· Fachbeitrag · Checklisten
Der Wechsel der Gewinnermittlungsart: Optimierte Arbeitsabläufe mittels Checklisten
von StB Dipl.-Finw. (FH) Jutta Liess, Traunreut
| Es gibt viele Gründe für einen Wechsel der Gewinnermittlungsart: Beispielsweise müssen einige Unternehmer wegen überschrittener Grenzwerte wechseln, aber auch praktische Überlegungen können eine Rolle spielen. Um Sie bei einem Wechsel von der Einnahmen-Überschussrechnung (EÜR) zur Bilanzierung (und umgekehrt) zu unterstützen, hat „Mandat im Blickpunkt“ die jeweiligen Anlässe und die notwendigen Korrekturen in zwei Checklisten zusammengestellt. |
1. Vorbemerkungen
Bilanzierung und EÜR erfassen bestimmte Geschäftsvorfälle in ihrer gewinnwirksamen Auswirkung teilweise zu verschiedenen Zeitpunkten. Dadurch können sich unterschiedliche Periodengewinne ergeben, während der Totalgewinn des Unternehmens letztendlich gleich ist bzw. sein soll. Soweit erfolgswirksame Vorgänge infolge des Wechsels gar nicht oder doppelt berücksichtigt würden, müssen entsprechende Korrekturen in Form von Zu- und Abrechnungen vorgenommen werden.
Zur Ermittlung der notwendigen Korrekturen bieten sich drei Prüfschritte an:
- 1. Wie hat sich der Geschäftsvorfall in der bisherigen Gewinnermittlung ausgewirkt?
- 2. Wie wird sich der Geschäftsvorfall in der künftigen Gewinnermittlung auswirken?
- 3. Kommt es zu keiner oder einer doppelten Gewinnauswirkung? -> Korrektur
Hinweis | Zu den grundsätzlichen Unterschieden zwischen der Bilanzierung und der EÜR vgl. die „Checkliste zur Einnahmen-Überschussrechnung“, die Sie unter mbp.iww.de (Rubrik Downloads/Checklisten) kostenlos herunterladen können.
2. Checklisten
Checkliste / Wechsel von der Einnahmen-Überschussrechnung zur Bilanzierung | |||
I. | Anlässe | ||
1. | Ein Wechsel muss erfolgen, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen: | ||
a)
| gewerbliche Nicht-Kaufleute überschreiten die steuerlichen Wertgrenzen (§ 141 AO)
Hinweis | Buchführungspflicht besteht erst ab dem Beginn des Wirtschaftsjahrs, das der Aufforderung des FA zur Bilanzierung zu wechseln folgt (§ 141 Abs. 2 AO). | ||
b)
| Einzelkaufleute übersteigen handelsrechtliche Wertgrenzen an zwei aufeinander folgenden Abschlussstichtagen (§ 241a HBG)
| ||
c)
| Umwandlung bzw. Einbringung in Personen- oder Kapitalgesellschaft
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d)
| Betriebsaufgabe oder (Teil-)Betriebsveräußerung
Hinweis | Gilt auch für Freiberufler | ||
e)
| Gewinnschätzung durch das FA
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2. | Nicht-Bilanzierungspflichtige können unter folgenden Voraussetzungen freiwillig wechseln: | ||
a) | eindeutige Wahlrechtsausübung (BFH 21.7.09, X R 46/08; MBP 12, 78) | ||
b)
| zeitnah zu Beginn des Gewinnermittlungszeitraums Erstellung einer Eröffnungsbilanz und Einrichtung einer kaufmännischen Buchführung (BFH 19.3.09, IV R 57/07) Hinweis | Ohne Eröffnungsbilanz keine Bilanzierung! | ||
Beachten Sie | Der Wechsel bindet grundsätzlich für drei Jahre; davor erneuter Wechsel zur EÜR nur bei Vorliegen eines besonderen wirtschaftlichen Grundes (H 4.6 EStH „Erneuter Wechsel der Gewinnermittlungsart“). | |||
Mögliche Gründe für einen freiwilligen Wechsel: Rückstellungsbedarf (z.B. bei betrieblichen Risiken oder Pensionszusagen), Thesaurierungsbegünstigung (§ 34a EStG), höhere Schwellenwerte für Sonderabschreibung und Investitionsabzugsbetrag (§ 7g EStG), Abgrenzungsbedarf bei hohen Anzahlungen, aussagekräftigere Zahlen für Bankkredit, geplante Betriebsveräußerung | |||
II. Relevante Korrekturen | |||
Vorbemerkungen: Bei der EÜR werden Einnahmen und Ausgaben im Zeitpunkt der Zahlung erfasst, bei der Bilanzierung ist der Leistungszeitpunkt maßgeblich. In der Eröffnungsbilanz müssen zum Zeitpunkt des Wechsels bestehende Aktiva und Passiva einschließlich Forderungen und Verbindlichkeiten mit den Werten abgebildet werden, als wenn von Anfang an bilanziert worden wäre (H 4.6 EStH „Bewertung von Wirtschaftsgütern“). Die einzelnen Bilanzpositionen sind auf erforderliche Korrekturen wegen einer evtl. unterbliebenen oder doppelten Erfassung von Gewinnauswirkungen zu prüfen. Dabei ist nicht nur das Jahr des Wechsels zu berücksichtigen, sondern die gesamte Zeit seit der Betriebseröffnung. Konkret sind folgende Grundfälle möglich: | |||
(a) | Bei der EÜR bisher noch nicht wirksame Betriebsausgaben (BA) wirken sich auch bei der Bilanzierung nicht mehr aus. | keine BA | gewinnmindernde Korrektur |
(b) | Bei der EÜR bereits gewinnmindernde BA werden bei der Bilanzierung nochmals abgezogen. | doppelte BA | gewinnerhöhende Korrektur |
(c) | Betriebseinnahmen (BE) blieben bei der EÜR mangels Zahlungseingang ohne Gewinnauswirkung, bei der Bilanzierung erfolgt auch keine Berücksichtigung. | keine BE | gewinnerhöhende Korrektur |
(d)
| BE haben sich bei der EÜR gewinnerhöhend ausgewirkt und werden bei der Bilanzierung nochmals gewinnerhöhend erfasst. | doppelte BE
| gewinnmindernde Korrektur |
| Bilanzposition/ Geschäftsvorfall | Bisherige Auswirkung bei der EÜR | Künftige Auswirkung bei der Bilanzierung | Korrektur
|
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1.
| Nicht abnutzbares Anlagevermögen | Anschaffungs-/Herstellungskosten (AK/HK) in besonderes Verzeichnis eingetragen (§ 4 Abs. 3 S. 5 EStG); BA erst bei Veräußerung oder Entnahme | AK/HK sind erfolgsneutral zu aktivieren; BA erst bei Veräußerung oder Entnahme | keine
|
Besonderheit | bei Erwerb oder Herstellung vor dem 1.1.71 bereits als BA wirksam (§ 52 Abs. 10 EStG) | (nochmals) BA bei Veräußerung oder Entnahme | Zurechnung (b) | |
Anzahlungen | wie oben; BA erst bei Veräußerung oder Entnahme | wie oben, BA erst bei Veräußerung oder Entnahme | keine | |
Teilwertabschreibung | nicht zulässig; keine BA
| möglich, dann Ausweis des Teilwerts in Eröffnungsbilanz | Abrechnung (a) | |
2.
| Abnutzbares Anlagevermögen | BA über AfA | BA über AfA | keine
|
Anzahlungen | ab Anschaffung BA über AfA | ab Anschaffung BA über AfA | keine
| |
Teilwertabschreibung | nicht zulässig; keine BA | möglich, dann Ausweis des Teilwerts in Eröffnungsbilanz | Abrechnung (a) | |
3. | Geringwertige Wirtschaftsgüter | BA über AfA oder Sofortabzug | BA über AfA oder Sofortabzug | keine |
4.
| Anlagen im Bau
| grds. Herstellungskosten für Anlagevermögen, somit BA ab Fertigstellung über AfA | erfolgsneutrale Buchung der Herstellungskosten, Aufwand somit immer erst über AfA ab Fertigstellung | keine |
5.
| Vorräte und Warenbestand
| BA bei Bezahlung (falls Verbindlichkeit, dann Abrechnung dieser) | Bestandsaktivierung in Eröffnungsbilanz; Aufwand über Wareneinsatz bzw. Bestandsveränderung | Zurechnung (b)
|
Anzahlungen
| BA bei Bezahlung
| BA nur über Wareneinsatz bzw. Bestandsveränderung | Zurechnung (b) | |
Teilwert- abschreibung | weder zulässig noch nötig, da bereits bei Bezahlung BA | möglich, dann Ausweis des Teilwerts in Eröffnungsbilanz | Zurechnung (b) nur mit Teilwert | |
6.
| Halbfertige Leistungen
| alle Kosten dazu bereits bei Zahlung BA
| Herstellungskosten in Eröffnungsbilanz zu aktivieren; Auflösung über Wareneinsatz bei Verkauf | Zurechnung (b)
|
7.
| Forderungen
| keine BE mangels Zufluss (Ausnahme: § 11 Abs. 1 S. 2 EStG, dann keine Zurechnung) | Ertrag mit Anspruch auf Zahlung, Bruttoausweis in Eröffnungsbilanz, Zufluss erfolgsneutral | Zurechnung brutto (c) |
enthaltene USt: | ||||
| bei EÜR noch keine USt | neutral; in Eröffnungsbilanz Passivposten „USt nicht fällig“ | Abrechnung USt | |
| falls USt schon ans FA abgeführt: keine Korrektur falls USt noch nicht abgeführt: -> | neutral; im Passivposten Nr. 16 „USt-Schuld“ enthalten | Korrektur unter Nr. 16 | |
| bei EÜR noch keine USt | neutral; in Eröffnungsbilanz Passivposten „USt nicht fällig“ | Abrechnung USt | |
Wertberichtigung/ Delkredere: | ||||
| keine Gewinnminderung bei Wertminderung/Ausfall, da noch keine BE | voller Ausweis der Forderung und eigener Passivposten (Einzel-/Pauschalwertberichtigung) | Abrechnung (a) | |
| keine Gewinnminderung bei Wertminderung/Ausfall, da noch keine BE | Ausweis der Forderungen mit niedrigerem (Teil-)Wert | niedrigere Zurechnung (c) der Forderung | |
Scheckforderung
| Scheck gilt als Zufluss = BE; Einlösung ohne Auswirkung | Ertrag bei Zahlungsanspruch; Einlösung ohne Auswirkung | keine | |
8.
| Vorsteuererstattungsanspruch | mangels Zahlungseingang noch keine BE | Forderungsausweis in Eröffnungsbilanz; Eingang erfolgsneutral | Zurechnung |
9.
| Finanzkonten Kasse/Bank | keine Gewinnauswirkung | keine Gewinnauswirkung | keine |
10.
| Darlehen (gewährte) | Gewährung keine BA, Tilgung keine BE | keine Gewinnauswirkung (Vermögensumschichtung) | keine
|
11.
| Damnum/Disagio (für erhaltenes Darlehen) | Darlehensabgeld BA bei Zahlung, keine Verteilung
| Aktivierung als aktiver Rechnungsabgrenzungsposten (aRAP) in Eröffnungsbilanz, Aufwand über Laufzeit | Zurechnung (b)
|
12.
| Aktive Rechnungsabgrenzung
| vorausgezahlte Versicherungsbeiträge, Zinsen oder Mieten bei Abfluss BA | vorausgezahlte Beträge als aRAP in Eröffnungsbilanz, Aufwand im Jahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit | Zurechnung (b)
|
Ausnahme: § 11 Abs. 2 S. 2 EStG, dann keine Zurechnung | ||||
13.
| Rücklagen/§ 7g EStG
| BA bei Bildung, z.B. bei Verkauf bestimmter Anlagegüter (§ 6c EStG), Ersatzbeschaffungen (R 6.6 EStR) und bei künftigen Investitionen (§ 7g EStG) | bei EÜR zulässige Rücklagen/§ 7g EStG können übernommen werden | keine |
14.
| Rückstellungen
| künftiger Aufwand keine BA mangels Zahlung
| diverse Rückstellungen zulässig, Aufwand bei Bildung in Eröffnungsbilanz, Verbrauch neutral | Abrechnung (a) |
15.
| Verbindlichkeiten | keine BA mangels Zahlung | Aufwand mit Verpflichtung zur Zahlung, Bruttoausweis in Eröffnungsbilanz, Zahlung neutral | Abrechnung brutto (a) |
enthaltene VorSt | bei EÜR noch keine BA und BE (Erstattung vom FA) | neutral; im Aktivposten Nr. 8 „VorSt-Erst.“ enthalten | Korrektur unter Nr. 8 | |
Ausnahme
| Anlagevermögen: Anschaffungskosten jeweils erst Aufwand über AfA -> grds. keine Korrektur, aber Vorsteuer gehört nicht zu den Anschaffungskosten | Korrektur unter Nr. 8 | ||
16.
| Umsatzsteuerschuld | keine BA mangels Zahlung | Passivierung in Eröffnungsbilanz; Zahlung erfolgsneutral | Abrechnung |
17.
| Anzahlungen von Kunden | Brutto-BE bei Zufluss
| Netto-Ertrag erst bei Erfüllung der Leistungsverpflichtung | Abrechnung brutto (d) |
enthaltene USt
| BE bei Zufluss, BA bei Zahlung ans FA | erfolgsneutral (Ist-Prinzip, § 13 Abs. 1 Nr. 1a S. 4 UStG) |
| |
falls noch nicht gezahlt -> in USt-Schuld (Nr. 16.) enthalten | ||||
18.
| Darlehen (erhaltene) | Gewährung keine BE, Tilgung keine BA (Vermögensebene) | keine Gewinnauswirkung (Vermögensumschichtung) | keine
|
19.
| Damnum/ Agio (für gegebenes Darlehen) | Darlehensaufgeld ist BE bei Eingang, keine Verteilung | Passivierung als passiver Rechnungsabgrenzungsposten (pRAP), Ertrag über Laufzeit | Abrechnung (d)
|
20.
| Passive Rechnungsabgrenzung
| im Voraus erhaltene Miete, Zinsen o.Ä. bereits BE bei Zahlungseingang | im Voraus erhaltene Beträge als pRAP in Eröffnungsbilanz, Ertrag im Jahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit | Abrechnung (d)
|
Ausnahme: § 11 Abs. 1 S. 2 EStG, dann keine Abrechnung | ||||
Steuerliche Berücksichtigung eines Übergangsgewinns oder -verlusts: Der Übergangsgewinn oder -verlust (Saldo aus Zu- und Abrechnungen) ist grds. im Jahr des Übergangs außerhalb der Bilanz zu berücksichtigen. Auf Antrag kann ein Übergangsgewinn auf zwei oder drei Jahre verteilt werden (R 4.6 Abs. 1 S. 4 EStR). Die Verteilung gilt dann auch für die Gewerbesteuer (§§ 163, 184 Abs. 2 S. 2 AO). Bei einer Betriebsaufgabe, -veräußerung oder -Einbringung mit Zwangsübergang ist keine Verteilung möglich (H 4.6 EStH „Keine Verteilung des Übergangsgewinns“). Hier empfiehlt sich vorausplanend ein freiwilliger Übergang bereits ein paar Jahre vorher, um die Progressionsmilderung zu retten. Hinweis | Zu der Frage, ob auch ein Übergangsverlust verteilbar ist, ist ein Verfahren vor dem BFH (VIII R 17/10) anhängig. |
Weiterführender Hinweis
- Die vorstehende Checkliste und die Checkliste „Wechsel von der Bilanzierung zur Einnahmen-Überschussrechnung“ sind unter mbp.iww.de in der Rubrik Downloads/Checklisten kostenlos abrufbar.