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  • · Fachbeitrag · Gesetzgebung

    Überlange Gerichtsprozesse: So machen Sie den neuen Entschädigungsanspruch optimal geltend

    | Dauert ein (finanz)gerichtliches Verfahren länger als ein Jahr, können - nach erfolgloser Verfahrensrüge - für jedes weitere Jahr im Wege der Entschädigungsklage 1.200 EUR an Entschädigung für nichtvermögensmäßige Nachteile geltend gemacht werden. Diese Neuregelung ist höchst praxisrelevant, denn rund 15 % der finanzgerichtlichen Verfahren dauern länger als 36 Monate. Da eine Entschädigung auch für bereits anhängige Klagen beansprucht werden kann, ist eine unverzügliche Auseinandersetzung mit den materiellen Anforderungen und den Verfahrensregeln unumgänglich. |

    1. Zum Hintergrund

    Auf Druck des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) wurde durch das „Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren“ (BGBl I 11, 2302) im Ge-richtsverfassungsgesetz (GVG) ein einheitlicher Rechtsschutz für alle Gerichtsbarkeiten aufgenommen. Der dort geregelte, neue Entschädigungsanspruch bei überlangen Verfahrensdauern gilt über § 155 FGO auch im Finanzgerichtsprozess.

    2. Wann ist eine Verfahrensdauer unangemessen?

    Nach § 198 Abs. 1 S. 1 GVG kommt ein Entschädigungsanspruch nur in Betracht, wenn der Mandant durch die unangemessene Dauer eines Klageverfahrens immaterielle und/oder materielle Schäden erleidet. Das GVG trifft zur Frage der Angemessenheit keine konkrete Aussage. Unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung des EGMR (26.11.09, 13591/05) ist davon auszugehen, dass als angemessene Dauer pro Instanz rund ein Jahr anzusetzen ist (vgl. Böcker, DStR 11, 2175). Bei besonderer Bedeutung des Verfahrens für den Mandanten kann auch eine Laufzeit von unter einem Jahr ausnahmsweise unangemessen sein (EGMR 18.10.07, 4983/04).