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  • · Fachbeitrag · Aktuelle Rechtsprechung

    Häusliches Arbeitszimmer: Wann sind die Kosten gar nicht, teilweise oder voll abzugsfähig?

    von StB Janine Peine, Wolfenbüttel, www.schmidt-kosanke.de und StB Dipl.-Bw. (FH) Christian Westhoff, Datteln

    | Sind die Kosten für ein Arbeitszimmer voll abziehbar, nur zum Teil oder gar nicht? Zu kaum einer steuerlichen Frage gibt es so viel Rechtsprechung wie zum (häuslichen) Arbeitszimmer. Und ein Ende ist nicht in Sicht, wie die zahlreichen anhängigen Verfahren zeigen. MBP bringt Sie hier auf den aktuellen Stand. |

    1. Einkommensteuerliche Grundsätze

    Bei der steuerlichen Behandlung gelten folgende Grundsätze:

     

    • Die Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer sind grundsätzlich nicht abzugsfähig (BA: § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG; WBK: § 9 Abs. 5 EStG).

     

    • Stellt das Arbeitszimmer jedoch den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung dar, besteht keine Abzugsbeschränkung.

     

    • Bildet das Arbeitszimmer zwar nicht den Mittelpunkt der Betätigung, steht aber für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, sind Kosten bis 1.250 EUR abziehbar.

     

    Liegt jedoch ein außerhäusliches Arbeitszimmer oder eine (häusliche) Betriebsstätte vor, sind die Kosten in voller Höhe abzugsfähig. Auf den Tätigkeitsmittelpunkt oder einen weiteren Arbeitsplatz kommt es nicht an.

     

    • Abgrenzungskriterien

    Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist das häusliche Arbeitszimmer ein Raum, der in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten dient (vgl. z. B. BFH 26.3.09, VI R 15/07). Der Nutzung entsprechend ist das häusliche Arbeitszimmer typischerweise mit Büromöbeln eingerichtet, wobei der Schreibtisch regelmäßig das zentrale Möbelstück darstellt.

     

    In die häusliche Sphäre eingebunden ist ein solches Arbeitszimmer regelmäßig nur, wenn es sich in einem Raum befindet, der zur privat genutzten Wohnung oder zum Wohnhaus des Steuerpflichtigen einschließlich der Zubehörräume (wie Abstell-, Keller- und Speicherräume) gehört.

     

    Ein Büroraum, der einem nicht unwesentlichen Publikumsverkehr unterliegt, ist seiner Funktion nach kein häusliches Arbeitszimmer (BFH 14.1.04, VI R 55/03).Räumlichkeiten, die ihrer Ausstattung und Funktion nach nicht einem Büro entsprechen (z. B. Lager, Werkstatt, Arztpraxis), sind auch dann nicht dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers zuzuordnen, wenn sie ihrer Lage nach mit dem Wohnraum des Steuerpflichtigen verbunden sind (BFH 26.3.09, VI R 15/07).

     

     

    2. Anderer Arbeitsplatz

    Ein anderer Arbeitsplatz i. S. dieser Vorschrift ist grundsätzlich jeder Arbeitsplatz, der zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet ist. Ein eigener, räumlich abgeschlossener Arbeitsbereich ist nicht erforderlich.

     

    Ein Poolarbeitsplatz ist nur dann ein anderer Arbeitsplatz, wenn ihn der Steuerpflichtige in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen kann (BFH 26.2.14, VI R 37/13). Eine jederzeitige Zugriffsmöglichkeit ist zwar nicht erforderlich, es muss aber gewährleistet sein, dass der Arbeitnehmer seine beruflichen Tätigkeiten in dem konkret erforderlichen Umfang dort erledigen kann.

     

    Beachten Sie | Ein anderer Arbeitsplatz steht erst dann zur Verfügung, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz tatsächlich zugewiesen hat. Ferner ist ein Raum nicht zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet, wenn wegen Sanierungsbedarfs Gesundheitsgefahr besteht (BFH 26.2.14, VI R 11/12).

     

    Auch ein Raum, in dem ein Steuerpflichtiger zuhause einen Telearbeitsplatz unterhält, kann dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers entsprechen (BFH 26.2.14, VI R 40/12). Der Werbungskostenabzug scheiterte im Streitfall, da dem Steuerpflichtigen an der Dienststelle auch ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand. Denn ihm war es weder untersagt, seinen dienstlichen Arbeitsplatz jederzeit und damit auch an den eigentlich häuslichen Arbeitstagen zu nutzen, noch war die Nutzung des dienstlichen Arbeitsplatzes in tatsächlicher Hinsicht in irgendeiner Weise eingeschränkt.

    3. Mittelpunkt der betrieblichen/beruflichen Tätigkeit

    Bei der Frage, ob das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bildet, ist der qualitative Schwerpunkt der Betätigung maßgeblich. Bei Hochschullehrern (BFH 27.10.11, VI R 71/10), Richtern (BFH 8.12.11, VI R 13/11) und Universitäts-Professoren (BFH 14.12.12, VI B 134/12) stellt das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der Betätigung dar.

     

    Ebenfalls negativ entschied der BFH (9.6.15, VIII R 8/13) bei einer selbstständigen Klavierlehrerin, die auch außerhalb des Arbeitszimmers Unterricht gab und Honorare als Konzertpianistin erzielte. Da der Publikumsverkehr zudem nicht dauerhaft/intensiv genug war, musste sie sich mit 1.250 EUR begnügen.

     

    PRAXISHINWEIS | Mehr Glück hatte ein Dirigent und Orchestermanager vor dem FG Baden-Württemberg (4.3.15, 6 K 610/14). Er durfte die Aufwendungen insgesamt als Betriebsausgaben abziehen, da er darlegen konnte, dass ihm als Manager umfangreiche Verwaltungsaufgaben übertragen worden waren, die er nur von zuhause aus erledigen konnte.

     

    Hat die betriebswirtschaftliche Tätigkeit eines Handelsvertreters im häuslichen Arbeitszimmer - ausnahmsweise - ein größeres Gewicht als die Präsenz beim Kunden vor Ort, kann das häusliche Arbeitszimmer als Mittelpunkt der Gesamttätigkeit anzusehen sein (FG Münster 5.3.15, 5 K 980/12 E).

     

    4. Umbaukosten am Gebäude

    Aufwendungen für die Renovierung des Badezimmers im privaten Einfamilienhaus, die den Wert des gesamten Hauses nachhaltig steigern, erhöhen anteilig den Betriebsausgabenabzug für das häusliche Arbeitszimmer (FG Münster 18.3.15, 11 K 829/14, Rev. BFH VIII R 16/15). Dabei argumentierte das FG u. a. wie folgt: Wären die Räume angemietet worden, würden vergleichbare Modernisierungsarbeiten zu einem Anstieg der Gesamtmiete führen und damit auch zu einem höheren Mietanteil für das Arbeitszimmer.

     

    PRAXISHINWEIS | Im Streitfall befand sich das Arbeitszimmer im Betriebsvermögen, sodass es spätestens bei Einstellung der betrieblichen Tätigkeit zur Aufdeckung der stillen Reserven kommt. Der durch die Modernisierung erhöhte Gebäudewert erhöht also - anders als Schönheitsreparaturen - auch den Entnahmewert des Arbeitszimmers. Dann ist es nach Ansicht des FG folgerichtig, die zu den stillen Reserven führenden werterhöhenden Maßnahmen auch zum Zeitpunkt ihrer Verursachung anteilig zu berücksichtigen.

     

    5. Keine Verdopplung des Höchstbetrags von 1.250 EUR

    Die Finanzverwaltung (BMF 2.3.11, IV C 6 - S 2145/07/10002) und die finanzgerichtliche Rechtsprechung lehnen eine Verdopplung des Höchstbetrags von 1.250 EUR in den folgenden Fällen grundsätzlich ab:

     

    5.1 Aufwendungen für zwei parallel genutzte Arbeitszimmer

    Nach Ansicht des FG Rheinland-Pfalz (25.2.15, 2 K 1595/13, Rev. BFH VIII R 15/15) ist der Abzugsbetrag in Höhe von 1.250 EUR objekt- und personenbezogen, sodass die parallele Nutzung zweier Arbeitszimmer in verschiedenen Hausständen nicht zu einer Verdopplung dieses Abzugsbetrags führt. Das gleiche gilt bei einem Umzug in einem Veranlagungsjahr, wenn das Arbeitszimmer gewechselt wird oder ein weiterer Raum für die zukünftige Nutzung als Arbeitszimmer hergerichtet wird.

     

    MERKE | Positiv ist hingegen, dass der Höchstbetrag von 1.250 EUR auch bei nicht ganzjähriger Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers in voller Höhe zu gewähren ist (BMF, a. a. O., Rz. 22).

     

    5.2 Höchstbetrag ist nicht einkünftebezogen

    Das Zusammentreffen mehrerer Einkunftsarten rechtfertigt die Vervielfältigung des Abzugsbetrags von 1.250 EUR selbst dann nicht, wenn für mehrere Tätigkeiten kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand (BFH 16.7.14, X R 49/11). Ob § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG insgesamt personen- oder objektbezogen ist, musste im Streitfall nicht entschieden werden.

     

    5.3 Gemeinschaftliche Nutzung des Arbeitszimmers

    Jeder Nutzer darf die Aufwendungen abziehen, die er getragen hat, wenn die Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 2 oder S. 3 EStG in seiner Person vorliegen. Steht den Nutzern jeweils nur ein beschränkter Abzug zu, ist der Höchstbetrag auf den jeweiligen Nutzenden nach seinem Nutzungsanteil aufzuteilen; er ist nicht mehrfach zu gewähren (BFH 20.11.03, IV R 30/03). Gleiches gilt, wenn nur einem Nutzenden ein beschränkter Abzug zusteht (BFH 23.9.09, IV R 21/08).

     

    • Beispiel

    Die Eheleute EM und EF nutzen ein häusliches Arbeitszimmer gemeinsam (jeweils zu 50 %). Für die im Arbeitszimmer ausgeübte Tätigkeit steht ihnen kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung. Betragen die Gesamtaufwendungen z. B. 3.000 EUR, dann können sie jeweils 625 EUR (50 % von 1.250 EUR) steuerlich abziehen.

     

     

    Beachten Sie | Endgültig entschieden ist die Frage zum Kostenabzug bei gemeinschaftlicher Nutzung allerdings noch nicht. Hier sollte der Ausgang der Revisionsverfahren (Rev. BFH VI R 53/12 sowie VI R 86/13) verfolgt werden.

    6. Arbeitszimmer bei Vermietungseinkünften

    In einem Streitfall des FG Nürnberg (12.2.14, 5 K 1251/12, Rev. BFH VIII R 34/14) erzielte ein Ruheständler neben seinen Versorgungsbezügen Beteiligungseinkünfte, Vermietungseinkünfte und Einkünfte aus Kapitalvermögen. Die Kosten seines Arbeitszimmers i. H. von 3.500 EUR machte er als Werbungskosten bei den Vermietungseinkünften geltend, was das FG Nürnberg ablehnte.

     

    Nach Auffassung des FG ist das Arbeitszimmer für seine Tätigkeit (Vermietung von drei Wohnungen, von denen eine auch noch von einer Hausverwaltung betreut wird) nicht notwendig. Ferner liegt der Mittelpunkt der Vermietungstätigkeit nicht im Arbeitszimmer, da wesentliche und die Vermietungstätigkeit prägende Betätigungen außerhalb des Arbeitszimmers erfolgen (zum Mittelpunkt bei Vermietungstätigkeit vgl. auch FG München 9.12.14, 15 K 2153/12).

     

    Beachten Sie | Das FG Nürnberg will Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur berücksichtigen, wenn sie für die Tätigkeit erforderlich sind. Um einen Missbrauch durch Verlagerung von Kosten der privaten Lebensführung in den beruflichen bzw. betrieblichen Bereich zu verhindern, sei es sachgerecht, insoweit auf die Erforderlichkeit des Aufwandes abzustellen.

     

    MERKE | Es bleibt abzuwarten, ob der BFH dieser restriktiven Sichtweise folgen wird. Im Zusammenhang mit Ruheständlern hat er indes bereits festgestellt, dass Einkünfte i. S. von § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG, die nach Erreichen der Altersgrenze aufgrund einer früheren Tätigkeit gezahlt werden, nicht in die Gesamtbetrachtung zur Beurteilung des Mittelpunkts der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung einzubeziehen sind (BFH 11.11.14, VIII R 3/12).

     

    7. Nur teilweise beruflich genutzte Arbeitszimmer

    Nach der Grundsatzentscheidung des Großen Senats des BFH (27.7.15, GrS 1/14) wirken sich Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer weiterhin nur dann steuermindernd aus, wenn die Räume nahezu ausschließlich für betriebliche oder berufliche Zwecke genutzt werden.

     

    Bei seiner Entscheidung hat sich der Große Senat wohl von praktischen Erwägungen leiten lassen (vgl. PM Nr. 6 vom 27.1.16): Dass der Raum wie ein Büro eingerichtet ist und nahezu ausschließlich zur Erzielung von Einnahmen genutzt werden muss, diene dazu, den betrieblich/beruflichen und den privaten Bereich sachgerecht voneinander abzugrenzen, Gestaltungsmöglichkeiten zu unterbinden und den Verwaltungsvollzug zu erleichtern. Bei einer Aufteilung sind diese Ziele nicht zu erreichen, da sich der Umfang der jeweiligen Nutzung innerhalb der Wohnung des Steuerpflichtigen nicht objektiv überprüfen lässt. Eine sachgerechte Abgrenzung wäre daher nicht gewährleistet.

     

    Ergebnis: Aufwendungen für Räume, die z. B. zu 60 % beruflich und zu 40 % privat genutzt werden, sind weiterhin nicht abziehbar. Auch Aufwendungen für eine „Arbeitsecke“ sind nicht abzugsfähig, da diese Räume schon ihrer Art und ihrer Einrichtung nach erkennbar auch privaten Wohnzwecken dienen.

    Quelle: Ausgabe 04 / 2016 | Seite 68 | ID 43925695