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  • · Fachbeitrag · Betriebsveräußerung

    Wiederkehrende Bezüge: Sofortversteuerung oder besser nachträgliche Versteuerung wählen?

    von StBin Dipl.-Kffr. Vera Frey, Waltrop

    | Möchte der Verkäufer eines Betriebs oder einer wesentlichen Beteiligung weiterhin laufende Einnahmen beziehen, können als Gegenleistung wiederkehrende Bezüge vereinbart werden. Ob in diesen Fällen die Sofortversteuerung oder die nachträgliche Versteuerung (Wahlrecht) günstiger ist, wird im Beitrag näher betrachtet. |

    1. Vorbemerkungen

    Basiert die Betriebsveräußerung oder der Verkauf der wesentlichen Beteiligung auf einem vollentgeltlichen Leistungsaustausch, d.h., Leistung und Gegenleistung stehen sich nach kaufmännischen Gesichtspunkten gleichwertig gegenüber, ist ein Veräußerungsgewinn/-verlust nach § 16 EStG bzw. § 17 EStG zu ermitteln. Der Veräußerer kann zwischen der Sofortversteuerung und der nachträglichen Versteuerung (auch Zuflussversteuerung genannt) wählen, sofern der Verkauf gegen wiederkehrende Bezüge erfolgte (R 16 Abs. 11, R 17 Abs. 7 EStR).

     

    Als wiederkehrende Bezüge i.S. des Wahlrechts gelten insbesondere Leibrenten. Allerdings können auch Ratenzahlungen über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren begünstigt sein, wenn die Vertragsgestaltung eindeutig die Absicht zum Ausdruck bringt, dass dem Veräußerer langfristig eine zusätzliche Versorgung gewährt werden soll (H 16 Abs. 11 EStH „Ratenzahlungen“). Ebenfalls erfasst werden Zeitrenten mit langer, nicht mehr überschaubarer Laufzeit und dem Nebenzweck der Versorgung des Veräußerers (H 16 Abs. 11 EStH „Zeitrente“).

     

    Die Ausübung des Wahlrechts ist an keine Formvorschrift gebunden und kann bis zur Bestandskraft der Veranlagung des Jahres, in dem die Veräußerung stattgefunden hat, erfolgen (a.A. Wacker, in Schmidt, EStG, § 16, Rz. 226, wonach das Wahlrecht spätestens mit Abgabe der Einkommensteuererklärung für den VZ der Veräußerung auszuüben ist). Bei Personengesellschaften ist zu beachten, dass das Wahlrecht von jedem Mitunternehmer gesondert ausgeübt werden kann.

    2. Sofortversteuerung

    Bei der Sofortversteuerung ist der Veräußerungsgewinn im Zeitpunkt der Veräußerung zu versteuern. Dieser ergibt sich aus dem Barwert der wiederkehrenden Bezüge abzüglich der Veräußerungskosten und dem Buchwert des steuerlichen Kapitalkontos (bzw. der Anschaffungskosten der Anteile i.S. des § 17 EStG). Bei der Ermittlung des Barwerts ist grundsätzlich ein Zinssatz von 5,5 % zu verwenden, sofern keine andere Verzinsung vereinbart wurde.

     

    Wählt der Steuerpflichtige die Sofortversteuerung, kann bei einer Betriebsveräußerung der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG (max. 45.000 EUR) und die Tarifbegünstigung nach § 34 EStG in Anspruch genommen werden. Befinden sich im Betriebsvermögen Anteile an Kapitalgesellschaften, ist insofern das Teileinkünfteverfahren anzuwenden. Die Tarifbegünstigung nach § 34 EStG scheidet dann insoweit aus.

     

    Beachten Sie | Der in den Leibrenten enthaltene Ertragsanteil führt zu sonstigen Einkünften i.S. des § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a, Doppelbuchst. bb EStG. Bei Zeitrenten oder Ratenzahlungen ist der Zinsanteil als Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu versteuern.

    3. Zuflussversteuerung

    Bei der Zuflussversteuerung sind die in den Zahlungen enthaltenen Tilgungsanteile nach Verrechnung mit den Veräußerungskosten und dem Buchwert des steuerlichen Kapitalkontos (bzw. den Anschaffungskosten nach § 17 EStG) als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu versteuern (§§ 15, 17 i.V. mit § 24 Nr. 2 EStG). Die Versteuerung erfolgt somit aus zeitlicher Sicht später. Allerdings können der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG und die Tarifbegünstigung nach § 34 EStG nicht in Anspruch genommen werden.

     

    Der in den wiederkehrenden Bezügen enthaltene Zinsanteil ist bereits im Zeitpunkt des Zuflusses als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln. Bei einer Beteiligung nach § 17 EStG gilt Folgendes: Beim Zinsanteil der Leibrenten handelt es sich um sonstige Einkünfte i.S. von § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a EStG. Der Zinsanteil der Ratenzahlungen unterliegt der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.

     

    PRAXISHINWEIS | Bei einer Veräußerung nach § 17 EStG darf das Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren auf den Tilgungsanteil nur dann angewendet werden, wenn deren Anwendung bereits im Zeitpunkt der Anteilsveräußerung zulässig war. Es ist also das Recht anzuwenden, das im Zeitpunkt der Veräußerung galt (BMF 3.8.04, IV A 6 - S 2244 - 16/04). Der BFH (18.11.14, IX R 4/14) hat demgegenüber jüngst entschieden, dass die aktuelle Rechtslage im Zahlungszeitpunkt anzuwenden ist, was insbesondere für Verkäufe vorteilhaft sein kann, die vor dem Systemwechsel zum Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren stattgefunden haben.

     

    4. Vergleichsberechnung

    Die Steuerfolgen der Sofort- und Zuflussversteuerung werden nachfolgend an zwei Beispielen verdeutlicht.

     

    • Beispiel (Verkauf gegen Ratenzahlung)

    A (60 Jahre) veräußert seinen Betrieb (Buchwert 10.000 EUR) zum 1.1.15 gegen einen in 11 Jahresraten zu zahlenden Kaufpreis von 110.000 EUR. Die erste der jährlichen Raten von 10.000 EUR ist am 31.12.15 zur Zahlung fällig. Eine Verzinsung ist nicht vereinbart. Durch die Ratenzahlungen soll dem A eine Versorgung gewährt werden, sodass die Sofort- und die Zuflussversteuerung möglich sind.

     

     

    Zuflussversteuerung

    Die Jahresraten von 10.000 EUR sind nach Tab. 2 zu § 12 Abs. 1 BewG in einen Tilgungs- und einen Zinsanteil aufzuteilen (gleichlautender Erlass vom 10.10.10, BStBl I, 810). Der jeweilige Tilgungsanteil unterliegt nach Verrechnung mit dem Buchwert des steuerlichen Kapitalkontos von 10.000 EUR im Jahr des Zuflusses, also erstmals 2016, als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Besteuerung. Die Zinsanteile sind im Zuflussjahr als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu versteuern (§ 15 i.V. mit § 24 Nr. 2 EStG).

     

    • Ermittlung Zuflussversteuerung (in EUR)
    Jahr
    Rate
    Barwert
    am 1.1
    Barwert
    am 31.12
    Tilgungsanteil
    Zinsanteil
    steuerpflichtiger
    Tilgungsanteil

    2015

    10.000

    83.150

    77.450

    5.700

    4.300

    0

    2016

    10.000

    77.450

    71.430

    6.020

    3.980

    1.720

    2017

    10.000

    71.430

    65.090

    6.340

    3.660

    6.340

    ...

    2023

    10.000

    27.720

    18.970

    8.750

    1.250

    8.750

    2024

    10.000

    18.970

    9.740

    9.230

    770

    9.230

    2025

    10.000

    9.740

    0

    9.740

    260

    9.740

    Summe

    110.000

    83.150

    26.850

    73.150

     

    Sofortversteuerung

    Der Veräußerungsgewinn nach § 16 EStG errechnet sich wie folgt:

     

    • Ermittlung Sofortversteuerung

    Barwert der Kaufpreisraten

    83.150 EUR

    abzüglich Buchwert steuerliches Kapitalkonto

    10.000 EUR

    Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 2 EStG

    73.150 EUR

    Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG

    45.000 EUR

    steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn

    28.150 EUR

     

    Der Veräußerungsgewinn i.H. von 28.150 EUR unterliegt in 2015 der Besteuerung, wobei die Tarifbegünstigung nach § 34 EStG in Anspruch genommen werden kann. Der Zinsanteil, der in den Raten enthalten ist, ergibt sich ebenfalls aus der Tab. 2 zu § 12 BewG (s.o.) und unterliegt im Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses als Einkünfte aus Kapitalvermögen der Besteuerung.

     

    PRAXISHINWEIS | Auf den ersten Blick erscheint die Sofortversteuerung infolge des Freibetrags und der Tarifbegünstigung vorteilhafter zu sein. Bei der Entscheidung ist aber auch zu berücksichtigen, wie hoch die anderen Einkünfte in den Folgejahren bis 2025 sind. Sind diese niedrig, würden die nachträglichen Betriebseinnahmen bei der Zuflussversteuerung ggf. einem geringeren Einkommensteuersatz unterliegen als im Zeitpunkt der Veräußerung.

     
    • Beispiel Abwandlung (Verkauf gegen Leibrente)

    A vereinbart anstatt eines in Raten zu zahlenden Kaufpreises die Zahlung einer monatlichen Leibrente i.H. von 550 EUR.

     

     

    Zuflussversteuerung

    Da die Tilgungsanteile in den Rentenzahlungen den Buchwert des steuerlichen Kapitalkontos des A in 2020 übersteigen, sind ab diesem Zeitpunkt nachträgliche Betriebseinnahmen anzusetzen. Die Zinsanteile sind bereits ab 2015 als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu versteuern. Bis zum Ende der Rentenzahlung ergibt sich folgende Berechnung (Auszug). Der Barwert ergibt sich aus der Tabelle zu § 14 BewG (BMF 26.10.12, IV D 4 - S 3104/09/10001).

     

    • Ermittlung Zuflussversteuerung (in EUR)
    Jahr
    Leibrente
    Barwert
    am 1.1
    Barwert
    am 31.12
    Tilgungsanteil
    Zinsanteil
    steuerpflichtiger
    Tilgungsanteil

    2015

    6.600

    83.906

    82.223

    1.683

    4.917

    0

    ...

    2019

    6.600

    76.844

    74.936

    1.908

    4.692

    0

    2020

    6.600

    74.936

    72.983

    1.953

    4.647

    923

    ...

    2024

    6.600

    66.812

    64.687

    2.125

    4.475

    2.125

    ...

     

    Sofortversteuerung

    Der Barwert der Leibrente ist mit Faktor 12,713 aus der Tabelle zu § 14 BewG (BMF 26.10.12, a.a.O.) zu berechnen. Danach ergibt sich folgender Veräußerungsgewinn:

     

    • Ermittlung Sofortversteuerung

    Barwert der Leibrente (12 x 550 EUR x 12,713)

    83.906 EUR

    abzüglich Buchwert steuerliches Kapitalkonto

    10.000 EUR

    Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 2 EStG

    73.906 EUR

    Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG

    45.000 EUR

    steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn

    28.906 EUR

     

    Die Rente ist ab dem VZ 2015 mit dem Ertragsanteil nach § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a, Doppelbuchst. bb EStG zu versteuern:

     

    • Ermittlung jährlicher Ertragsanteil

    Jahresbetrag der Leibrente (550 EUR x 12)

    6.600 EUR

    Ertragsanteil (22 %)

    1.452 EUR

    abzüglich Pauschbetrag nach § 9a Nr. 3 EStG

    102 EUR

    jährliche Einkünfte

    1.350 EUR

    Quelle: Ausgabe 07 / 2015 | Seite 117 | ID 43386176