den Arbeitnehmer-Pauschbetrag nur einmal in Anspruch nehmen. Das beantwortet aber noch nicht die Frage, ob der Pauschbetrag bei den geltend gemachten und anerkannten höheren Werbungskosten bei den steuerpflichtigen Einkünften "abziehbar" ist.

    cc) Nach dem Wortlaut des § 9a Satz 1 EStG ist der Pauschbetrag "abzuziehen", wenn nicht höhere Werbungskosten nachgewiesen werden. Er ist also bei den Einkünften nach § 19 EStG im Prinzip abziehbar, der Abzug wird aber durch höhere Werbungskosten ausgeschlossen, ist also in diesem Fall im Wortsinne nicht "abziehbar". Auf diese Auslegung des § 32b Abs. 2 Nr. 1 EStG nach dem Wortlaut stützt sich Lademann. Die herrschende Meinung in der Literatur setzt "abziehbar" mit "durch höhere Werbungskosten verbraucht" gleich. Letzteres wäre die zutreffende Argumentation, wenn man davon ausgeht, dass der Pauschalbetrag nur insgesamt einmal berücksichtigt werden darf und der Ansatz höherer tatsächlicher Werbungskosten im Rahmen des § 19 EStG zum Verbrauch des Pauschbetrags führt. Er ist dann in diesem Sinne abziehbar, dh. er ist zwar grundsätzlich abziehbar, wird aber durch höhere Werbungskosten überlagert oder ausgeschöpft.

    Eine solche Auslegung des Gesetzes entspricht im Kern auch der Rechtsprechung des BFH. In seinem Urteil vom 17. Dezember 2003 a.a.O. hat er unter Anwendung der Rechtslage vor 2007 ausgeführt, dass ein Steuerpflichtiger mit inländischen Einkünften aus § 19 EStG und ausländischen Einkünften besser stehe als ein Steuerpflichtigen mit ausschließlich inländischen Einkünften (gemeint sind inländische Einkünfte aus § 19 EStG und inländische Lohnersatzleistungen), "Letzterem würde der Pauschbetrag nicht gewährt, wenn die tatsächlichen Gesamt-Werbungskosten diesen übersteigen". Aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidung und aus dem zitierten Satz ist zu entnehmen, dass der Pauschbetrag bei den Lohnersatzleistungen nicht gewährt wird, wenn der Steuerpflichtige bei § 19 EStG tatsächliche, den Pauschbetrag übersteigende Werbungskosten hat. Aus dem Urteil des BFH vom 5. März 2009 a.a.O. und dem zugrundeliegenden Urteil des FG Köln vom 9. November 2006, 10 K 1997/02, EFG 2007, 518 ist nicht zu entnehmen, ob der dortige Kläger im Rahmen des § 19 EStG den Pauschbetrag oder höhere Werbungskosten geltend gemacht hatte. Die Formulierungen des BFH und entsprechend des FG Köln "Dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nach kann die Summe der Lohnersatzleistungen allein um den Arbeitnehmer-Pauschbetrag gekürzt werden, sofern jener nicht - wie im Streitfall - bereits bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit Berücksichtigung gefunden hat; ..." lassen beide Auslegungen zu, nämlich die Gewährung des Pauschbetrags oder die Gewährung höherer Werbungskosten.

    Die Annahme eines "Verbrauchs" des Pauschbetrags berücksichtigt auch den Umstand, dass nach der allgemeinen Gesetzessystematik der Pauschbetrag bei § 19 EStG nur einmal gewährt wird und durch höhere Werbungskosten überlagert ist. So gibt es bei Arbeitseinkünften aus mehreren Einkunftsquellen nur die einheitliche Ermittlung der Einkünfte und demnach auch der Werbungskosten. Hat z.B. ein Arbeitnehmer zwei Arbeitsverhältnisse kann er, wenn er höhere Werbungskosten bei dem ersten Arbeitsverhältnis (z.B. 2.000 EUR) nachgewiesen hat, für das zweite Arbeitsverhältnis nicht den Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 920 EUR in Anspruch nehmen. Behandelt man mit dem Gesetzgeber die Lohnersatzleistungen als Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit, kann einfachrechtlich nichts anderes gelten. Den Klägern ist zwar zuzugeben, dass dadurch eine Ungleichbehandlung zwischen Arbeitnehmern einerseits und selbstständig Tätigen oder Beziehern andere Einkünfte andererseits eintritt, weil z.B. ein Gewerbetreibender, der bei den steuerpflichtigen Einkünften keine Werbungskosten hat bzw. der einen Arbeitnehmer-Pauschbetrag nicht in Anspruch nehmen kann, beim Progressionsvorbehalt der Pauschbetrag gewährt wird. Das könnte aber hinzunehmen sein. Der Gesetzgeber hat diese Regelung ausdrücklich aus Vereinfachungsgründen eingeführt, und zwar auch für Leistungen, die - wären sie steuerpflichtig - nicht zu den Einkünften aus § 19 EStG gehören würden.

    4. a) Für die Einbeziehung des Elterngelds in den Progressionsvorbehalt folgt das Gericht dieser Auslegung aber nicht. Sie führt zu einer verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung der Steuerpflichtigen und ist mit Art. 3 GG nicht vereinbar.

    Der Gesetzgeber hat mit Wirkung ab 1. Januar 2007 mit dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz das Elterngeld eingeführt. Nach § 1 des Gesetzes hat Anspruch auf Elterngeld unter anderem und unter weiteren Voraussetzungen derjenige, der keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt. In § 1 ist nicht definiert, welche Art von Tätigkeit als Erwerbstätigkeit anzusehen ist, es wird nur der zeitliche Umfang einer nicht vollen Erwerbstätigkeit bestimmt. Nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes richtet sich die Höhe des Elterngelds nach dem monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Dieses Einkommen aus Erwerbstätigkeit ist die Summe der zu versteuernden Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit und nichtselbstständiger Arbeit nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 - 4 EStG. Elterngeld erhalten daher nicht nur Arbeitnehmer, sondern aus Gründen der Gleichbehandlung auch selbstständig tätige Personen, die keine Einkünfte gem. § 19 EStG haben. Insofern unterscheidet sich der Bezug von Elterngeld von den übrigen Lohnersatzleistungen des § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a - i EStG. Letzte sind Leistungen, die möglicherweise nicht ausschließlich, aber typischerweise Arbeitnehmern gewährt werden.

    Aus den einfachgesetzlichen Regelungen mit der og. Auslegung würden selbstständig tätige Personen im Rahmen des Progressionsvorbehalts stets den vollen Arbeitnehmer-Pauschbetrag von dem Elterngeld abziehen können. Das gilt unabhängig davon, dass sie bei der Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte die Betriebsausgaben in voller Höhe abziehen können. Arbeitnehmer können den Arbeitnehmer-Pauschbetrag von dem Elterngeld unproblematisch nur dann in voller Höhe abziehen, wenn sie im Veranlagungszeitraum keinerlei Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit haben. Einen Teil des Pauschbetrags können sie in Anspruch nehmen, wenn die Einnahmen unterhalb des Pauschbetrags von 920 EUR liegen, er also bei der Ermittlung der Einkünfte nicht in voller Höhe ausgeschöpft wird. Diese Konstellation dürfte in der Praxis nur auf eine sehr geringe Zahl von Arbeitnehmern zutreffen. Im Regelfall haben bezugsberechtigte Arbeitnehmer schon dann Einnahmen von über 920 EUR, wenn sie einer Voll- oder Teilzeittätigkeit nachgegangen sind und der Bezug von Elterngeld unterjährig beginnt oder endet oder sie während des Bezugs von Elterngeld eine Teilzeittätigkeit ausüben. Bei Einnahmen oberhalb des Pauschbetrags wäre dieser bei Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte zumindest abzuziehen. Werden höhere Werbungskosten geltend gemacht, wäre der Pauschbetrag nach der herrschenden Meinung verbraucht und somit bei dem Progressionsvorbehalt nicht mehr zu berücksichtigen.


    Daraus ergibt sich, dass mit Ausnahme eines zu vernachlässigenden Teils der Arbeitnehmerschaft mit Einnahmen von unter 920 EUR im Veranlagungszeitraum die nach der Lebenswirklichkeit wohl größte und in der Praxis bedeutsamste Gruppe der Bezieher von Elterngeld, nämlich die Arbeitnehmer mit nicht nur minimalen Einnahmen im Veranlagungszeitraum, das Elterngeld in voller Höhe dem Progressionsvorbehalt unterwerfen müssten. Auch diejenigen Arbeitnehmer würden den Pauschbetrag nicht in Anspruch nehmen können, die während des unterjährig beginnenden oder endenden Bezugs von Elterngelds nicht erwerbstätig sind.

    Geht man davon aus, dass hinsichtlich des Bezugs von Elterngeld typischerweise keine oder allenfalls geringfügige Aufwendungen anfallen, wird die Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern und selbstständig tätigen Personen noch deutlicher. Der selbstständig Tätige erhält bei dem Progressionsvorbehalt stets den Pauschbetrag, dem keine Aufwendungen entsprechen; die Erwerbsaufwendungen (Betriebsausgaben) sind bereits in voller Höhe gewinnmindernd behandelt worden. Der Arbeitnehmer mit maßgeblichen Einnahmen erhält nur bei Werbungskosten unterhalb des Pauschbetrags bei der Einkünfteermittlung eine steuerliche Vergünstigung, dem keine Erwerbsaufwendungen entgegenstehen. Bei dem Progressionsvorbehalt erhält er nichts. Hat er höhere Aufwendungen als den Pauschbetrag, verbleibt ihm weder bei der Einkommensermittlung noch bei dem Progressionsvorbehalt ein steuermindernder Betrag, dem keine Aufwendungen entsprechen. Somit versagt der Gesetzgeber allein dem Arbeitnehmer mit maßgeblichen Einnahmen und höheren Werbungskosten ein "Steuergeschenk". Nur er wird nach seiner Leistungsfähigkeit besteuert. Hingegen erhält der selbstständig Tätige diesen Steuervorteil unabhängig von der Höhe seiner steuerpflichtigen Einkünfte in voller Höhe. Das Gericht sieht hierin eine nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigte Benachteiligung von Steuerpflichtigen mit Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. Sie kann insbesondere nicht mit der Vereinfachung der Ermittlung von Einkünften für den Progressionsvorbehalt begründet werden. Eine vom Gesetzgeber beabsichtigte Verfahrensvereinfachung hätte auch dadurch erreicht werden könne, dass jeder Bezieher von Elterngeld einen einheitlichen oder gar keinen Abzug vornehmen kann. Das Gericht hat Zweifel daran, dass der Gesetzgeber diese steuerlichen Folgewirkungen für Bezieher von Elterngeld beabsichtigt hat, als er das Elterngeld in den § 32b Abs. 1 Nr. 1 EStG einordnete.

    b) Die für die Entscheidung des Rechtsstreits maßgebliche Vorschrift des § 32b Abs. 2 Nr. 1 EStG lässt sich jedenfalls für das Elterngeld verfassungskonform auslegen. Es gilt, die Arbeitnehmer mit den selbstständig Tätigen steuerlich gleich zu behandeln.


    Mit dieser Zielrichtung bietet es sich an, die Vorschrift mit der Meinung von Lademann a.a.O. im Wortsinne auszulegen. Danach steht für den Progressionsvorbehalt der Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 920 EUR zum Abzug zur Verfügung, wenn der Steuerpflichtige bei den Einkünften aus § 19 EStG höhere Werbungskosten geltend gemacht und das FA diese anerkennt. In diesem Fall ist der Pauschbetrag bei den Einkünften nicht "abziehbar". Für diese Auslegung spricht auch der Wortlaut insofern, als das Gesetz den Abzug vorsieht, "soweit" der Pauschbetrag nicht bei den Einkünften aus § 19 EStG abziehbar ist. Die Verwendung des Wortes "soweit" in einem Steuergesetz deutet auf die Möglichkeit einer teilweisen Berücksichtigung des Pauschbetrags hin. Ein Teilbetrag kommt aber nur in Betracht, wenn der Arbeitnehmer-Pauschbetrag bei Ermittlung der Einkünfte nicht ausgeschöpft werden kann (vgl. Wortlaut der Gesetzesbegründung BT-Drs. 11/2127 S. 150), also bei sehr geringfügigen Einnahmen. Das Gericht ist der Überzeugung, dass der Gesetzgeber bei der Formulierung nicht diese in der Praxis eher seltene Fallkonstellation regeln wollte. Daher legt das Gericht das Gesetz dahin gehend aus, dass für den Progressionsvorbehalt das bezogene Elterngeld dann um den Arbeitnehmer-Pauschbetrag vermindert wird, wenn bzw. soweit er nicht als solcher bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit abgezogen wird. Das gilt vor allem in den Fällen, in denen höhere Werbungskosten zu berücksichtigen sind.

    Eine Gleichbehandlung der hier zu betrachtenden Steuerpflichtigen könnte auch dadurch erreicht werden, dass die Steuerpflichtigen mit Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit bei dem Progressionsvorbehalt den Arbeitnehmer-Pauschbetrag nicht von dem Elterngeld abziehen können. Eine solche Auslegung steht aber in Widerspruch mit dem insofern klaren Wortlaut der Vorschrift.

    Nach Abzug des Arbeitnehmer-Pauschbetrags von 920 EUR ist das vom Kläger bezogene Elterngeld für den Progressionsvorbehalt mit 439 EUR in Ansatz zu bringen.

    5. Die Berechnung der Steuer wird gem. § 100 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) dem FA übertragen.

    6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Regelungen der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus § 151 FGO iVm. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

    7. Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

    Vorschriften§ 32b Abs. 2 Nr. 1 EStG