· Fachbeitrag · Musterfall
Wechsel der Gewinnermittlungsart: Von der EÜR zur Bilanzierung
von StB Dipl.-Oec. Heiko Minninger, Ennepetal
| Der Wechsel von der Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EÜR) zur Bilanzierung kann verschiedene Gründe haben. Einerseits führt die Überschreitung bestimmter Grenzwerte zur Buchführungspflicht, andererseits können auch praktische Erwägungen einen Übergang begründen. Der Beitrag verdeutlicht anhand eines Musterfalls, welche Gewinnkorrekturen vorzunehmen sind, um das zutreffende Ergebnis zu erhalten. |
1. Anlässe für einen Wechsel
Ein freiwilliger Wechsel von der EÜR (§ 4 Abs. 3 EStG) zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG kommt insbesondere dann in Betracht, wenn bestimmte Sachverhalte nur im Rahmen der Bilanzierung gewinnmindernd abgebildet werden können. Da Banken bei Kreditentscheidungen eine Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich bevorzugen, kann eine Umstellung auch hier vorteilhaft sein. Trotz der zahlreichen Gründe für einen freiwilligen Wechsel dürfte der Übergang aus gesetzlichen Gründen aber der häufigere Fall sein.
Eine Buchführungspflicht kommt für gewerbliche Unternehmer vor allem dann in Betracht, wenn gewisse Wertgrenzen überschritten werden. Nach § 141 AO ergibt sich eine Bilanzierungspflicht, wenn der Umsatz einschließlich der steuerfreien Umsätze - ausgenommen sind jedoch die Umsätze nach § 4 Nr. 8 bis 10 UStG - im Kalenderjahr mehr als 500.000 EUR beträgt oder ein Gewinn aus Gewerbebetrieb von mehr als 50.000 EUR erzielt wurde.
BEACHTE | Ist eine der beiden Grenzen überschritten, hat dies nicht einen sofortigen Wechsel zur Folge. Die Buchführungspflicht besteht erst ab Beginn des Jahres, das auf die Aufforderung des FA folgt, den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln (§ 141 Abs. 2 AO).
Neben diesen steuerlichen Grenzen sind seit BilMoG auch handelsrechtliche Grenzen zu beachten. Nach § 241a HGB sind Einzelkaufleute von der Buchführungspflicht befreit, wenn sie an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren nicht mehr als 500.000 EUR Umsatzerlöse und 50.000 EUR Jahresüberschuss aufweisen.
BEACHTE | Verzichten Einzelkaufleute nach § 241a HGB auf eine Bilanzierung und werden die Grenzen später überschritten, tritt die Buchführungspflicht auch ohne Aufforderung durch das FA ein.
Auch bei der Betriebsaufgabe oder Betriebsveräußerung ist ein Wechsel zur Bilanzierung erforderlich (R 4.5 Abs. 6 EStR). In diesem Fall ist der Wechsel - im Gegensatz zu den überschrittenen Wertgrenzen nach § 141 AO - auch für Freiberufler verpflichtend.
2. Musterfall
Auf einem angemieteten Grundstück betreibt Peter Müller ein Einzelunternehmen, das den Verkauf und die Reparatur von Waschmaschinen zum Gegenstand hat. Zum 1.1.11 wechselt er freiwillig von der EÜR zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich. Folgende Werte wurden festgestellt:
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2.1 Vorbemerkungen
Auf den 1.1.11 ist eine Eröffnungsbilanz zu erstellen. Dabei sind die einzelnen Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, mit denen sie zu Buche stehen würden, wenn von Anfang an der Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt worden wäre (H 4.6 „Bewertung von Wirtschaftsgütern“ EStH).
Unabhängig davon, welche Gewinnermittlungsart gewählt wird, muss der Totalgewinn gleich sein. Demzufolge müssen die Unterschiede, die sich durch die unterschiedlichen Gewinnermittlungsansätze ergeben, durch Gewinnkorrekturen ausgeglichen werden. Dadurch wird sichergestellt, dass alle Geschäftsvorfälle berücksichtigt werden, und zwar nur einmal.
2.2 Anlagevermögen
Da abnutzbares Anlagevermögen in beiden Gewinnermittlungsarten planmäßig abgeschrieben wird, ergeben sich keine Unterschiede und auch kein Übergangsgewinn.
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2.3 Vorräte
Die in der Eröffnungsbilanz erfassten Waschmaschinen wirken sich beim Verkauf über den Wareneinsatz gewinnmindernd aus. Sofern die Maschinen bezahlt sind, ergab sich bereits bei der EÜR eine Gewinnminderung. Um eine doppelte Berücksichtigung zu vermeiden, erfolgt eine Hinzurechnung.
HINWEIS | Eine Gewinnkorrektur wäre vom Grundprinzip entbehrlich, soweit die Waschmaschinen noch nicht bezahlt wurden. In der Praxis wird jedoch auch dieser Bestand gewinnerhöhend hinzugerechnet. Zum Ausgleich wird der Übergangsgewinn um die Lieferantenverbindlichkeiten gemindert (vgl. Anlage 1 zu R 4.6 EStR).
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2.4 Forderungen aus Lieferungen und Leistungen
Mangels finanzieller Auswirkung wurden die Forderungen bisher nicht erfasst. Da die Vereinnahmung der Forderungen bei der Bilanzierung nicht zu einer Gewinnwirkung führt, ist eine Hinzurechnung in Höhe des Bruttobetrags vorzunehmen.
HINWEIS | Da sich im Endeffekt der Nettobetrag der Forderungen gewinnwirksam auswirken muss, erfolgt bei der Position Umsatzsteuerzahllast eine gegenläufige Korrektur.
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2.5 Sonstige Vermögensgegenstände
Für die Ansprüche aus Versicherungserstattungen muss eine Gewinnkorrektur erfolgen, da mangels Zufluss bis dato noch keine Gewinnauswirkung eingetreten ist und der Zahlungseingang bei der Bilanzierung erfolgsneutral gebucht wird.
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2.6 Bankguthaben
Beim Bankguthaben handelt es sich um ein Bestandskonto, das den Gewinn nicht beeinflusst. Korrekturen ergeben sich folglich nicht.
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2.7 Aktiver Rechnungsabgrenzungsposten
Die vorausgezahlten Versicherungsbeiträge stellten bei der EÜR bereits im Jahr 2010 Betriebsausgaben dar. Da sich beim Betriebsvermögensvergleich mit Auflösung des gebildeten Aktivpostens erneut eine Gewinnminderung ergibt, hat zur Vermeidung einer Doppelerfassung eine Hinzurechnung zu erfolgen.
HINWEIS | Aufmerksamkeit ist geboten, wenn es sich um regelmäßig wiederkehrende Ausgaben i.S. des § 11 Abs. 2 S. 2 EStG handelt, die auch nach EÜR-Grundsätzen nicht im Zahlungsjahr, sondern im Jahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit zu erfassen sind. In diesen Fällen erfolgt keine Korrektur.
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2.8 Sonstige Rückstellungen
In der EÜR erfolgte bislang keine gewinnwirksame Berücksichtigung, da die damit im Zusammenhang stehenden Zahlungen noch nicht erfolgt sind. Da ein Verbrauch der Rückstellung keine Gewinnwirkungen auslöst, ist ein Gewinnabschlag erforderlich.
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2.9 Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen
Aus den unter Punkt 2.3 geschilderten Vereinfachungsgründen ist eine gewinnmindernde Korrektur vorzunehmen.
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2.10 Sonstige Verbindlichkeiten
Wegen der Erfolgsneutralität der Umsatzsteuer ist die Umsatzsteuerzahllast in Höhe von 1.700 EUR gewinnmindernd zu behandeln.
HINWEIS | Keine Korrektur ist indes vorzunehmen, wenn es sich um eine für das vorangegangene Kalenderjahr geschuldete und innerhalb von 10 Tagen nach Beendigung dieses Kalenderjahres entrichtete Umsatzsteuervorauszahlung handelt. Da diese Vorauszahlung als regelmäßig wiederkehrende Ausgabe i.S. des § 11 Abs. 2 S. 2 EStG gilt, ist sie im Jahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit abzugsfähig (BFH 1.8.07, XI R 48/05).
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2.11 Zusammenfassung
Nachfolgend ist sowohl die Eröffnungsbilanz zum 1.1.11 als auch die Zusammensetzung des Übergangsgewinns dargestellt:
Übergangsgewinn:
Warenbestand | + 60.000 |
Forderungen aus Lieferungen und Leistungen | + 23.800 |
Sonstige Vermögensgegenstände | + 3.000 |
Aktiver Rechnungsabgrenzungsposten | + 2.000 |
Sonstige Rückstellungen | - 1.000 |
Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen | - 11.900 |
Sonstige Verbindlichkeiten | - 1.700 |
+ 74.200 |
HINWEIS | Um Härten zu vermeiden, kann der Übergangsgewinn auf Antrag entweder gleichmäßig auf das Jahr des Übergangs und das Folgejahr oder auf das Jahr des Übergangs und die beiden folgenden Jahre verteilt werden (R 4.6 Abs. 1 S. 4 EStR). Die steuerlichen Folgen der Umstellung werden damit sowohl in der Progression als auch durch Stundungseffekte abgemildert.
Weiterführender Hinweis
- Praxisleitfaden: Von der Bilanzierung zur Einnahmen-Überschuss-Rechnung (Minninger, MBP 09, 180)