· Fachbeitrag · Anlagenbuchhaltung
Ausweisfrage: Zusammengesetztes Wirtschaftsgut oder mehrere Einzelwirtschaftsgüter?
von StB Dipl.-Bw. (FH) Thorsten Normann, Olsberg
| In der Anlagenbuchhaltung stellt sich oftmals die Frage, ob eine neue Anlage als ein zusammenhängendes Wirtschaftsgut zu aktivieren ist oder ob mehrere Einzelwirtschaftsgüter vorliegen. Der Beitrag verdeutlicht zunächst die bilanzsteuerliche Tragweite dieser Entscheidung. Anschließend werden wichtige praktische Abgrenzungskriterien vorgestellt. |
1. Tragweite der Entscheidung
Aus der Klassifizierung (Einzelwirtschaftsgut versus zusammengesetztes, einheitliches Wirtschaftsgut) resultieren zahlreiche Auswirkungen. Zu nennen sind insbesondere folgende Punkte:
- Ein einheitliches Wirtschaftsgut ist in der Anlagenbuchhaltung naturgemäß einfacher zu aktivieren und zu pflegen, als eine Anlage, die aus mehreren Einzelwirtschaftsgütern besteht. Darüber hinaus führt die Zusammenfassung zu einer Gesamtanlage zu einer Verkürzung des Bestandsverzeichnisses. Dies hat nicht zuletzt Vorteile bei der jährlichen Anlageninventur.
- In der Regel haben die Einzelwirtschaftsgüter in den amtlichen AfA-Tabellen eine andere Nutzungsdauer als die Gesamtanlage. Die bilanziellen und steuerlichen Auswirkungen können je nach Wirtschaftsgut sowohl positiv als auch negativ sein.
- Werden bei Gesamtanlagen einzelne Bestandteile ersetzt, liegt oftmals laufender Reparaturaufwand vor. Bei einer separaten Aktivierung müssen die Einzelwirtschaftsgüter hingegen ausgebucht und die neuen Wirtschaftsgüter über die neue Nutzungsdauer abgeschrieben werden.
- Bei einer größeren Gesamtanlage wird in der Praxis eine Erweiterung oder wesentliche Verbesserung tendenziell seltener angenommen als bei der Aktivierung von Einzelwirtschaftsgütern.
2. Praktische Abgrenzungskriterien
Bei der Klassifizierungsentscheidung ist zunächst der handelsrechtliche Einzelbewertungsgrundsatz (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB) zu beachten, der auch für die Steuerbilanz gilt (§ 5 Abs. 1 EStG). Darüber hinaus muss nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung eine Abwägung erfolgen, ob der Vermögensgegenstand selbstständig nutzbar oder Teil einer Bewertungseinheit ist. Von entscheidender Bedeutung ist, in welchem betrieblichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang der Vermögensgegenstand genutzt werden soll.
Diese relativ abstrakten Grundsätze müssen in der Praxis „mit Leben gefüllt werden“. Auf der Grundlage der Rechtsprechung (z.B. BFH 14.4.11, IV R 46/09) und der Verwaltungsanweisungen (H 6.13 „Selbstständige Bewertbarkeit bzw. Nutzungsfähigkeit“ EStH) ist insbesondere anhand der folgenden vier Fragen abzuwägen, ob zusammengestellte Gegenstände jeweils für sich selbstständig bewertbar sind oder eine Gesamtanlage und damit ein einheitliches Wirtschaftsgut bilden (vgl. auch Urbahns in StuB 09, 869 ff.):
- Wird ein gemeinsamer Zweck erfüllt?
- Wie hoch ist der Grad der Festigkeit einer vorgenommenen Verbindung?
- Auf welche Dauer ist die Verbindung angelegt?
- Wie ist das äußere Erscheinungsbild?
Zunächst muss überprüft werden, ob ein gemeinsamer Zweck verfolgt wird. Hiervon ist in der Regel auszugehen, wenn einem Gegenstand schon aus rein technischen Gründen allein keine Nutzbarkeit zukommt. Demgegenüber genügt eine bloße Abgestimmtheit aufgrund bestimmter, branchentypischer Fertigungsnormen nicht (BFH 17.9.00, III R 71/97).
Ein zweites Indiz ist der Grad der Festigkeit der Verbindung. Beispielsweise entschied der BFH (9.8.01, III R 43/98), dass Schreibtischkombinationsteile durchaus selbstständige Wirtschaftsgüter darstellen, auch wenn diese mit einer einfachen Schraubverbindung verbunden sind.
Die geplante Verbindungsdauer muss ebenfalls beachtet werden. Ist sie deutlich kürzer als die betriebliche Nutzungsdauer eines Bestandteils, sollte eine separate Bilanzierung erfolgen, wenn davon auszugehen ist, dass die Wirtschaftsgüter nach der Verbindung einzeln weitergenutzt werden.
Auch das äußere Erscheinungsbild der Verbindung muss berücksichtigt werden. Zum Beispiel spricht das äußere Erscheinungsbild eines Flugzeugs gegen eine getrennte Aktivierung von Triebwerken und Rumpf.
Beachten Sie | Die Verwaltung steht einer gemeinsamen Aktivierung scheinbar offen gegenüber. Nach R 5.4 Abs. 2 EStR können Gegenstände, die eine geschlossene Anlage bilden, statt in ihren einzelnen Teilen als Gesamtanlage in das Bestandsverzeichnis eingetragen werden (z.B. die einzelnen Teile eines Hochofens einschließlich Zubehör).
3. Exkurs zum Komponentenansatz
Nach den IFRS gilt der Komponentenansatz für die Bewertung aller Sachanlagen. So müssen nach IAS 16.43 alle wertmäßig bedeutsamen Teile einer Sachanlage getrennt entsprechend ihrer Nutzungsdauer abgeschrieben werden. Das IDW (RH HFA 1.016) erachtet den Komponentenansatz auch für das HGB als zulässig, wobei im Vergleich zu den IFRS zum Teil erhebliche Unterschiede bestehen. Z.B. sind Großreparaturen und Inspektionen (vgl. IAS 16.14) nicht als eigene Komponenten zugelassen. Steuerlich wird der Komponentenansatz von der Rechtsprechung des BFH (26.11.73, GrS 5/71) grundsätzlich abgelehnt (zu weiteren Ausführungen vgl. Graf in BBP 14, 52 ff.).