Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Erstattungsberechtigung bei Ehegatten


    Nachträgliche Wahl der getrennten Veranlagung kein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten


    von Dipl.-Finw. (FH) Martin Hilbertz, Neuwied


    Der BFH (30.8.12, III R 40/10, Abruf-Nr. 130952) hat klargestellt, dass die nachträgliche Wahl der getrennten Veranlagung nicht bereits deshalb rechtsmissbräuchlich i.S. des § 42 AO ist, weil die Ehefrau dadurch die von ihrem Arbeitslohn einbehaltene Lohnsteuer erstattet bekommt, während die sich für den Ehemann nach Anrechnung der Vorauszahlungen ergebenden Zahllasten nicht mehr beigetrieben werden können.

    Sachverhalt


    Im Streitfall wurden Ehegatten zunächst zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Gegen die für die Streitjahre nachträglich geänderten Einkommensteuerbescheide legte die Ehefrau Einspruch ein und beantragte getrennte Veranlagungen. Bei Addition der Einkommensteuer für die Ehefrau und den inzwischen verstorbenen Ehemann ergab sich in allen Streitjahren eine höhere Einkommensteuer als bei den Zusammenveranlagungen. Das FA lehnte die Durchführung von getrennten Veranlagungen ab, da diese rechtsmissbräuchlich i.S. von § 42 AO seien. Die Ehefrau verfolge unter Berücksichtigung der vom VII. Senat des BFH entwickelten Rechtsprechung zur Erstattungsberechtigung bei Ehegatten nach Köpfen allein den Zweck, Einkommensteuererstattungen i.H. von rund 113.000 EUR zu erlangen, während die Nachforderungen beim Ehemann wegen des abgeschlossenen Nachlasskonkursverfahrens nicht mehr beigetrieben werden könnten. Nachdem auch das FG Baden-Württemberg die Durchführung von getrennten Veranlagungen ablehnte, gab der BFH der Klage der Ehefrau schließlich statt.


    Anmerkungen


    Liegen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 S. 1 EStG vor, können Eheleute grundsätzlich zwischen Zusammenveranlagung und getrennter Veranlagung frei wählen, wobei die Wahlrechtsausübung an keine besondere Frist gebunden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (24.1.02, III R 49/00) kann das Wahlrecht deshalb bis zur Unanfechtbarkeit eines Änderungsbescheids ausgeübt und eine einmal getroffene Wahl hinsichtlich der Veranlagungsart - vorbehaltlich rechtsmissbräuchlicher oder willkürlicher Antragstellung - bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem FG widerrufen werden.


    Nach Ansicht des BFH war die nachträgliche Wahl der Ehefrau auf getrennte Veranlagungen im Streitfall weder willkürlich noch rechtsmissbräuchlich i.S. des § 42 AO. Der BFH beurteilte den Antrag bereits deshalb nicht als missbräuchlich, weil die Ehefrau das von ihr verfolgte Ziel - Vereinnahmung von Erstattungen i.H. von über 110.000 EUR, während sie als Alleinerbin ihres Ehemanns infolge des Nachlasskonkursverfahrens für Nachforderungen nicht einzustehen braucht - angesichts der Fortentwicklung der Rechtsprechung nicht erreichen kann.


    Nach der Rechtsprechung des VII. Senats des BFH kann das FA davon ausgehen, dass derjenige Ehegatte, der auf die gemeinsame Steuerschuld zahlt, mit seiner Zahlung auch die Steuerschuld des anderen Ehegatten begleichen will. Die unterstellte Tilgungsabsicht hatte nach bisheriger Sichtweise zur Folge, dass im Fall einer Überzahlung beide Ehegatten nach § 37 Abs. 2 AO erstattungsberechtigt sind und der Erstattungsbetrag zwischen ihnen nach Köpfen aufzuteilen ist (BFH 30.9.08, VII R 18/08).


    Diese Rechtsprechung hat der VII. Senat des BFH (22.3.11, VII R 42/10) jedoch dahingehend fortentwickelt, dass eine Erstattung von Vorauszahlungen im Regelfall nur hinsichtlich des Betrags in Betracht kommt, um den die Vorauszahlungen die Summe der für beide Ehegatten festgesetzten Einkommensteuer übersteigen. Sofern nach Abrechnung der für beide Eheleute festgesetzten Steuern von den geleisteten Vorauszahlungen noch ein Rest verbleibt, ist dieser den Ehegatten anteilig zu erstatten.


    Hinweis | Bei hälftiger Aufteilung der Vorauszahlungen würde der Teil des Vorauszahlungsbetrags, der auf den Ehegatten mit der geringeren Steuerlast entfällt, nicht vollständig auf eine Steuerschuld angerechnet, während der Ehegatte mit der höheren Steuerbelastung nachzahlen müsste. Durch die fortentwickelte Rechtsprechung soll gerade eine Situation wie im Streitfall vermieden werden, d.h. ein Ausfallen des Fiskus mit einer Steuerforderung, wenn der höher belastete Steuerschuldner zwischenzeitlich seine Leistungsfähigkeit verloren hat, obwohl die Steuer durch die geleisteten Vorauszahlungen bereits gesichert schien.


    Praxishinweise


    Durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 wurden die Veranlagungsarten für Eheleute von sieben auf vier Veranlagungs- und Tarifvarianten reduziert. Ab dem VZ 2013 entfallen die getrennte Veranlagung nach § 26a EStG a.F. sowie die besondere Veranlagung im Jahr der Eheschließung nach § 26c EStG a.F. (mit Grundtarif oder Witwensplitting).


    Zudem kann die Wahl der Veranlagungsart innerhalb eines Veranlagungszeitraums nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Steuerbescheids nach § 26 Abs. 2 S. 4 EStG nur noch dann geändert werden, wenn


    • ein Steuerbescheid, der die Ehegatten betrifft, aufgehoben, geändert oder berichtigt wird und
    • die Änderung der Wahl der Veranlagungsart dem FA bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit des Änderungs- oder Berichtigungsbescheids mitgeteilt worden ist und
    •  die Einkommensteuer bei der geänderten Veranlagungsart niedriger ist, als bei der bisherigen Veranlagungsart. Die Einkommensteuer der einzeln veranlagten Ehegatten ist hierbei zusammenzurechnen.


    Weiterführender Hinweis


    • Das BMF (31.1.13, IV A 3 - S 0160/11/10001 „Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO bei der Einkommensteuer; Erstattungsberechtigung und Reihenfolge der Anrechnung in Nachzahlungsfällen“) hat die aktuelle Rechtsprechung des BFH in einem überarbeiteten Schreiben anhand von Beispielen dargestellt.
    Quelle: Ausgabe 04 / 2013 | Seite 59 | ID 38376770