· Fachbeitrag · Steuererklärung
Aktuelle Brennpunkte bei der Gewerbesteuer
von Dipl.-Finw. (FH) Karl-Heinz Günther, Übach-Palenberg und StB Dipl.-Bw. (FH) Christian Westhoff, Datteln
| Die Gewerbesteuer wird seit Jahren kontrovers diskutiert. Die einen fordern deren Abschaffung, die anderen wollen auch die freien Berufe in die Gewerbesteuerpflicht einbeziehen (vgl. u.a. den Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 28.1.15, BT-Drs. 18/3838). Dies ist jedoch „Zukunftsmusik“. Für den steuerlichen Berater gilt es vielmehr, sich mit der aktuellen Rechtslage zu beschäftigen - und hier sind, wie unsere Leseranfragen und die aktuelle Rechtsprechung zeigen, wichtige Punkte zu beachten. |
1. Mehrere Gewerbebetriebe
Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird (§ 2 Abs. 1 GewStG). Dabei ist unter Gewerbebetrieb ein gewerbliches Unternehmen i.S. des § 15 EStG zu verstehen.
Da Besteuerungsgegenstand „der Gewerbebetrieb“ ist, kann der Steuerpflichtige durchaus mehrere Gewerbebetriebe unterhalten. Die Zusammenfassung mehrerer Betätigungen zu einem einzigen Gewerbebetrieb erfordert einen wirtschaftlichen, organisatorischen und finanziellen Zusammenhang zwischen den Betätigungen. Eine besondere Bedeutung kommt der Gleichartigkeit der Betätigungen - bzw. bei ungleichartigen Betätigungen der Möglichkeit einer Ergänzung der verschiedenen Tätigkeiten - zu. Damit gewinnt das Merkmal des „wirtschaftlichen Zusammenhangs“ besonderes Gewicht für die Gesamtbeurteilung (BFH 20.3.13, X R 38/11).
Hinweis | Mehrere selbstständige Betriebe sind regelmäßig günstiger, weil der Steuerpflichtige dann den Freibetrag nach § 11 Abs. 1 GewStG für jeden Betrieb in Anspruch nehmen kann. Nachteilig kann jedoch sein, dass eine Verlustverrechnung zwischen den Betrieben nicht möglich ist.
|
A hat auf dem Dach seines Einzelhandelsbetriebs eine Fotovoltaikanlage errichtet. Durch den Einzelhandel erzielt er einen Gewerbeertrag von 18.000 EUR. Der Betrieb der Fotovoltaikanlage generiert einen Gewerbeertrag von 10.000 EUR. Nach einem Urteil des BFH (24.10.12, X R 36/10) handelt es sich hier um ungleichartige Tätigkeiten, die einander weder fördern noch ergänzen, sodass zwei selbstständige Gewerbebetriebe vorliegen. Da der Freibetrag i.H. von 24.500 EUR somit zweimal genutzt werden kann, fällt keine Gewerbesteuer an.
Abwandlung: Der Gewerbeertrag des Einzelhandels beträgt 55.000 EUR. Aus dem Betrieb der Fotovoltaikanlage erzielt A einen Verlust von 18.000 EUR. Für den Einzelhandel verbleibt nach Abzug des Freibetrags ein steuerpflichtiger Gewerbeertrag von 30.500 EUR. Der Verlust aus dem Betrieb der Fotovoltaikanlage kann nur in den nächsten VZ vorgetragen werden. Hier wäre ein einheitlicher Gewerbebetrieb wegen der direkten Verlustverrechnung ggf. günstiger. |
2. Hinzurechnungen
Nach § 7 S. 1 GewStG ist der Gewerbeertrag der nach den Vorschriften des EStG oder des KStG zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, vermehrt und vermindert um die Hinzurechnungen und Kürzungen nach § 8 und § 9 GewStG.
2.1 Miet- und Pachtzinsen
Gerade bei den Hinzurechnungen kommt es immer wieder zu Diskussionen in Betriebsprüfungen. Nach Ansicht des FG Hamburg (29.2.12, 1 K 138/10) verstoßen die Hinzurechnungen gemäß § 8 Nr. 1a (Entgelte für Schulden), d und e (Miet- und Pachtzinsen) GewStG gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip. Das Verfahren ist beim BVerfG (1 BvL 8/12) anhängig. Die Finanzverwaltung erlässt Gewerbesteuermessbescheide insoweit nur vorläufig nach § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AO (Gleich lautende Ländererlasse vom 30.11.12, BStBl I 12, 1098).
Bis zu einer Entscheidung des BVerfG sind darüber hinaus zwei vor dem BFH anhängige Verfahren ausgesetzt. Hier geht es um folgende Punkte:
- Rev. BFH IV R 55/10: Nach Ansicht der Finanzverwaltung (koordinierter Ländererlass vom 2.7.12, Rz. 29a) liegt bei einer Weitervermietung von Wirtschaftsgütern auf jeder Stufe der Überlassung eine Benutzung i.S. des § 8 Nr. 1d bzw. e GewStG vor. Eine Saldierung von Mietaufwendungen und Mieterträgen kommt nicht in Betracht. Dies bedeutet, dass 50 % der Büromiete dem Gewerbeertrag hinzugerechnet werden müssen, obwohl sich die anteilige Raummiete wegen der Weitervermietung nicht gewinnmindernd ausgewirkt hat.
- Rev. BFH IV R 24/11: Ferner liegt dem BFH die Frage vor, ob Aufwendungen eines Konzertveranstalters für die jeweils kurzfristige Anmietung verschiedener Veranstaltungsimmobilien der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1e GewStG unterliegen (zustimmend: FG Niedersachsen 26.5.11, 10 K 290/10).
- Hinweis | Zumindest bei Verträgen über kurzfristige Hotelnutzungen oder bei kurzfristigen Pkw-Mietverträgen kann eine Hinzurechnung unterbleiben (koordinierter Ländererlass vom 2.7.12, Rz. 29b).
2.2 Gewinnanteile
Nach § 8 Nr. 5 GewStG werden nach dem Teileinkünfteverfahren bzw. § 8b Abs. 1 KStG steuerfrei gebliebene Gewinnausschüttungen hinzugerechnet, soweit nicht die von § 9 Nr. 2a GewStG geforderte Mindestbeteiligung von 15 % zu Beginn des Erhebungszeitraums vorliegt.
|
Einzelunternehmer A hält in seinem Betriebsvermögen eine Beteiligung von 12 % an der B-GmbH. In 2014 erhält er eine Ausschüttung i.H. von 50.000 EUR. Da 40 % der Gewinnausschüttung nach § 3 Nr. 40 EStG steuerfrei sind, beträgt der steuerpflichtige Teil 30.000 EUR. Gewerbesteuerlich sind die einkommensteuerfreien 20.000 EUR wieder hinzuzurechnen, da die Beteiligung weniger als 15 % beträgt. |
Die ertragsteuerliche Behandlung kann wie folgt zusammengefasst werden:
§ 8b Abs. 4 S. 6 KStG enthält eine Rückbeziehungsfiktion. Danach gilt der Erwerb einer Beteiligung von mindestens 10 % als zu Beginn des Kalenderjahres erfolgt (vertiefend: OFD Frankfurt 2.12.13, S 2750a A - 19 - St 52). Für die gewerbesteuerliche 15 %-Grenze ist jedoch zu beachten, dass das GewStG in diesen Fällen keine Rückbeziehungsfiktion kennt (vgl. auch Lipp, NWB 14, 2403).
|
Die A-GmbH erwirbt am 1.3.14 eine Beteiligung an der X-GmbH i.H. von 30 %. Am 1.9.14 erhält die A-GmbH eine Gewinnausschüttung i.H. von 100.000 EUR.
Nach § 8b Abs. 4 S. 6 KStG gilt der Beteiligungserwerb als zu Beginn des Kalenderjahres erfolgt. Demzufolge verbleibt nach § 8b Abs. 1 i.V. mit § 8b Abs. 5 KStG nur eine 5 %-ige Belastung mit Körperschaftsteuer (= 5.000 EUR). Gewerbesteuerlich lag die von § 9 Nr. 2a GewStG geforderte Mindestbeteiligung am 1.1.14 nicht vor, sodass eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG erfolgen muss. |
3. Anrechnung der Gewerbesteuer
Die Gewerbesteuerbelastung wird nach § 35 EStG dadurch kompensiert, dass die tarifliche Einkommensteuer um das 3,8-fache des festgesetzten Steuermessbetrags gemindert wird. Der Ermäßigungshöchstbetrag ist nach § 35 Abs. 1 S. 2 EStG wie folgt zu ermitteln:
|
Darüber hinaus ist die Steuerermäßigung auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer beschränkt (§ 35 Abs. 1 S. 5 EStG).
Ob die Begrenzung nach § 35 Abs. 1 S. 5 EStG bei Beteiligungen an mehreren Mitunternehmerschaften für jede Beteiligung getrennt (betriebsbezogen) oder zusammengefasst (unternehmerbezogen) zu ermitteln ist, ist noch nicht höchstrichterlich geklärt. Das FG Münster (24.10.14, 4 K 4048/12 E) hat sich kürzlich für eine betriebsbezogene Betrachtungsweise ausgesprochen und damit die Sichtweise der Finanzverwaltung (BMF 25.11.10, IV C 6 - S 2296 a/09/10001) bestätigt (im Kern zustimmend: FG Schleswig-Holstein 29.10.14, 5 K 115/12).
| |||
A hat im VZ 2014 Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus zwei KG-Beteiligungen erzielt. Im Zuge der gesonderten und einheitlichen Feststellungen wurden ihm folgende Beträge zugerechnet: | |||
Gesellschaft | GewSt-Messbetrag (anteilig) | GewSt-Hebesatz | GewSt (anteilig) |
B-KG | 2.000 EUR | 400 % | 8.000 EUR |
C-KG | 1.500 EUR | 350 % | 5.250 EUR |
Summe | 3.500 EUR | 13.250 EUR |
Nach der betriebsbezogenen Sichtweise ergibt sich folgende Berechnung:
| ||||
Gesellschaft | GewSt-Messbetrag(anteilig) | Faktor 3,8 | GewSt (anteilig) | Ermäßigung |
B-KG | 2.000 EUR | 7.600 EUR | 8.000 EUR | 7.600 EUR |
C-KG | 1.500 EUR | 5.700 EUR | 5.250 EUR | 5.250 EUR |
Summe | 3.500 EUR | 13.300 EUR | 13.250 EUR | 12.850 EUR |
Konsequenz: Bestehen Beteiligungen in Gemeinden mit unterschiedlichen Hebesätzen, scheidet ein Ausgleich eines Anrechnungsvolumens, das niedriger als die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer ist, mit einem (anderen) Anrechnungsvolumen, das höher als die von der Gesellschaft (anteilig) zu zahlende Gewerbesteuer ist, aus (Kreft, GStB 15, 129).
Wendet man hingegen die unternehmerbezogene Betrachtungsweise an, besteht insoweit keine Beschränkung:
| ||||
Gesellschaft | GewSt-Messbetrag (anteilig) | Faktor 3,8 | GewSt (anteilig) | Ermäßigung |
B-KG und C-KG | 3.500 EUR | 13.300 EUR | 13.250 EUR | 13.250 EUR |
Da gegen beide FG-Entscheidungen die Revision anhängig ist (FG Münster: Rev. BFH X R 62/14; FG Schleswig-Holstein: Rev. BFH X R 12/15), wird der BFH bald Gelegenheit haben, zu dieser praxisrelevanten Frage Stellung zu nehmen.