· Fachbeitrag · Bilanzanalyse
Der Quicktest als Indikator für den wirtschaftlichen Zustand des Unternehmens
von Günther Wittwer, Euskirchen
| Zur Analyse der Unternehmenssituation setzen Kreditinstitute z.B. auf statistisch-empirische Verfahren wie die lineare multivariate Diskriminanzanalyse oder Künstliche Neuronale Netze. Hierbei handelt es sich um Verfahren, die sehr aufwendig sind. Für eine erste, schnelle Beurteilung der wirtschaftlichen Lage bietet sich der von Prof. Peter Kralicek entwickelte Quicktest an, der ein Ergebnis anhand von nur vier Kennzahlen liefert. |
1. Vorbemerkungen
Zu den klassischen Aufgaben des Finanzmanagements zählt auch die Sicherstellung der Finanz- und Ertragslage. Bei der Auswertung der finanziellen Stabilität und der allgemeinen Ertragslage kann hier ein möglichst zeitnaher Quicktest hilfreich sein bzw. erste Ergebnisse liefern. Der von Prof. Peter Kralicek entwickelte Quicktest basiert auf nur zwei Kennzahlen pro Analysebereich, die wenig störanfällig sind:
- Finanzielle Stabilität: Eigenkapitalquote und Schuldtilgungsdauer in Jahren
- Ertragslage: Gesamtkapitalrentabilität und Cash-Flow in Prozent der Betriebsleistung
Hinweis | Ein Quicktest kann selbstverständlich auf der Grundlage eines Jahresabschlusses vorgenommen werden. Wegen der schnellen Durchführbarkeit bietet sich dieser Test aber auch für unterjährige Kontrollen an. Grundvoraussetzung ist hierbei eine saubere Kontenzuordnung und eine Verbuchung aller Geschäftsfälle.
2. Die Kennzahlen im Überblick
Trotz der Praxisrelevanz der Kennzahlenanalyse hat sich bis dato kein einheitliches Begriffsverständnis herausgebildet. Bei den nachfolgend vorgestellten Kennzahlen wird auf die Definitionen von Prof. Peter Kralicek abgestellt.
2.1 Eigenkapitalquote
Für den Analytiker stellt das Ergebnis der Eigenkapitalquote einen unverzichtbaren Indikator für die Haftungssubstanz und Bestandsfestigkeit eines Unternehmens dar.
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Hinweis | Eine hohe Eigenkapitalquote ist sicherlich ein Zeichen für die Überlebensfähigkeit eines Unternehmens. Indes stellt sich bei einer hohen Eigenkapitalquote auch die Frage, ob nicht durch eine Erhöhung des Fremdkapitalanteils die Rendite für die Anteilseigner gesteigert werden könnte.
2.2 Schuldtilgungsdauer in Jahren
Das Ergebnis der Schuldtilgungsdauer in Jahren zeigt an, wie viele Jahre theoretisch benötigt werden, um alle Verbindlichkeiten zurückzuzahlen (unter der Voraussetzung einer gleich bleibenden Ertragslage und ungekürzten Verwendung des Cash-Flows zur Schuldentilgung).
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2.3 Gesamtkapitalrentabilität
Die Gesamtkapitalrentabilität verdeutlicht, wie erfolgreich das im Unternehmen eingesetzte Kapital genutzt wurde. Diese Kennzahl ist aussagefähiger als die Eigenkapitalrentabilität, weil sich die Verzinsung auf das gesamte im Unternehmen investierte Kapital bezieht.
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2.4 Cash-Flow in Prozent der Betriebsleistung
Durch diese Verhältniskennzahl wird ersichtlich, wie viel Prozent der Betriebsleistung (BL) für Investitionen, Schuldentilgung und Gewinnausschüttung zur Verfügung stehen. Das Ergebnis gibt somit Aufschluss über die finanzielle Leistungsfähigkeit.
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3. Die Beurteilungsskala
Zur Beurteilung der finanziellen Stabilität und der Ertragskraft eines Unternehmens wird jede Kennzahl anhand einer Skala (sehr gut bis insolvenzgefährdet) bewertet. Aus dieser Bewertung resultiert dann jeweils eine Note für die finanzielle Stabilität und die Ertragskraft sowie eine abschließende Gesamtbeurteilung.
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Kennzahlen | sehr gut | gut | mittel | schlecht | insolvenzgefährdet |
1. Eigenkapitalquote | > 30 % | > 20 % | > 10 % | < 10 % | negativ |
2. Schuldtilgungsdauer in Jahren | < 3 Jahre | < 5 Jahre | < 12 Jahre | < 30 Jahre | > 30 Jahre |
Finanzielle Stabilität: Notendurchschnitt aus 1 und 2 | |||||
3. Gesamtkapitalrentabilität | > 15 % | > 12 % | > 8 % | < 8 % | negativ |
4. Cash-Flow in Prozent der BL | > 10 % | > 8 % | > 5 % | < 5 % | negativ |
Ertragslage: Notendurchschnitt aus 3 und 4 | |||||
Gesamtergebnis: Notendurchschnitt aus 1 bis 4 |
4. Praxisfall
Aus dem Jahresabschluss des Einzelunternehmers A ergeben sich für das Wirtschaftsjahr 2011 folgende Werte:
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Position | in EUR |
Flüssige Mittel (FLM) | 24.500 |
Eigenkapital (EK) | 230.000 |
Fremdkapital (FK) | 3.200.000 |
Gesamtkapital (GK) | 3.430.000 |
Betriebsleistung (BL) | 2.000.000 |
Fremdkapitalzinsen (FKZ) | 410.000 |
Cash Flow vor Steuern (CF) | 150.000 |
Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (EGT) | 100.000 |
Anhand dieser Werte liefert der Quicktest folgende Ergebnisse:
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Bei der Auswertung fällt auf, dass das Unternehmen in den Bereichen finanzielle Stabilität und Ertragskraft unterschiedliche Ergebnisse liefert. Ist die Ertragskraft als durchaus positiv zu bezeichnen, sieht es bei der finanziellen Stabilität alles andere als gut aus. Vorliegend muss A rund 20 % der Betriebsleistung für die Bedienung der Fremdkapitalzinsen aufwenden. Sollte die Betriebsleistung in den folgenden Jahren sinken, wird A bei der (rechtzeitigen) Tilgung der Schulden offensichtlich Probleme haben.
5. Kritische Würdigung
Der entscheidende Vorteil des Quicktests liegt auf der Hand: In nur wenigen Minuten kann die finanzielle Stabilität und die Ertragskraft eines Unternehmens beurteilt werden. Auch wenn der Quicktest relativ störunanfällige Kennzahlen verwendet, sollte das Ergebnis immer nur als erster Indikator verstanden werden. Insbesondere die folgenden Punkte sollte man stets im Blick haben:
- Kennzahlen sind nur so gut wie das zugrunde liegende Zahlenmaterial. Bei einem unterjährigen Quicktest können kalkulatorische Buchungen, eine nicht saubere Kontenzuordnung etc. das Ergebnis verzerren. Darüber hinaus birgt das Bilanzlifting (Ausnutzen von bilanzpolitischen Maßnahmen) ein gewisses „Gefahrenpotenzial“ bei der Analyse.
- Die Kennzahlen sollten über einen gewissen Zeitraum hinweg beobachtet und verglichen werden (Zeitreihenanalyse). Wird hierbei beispielsweise deutlich, dass die Eigenkapitalquote kontinuierlich abnimmt, lebt das Unternehmen von seiner Substanz.
- Darüber hinaus ist zu beachten, dass ein branchenübergreifendes Ergebnis nur eine eingeschränkte Aussagekraft besitzen kann. So schwanken beispielsweise die Grenzwerte bei der Eigenkapitalquote je nach Branche von 20 % für Industriebetriebe bis zu 10 % für den Einzelhandel.
Weiterführender Hinweis
- Unter www.kralicek.at können Sie einen Quicktest online durchführen. Nach der Eingabe von acht Unternehmenswerten erhalten Sie eine Auswertung „per Knopfdruck“.